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Lorentzsche Äthertheorie

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Die Lorentzsche Äthertheorie (auch Neue Mechanik, Lorentzsche Elektrodynamik, Lorentzsche Elektronentheorie, nach dem englischen „Lorentz ether theory“ auch häufig LET abgekürzt) war der Endpunkt in der Entwicklung des klassischen Lichtäthers, in dem sich Lichtwellen analog zu Wasserwellen und Schallwellen in einem Medium ausbreiten. Die Theorie wurde vor allem von Hendrik Antoon Lorentz und Henri Poincaré entwickelt und danach durch die mathematisch äquivalente Spezielle Relativitätstheorie von Albert Einstein und Hermann Minkowski abgelöst.


Die Annahme eines ruhenden Äthers scheint dem Ergebnis des Michelson-Morley-Experiment zu widersprechen, bei dem der Nachweis einer Bewegung der Erde relativ zu diesem Äther scheiterte. In der Lorentzschen Äthertheorie wird dieser Widerspruch über die Einführung von Lorentztransformationen aufgelöst. Dabei werden jedoch die Längenkontraktion und Zeitdilatation als Prozesse verstanden, denen relativ zu einem Äther bewegte Maßstäbe und Uhren unterworfen sind, während Raum und Zeit unverändert bleiben. Damit werden diese Effekte als asymmetrisch betrachtet, das heißt bewegte Maßstäbe sind tatsächlich kürzer und Uhren gehen tatsächlich langsamer. Ein bewegter Beobachter schätzt ruhende Maßstäbe zwar in identischer Weise als kürzer und ruhende Uhren als langsamer ein, diese Einschätzung wird jedoch als Täuschung interpretiert, da sie der bewegte Beobachter unter Verwendung verfälschter Maßstäbe und Uhren gewinnt. Die Symmetrie der Beobachtungen und damit die offensichtliche Gültigkeit eines phänomenologischen Relativitätsprinzips wird als Folge einer eher zufälligen Symmetrie der zugrunde liegenden dynamischen Prozesse interpretiert. Sie verhindert jedoch die Möglichkeit, die eigene Geschwindigkeit relativ zum Äther zu bestimmen, und macht ihn damit zu einer prinzipiell unzugänglichen Größe in der Theorie. Solche Größen sollten laut dem Ockhamschen Rasiermesser wenn möglich vermieden werden, was der Grund ist, warum diese Theorie als überholt gilt und kaum noch vertreten wird.

In der speziellen Relativitätstheorie sind Längenkontraktion und Zeitdilatation dagegen eine Folge der Eigenschaften von Raum und Zeit und nicht von materiellen Maßstäben und Uhren. Die Symmetrie dieser Effekte ist eine Folge der Gleichwertigkeit der Beobachter, die als Relativitätsprinzip der Theorie zugrunde liegt. Alle Größen der Theorie sind experimentell zugänglich.

Historische Entwicklung

Hendrik Antoon Lorentz

Grundkonzept

Äther und Elektronen

Die Lorentzsche Äthertheorie, die hauptsächlich zwischen 1892 und 1906 von Lorentz und Poincaré entwickelt wurde, beruhte auf der Weiterentwicklung von Augustin Jean Fresnels Äthertheorie, den Maxwell-Gleichungen und der Elektronentheorie von Rudolf Clausius.[1] Lorentz führte eine strikte Trennung zwischen Materie (Elektronen) und Äther ein, wobei in seinem Modell der Äther völlig unbewegt ist und von bewegten Körpern nicht mitgeführt wird. Max Born[2] identifizierte den Lorentz-Äther dann überhaupt mit dem absoluten Raum Isaac Newtons. Der Zustand dieses Äthers kann im Sinne der Maxwell-Lorentzschen Elektrodynamik durch das elektrische Feld E und das magnetische Feld H beschrieben werden, wobei diese Felder als von den Ladungen der Elektronen verursachte Anregungszustände bzw. Vibrationen im Äther aufgefasst wurden. Hier tritt also ein abstrakter elektromagnetischer Äther an die Stelle der älteren mechanischen Äthermodelle. Im Gegensatz zu Clausius, der annahm dass die Elektronen durch Fernwirkung aufeinander wirken, nahm Lorentz als Vermittler zwischen den Elektronen eben dieses elektromagnetische Feld des Äthers an, in dem sich Wirkungen maximal mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten können. Lorentz konnte aus seiner Theorie beispielsweise den Zeeman-Effekt theoretisch erklären, wofür er 1902 den Nobelpreis erhielt. Joseph Larmor entwarf ungefähr gleichzeitig (1897, 1900) mit Lorentz eine ähnliche Elektronen- oder Äthertheorie, welche jedoch auf einem mechanischen Äther beruhte.[3]

Korrespondierende Zustände

Ein fundamentales Konzept der Theorie war das 1895[4] von Lorentz eingeführte "Theorem der korrespondierenden Zustände" für Größen zu v/c (d.h. für Geschwindigkeiten die gering sind im Vergleich zur Lichtgeschwindigkeit), aus dem folgt, dass ein im Äther bewegter Beobachter annähernd die selben Beobachtungen in seinem „fiktiven“ Feld macht wie ein im Äther ruhender Beobachter in seinem „realen“ Feld. Dieses Theorem wurde von Lorentz (1904)[5] für alle Größenordnungen erweitert und in Übereinstimmung mit dem Relativitätsprinzip von Poincaré (1905, 1906)[6][7] und Lorentz (1906, 1916)[8] komplettiert.

Längenkontraktion

Ein große Herausforderung für diese Theorie war das 1887 durchgeführte Michelson-Morley-Experiment.[9] Nach den Theorien von Fresnel und Lorentz hätte mit diesem Experiment eine Relativbewegung zum Äther festgestellt werden müssen, die Ergebnisse waren jedoch negativ. Albert Abraham Michelson selbst vermutete, dass das Ergebnis für eine vollständige Mitführung des Äthers sprach, doch andere Versuche, die Aberration und die Maxwell-Lorentzsche Elektrodynamik waren mit einer vollständigen Mitführung kaum vereinbar.

1889 leitete Oliver Heaviside aus den Maxwell-Gleichungen ab, dass das elektrostatische Feld um einen bewegten, kugelförmigen Körper in Bewegungsrichtung um den Faktor verkürzt sei (der sogenannte Heaviside-Ellipsoid).[10] Und 1889 schlugen George Francis FitzGerald[11] (allerdings nur qualitativ) und unabhängig von ihm Lorentz 1892[12] (bereits quantitativ ausgearbeitet) vor, dass die molekularen Kräfte während der Bewegung durch den Äther auf allerdings unbekannte Weise derart beeinflusst werden, dass die in Bewegungsrichtung liegende Interferometeranordnung um den angenäherten Faktor kürzer ist als der senkrecht dazu stehende Teil. Lorentz selbst schlug 1895[4] verschiedene Möglichkeiten vor um die relative Verkürzung herbeizuführen:

  • Das Interferometer kontrahiert in Bewegungsrichtung und verändert seine Länge senkrecht dazu nicht.
  • Die Länge des Interferometers bleibt in Bewegungsrichtung gleich, dilatiert jedoch senkrecht dazu.
  • Das Interferometer kontrahiert in Bewegungsrichtung, und dilatiert gleichzeitig in etwas größerem Ausmaß senkrecht dazu.

Obwohl selbst Lorentz diese Hypothese zu Beginn als seltsam bezeichnete, wies er bereits 1895 auf die Übereinstimmung mit anderen elektrischen Vorgängen wie der Verkürzung bei elektrostatischen Feldern hin. Die Lorentzkontraktion der im Äther gemessenen Länge l0 in Bewegungsrichtung (ohne Expansion senkrecht dazu) mit dem präzisen Faktor gemäß wurde von Larmor (1897)[3] und Lorentz (1904)[5] angegeben: Ein mit der Erde mitbewegter Beobachter würde von dieser Kontraktion, welche im Falle der Bewegung der Erde um die Sonne nur 1/200.000.000 beträgt, nichts bemerken, da alle Maßstäbe ebenso von diesem Effekt betroffen sind.

