Schwere Körperverletzung (Deutschland)

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Strafgesetzbuch von 1914

Bei dem Körperverletzungsdelikt der schweren Körperverletzung (§ 226 StGB) handelt es sich im deutschen Strafrecht um eine Qualifikation des Grundtatbestandes der Körperverletzung (§ 223 StGB).[1] Sie ist im 17. Abschnitt des besonderen Teils des deutschen Strafgesetzbuches (Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit) geregelt. Die Tat ist ein Offizialdelikt, was bedeutet, dass diese von Amts wegen verfolgt wird und kein Strafantrag (§ 230 StGB) gestellt werden muss.[2]

Anders als bei der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 StGB), die auf eine besonders gefährliche Begehungsweise der Tat abstellt,[3] erhöht der Tatbestand der schweren Körperverletzung bei bestimmten Folgen, die durch genauere Merkmale abschließend definiert sind, die Strafandrohung erheblich, weil die Tatfolgen als besonders schwer eingestuft werden.[4] Mithin knüpft die schwere Folge, ebenso wie die Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB), nicht etwa an die Körperverletzungshandlung, sondern den Körperverletzungserfolg an.[5]

Rechtslage

Die schwere Körperverletzung ist seit 1871 im deutschen Strafgesetzbuch als Straftat erfasst. Die seit dem Jahr 1998 geltende Fassung hat sich unter anderem aus § 224 RStGB und § 225 RStGB ergeben (siehe auch: Erläuterungen zur rechtshistorischen Entwicklung).

Der Qualifikationstatbestand der schweren Körperverletzung ist in § 226 StGB normiert:

(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person

1. das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,
2. ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder
3. in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,

so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

Objektiver Tatbestand

Eine Strafbarkeit wegen schwerer Körperverletzung setzt zunächst voraus, dass der Täter den Tatbestand der Körperverletzung vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft erfüllt hat.[6] Das geschützte Rechtsgut des § 223 StGB ist die „körperliche Unversehrtheit“ einer anderen Person,[7] deren Schutz aus dem durch die Verfassung geschützten Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) abgeleitet wird.[8] Wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, macht sich nach § 223 Abs. 1 StGB strafbar. Die körperliche Misshandlung meint dabei jede „üble, unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird“. Unter einer Gesundheitsschädigung ist „jedes Hervorrufen oder Steigern eines krankhaften Zustandes“ zu verstehen.[9]

Die schwere Körperverletzung stellt keine Qualifikation der fahrlässigen Körperverletzung (§ 229 StGB) dar. Der Täter muss die schwere Folge objektiv zurechenbar verursacht haben. Es muss somit ein Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen Körperverletzung und schwerer Folge bestehen.[10][11] Das bedeutet, dass der Taterfolg „aus der typischen Gefahr des Grunddeliktes hervorgehen“ muss.[12][13]

Verlust bestimmter Körperfunktionen (Abs. 1 Nr. 1)

Unter einem Verlust ist die nahezu vollständige Aufhebung, der betroffenen Fähigkeit zu verstehen.[14] Er muss wenigstens über einen längeren Zeitraum andauern und über die Heilungsaussichten muss Ungewissheit bestehen.[15] Ferner liegt kein Verlust vor, wenn die verlorene Fähigkeit durch zumutbare medizinische Maßnahmen wiederhergestellt werden kann.[16] Künstliche Hilfsmittel wie Sehhilfen werden hierbei nicht berücksichtigt, da sie den Verlust nicht permanent ausgleichen können.[17]