Ortszeit

Ein wichtiger Teil des Theorems der korrespondierenden Zustände war die von Lorentz 1895[4] eingeführte Ortszeit , wo t die Zeitkoordinate ist, welche ein im Äther ruhender Beobachter benutzt und t' der Wert ist, den ein zum Äther bewegter Beobachter benutzt. (Wobei Woldemar Voigt bereits 1887 im Zusammenhang mit dem Dopplereffekt und einem inkompressiblen Medium ebenfalls die selbe Ortszeit verwendete).[13] Aber während für Lorentz die Längenkontraktion ein realer, physikalischer Effekt war, bedeutete für ihn die Ortszeit vorerst nur eine Vereinbarung oder nützliche Berechnungsmethode. Mit Hilfe der Ortszeit und dem mathematischen Formalismus seiner korrespondierenden Zustände konnte Lorentz die Aberration des Lichts, den Dopplereffekt und die von Armand Hippolyte Louis Fizeau gemessene Abhängigkeit der Lichtgeschwindigkeit in bewegten Flüssigkeiten erklären, ohne eine „teilweise Mitführung“ des Äthers (im Sinne der Äthertheorie Fresnels) annehmen zu müssen.

Deutlich weiter ging Poincaré, der in der Lorentzsche Ortszeit mehr als einen mathematischen Kunstgriff sah. So schrieb er 1898 in einem philosophischen Aufsatz:[14]

„Wir haben keine unmittelbare Anschauung für die Gleichzeitigkeit, ebenso wenig wie für die Gleichheit zweier Zeiträume. Wenn wir diese Anschauung zu haben glauben, so ist das eine Täuschung. Wir halten uns an bestimmte Regeln, die wir meist anwenden, ohne uns Rechenschaft darüber zu geben [...] Wir wählen also diese Regeln, nicht, weil sie wahr sind, sondern weil sie die bequemsten sind, und wir können sie zusammenfassen und sagen: Die Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse oder ihre Aufeinanderfolge und die Gleichheit zweier Zeiträume müssen derart definiert werden, dass der Wortlaut der Naturgesetze so einfach wie möglich wird.“

1900 interpretierte er dann die Ortszeit als Ergebnis einer mit Lichtsignalen durchgeführten Synchronisation. Er nahm an, dass zwei im Äther bewegte Beobachter A und B ihre Uhren mit optischen Signalen synchronisieren. Da sie glauben, sich in Ruhe zu befinden, müssen sie jetzt nur noch die Lichtlaufzeiten berücksichtigen und ihre Signale kreuzen um zu überprüfen, ob ihre Uhren synchron sind. Hingegen aus Sicht eines im Äther ruhenden Beobachters läuft eine Uhr dem Signal entgegen, und die andere läuft ihm davon. Die Uhren sind also nicht synchron, sondern zeigen nur die Ortszeit an. Da die Beobachter aber kein Mittel haben zu entscheiden, ob sie in Bewegung sind oder nicht, werden sie von dem Fehler nichts bemerken.[15] 1904 illustrierte er die selbe Methode auf folgende Weise: A sendet zum Zeitpunkt 0 ein Signal nach B, welche bei der Ankunft t anzeigt. Und B sendet zum Zeitpunkt 0 ein Signal nach A, welche bei der Ankunft t anzeigt. Wenn in beiden Fällen t den selben Wert ergibt sind die Uhren synchron.[16] Wie Darrigol[17] und Jannsen[18] ausführen, verstand Poincaré daher im Gegensatz zu Lorentz die Ortszeit genauso wie die Längenkontraktion als realen physikalischen Effekt. Im Gegensatz zu Einstein, der 1905 eine ähnliche Prozedur benutzte, welche heute als Einstein-Synchronisation bekannt ist, blieb Poincaré aber bei der seiner Ansicht nach „bequemeren“ Vorstellung, dass die „wahre“ Zeit trotzdem nur von im Äther ruhenden Uhren angezeigt werde.[16]

Jedoch wurde vorerst nicht erkannt, dass aus der Ortszeit die Existenz der Zeitdilatation folgt. Die verlangsamte Gang von Uhren wurde von Larmor 1897[3] definiert, als er durch Kombination der Ortszeit mit dem Faktor feststellte, dass periodische Vorgänge von bewegten Objekten im Äther langsamer als bei ruhenden Objekten abliefen. [3] Das ergab sich dann auch aus der Arbeit von Lorentz 1899,[19] der erkannte, dass die Vibrationen eines oszillierenden Elektrons, welches sich relativ zum Äther bewegt, langsamer verlaufen.[18]

Lorentz-Transformation

Hauptartikel: Geschichte der Lorentz-Transformation

1887[13] leitete Voigt (mit einem falschen Skalenfaktor) ähnliche Gleichungen ab, welche später als Lorentztransformation bekannt wurden. Basierend auf seinem Theorem der korrespondierenden Zustände war auch Lorentz 1895[4] für Größen erster Ordnung zu v/c im Besitz ähnlicher Gleichungen. Larmor (1897)[3] und Lorentz (1899)[19] erweiterten diese Gleichungen für Größen der Ordnung v²/c² und gaben ihnen eine Form, welche äquivalent mit den bis heute benutzten ist. 1904[5] kam Lorentz sehr nahe einer Theorie, in welcher alle Kräfte zwischen den Molekülen, welcher Natur sie auch seien, in der selben Weise der Lorentztransformation unterworfen sind wie elektrostatische Kräfte. Dieser Schritt war aufgrund der erfolglosen Ätherdriftexperimente wie dem Trouton-Noble-Experiment notwendig geworden. Nach Paul Langevin (1905)[20] führt diese Erweiterung der Theorie von Lorentz und Larmor zur physikalischen Unmöglichkeit der Entdeckung einer Bewegung zum Äther.

Wie Poincaré jedoch am 5. Juni 1905[7] zeigte, war es Lorentz nicht gelungen, die vollständige Lorentz-Kovarianz der elektromagnetischen Gleichungen zu zeigen. Er korrigierte den Makel in Lorentz' Anwendung der Gleichungen (z.b. im Zusammenhang mit der Ladungsdichte und Geschwindigkeit), zeigte die Gruppeneigenschaft dieser Transformation auf, sprach vom „Postulat der vollständigen Unmöglichkeit der Bestimmung einer absoluten Bewegung“ und sprach die Möglichkeit einer Gravitationstheorie (inkl. Gravitationswellen) an, welche diesen Transformationen entsprach. (Wobei eine Funktion von ist, welche gleich 1 gesetzt werden muss um die Gruppeneigenschaft zu erhalten. Die Lichtgeschwindigkeit setzte er ebenfalls auf 1).

wo

Eine deutlich erweiterte Fassung dieser Schrift (auch als Palermo-Arbeit bekannt)[6] wurde am 23. Juli 1905 übermittelt, aber erst im Januar 1906 veröffentlicht, was auch daran lag, dass das betreffende Journal nur zwei mal im Jahr erschien. (Einstein veröffentlichte seine Arbeit über die Elektrodynamik genau zwischen den beiden von Poincaré.) Im Zusammenhang mit seiner Gravitationsauffassung zeigte Poincaré, dass die Kombination invariant ist und führte dabei den Ausdruck als vierte Koordinate eines vierdimensionalen Raums ein - er benutzte dabei Vierervektoren bereits vor Minkowski. Er sprach von dem „Postulat der Relativität“; er zeigte dass die Transformationen eine Konsequenz des Prinzip der kleinsten Wirkung sind und er demonstrierte ausführlicher als vorher deren Gruppeneigenschaft, wobei er den Namen Lorentz-Gruppe („Le groupe de Lorentz“) prägte. Allerdings merkte Poincaré später an, dass eine Neuformulierung der Physik in eine vierdimensionale Sprache zwar möglich, aber zu umständlich ist und deshalb geringen Nutzen habe, weshalb er seine diesbezüglichen Ansätze nicht weiterverfolgte.[21] Dies wurde später erst durch Minkowski getan.

Prinzipien und Konventionen

Henri Poincaré

Konstanz der Lichtgeschwindigkeit

Bereits in seiner philosophischen Schrift über die Zeitmessungen (1898)[14] schrieb Poincaré, dass Astronomen wie Ole Rømer bei der Interpretation der Messung der Lichtgeschwindigkeit an Hand der Monde des Jupiter von dem Postulat ausgehen müssen, dass das Licht konstant und in alle Richtungen gleich schnell ist. Ansonsten würden andere Gesetze wie das Gravitationsgesetz sehr viel komplizierter ausfallen. (Allerdings ist hier nicht vollkommen klar, ob nach Poincaré dieses Postulat Gültigkeit für alle Bezugssysteme hat.) Ebenso muss die Ausbreitungsgeschwindigkeit bei der Bestimmung der Gleichzeitigkeit von Ereignissen berücksichtigt werden. Dieses Verfahren führte Poincaré 1900[15] schließlich bei seiner Interpretation der Lorentzschen Ortszeit durch, wobei die Ortszeit (neben der Kontraktionshypothese) für die beobachtete Gültigkeit des Relativitätsprinzips notwendig ist, wie Poincaré mehrmals betonte. Und 1904 fasste er den Zusammenhang zwischen der Lorentzschen Theorie und der Lichtgeschwindigkeeit auf diese Weise zusammen:[16]

„Aus all diesen Resultaten würde, wenn sie sich bestätigen, eine ganz neue Methode hervorgehen, die hauptsächlich durch die Tatsache charakterisiert würde, daß keine Geschwindigkeit die des Lichtes übersteigen könnte ebenso wie auch keine Temperatur unter den absoluten Nullpunkt fallen kann. Für einen Beobachter, der selbst in einer ihm unbewußten Bewegung mitgeführt wird, könnte ebenfalls keine scheinbare Geschwindigkeit die des Lichtes übersteigen, und dies wäre ein Widerspruch, wenn man sich nicht daran erinnerte, daß sich dieser Beobachter nicht der gleichen Uhren bedient wie ein feststehender Beobachter, sondern solcher Uhren, die die "Ortszeit" zeigen.“

Relativitätsprinzip

Bereits 1895[22] nahm Poincaré an, dass das Michelson-Morley-Experiment zu zeigen scheint, dass es unmöglich ist eine absolute Bewegung oder die Bewegung der Materie relativ zum Äther zu messen. Obwohl die meisten Physiker glaubten, dass das "Prinzip der relativen Bewegung" unverträglich mit dem Äther sei, bekräftigte er 1900[23] seine Meinung, dass immer nur relative Bewegungen der Körper untereinander, aber keine Relativbewegung zum Äther festgestellt werden wird. 1904[16] würdigte er die Arbeit der Mathematiker, welche das "Prinzip der Relativität" mit Hypothesen wie der Ortszeit gerettet haben, kritisierte aber gleichzeitig die Künstlichkeit der jeweils nach Bedarf entworfenen Annahmen. Dabei definierte er das Prinzip der Relativität folgendermaßen: „Das Prinzip der Relativität, nach dem die Gesetze der physikalischen Vorgänge für einen feststehenden Beobachter die gleichen sein sollen, wie für einen in gleichförmiger Translation fortbewegten, so dass wir gar keine Mittel haben oder haben können, zu unterscheiden, ob wir in einer derartigen Bewegung begriffen sind oder nicht.

Bezug nehmend auf den Einwand Poincarés von 1900,[23] der anstatt der Anhäufung von Hypothesen wie der Längenkontraktion und der Ortszeit die Erstellung einer grundlegenden Theorie forderte, schrieb Lorentz 1904:[5]Sicherlich haftet diesem Aufstellen von besonderen Hypothesen für jedes neue Versuchsergebnis etwas Künstliches an. Befriedigender wäre es, könnte man mit Hilfe gewisser grundlegender Annahmen zeigen, daß viele elektromagnetische Vorgänge streng, d. h. ohne irgendwelche Vernachlässigung von Gliedern höherer Ordnung, unabhängig von der Bewegung des Systems sind.

Obwohl Poincaré 1905 zeigte, dass Lorentz seine Arbeit nicht vollendet hatte, schrieb er ihm dieses Postulat zu:[7] Vorlage:"-fr

1906[6] bezeichnete Poincaré dies als das Postulat der Relativität (Postulat de Relativité). Und obwohl er angab dass dieses Postulat vielleicht widerlegt werden könnte (und tatsächlich erwähnte er, dass die Entdeckung der magnetischen Kathodenstrahlen die Theorie gefährdet), sei es trotzdem interessant die Konsequenzen zu betrachten, wenn das Postulat ohne Einschränkung gültig sei. Das impliziere auch, dass alle Kräfte der Natur (nicht nur elektromagnetische) invariant unter der Lorentztransformation sind.

1921[24] würdigte auch Lorentz die Leistungen von Poincaré im Zusammenhang mit dem Etablierung des Relativitätsprinzips: Vorlage:"-fr

Die Rolle des Äthers

Poincaré schrieb 1889 im Sinne seiner Philosophie des Konventionalismus:[25]Es kümmert uns wenig, ob der Äther wirklich existiert; das ist Sache des Metaphysikers; wesentlich für uns ist nur, dass alles sich abspielt, als wenn er existierte, und dass diese Hypothese für die Erklärung der Erscheinungen bequem ist. Haben wir übrigens eine andere Ursache, um an das Dasein der materiellen Objekte zu glauben? Auch das ist nur eine bequeme Hypothese, nur wird sie nie aufhören zu bestehen, während der Äther eines Tages ohne Zweifel als unnütz verworfen wird.

1901 stritt er auch die Existenz eines absoluten Raums oder einer absoluten Zeit ab:[26]1. Es gibt keinen absoluten Raum, und wir begreifen nur relative Bewegungen; trotzdem spricht man die mechanischen Tatsachen öfters so aus, als ob es einen absoluten Raum gäbe, auf den man sie beziehen könnte. 2. Es gibt keine absolute Zeit; wenn man sagt, daß zwei Zeiten gleich sind, so ist das eine Behauptung, welche an sich keinen Sinn hat und welche einen solchen nur durch Übereinkommen erhalten kann. 3. Wir haben nicht nur keinerlei direkte Anschauung von der Gleichheit zweier Zeiten, sondern wir haben nicht einmal diejenige von der Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse, welche auf verschiedenen Schauplätzen vor sich gehen; das habe ich in einem Aufsatze unter dem Titel: la Mesure du temps dargelegt.

Poincaré verwendete den Ätherbegriff jedoch weiter und begründete den Nutzen des Äthers 1900[23] damit, dass erklärt werden müsse, wo sich der Lichtstrahl eigentlich befinde, nachdem er die Quelle verlassen hat und bevor er den Empfänger erreicht. Denn in der Mechanik müsse ein Zustand exakt durch den vorhergehenden Zustand bestimmt sein. Um also die Einfachheit oder Bequemlichkeit der mechanischen Naturgesetze nicht aufgeben zu müssen, werde ein materieller Träger benötigt. Und obwohl er den relativen und konventionellen Charakter von Raum und Zeit betonte, glaubte er dass die klassische Konvention "bequemer" ist und fuhr fort zwischen der "wahren" und der "scheinbaren" Zeit zu unterscheiden. Z.b. schrieb er 1912 zu der Frage, ob die gewohnten Konventionen zu Raum und Zeit tatsächlich geändert werden müssen:[27]Sind wir gezwungen, unsere Schlußfolgerungen umzuformen? Gewiß nicht! Wir haben eine Übereinkunft angenommen, weil sie uns bequem scheint, und gesagt, dass nichts uns zwingen könnte, sie aufzugeben. Heute wollen manche Physiker eine neue Übereinkunft annehmen. Nicht, als ob sie dazu gezwungen wären; sie sind der Ansicht, dass diese Übereinkunft bequemer ist; das ist alles. Wer nicht dieser Ansicht ist, kann mit voller Berechtigung bei der alten bleiben, um sich nicht in seinen gewohnten Vorstellungen stören zu lassen. Ich glaube, unter uns gesagt, dass man es noch lange Zeit tun wird.

Und auch Lorentz schrieb 1913:[28]Gesetzt, es gäbe einen Äther; dann wäre unter allen Systemen x, y, z, t eines dadurch ausgezeichnet, daß die Koordinatenachsen sowie die Uhr im Äther ruhen. Verbindet man hiermit die Vorstellung (die ich nur ungern aufgeben würde), daß Raum und Zeit etwas völlig Verschiedenes seien und daß es eine „wahre Zeit“ gebe (die Gleichzeitigkeit würde dann unabhängig vom Orte bestehen, entsprechend dem Umstande, daß uns die Vorstellung unendlich großer Geschwindigkeiten möglich ist), so sieht man leicht, daß diese wahre Zeit eben von Uhren, die im Äther ruhen, angezeigt werden müßte. Wenn nun das Relativitätsprinzip in der Natur allgemeine Gültigkeit hätte, so würde man allerdings nicht in der Lage sein, festzustellen, ob das gerade benutzte Bezugssystem jenes ausgezeichnete ist.