Beim Sehvermögen, der Fähigkeit, Objekte visuell zu erkennen, ist zu differenzieren. Eine Reduktion des Sehvermögens auf 2 % ist nach herrschender Lehre mit einem Verlust gleichzustellen.[18][19] Nach der Rechtsprechung erfüllt bereits eine Minderung auf 10 % oder weniger dieses Tatbestandsmerkmal.[20] Ein solcher Verlust auf einem Auge ist ausreichend.[6] Mit dem Gehör ist die Fähigkeit der auditiven Wahrnehmung gemeint. Im Gegensatz zum Sehvermögen ist hier nicht der Verlust auf einem Ohr, sondern des gesamten Hörvermögens, also auf beiden Ohren, gemeint. Das bedeutet, dass dieses Merkmal auch dann erfüllt ist, wenn das Hörvermögen auf einem Ohr verloren wird, das andere Ohr jedoch bereits taub gewesen ist.[6] Das Sprechvermögen ist betroffen, wenn die Fähigkeit zur artikulierten Rede aufgehoben ist.[18] Selbst wenn keine vollständige Stimmlosigkeit eintreten muss, reicht ein bloßes Stottern jedoch nicht aus.[21] Die Fortpflanzungsfähigkeit betrifft lediglich die Zeugungs-, Empfängnis- und Gebärfähigkeit.[22] Sie ist, entgegen dem früher als „Zeugungsfähigkeit“ definierten Merkmal, als geschlechtsneutral zu verstehen.[23] Geschützt werden hierdurch auch Kinder, deren „Fortpflanzungsfähigkeit sich erst Jahre später entwickeln wird“, jedoch nicht etwa eine 90-jährige Person.[6][24] Mithin fällt Impotenz nicht unter dieses Merkmal.

Verlust oder dauernde Unbrauchbarkeit eines wichtigen Körpergliedes (Abs. 1 Nr. 2)

Eine Qualifikation liegt weiterhin vor, wenn der Verletzte durch die Körperverletzung „ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann“ (§ 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB).

Was unter einem wichtigen Glied zu verstehen ist, ist umstritten. Überwiegende Teile der Literatur sowie die Rechtsprechung, vertreten die Ansicht, dass unter dem Begriff nur „äußerliche Körperteile, die eine in sich abgeschlossene Existenz mit besonderer Funktion im Gesamtorganismus“ haben und „mit dem Körper durch ein Gelenk verbunden“ sind, verstanden werden können.[21] Nach einer Mindermeinung seien jedoch nicht nur äußere Körperteile, sondern ebenso innere Organe, wie etwa die Niere, zu berücksichtigen. Dies wird damit begründet, dass der Verlust eines inneren Organs schlimmere gesundheitliche Folgen verursachen würde, als etwa der Verlust eines Fingers. Auch wenn der Bundesgerichtshof (BGH) die Frage nicht abschließend beantwortet hat, lehnt er diese Ansicht ab, da die Bezeichnung eines inneren Organs als Glied die Grenze der zulässigen Wortauslegung überschreite.[25]

Ein Glied ist wichtig, wenn ihm eine erhebliche Bedeutung im Hinblick auf den Gesamtorganismus zukommt.[19] Umstritten ist jedoch, ob individuelle Verhältnisse des Verletzten berücksichtigt werden müssen. Teilweise wird insbesondere auf den Beruf des Verletzten abgestellt, wonach etwa der Verlust des kleinen Fingers eines Pianisten dieses Merkmal erfüllen würde.[21] Weiterhin wird angenommen, dass die Wichtigkeit eines Gliedes nicht mit Rücksicht auf den Verletzten, sondern unabhängig von diesem zu bestimmen sei. Es käme lediglich darauf an, „welche Wichtigkeit das verlorene Glied allgemein, [also] für den Menschen überhaupt, hat“.[26] Einer weiteren Auffassung nach sei auf individuelle Körpereigenschaften (etwa die Händigkeit) abzustellen.[24] Der BGH hat sich mit der Begründung, dass das vom Reichsgericht ausgelegte Merkmal der Wichtigkeit zu eng und nicht mehr zeitgemäß sei, von dessen Rechtsprechung gelöst und sich der Auffassung angeschlossen, wonach individuelle Körpereigenschaften und dauerhafte körperliche (Vor-)Schädigungen des Verletzten ebenfalls zu berücksichtigen seien.[27] Das Gesetz regelt den Verlust eines wichtigen Gliedes „des“ Körpers, was auf einen generalisierenden Maßstab hindeutet.[28] Dadurch werden keine Anhaltspunkte für eine Berücksichtigung des Berufes des Verletzten ersichtlich.[29]

Das wichtige Glied ist verloren, wenn es physisch vom Körper abgetrennt wurde.[18] Mit Einführung des Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (6. StRG) im Jahr 1998 wurde diese Regelung um die Alternative der dauernden Unbrauchbarkeit ergänzt.[30] Eine dauernde Unbrauchbarkeit kann bereits dann vorliegen, wenn das Glied praktisch unbrauchbar ist.[24] Der BGH setzt hierfür voraus, dass „im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung zu ermitteln [ist], ob […] so viele Funktionen ausgefallen sind, dass das Körperglied weitgehend unbrauchbar geworden ist und von daher die wesentlichen faktischen Wirkungen denjenigen eines physischen Verlusts entsprechen“.[27] Eine mögliche Ursache der Unbrauchbarkeit ist etwa die dauernde Versteifung eines Kniegelenkes.[31] Ein Glied ist dauernd nicht mehr zu gebrauchen, wenn dieser Zustand „für längere Zeit in gleich bleibender Weise vorhanden“ ist (siehe auch: Erläuterungen zur Reparaturfähigkeit der schweren Folge).[32]

Entstellung und schwere Erkrankungen (Abs. 1 Nr. 3)

Dauernde erhebliche Entstellung

Eine dauernde erhebliche Entstellung liegt vor, wenn die „äußere Gesamterscheinung des Verletzten in ihrer ästhetischen Wirkung derart verändert ist, [dass] er für Dauer psychische Nachteile im Verkehr mit seiner Umwelt zu erleiden hat“.[33] Hinsichtlich der Veränderung ist zu berücksichtigen, dass es unerheblich ist, ob der Verletzte bereits vor der Entstellung unästhetisch war.[34] Die Entstellung ist dauernd, wenn das Aussehen endgültig oder für einen unbestimmt langen Zeitraum verändert wurde (siehe auch: Erläuterungen zur Reparaturfähigkeit der schweren Folge).[35] Darüber hinaus muss die Verunstaltung erheblich sein. Das notwendige Maß ist an den anderen Alternativen des § 226 Abs. 1 StGB zu ermitteln, so dass geringfügige Beeinträchtigungen nicht genügen.[36] Ferner setzt eine Entstellung eine gewisse Sichtbarkeit voraus. Es ist jedoch nicht notwendig, dass diese Verunstaltung ständig sichtbar ist.[37] Mithin sind alle sozialen Situationen, etwa das Baden im Schwimmbad oder der Geschlechtsverkehr, zu berücksichtigen.[38]

Zur Veranschaulichung von Narbenfällen lässt sich anbringen, dass der erforderliche Schweregrad weder durch eine „auffällig senkrecht vom rechten Nasenloch bis zur Oberlippe verlaufende, etwa 1 mm breite Narbe“ noch durch eine 4 mm breite, 12 cm lange Narbe, die „vom Ohrläppchen bis zum Unterkiefer verläuft“, erreicht wird.[39][40] Außerhalb des Narbenbereiches fallen beispielsweise die „Einbuße eines Nasenflügels oder eines (halben) Ohres, ein schlaff herunterhängendes Augenlid, eine Verschiebung des Unterkiefers oder Gehbehinderung durch Verkürzung des Oberschenkels“.[39]

Verfall in schwere Erkrankungen

Weiterhin wird das Verfallen in schwere Krankheitszustände mit Strafe bedroht. Der Begriff des Verfallens verdeutlicht, dass es sich um eine chronische Gesundheitsschädigung handeln muss, die zwar nicht unheilbar zu sein braucht, jedoch für längere Zeit besteht und deren Heilung sich nicht bestimmen lässt.[41]

Dazu zählt unter anderem das Verfallen in Siechtum, also einen chronischen Krankheitszustand, der den Gesamtorganismus schädigt und zu einer allgemeinen Hinfälligkeit führt.[42] Darunter zu verstehen ist beispielsweise das Infizieren mit dem HI-Virus.[43]

Eine Lähmung stellt eine erhebliche Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Bewegungsfähigkeit eines Körperteils und daher gleicherweise einen solchen Krankheitszustand dar.[42] Ein Vergleich mit § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB zeigt, dass die Bewegungsunfähigkeit eines wichtigen Gliedes bereits geregelt ist. Mithin muss die Lähmung den gesamten Körper in Mitleidenschaft ziehen, um unter diesem Aspekt berücksichtigt zu werden.[28] Als Lähmungen werden unter anderem die Versteifung eines Kniegelenkes, eines ganzen Armes oder aber des Hüftgelenkes, die einen Krückengebrauch notwendig macht, erfasst.[44] Dahingegen reicht die Versteifung des Handgelenkes oder einzelner Finger nicht aus.[40]