Masse, Energie und Geschwindigkeit

EM-Ruhemasse und EM-Energie

1881[29] erkannte Joseph John Thomson, dass geladene Körper schwerer in Bewegung zu versetzen sind als ungeladene. Elektrostatische Felder verhalten sich so, als ob sie den Körpern neben der mechanischen eine elektromagnetische Masse hinzufügen würden. Dies wurde u.a. von Heaviside (1889) und George Frederick Charles Searle (1896)[30] präzisiert. Dabei wurde die Annahme diskutiert, ob die bekannte Materie ausschließlich elektrischen Ursprungs sei und Wilhelm Wien (1900),[31] Max Abraham (1902)[32] und Lorentz (1904)[5] kamen zu dem Schluss, dass die Masse eines Körpers überhaupt identisch sei mit der em-Masse. Dabei ergab sich bei im Äther ruhenden Körpern der Zusammenhang von em-Ruhemasse m0 und em-Energie mit . Jedoch wurde nicht erkannt, dass Energie Trägheit von einem Körper zum anderen übertragen kann, was vollständig erst von Einstein erkannt wurde - siehe den Abschnitt „Trägheit der Energie“.

Die Idee einer elektromagnetischen Natur der Materie musste danach jedoch im Zuge der Weiterentwicklung der relativistischen Mechanik aufgegeben werden. Es ergab sich nämlich, dass bei der Berechnung der em-Masse unterschiedliche Ergebnisse auftraten, abhängig davon ob man von der Energie oder vom Impuls ausging, vor allem der oben angegebene 4/3-Faktor musste kompensiert werden. Poincaré führte 1905[7] und 1906[6] deswegen eine Art Kohäsionsdruck als nicht-elektrische Kraft eine, welche die em-Masse um den Betrag modifizierte, wodurch der 4/3-Faktor verschwand. Max von Laue zeigte 1910, dass Poincarés Modell allerdings nur eine von unendlich vielen möglichen Kompensationsmechanismen war. [18]

Masse und Geschwindigkeit

Wie oben beschrieben haben Thomson, Heaviside und Searle erkannt, dass em-Energie die Trägheit von Körpern erhöhen kann. Dabei bemerkten sie, dass diese Trägheit auch von der Geschwindigkeit der Körper abhängt. Dem folgend errechnete Lorentz (1899),[19] dass die Masse m0 bei größerer Geschwindigkeit senkrecht zur Bewegungsrichtung um und parallel zur Bewegungsrichtung um wächst und bei Lichtgeschwindigkeit unendlich groß wird. (Wobei , v ist die Relativgeschwindigkeit zwischen Äther und Objekt und c ist die Lichtgeschwindigkeit.) Diese Gedanken wurden durch Abraham 1902[32] weiterentwickelt, welcher dafür die Bezeichnungen „transversale“ und „longitudinale“ Masse einführte. Jedoch sind dessen mathematischen Terme etwas komplizierter als die von Lorentz benutzten, da in Abrahams Theorie das Elektron nicht in Bewegungsrichtung kontrahiert ist. Lorentz selbst erweiterte seine Theorie in der wichtigen Arbeit von 1904.[5] Kein Körper kann daher nach dieser Theorie die Lichtgeschwindigkeit erreichen. Die Zunahme der Masse wurde zuerst durch die Experimente von Walter Kaufmann (1902)[33] bestätigt, welche jedoch nicht genau genug waren, um zwischen den Theorien von Lorentz und Abraham zu unterscheiden.

Poincaré illustrierte 1904[16] die elektrodynamische Trägheit als „Widerstand des Äthers“, das heißt die Elektronen können ihre Position nicht verändern, ohne Vibrationen im Äther auszulösen, was einen zusätzlichen Energieaufwand bei der Beschleunigung bewirkt. Da es das Relativitätsprinzip erfordert, gilt die Abhängigkeit von der Geschwindigkeit nicht nur für die elektrodynamische Masse, sondern auch für die normale mechanische Masse der Materie, sofern sie wie gesagt überhaupt existiert. Poincaré folgerte weiter, dass aufgrund der Veränderlichkeit der Masse der Massenerhaltungssatz nicht mehr gültig sein könne. Da nun der Begriff Materie mit dem der Masse untrennbar verbunden sei, folgerte Poincaré 1906, existiere die Materie eigentlich gar nicht mehr, sondern nur die Felder oder Vibrationen des Äthers, und die Elektronen seien sozusagen nur noch „Höhlungen im Äther“. 1908 bezeichnete Poincaré diese elektrodynamische Masse als „fiktive“ Masse und illustrierte die Zusammenhänge mit Hilfe einer jeglicher Viskosität entbehrenden Flüssigkeit, in der sich ein Körper bewegt. Der Körper wird bei Richtungsänderungen in dieser Flüssigkeit einen Widerstand erfahren, danach jedoch bewegt er sich geradlinig gleichförmig, denn der Widerstand wird (bildhaft betrachtet) durch eine Art mitgeführtes Kielwasser (in dem Fall die mitgeführten elektromagnetischen Felder) kompensiert. Diese Energie wirke daher so, als ob sie die Trägheit des Elektrons vergrößern würde. Bei jeder Beschleunigung muss zusätzlich die mitgeführte Energie erhalten werden.[34]

Das Massenkonzept von Lorentz wurde von Einstein (1905)[35] in der Frühzeit der Relativitätstheorie übernommen. Weitere Messungen von Kaufmann (1905)[36] schienen den Theorien von Lorentz und Einstein zu widersprechen und die Theorie Abrahams zu bestätigen. Hingegen die Messungen von u.a. Alfred Heinrich Bucherer (1908)[37] und Günther Neumann (1914)[38] schienen das Lorentz-Einsteinsche Massenmodell zu bestätigen. Jedoch spätere Untersuchungen zeigten, dass die Kaufmann-Bucherer-Neumann Experimente im Grunde alle nicht genau genug waren, um eine Entscheidung zwischen den konkurrierenden Theorien herbeizuführen. Das Abrahamsche Modell wurde dann erst 1940 endgültig widerlegt.[18] Später wurde ein ähnliches Konzept (allerdings ohne longitudinale und transversale Masse) als relativistische Masse bezeichnet und von bedeutenden Physikern wie Born[2] oder Wolfgang Pauli[39] in ihren Lehrbüchern zur Relativitätstheorie benutzt. Heute wird dieses Konzept nur noch selten verwendet und der Begriff der invarianten Masse wird als Massenbegriff bevorzugt.

Trägheit der Energie

Bereits James Clerk Maxwell (1874)[40] und Adolfo Bartoli (1876)[41] stellten fest, dass aus der elektromagnetischen Theorie die Existenz von Spannungen folgt, wie sie z.B. in Form des Strahlungsdrucks in Erscheinung treten. Lorentz erkannte 1895,[4] dass in seiner Theorie der Äther ebenfalls in der Lage ist, Kräfte zu entfalten welche die Materie in Bewegung versetzten können. Damit das Reaktionsprinzips aufrechterhalten werden kann, müsste umgekehrt auch der Äther in Bewegung gesetzt werden. Das war jedoch im völlig unbeweglichen Lorentzschen Äther nicht möglich und das stellt eine Verletzung des Reaktionsprinzips dar, was Lorentz jedoch bewusst in Kauf nahm. Er führte weiter aus, dass man nur noch von „fingierten“ Spannungen sprechen könne, da diese nun reine Rechenausdrücke sind, um die Beschreibung der elektrodynamischen Wechselwirkungen zu erleichtern.