Der Verfall in eine geistige Krankheit orientiert sich an den Regeln der seelischen Störungen im Sinne des § 20 StGB.[28] Letztlich wird das Verfallen in Behinderung erfasst; ob damit jedoch die körperliche oder geistige Behinderung gemeint ist, ist streitig.[45] Diese Alternative einer schweren Erkrankung war im Regierungsentwurf noch nicht aufgeführt,[46] sondern wird erstmals im Bericht des Rechtsausschusses erwähnt.[47] Eine Ansicht versteht unter der Behinderung „jede erhebliche Beeinträchtigung von Körperfunktionen“.[48] Demgegenüber wird von einigen Autoren in der Literatur durch die Konjunktion „oder“ ein Bezug zum Adjektiv „geistig“ hergestellt, wonach die Behinderung auch eine solche sein müsste.[30] Unterstützt wird diese Ansicht dadurch, dass diese Verknüpfung im Gesetzeswortlaut zweimal verwendet wird („Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung“). Zudem würde eine andere Auslegung diese Regelung überflüssig machen, da Fälle der körperlichen Behinderung durch Lähmung, Siechtum oder der Verlust bestimmter Körperfunktionen bereits von den entsprechenden Normen erfasst sind.[45]

Reparaturfähigkeit der schweren Folge

Beim Qualifikationstatbestand der schweren Körperverletzung geht es um dauernde, also irreversible Folgen.[49] Dieser stellt nach § 12 Abs. 1 StGB einen Verbrechenstatbestand dar, da die Strafandrohung einer Körperverletzung nach § 223 StGB mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe verschärft wird auf eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren. Diese Verschärfung spricht dafür, nur solche Folgen ausreichen zu lassen, unter denen der Verletzte dauerhaft leidet.[50] Vom Merkmal der dauernden Entstellung lässt sich ableiten, dass sie nicht mehr vorliegt, wenn die Verunstaltung dauerhaft beseitigt werden kann (etwa durch kosmetische Eingriffe).[51] Hierbei kommt es nicht auf das Einvernehmen des Verletzten bezüglich des Eingriffs, sondern darauf an, ob ihm dieser zumutbar ist.[16][50] Das Bayerische Oberste Landesgericht hat in einem Fall, in dem eine Beschränkung des Sehvermögens nur durch das „Tragen einer Kontaktlinse und einer (beidseitigen) Prismenbrille am verletzten Auge“ beseitigt werden konnte, entschieden, dass in diesem Zusammenhang eine Strafbarkeit wegen schwerer Körperverletzung nicht entfällt.[17] Künstliche oder technische Hilfsmittel wie etwa Sehhilfen könnten die genannten schweren Folgen nur temporär ausgleichen, nicht aber dauerhaft.[14] So liegt durch den Verlust von Zähnen ebenfalls keine dauernde Entstellung vor, „wenn sie voraussichtlich durch eine Zahnprothese beseitigt“ werden kann.[52]

Subjektiver Tatbestand

Als erfolgsqualifiziertes Delikt erfasst § 226 Abs. 1 StGB eine vorsätzliche Körperverletzung, deren beschriebene schwere Folgen gemäß § 18 StGB wenigstens fahrlässig herbeigeführt wurden.[4] Mithin werden ebenso „Fälle der Leichtfertigkeit und des dolus eventualis“ erfasst.[53]

Vorsatz im Hinblick auf die schwere Folge (Abs. 2)

§ 226 Abs. 2 StGB setzt voraus, dass der Täter im Hinblick auf die schweren Folgen absichtlich (dolus directus 1. Grades) oder wissentlich (dolus directus 2. Grades) handelt und stellt mithin eine Qualifikation des § 226 Abs. 1 StGB dar.[54] Die objektiven Voraussetzungen bleiben somit unverändert.[4] Eine wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf ist unerheblich, wenn der Täter bloß wollte, dass die schwere Folge in einer anderen Art und Weise eintritt.[55] Wenn der Täter von einem absichtlichen Tötungsversuch zurückgetreten ist und eine eingetretene „schwere Körperverletzung als sichere Folge seines Handelns“ vorausgesehen hat, ist § 226 Abs. 2 StGB dennoch anwendbar.[1] Handelt er in dieser Hinsicht mit bedingtem Vorsatz (dolus eventualis), findet § 226 Abs. 2 StGB jedoch keine Anwendung.[50] Beim § 226 Abs. 2 StGB handelt es sich mithin um ein Vorsatzdelikt, das einen Strafrahmen einer Freiheitsstrafe von drei bis 15 Jahren vorsieht.

Minder schwere Fälle (Abs. 3)

In minder schweren Fällen des § 226 Abs. 1 StGB wird auf eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren (§ 226 Abs. 3 Alt. 2 StGB), in solchen des § 226 Abs. 2 StGB auf eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren erkannt (§ 226 Abs. 3 Alt. 2 StGB). Der Verbrechenscharakter der schweren Körperverletzung bleibt von der Strafmilderung unberührt (§ 12 Abs. 1 StGB).[56] Ein minder schwerer Fall kann etwa dann vorliegen, wenn „die Verletzung auf Verlangen des Opfers oder mit dessen Einwilligung erfolgt“ oder wenn der Täter die in § 213 StGB (minder schwerer Fall des Totschlags) genannten Voraussetzungen erfüllt, also wenn der Täter „von dem [verletzten] Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen“ war.[57] Das ist dann zu bejahen, wenn ein geringfügiger „Exzeß im Rahmen einer einverständlichen tätlichen Auseinandersetzung“ zur schweren Folge geführt hat.[58] Darunter fällt insbesondere eine Provokation durch den Verletzten, die den Täter daraufhin zur Tat hingerissen hat.[59] Bloße Fahrlässigkeit reicht jedoch nicht für eine Strafmilderung im Sinne des § 226 Abs. 3 StGB aus. Im Falle einer verminderten Schuldfähigkeit muss sich das Gericht „zwischen den Milderungen nach § 226 Abs. 3 [StGB] und“ § 21 StGB in Verbindung mit § 49 StGB entscheiden.[60][61] Verwirklicht der Täter § 226 Abs. 1 StGB, mildert sich die Strafe im Sinne des § 226 Abs. 3 StGB auf „Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren“; bei Verwirklichung des § 226 Abs. 2 StGB auf „Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren“.[60]

Rechtfertigungsgründe

Als mögliche Rechtfertigungsgründe kommen insbesondere die Notwehr (§ 32 StGB), der Rechtfertigende Notstand (§ 34 StGB) sowie die Einwilligung (§ 228 StGB) in Betracht, die „vor allem beim ärztlichen Heileingriff von praktischer Bedeutung“ ist.[62]

Notwehr und rechtfertigender Notstand

Eine Rechtfertigung aus Notwehr ist gegeben, wenn „zur Abwehr massiver Angriffe […] gleichermaßen massive Verteidigungshandlungen erforderlich“ sind. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die schwere Folge vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt wurde.[63] Mithin hängt die Rechtfertigung nicht von der Erfolgsverursachung, sondern von der Handlung ab. Demnach ist die „fahrlässige Herbeiführung der schweren Folge“ auch dann gerechtfertigt, wenn bei der „Begehung einer einfachen Körperverletzung […] die Möglichkeit des Eintritts einer schweren Folge voraussehbar“ war und „zur Verteidigung gegen einen rechtswidrigen Angriff[s] erforderlich“ gewesen ist.[64] Eine Rechtfertigung wegen allgemeinen (rechtfertigenden) Notstands liegt unter den gleichen Voraussetzungen vor.