Poincaré untersuchte 1900[15] diese Probleme am Beispiel der Schwerpunktbewegung von Materie, welche der Wirkung eines elektromagnetischen Feldes ausgesetzt ist. Dabei zeigte sich tatsächlich, dass das Reaktionsprinzip nicht auf die Materie alleine anwendbar ist, sondern es muss angenommen werden, dass die elektromagnetische Energie einem mit Trägheit und Impuls ausgestatteten „fiktiven“ oder „fingierten“ Fluid („fluide fictif“) vergleichbar ist, wobei Poincaré die Massendichte dieses Fluids mit (also ) angab. Wird nun angenommen, dass das gesamte Schwerpunktsystem aus der Masse der Materie und der Masse des fiktiven Fluids besteht, und wird die Unzerstörbarkeit des fiktiven Fluid vorausgesetzt (das heißt es wird weder erzeugt noch vernichtet), bleibt nach Poincaré die Schwerpunktsbewegung erhalten. Da jedoch elektromagnetische Energie in andere Energieformen umgewandelt werden kann, ist die Unzerstörbarkeit des fiktiven Fluids nicht garantiert, was den Unterschied zu einem realen Fluid ausmacht. Deshalb muss angenommen werden, dass an jedem Punkt des Raumes ein nicht-elektrisches Energiereservoir oder Fluid existiert, aus dem die elektromagnetische Energie unter bestimmten Bedingungen entstehen und in das sie wieder verschwinden kann. Werden alle diese Komponenten berücksichtigt bleibt die Schwerpunktbewegung erhalten. Poincaré fügte dabei an, dass man sich nicht zu sehr über diese Annahmen wundern solle, da es ja nur (wie bei Lorentz) mathematische Fiktionen seien. [42]

Das führt nach Poincaré jedoch zu folgendem Paradoxon: Eine Lichtquelle wird aufgrund der Trägheit und des Impulses des fiktiven Fluids bei der Emission einen Rückstoß erfahren. Unter Berücksichtigung der Ortszeit führte Poincaré eine Transformation in das mit der Quelle mitbewegte System durch und ersah, dass zwar in beiden Bezugssystemen die Energiebilanz korrekt ist, jedoch die Impulsbilanz nicht ausgeglichen ist, wodurch es möglich wäre ein perpetuum mobile zu konstruieren. Die Naturgesetze würden in den Bezugssystemen unterschiedlich ausfallen und das Relativitätsprinzip wäre verletzt.[17]

Als Poincaré jedoch 1904 auf dieses Thema zurückkam, lehnte er die Verbindung von Masse und elektromagnetischer Energie ab und schrieb mit Blick auf den Rückstoß, den ein Emitter erfährt:[16]Der Apparat wird zurückweichen, als ob er eine Kanone, und die Energie, die er ausgestrahlt hat, eine Kugel wäre, und dies widerspricht dem Newtonschen Prinzip weil unser Geschoß hier keine Masse hat, es ist keine Materie, es ist Energie.

Er lehnte Hilfshypothesen ab wie diejenige, nach der ein „nicht wägbares Fluidum“ im Raume existiert und mit der Energie wechselwirkt. Denn der Versuch von Fizeau habe gezeigt, dass der Äther nicht von der Materie (vollständig) mitgeführt wird. Auch lehnte er die Konstruktion ab, dass der Äther durch irgendwelche Bewegungen einen Ausgleich herbeiführt, denn es können solche Bewegungen zwar immer erfunden werden, aber sie wären nicht überprüfbar und somit wissenschaftlich wertlos. Ebenso sah er die im vorigen Abschnitt besprochene Verletzung des Massenerhaltungssatzes als Verletzung des Reaktionsprinzips an. Selbst 1908[34] lehnte er die Vorstellung, dass Energie alleine Masse besitze ab und führte die selben Argumente wie 1904 an um zu zeigen, dass das Reaktionsprinzip nicht mit der Lorentzschen Mechanik verträglich ist.

Abraham (1902)[32] führte Poincaré folgend die zu proportionale „elektromagnetische Bewegungsgröße“ (Impuls) ein, womit zumindest im Falle des Rückstoßes das Reaktionsprinzip erhalten werden kann. Friedrich Hasenöhrl - korrigiert durch Abraham - führte 1904 und 1905[43] die Formel (welche der bereits vorher bekannten Formel für die elektromagnetische Masse entsprach) ein, mit welcher ausgedrückt wird, in welchem Ausmaß die „scheinbare“ Masse eines Körpers durch Strahlung und erhöhte Temperatur zunehmen kann.

Gravitation

Die Theorien von Lorentz

Lorentz versuchte 1900,[44] auf Basis der Maxwell-Lorentzschen Elektrodynamik auch das Phänomen der Gravitation zu erklären. Zuerst schlug er einen auf der Le-Sage-Gravitation beruhenden Mechanismus vor. Er nahm dabei an, dass der Äther von einer extrem hochfrequenten em-Strahlung erfüllt sei, welche einen enormen Druck auf die Körper ausübt. Wird nun diese Strahlung vollständig absorbiert, entsteht durch Abschirmung zwischen den Körpern tatsächlich eine dem Abstandsgesetz folgende „Anziehungskraft“. Das war jedoch das selbe Problem wie bei den anderen Le Sage Modellen: Bei Absorption muss die Energie irgendwohin verschwinden oder es müsste zu einer enormen Wärmeproduktion kommen, was jedoch nicht beobachtet wird. Lorentz verwarf dieses Modell deshalb.

In der selben Arbeit versuchte er dann, die Gravitation als eine Art elektrische Differenzkraft zur erklären. Dabei ging er wie vor ihm Ottaviano Fabrizio Mossotti und Karl Friedrich Zöllner von der Vorstellung aus, dass die Anziehung zweier ungleichnamiger elektrischer Ladungen um einen Bruchteil stärker sei als die Abstoßung zweier gleichnamiger Ladungen. Das Ergebnis wäre nichts anderes als die universelle Gravitation, wobei sich nach dieser Theorie Änderungen im Gravitationsfeld mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Das führt jedoch zum Konflikt mit dem Gravitationsgesetz Isaac Newtons, in dem wie Pierre-Simon Laplace anhand der Aberration der Gravitation gezeigt hat, die Ausbreitungsgeschwindigkeit ein Vielfaches der Lichtgeschwindigkeit betragen müsste. Lorentz konnte zeigen, dass in dieser Theorie aufgrund der Struktur der Maxwell-Gleichungen nur vernachlässigbare Abweichungen vom Gravitationsgesetz in der Größenordnung auftreten. Er erhielt jedoch für die Periheldrehung einen viel zu geringen Wert. 1908[34] untersuchte Poincaré ebenfalls die von Lorentz aufgestellte Gravitationstheorie und klassifizierte sie als mit dem Relativitätsprinzip vereinbar, bemängelte jedoch wie Lorentz die ungenaue Angabe zur Perihel-Drehung des Merkur. Lorentz selbst jedoch verwarf 1914 sein eigenes Modell, weil er es nicht als mit dem Relativitätsprinzip vereinbar ansah. Stattdessen sah er Einsteins Arbeiten über Gravitation und Äquivalenzprinzip als die vielversprechendste Erklärungsart an.[45]

Poincares Lorentz-invariantes Gravitationsgesetz

Poincaré stellte 1904[16] fest, dass zur Aufrechterhaltung des Relativitätsprinzips kein Signal schneller als die Lichtgeschwindigkeit sein darf, ansonsten würde obige Synchronisationsvorschrift und somit die Ortszeit nicht mehr gelten. Dies wurde von ihm zu diesem Zeitpunkt als möglicher Einwand gegen die Verträglichkeit des Relativitätsprinzips mit der neuen Theorie aufgefasst. Er errechnete jedoch im Jahre 1905[7] und 1906[6], dass Veränderungen im Gravitationsfeld sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten können und trotzdem ein gültiges Gravitationsgesetz möglich ist, vorausgesetzt einer solchen Theorie wird die Lorentztransformation zugrunde gelegt. Später versuchten auch Minkowski (1908) und Arnold Sommerfeld (1910), auf Poincarés Ansatz aufbauend ein Lorentz-invariantes Gravitationsgesetz zu entwerfen, was jedoch durch die Arbeiten von Einstein überflüssig gemacht wurde. [46]

Der Übergang zur Relativitätstheorie

Spezielle Relativitätstheorie

Albert Einstein, 1921

Während einige mit der Elektronentheorie von Lorentz zusammenhängenden Erklärungen (z.B. dass die Materie ausschließlich aus Elektronen bestehe, oder dass es in der Natur ausschließlich elektrische Wechselwirkungen gebe, oder die angeführten Gravitationserklärungen) eindeutig widerlegt sind, sind viele Aussagen und Ergebnisse der Theorie äquivalent mit Aussagen der speziellen Relativitätstheorie (SRT, 1905)[35] von Albert Einstein. Hier gelang es Einstein, die Lorentztransformation und die anderen Teile der Theorie alleine aus der Annahme von zwei Prinzipien, nämlich dem Relativitätsprinzip und der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, abzuleiten. Diese Prinzipien wurden zum Teil auch von Poincaré und Lorentz verwendet, jedoch erkannten sie nicht, dass sie auch ausreichend sind, um ohne Benutzung eines Äthers oder irgendwelcher angenommener Eigenschaften der Materie eine geschlossene Theorie zu begründen.

Zuerst Poincaré und dann Lorentz lehrten zwar die vollständige mathematische Gleichberechtigung der Bezugssysteme, und erkannten an, dass tatsächlich unterschiedliche Raum- und Zeitkoordinaten gemessen werden. Sie blieben aber dabei, die Effekte der Lorentztransformation auf dynamische Wechselwirkungen mit dem Äther zurückzuführen, unterschieden zwischen der „wahren“ Zeit im ruhenden Äthersystem und der „scheinbaren“ Zeit in relativ dazu bewegten Systemen, und erwähnten den Äther bis zuletzt in ihren Schriften. Die grundlegende Neubewertung von Raum und Zeit im Rahmen einer wissenschaftlichen Theorie blieb Einstein vorbehalten. Einsteins Präsentation der SRT wurde 1907 durch Hermann Minkowski erweitert, dessen vierdimensionale Raumzeit eine sehr natürliche Interpretation der Zusammenhänge der Theorie ermöglichten.[47] (Wobei die grundlegenden Aspekte der vierdimensionalen Raumzeit wie oben geschildert bereits von Poincaré vorweggenommen wurden.)

Die Natürlichkeit und Nützlichkeit der Darstellung durch Einstein und Minkowski trugen zur Akzeptanz der SRT und zur Abnahme des Interesses an Lorentz' Äthertheorie bei. Lorentz selbst argumentierte zwar 1913, dass zwischen seiner Äthertheorie und der Ablehnung eines bevorzugten Bezugssystems kein großer Unterschied bestünde und es deswegen eine Frage des Geschmacks sei, zu welcher Theorie man sich bekenne.[28] Jedoch kritisierte Einstein 1907 den ad hoc Charakter der Kontraktionshypothese, weil sie einzig zur Rettung des Äthers eingeführt wurde, wobei ein unauffindbarer Äther als Fundament der Elektrodynamik unbefriedigend sei.[48] Auch Minkowski bezeichnete 1908 die Kontraktionshypothese im Rahmen von Lorentz' Theorie als "Geschenk von oben". Und obwohl Lorentz' Theorie vollständig äquivalent mit der neuen Konzeption von Raum und Zeit ist, war Minkowski der Meinung, dass die Zusammenhänge im Rahmen der neuen Raumzeit-Physik sehr viel verständlicher werden.[47]

Äquivalenz von Masse und Energie

Wie Einstein (1905)[49] aus dem Relativitätsprinzip abgeleitet hat, ergibt sich tatsächlich eine Trägheit der Energie gemäß , oder genauer gesagt, dass elektromagnetische Strahlung Trägheit von einem Körper zum anderen übertragen kann. Doch im Gegensatz zu Poincaré erkannte Einstein, dass die Materie bei der Emission einen Massenverlust von erfährt - das heißt die in den Materie aufgespeicherte und einer bestimmten Masse entsprechende Energie und die elektromagnetische Energie können gemäß ineinander überführt werden, woraus sich erst die eigentliche Äquivalenz von Masse und Energie ergibt. Poincarés Strahlungsparadoxon kann mit dieser Äquivalenz vergleichsweise einfach gelöst werden. Wird angenommen, dass die Lichtquelle bei der Emission gemäß an Masse verliert, löst sich der Widerspruch auf.[17]

Ähnlich wie Poincaré konnte Einstein 1906 zeigen, dass das Theorem von der Erhaltung und Bewegung des Schwerpunkts auch bei elektrodynamischer Betrachtung gültig ist, wenn die Trägheit der (elektromagnetischen) Energie vorausgesetzt wird. Dabei musste er aufgrund seiner Kenntnis der Äquivalenz nicht wie Poincaré fiktive Massen einführen, sondern brauchte nur aufzuzeigen, wie die Emission und Absorption von Energie zur Übertragung der Trägheit führt, so dass kein Perpetuum Mobile entstehen kann. Dabei verwies er auf die Arbeit von Poincaré und bewertete deren Inhalt als weitgehend übereinstimmend mit seinem eigenen Text. Einstein schrieb in der Einleitung:[50]

„Trotzdem die einfachen formalen Betrachtungen, die zum Nachweis dieser Behauptung durchgeführt werden müssen, in der Hauptsache bereits in einer Arbeit von H. Poincaré enthalten sind², werde ich mich doch der Übersichtlichkeit halber nicht auf jene Arbeit stützen.“

Ebenso kann mit Einsteins Ansatz der von Poincaré angesprochene Widerspruch zwischen der Aufgabe des Massenerhaltungssatz und dem Reaktionsprinzip gelöst werden, da der Massenerhaltungssatz jetzt ein Spezialfall des Energieerhaltungssatzes ist.

Allgemeine Relativitätstheorie

Nach der von Einstein entwickelten allgemeinen Relativitätstheorie (ART), welche die Gravitationserklärungen von Lorentz und Poincaré überflüssig machte, führt eine Einbeziehung der Gravitation in das Relativitätsprinzip dazu, dass Lorentz-Transformationen und die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit nur noch lokal definierbar und gültig sind. Einstein selbst sagte in einer Rede (1920), dass im Rahmen der ART der Raum nicht ohne Gravitationspotential gedacht werden kann und damit dem Raum selbst physikalische Qualitäten anhaften. Deswegen könne man von einem "Gravitationsäther" im Sinne eines "Äthers der Allgemeinen Relativitätstheorie" sprechen. Er schrieb:[51]

„Das prinzipiell Neuartige des Äthers der allgemeinen Relativitätstheorie gegenüber dem Lorentzschen Äther besteht darin, daß der Zustand des ersteren an jeder Stelle bestimmt ist durch gesetzliche Zusammenhänge mit der Materie und mit dem Ätherzustände in benachbarten Stellen in Gestalt von Differentialgleichungen, während der Zustand des Lorentzschen Äthers bei Abwesenheit von elektromagnetischen Feldern durch nichts außer ihm bedingt und überall der gleiche ist. Der Äther der allgemeinen Relativitätstheorie geht gedanklich dadurch in den Lorentzschen über, daß man die ihn beschreibenden Raumfunktionen durch Konstante ersetzt, indem man absieht von den seinen Zustand bedingenden Ursachen. Man kann also wohl auch sagen, daß der Äther der allgemeinen Relativitätstheorie durch Relativierung aus dem Lorentzschen Äther hervorgegangen ist.“

Priorität

Lorentz und Poincaré

In einer 1914 geschriebenen, aber erst 1921[24] veröffentlichten Arbeit würdigte Lorentz vor allem Poincaré für seine Arbeiten von 1905/1906.[6] Er verwies auf Poincaré als den ersten, der den physikalischen Gehalt der Ortszeit erkannte habe, während er selbst sie als mathematischen Trick angesehen habe. Deswegen habe er zuerst nicht selbst die korrekte Anwendung der Transformation geben können sondern das wurde zuerst von Poincaré und später von Einstein und Minkowski getan. Nicht er selbst, sondern zuerst Poincaré habe die grundlegende Bedeutung des Relativitätsprinzips für die Elektrodynamik erkannt und als erster den Begriff „Postulat“ dafür verwendet. Zuletzt wies er auf die (im Abschnitt „Lorentz-Transformation“ dargestellten) von Poincaré gemachten grundlegenden Erkenntnisse hin. 1916 in seinem Hauptwerk „The theory of electrons“ erwähnte Lorentz im selben Zusammenhang allerdings nur noch Einstein.[8][18]