Einwilligung

Weiterhin kann eine Einwilligung, etwa in ärztliche Eingriffe, rechtliche Wirksamkeit erlangen.[65] In der Praxis spielt eine Einwilligung insbesondere als Rechtfertigungsgrund für eine absichtliche Herbeiführung der schweren Folge im Sinne des § 226 Abs. 2 StGB eine nicht unerhebliche Rolle,[66][67] da es sich bei einem solchen Eingriff stets um eine „tatbestandliche Körperverletzung“ handelt.[68] So hat etwa der BGH die Wirksamkeit einer Einwilligung in einem Fall verneint, bei dem eine Patientin sich zahlreiche Zähne herausnehmen ließ, weil sie sich davon eine Minderung ihrer chronischen Kopfschmerzen erhoffte. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass der Patientin die „erforderliche Urteilskraft“ gefehlt habe und der Arzt nicht in der Lage war, „das Vorstellungsbild der Zeugin […] in Übereinstimmung zu einer realistischen medizinischen Beurteilung zu bringen“.[69] Die Patientin unterlag einem unbeachtlichen Motivirrtum, da sie den Verlust ihrer Zähne zwar erkannt hat, sich davon jedoch weitere Vorteile erhoffte. Sittenwidrig im Sinne des § 228 StGB war die Tat wegen der „objektive[n] Nutzlosigkeit“.[63] Mithin ist die Einwilligung unwirksam, wenn der Eingriff zwar vom Patienten verlangt, medizinisch jedoch nicht indiziert ist.[70][71]

Ferner ist vorstellbar, dass es während einer Operation zu unerwarteten Komplikationen kommt und die Tat aus einer mutmaßlichen Einwilligung gerechtfertigt sein könnte. Bestand für den Arzt jedoch die Möglichkeit, diesen kritischen Umstand vor der Operation zu bedenken und den Patienten dahingehend aufzuklären, wodurch sich ein „entgegenstehender Wille [des Patienten] gezeigt hätte“, liegt eine fahrlässige Körperverletzung nach § 229 StGB vor.[63]

Entschuldigungsgründe

Als Erfolgsqualifikation erfordert der Tatbestand der schweren Körperverletzung, dass nicht bloß das Grunddelikt schuldhaft begangen, sondern die schwere Folge in gleicher Weise schuldhaft herbeigeführt worden ist. Verursacht der Täter die schwere Folge vorsätzlich, sind die allgemeinen Regeln der Schuld beim Vorsatzdelikt anzuwenden. Bei einer fahrlässigen Herbeiführung sind die besonderen Merkmale zur Bestimmung der Schuld entsprechend zu berücksichtigen, so etwa die subjektive Sorgfaltspflichtverletzung oder Unzumutbarkeit der gebotenen Handlung.[72] Insofern hat der BGH in einem älteren Urteil einen Notwehrexzess als Entschuldigungsgrund anerkannt.[73]

Täterschaft und Teilnahme

Der § 226 StGB stellt an die Beteiligung (Täterschaft und Teilnahme) besondere Voraussetzungen. Diese ergeben sich aus den unterschiedlichen Strafandrohungen für Fahrlässigkeit und bedingten Vorsatz (§ 226 Abs. 1 StGB) sowie Absicht und Wissentlichkeit (§ 226 Abs. 2 StGB).[72]

Mittäterschaft

Eine Mittäterschaft an § 226 Abs. 1 StGB erfordert das Vorliegen einer gemeinschaftlich begangenen Körperverletzung nach § 223 StGB, „durch die eine schwere Folge herbeigeführt worden ist“.[74] Entsprechend dem subjektiven Tatbestand muss dem Mittäter „wenigstens Fahrlässig“ im Sinne des § 18 StGB zur Last fallen. Erfüllt von zwei Mittätern etwa einer hinsichtlich der schweren Folge Absicht und handelt der andere mit bedingtem Vorsatz, sind sie individuell den erfüllten Tatbestandsmerkmalen nach zu bestrafen.[62] Der Grund dafür ist, dass dem Wortlaut des § 226 Abs. 2 StGB nach nur „der Täter“ hinsichtlich dieser Qualifikation mit Strafe bedroht ist, der die schwere Folge absichtlich oder wissentlich herbeiführt. Mithin wird der absichtlich handelnde Mittäter aus § 226 Abs. 2 StGB und der mit bedingtem Vorsatz handelnde aus § 226 Abs. 2 StGB bestraft.[72]