Andererseits deutete Michelson 1927 an, dass Lorentz der Urheber der Relativitätstheorie sei. Lorentz antwortete, dass er seine Zeittransformation zu der Zeit als Einstein seine Theorie erstellte nur als heuristische Arbeitshypothese betrachtete und die Relativitätstheorie auch wirklich allein Einsteins Werk sei. Und es könne keinen Zweifel geben, dass Einstein sie entdeckt hätte, selbst wenn die Arbeit seiner Vorgänger auf diesem Gebiet überhaupt nicht gemacht worden wäre.[52]

Poincaré hingegen stellte die neuen Theorien immer als Schöpfung von Lorentz dar und sah keinen Grund, Einstein und Minkowski im Zusammenhang mit diesen Theorien überhaupt zu erwähnen. So schreibt er noch 1912 kurz vor seinem Tod zu der Frage, ob die „Lorentzsche Mechanik“ auch nach der Entwicklung der Quantentheorie Bestand haben wird:[53]

„In allen den Punkten, in denen die lorentzsche Mechanik von der Newtonschen abweicht, bleibt sie zu Recht bestehen. Man glaubt nach wie vor, daß ein beweglicher Körper unter keinen Umständen jemals eine größere Geschwindigkeit als die des Lichtes annehmen kann, daß die Masse eines Körpers keine unveränderliche Größe ist, sondern von seiner Geschwindigkeit abhängt und von dem Winkel, den diese Geschwindigkeit mit der auf den Körper wirkenden Kraft einschließt, ferner, daß kein Versuch jemals wird entscheiden können, ob ein Körper, absolut genommen, sich im Zustande der Ruhe oder in dem der Bewegung befinde, sei es nun in Bezug auf den Raum als solchen, sei es selbst in Bezug auf den Äther.“

Einstein

Edmund Taylor Whittaker sprach 1953 in der zweiten Auflage seiner bekannten History of the theories of aether and electricity von der Relativitätstheorie als der Schöpfung von Lorentz und Poincaré und maß Einsteins Beiträgen nur sekundäre Bedeutung bei.[54] Hingegen Physiker wie Max Born[2] und Wolfgang Pauli[39] sowie Wissenschaftshistoriker wie Abraham Pais,[55] John Stachel[56] und Olivier Darrigol[17] betonen, dass Einstein als erster die vollständige Relativierung von Raum und Zeit an sich lehrte und den (klassischen) Äther aus der Physik verbannte, wodurch erst der Weg in eine grundlegend neue Physik geebnet wurde.

Einstein selbst gab an, dass er vor 1905 die Arbeit von Lorentz von 1895, wo dieser die Ortszeit und die Längenkontraktion beschrieb, gelesen habe. Einstein kam dabei zur Überzeugung, dass die Ortszeit eine reale, gleichberechtigte Zeitangabe sei, und nicht nur ein mathematischer Trick.[48] Und 1909[57] und 1912[58] erklärte Einstein dass er das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit dem Lorentzschen Äther entnommen habe, jedoch habe er dann festgestellt, dass diese Prinzip zusammen mit den Relativitätsprinzip den Äther überflüssig mache. Es ist auch bekannt,[59] dass er Poincarés Buch „Wissenschaft und Hypothese“ vor 1905 las, welches u.a. folgendes beinhaltete:

  • Philosophisches über die Relativität von Raum, Zeit und Gleichzeitigkeit
  • Die Meinung dass der Äther niemals entdeckt werden kann, d.h. die Gültigkeit des Relativitätsprinzips
  • Die mögliche Nichtexistenz des Äthers
  • Ausführliche Schilderungen über die nichteuklidische Geometrie

In seinen wissenschaftlichen Schriften bezieht sich Einstein auf Poincaré im Zusammenhang mit der Trägheit der Energie (1906) und der nichteuklidischen Geometrie (1921), nicht jedoch auf dessen Leistungen bei der Formulierung der Lorentztransformation, Synchronisierung von Uhren oder des Relativitätsprinzips. Jedoch in den letzten Jahren seines Lebens anerkannte er einige von Poincarés Leistungen wie z.B. zur Lorentztransformation (nach Darrigol vielleicht deswegen, weil Abraham Pais um 1950 Einstein eine Kopie von Poincarés Palermo-Arbeit überlassen hatte).[59] Einstein schrieb 1953 an Carl Seelig:[60]

„Es ist zweifellos, daß die spezielle Relativitätstheorie, wenn wir ihre Entwicklung rückschauend betrachten, im Jahre 1905 reif zur Entdeckung war. LORENTZ hatte schon erkannt, daß für die Analyse der MAXWELLSchen Gleichungen die später nach ihm benannte Transformation wesentlich sei, und POINCARE hat diese Erkenntnis noch vertieft. Was mich betrifft, so kannte ich nur LORENTZ bedeutendes Werk von 1895 "La theorie electromagnetique de MAXWELL" und "Versuch einer Theorie der elektrischen und optischen Erscheinungen bewegten Körpern" aber nicht LORENTZ' spätere Arbeiten, und auch nicht die daran anschließende Untersuchung von POINCARE. In diesem Sinne war meine Arbeit von 1905 selbständig. [..] Was dabei neu war, war die Erkenntnis, daß die Bedeutung der Lorentztransformation über den Zusammenhang mit den MAXWELLschen Gleichungen hinausging und das Wesen von Raum und Zeit im allgemeinen betraf. Auch war die Einsicht neu, daß die "Lorentz-Invarianz" eine allgemeine Bedingung sei für jede physikalische Theorie.“

Neuere Entwicklungen

Brechung der Lorentz-Symmetrie?

Reza Mansouri und Roman Sexl (1977)[61] entwarfen eine so genannte „Testtheorie“, um den Rahmen für Untersuchungen zur Gültigkeit der Lorentz-Symmetrie und dem Vorhandensein eines bevorzugten Bezugssystems festzulegen. Dabei schlugen sie das CMBR als Test-Bezugssystem vor und diskutierten dabei verschiedene Arten der Uhrensynchronisation. Es boten sich als Alternativen entweder die Einstein-Synchronisation oder die Methode des langsamen Uhrentransportes an, welche sich als äquivalent herausstellten. Wird nun angenommen, dass die Effekte der Zeitdilatation und Längenkontraktion bezüglich des Äthers exakt gelten, ergeben sich die Lorentztransformationen. Mansouri/Sexl stellten die „bemerkenswerte“ Tatsache fest, dass eine Theorie, welche auf absoluter Gleichzeitigkeit beruht, äquivalent zur SRT ist. Sie vertraten aber die Meinung, dass die SRT zu bevorzugen sei, da ansonsten die Äquivalenz der Inertialsysteme zerstört wäre, oder genauer gesagt, dass die beobachtete Äquivalenz ansonsten nur eine scheinbare wäre.

Sind jedoch obige relativistische Effekte nicht exakt gegeben, müssten sich Verletzungen der Lorentz-Symmetrie ergeben. Präzisionsmessungen haben bis jetzt jedoch die Lorentztransformationen in ihrer exakten Gestalt bestätigt.[62]

Lorentzianische Modelle

Obwohl die Idee eines bevorzugten Bezugssystems von der Fachwelt größtenteils abgelehnt wird, wurden nach Lorentz und Poincaré einige Lorentzianische Modelle entwickelt. Quasi-relativistische Effekte wie Längenkontraktion wurden bei plastischen Deformationen und Versetzungen in Kristallstrukturen oder auch bei Pendelketten im Zusammenhang mit Solitonen festgestellt. Dies liegt daran, dass die diesen Phänomenen zugrunde liegende Sine-Gordon-Gleichung Lorentz-invariant ist.[63] Darauf aufbauend hat Helmut Günther 1996 ein Lorentzianisches Modell eines universellen Äthers entwickelt.[64] Andere Modelle werden in Brandes et al. diskutiert. [65]

Literatur

Primärquellen

Historische Arbeiten
  • Bucherer, A. H.: Messungen an Becquerelstrahlen. Die experimentelle Bestätigung der Lorentz-Einsteinschen Theorie. In: Physikalische Zeitschrift. Band 9, Nr. 22, 1908, S. 755–762.
  • FitzGerald, G.F.: The Ether and the Earth’s Atmosphere. In: Science. Band 13, 1889, S. 390.
  • Lorentz, H.A.: The Relative Motion of the Earth and the Ether. In: Zeeman, P., Fokker, A.D. (Hrsg.): Collected Papers. Band 4. Nijhoff, The Hague 1892, S. 219–223.
  • Lorentz, H.A: La Gravitation. In: Scientia. Band 16, 1914, S. 28–59.
  • Planck, M.: Das Prinzip der Relativität und die Grundgleichungen der Mechanik. In: Deutsche Physikalische Gesellschaft. Band 8, 1906, S. 136–141.
  • Poincaré, H.: Théorie mathématique de la lumière. Band 1. G. Carré & C. Naud, Paris 1889. Teilweiser Nachdruck des Vorworts in "Wissenschaft und Hypothese" (1902), Kap. 12.
  • Poincaré, H.: La mesure du temps. In: Revue de métaphysique et de morale. Band 6, 1898, S. 1–13. Deutsche Übersetzung in "Der Wert der Wissenschaft" (1905a), Kap. 2.
  • Poincaré, H.: Sur les principes de la mécanique. In: Bibliothèque du Congrès international de philosophie. 1901, S. 457–494.. Nachdruck in "Wissenschaft und Hypothese" (1902), Kap. 6-7.
  • Poincaré, H.: L'état actuel et l'avenir de la physique mathématique. In: Bulletin des sciences mathématiques. Band 28, Nr. 2, 1904, S. 302–324. Englische Übersetzung in Poincaré, H.: The present and the future of mathematical physics. In: Bull. Amer. Math. Soc. Band 37, 1906/2000, S. 25–38. Deutsche Übersetzung in "Der Wert der Wissenschaft" (1905a), Kap. 7-9.
  • Poincaré, H.: La dynamique de l'électron. In: Revue générale des sciences pures et appliquées. Band 19, 1908a, S. 386–402. Nachdruck in Poincaré, Oeuvres, tome IX, S. 551-586; Deutsche Übersetzung in "Wissenschaft und Methode" (1908), Drittes Buch.
  • Poincaré, H.: La Mécanique Nouvelle (Göttingen, 1909). In: Sechs Vorträge über ausgewählte Gegenstände aus der reinen Mathematik und mathematischen Physik. B.G.Teubner, Leipzig und Berlin 1910, S. 41–47.
  • Thomson, J.J.: On the Effects produced by the Motion of Electrified Bodies. In: Phil. Mag. Band 11, 1881, S. 229.
Neuere Arbeiten
  • Brandes et al.: Die Einsteinsche und lorentzianische Interpretation der speziellen und allgemeinen Relativitätstheorie. VRI, 1997, ISBN 3-930879-05-0.
  • Günther, H.: Grenzgeschwindigkeiten und ihre Paradoxa. B.G. Teubner, Stuttgart - Leipzig 1996, ISBN 3-8154-3029-1.
  • Mansouri R., Sexl R.U.: A test theory of special relativity. I: Simultaneity and clock synchronization. In: General. Relat. Gravit. Band 8, Nr. 7, 1977, S. 497–513.

Sekundärquellen

  • Born, M.: Die Relativitätstheorie Einsteins. Springer, Berlin-Heidelberg-New York 1964/2003, ISBN 3-540-00470-X, S. 172–194.
  • Darrigol, O.: Electrodynamics from Ampére to Einstein. Clarendon Press, Oxford 2000, ISBN 0-19-850594-9.
  • Galison, P.: Einstein's Clocks, Poincaré's Maps: Empires of Time. W.W. Norton, New York 2003, ISBN 0-393-32604-7.
  • Katzir, S.: Poincaré’s Relativistic Physics: Its Origins and Nature. In: Phys. perspect. Band 7, 2005, S. 268–292.
  • Pais, A.: Subtle is the Lord: The Science and the Life of Albert Einstein. Oxford University Press, New York 1982, ISBN 0-19-520438-7.
  • Pauli, W.: Die Relativitätstheorie. In: Encyclopädie der mathematischen Wissenschaften. Band 5, Nr. 2, 1921, S. 539–776.
  • Schaffner, K. F.: Nineteenth-century aether theories. Pergamon Press, Oxford 1972, S. 99–117 und 255–273.
  • Scribner, C.: Henri Poincaré and the principle of relativity. In: American Journal of Physics. Band 32, 1964, S. 672–678.
  • Whittaker, E.T.: 2. Edition: A History of the theories of aether and electricity, vol. 1: The classical theories / vol. 2: The modern theories 1900-1926. Nelson, London 1951-1953.
  • Zahar, E.: Why Did Einstein’s Programme Supersede Lorentz’s? In: Brit. J. Phil. Sci. Band 24, Nr. 2, 1973, 95-123, 223-262.

Einzelnachweise

  1. Whittaker (1910), Sekundärquellen
  2. a b c Born (2003), Sekundärquellen
  3. a b c d e Larmor (1897, 1900), Primärquellen
  4. a b c d e Lorentz (1895), Primärquellen
  5. a b c d e f Lorentz (1904b), Primärquellen
  6. a b c d e f Poincaré (1906), Primärquellen
  7. a b c d e Poincaré (1905b), Primärquellen
  8. a b Lorentz (1916), Primärquellen
  9. Michelson (1887), Primärquellen
  10. Heaviside (1888), Primärquellen
  11. Fitzgerald (1889), Primärquellen
  12. Lorentz (1892), Primärquellen
  13. a b Voigt (1887), p. 44, Primärquellen
  14. a b Poincaré (1898); Poincaré (1905a), Ch. 2, Primärquellen
  15. a b c Poincaré (1900b), Primärquellen
  16. a b c d e f g Poincaré (1904); Poincaré (1905a), Ch. 8, Primärquellen
  17. a b c d Darrigol (2006), Sekundärquellen
  18. a b c d e Jannsen (1995), Ch. 3, Sekundärquellen
  19. a b c Lorentz (1899), Primärquellen
  20. Langevin (1905), Primärquellen
  21. Walter (2007), Sekundärquellen
  22. Poincaré (1895), Primärquellen
  23. a b c Poincaré (1900a); Poincaré (1902), Ch. 10, Primärquellen
  24. a b Lorentz (1921), pp. 247-261, Primärquellen
  25. Poincaré (1889); Poincaré (1902), Ch. 12, Primärquellen
  26. Poincaré (1901a); Poincaré (1902), Ch. 6, Primärquellen
  27. Poincaré (1913), Ch. 2, Primärquellen
  28. a b Lorentz (1913), p. 75, Primärquellen
  29. Thomson (1881), Primärquellen
  30. Searle (1896), Primärquellen
  31. Wien (1900), Primärquellen
  32. a b c Abraham (1902,1903), Primärquellen
  33. Kaufmann (1902), Primärquellen
  34. a b c Poincaré (1908a); Poincaré (1908b), 3rd book, Primärquellen
  35. a b Einstein (1905a), Primärquellen
  36. Kaufmann (1905), Primärquellen
  37. Bucherer (1908), Primärquellen
  38. Neumann (1914), Primärquellen
  39. a b Pauli (1921), Sekundärquellen
  40. Maxwell (1874), Primärquellen
  41. Bartoli (1876), Primärquellen
  42. Poincaré (1900)
  43. Hasenöhrl (1904, 1905), Primärquellen
  44. Lorentz (1900), Primärquellen
  45. Lorentz (1914) Primärquellen
  46. Walter (2007), Literatur
  47. a b Minkowski (1909), Primärquellen
  48. a b Einstein (1907), Primärquellen
  49. Einstein (1905b), Primärquellen
  50. Einstein (1906), Primärquellen
  51. Einstein (1922), Primärquellen
  52. Lorentz (1928), p. 10, Primärquellen
  53. Poincaré (1913), Ch. 6, Primärquellen
  54. Whittaker (1953), Sekundärquellen
  55. Pais (1982), Sekundärquellen
  56. Stachel (2002), Sekundärquellen
  57. Einstein (1909), Primärquellen
  58. Einstein (1912), Primärquellen
  59. a b Darrigol (2004), Sekundärquellen, p. 624
  60. Born (1956), p.193, Sekundärquellen
  61. Mansouri/Sexl (1977), Primärquellen
  62. Wolf (2005), Primärquellen
  63. Dietrich (2001), Primärliteratur
  64. Günther (1996), Primärliteratur
  65. Brandes (1997), Primärliteratur
Außerhalb des Mainstream