Anstiftung

Demnach werden ein Anstifter oder jemand, der Beihilfe leistet, nur bestraft, wenn ihnen „hinsichtlich [der schweren] Folge wenigstens Fahrlässigkeit zur Last fällt“ (§ 18 StGB). Diese Regelung ist nicht etwa als „Anerkennung einer fahrlässigen Anstiftung“ zu verstehen, sondern stellt eine „vorsätzliche Teilnahme am vorsätzlichen Grundtatbestand“ dar, die sich durch eine „fahrlässige ‚(Neben-)Täterschaft‘“ qualifiziert. Die Strafbarkeit des Teilnehmers ist nicht von der vorsätzlichen Herbeiführung der schweren Folge durch den Haupttäter abhängig. Der Anstifter ist jedoch als mittelbarer Täter im Sinne des § 226 Abs. 1 StGB zu bestrafen, wenn er Kenntnis darüber hatte, dass der den Grundtatbestand vorsätzlich erfüllende Täter die schwere Folge fahrlässig herbeiführte.[74]

Beihilfe

Beihilfe zur Verwirklichung des § 226 Abs. 2 StGB leistet, wer direkten Vorsatz (dolus directus 1. oder 2. Grades) im Hinblick auf die schwere Folge hat. Dies ergibt sich aus § 18 StGB, wonach auf den mit bedingtem Vorsatz handelnden Beteiligten § 226 Abs. 1 StGB anzuwenden ist. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass eine Beteiligung an § 226 Abs. 2 StGB bereits gegeben ist, wenn beim Haupttäter zwar lediglich bedingter Vorsatz vorliegt, der Beteiligte jedoch mit direktem Vorsatz in Bezug auf die schwere Folge handelt.[62]

Versuch

Da es sich bei dem § 226 StGB um ein Verbrechen nach § 12 Abs. 1 StGB handelt, ist der Versuch strafbar. Bereits bei vorsätzlicher Ausführung des Grunddeliktes (§ 223 StGB) kann es sich um ein unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung handeln.[50] Weiterhin kann eine versuchte Erfolgsqualifizierung vorliegen, wenn „sich der Vorsatz des Täters auf eine schwere Folge erstreckt, deren Eintritt [jedoch] ausbleibt“. Beim § 226 Abs. 1 StGB kommt ein Versuch bereits dann in Betracht, wenn der Täter mit bedingtem Vorsatz handelt. Eine Versuchsstrafbarkeit nach § 226 Abs. 2 StGB erfordert weiterhin Absicht oder Wissentlichkeit (siehe auch: Erläuterungen zum subjektiven Tatbestand).[75] Mithin entspricht ein auf die schwere Folge gerichteter bedingter Vorsatz dem Versuch des § 226 Abs. 1 StGB.[55]

Der Tatbestand der schweren Körperverletzung stellt eine Erfolgsqualifikation dar. Demnach kann ein sich der Angreifer wegen einem erfolgsqualifizierten Versuch strafbar machen.[76] Ein solcher erfolgsqualifizierter Versuch des § 226 StGB ist deshalb möglich, weil bereits „der Versuch des Grunddelikts die besondere Folge fahrlässig“ verursachen kann.[77] Dieser Umstand ist gegeben, wenn der Täter die vorsätzliche Körperverletzung versucht, also nicht vollendet, dadurch jedoch bereits die schwere Folge herbeiführt. Sie muss nicht vom Vorsatz des Angreifers erfasst sein.[62] Dies liegt etwa vor, wenn der Angegriffene einem Angriff des Täters ausweicht, dabei jedoch unglücklich stürzt und dadurch in Lähmung verfällt.

Gesetzeskonkurrenzen

Verursacht eine Tathandlung mehrere schwere Folgen, liegen keine gleichartigen Idealkonkurrenzen vor. Mithin werden solche Fälle als nur eine Tatbestandsverwirklichung behandelt (§ 52 Abs. 1 StGB). Im Wesentlichen wird dabei die straferschwerende Regelung berücksichtigt.[55] Weiterhin erscheint vorzugswürdig, die absichtliche oder wissentliche Herbeiführung der schweren Folge (§ 226 Abs. 2 StGB) mit einer fahrlässigen oder eventualvorsätzlichen Herbeiführung (§ 226 Abs. 1 StGB) dieser in Tateinheit zu stellen.[78] Dadurch kann im Schuldspruch Idealkonkurrenz angenommen und das Vorliegen beider Absätze klargestellt werden.[50] Bleibt es bei der einen schweren Folge lediglich beim Versuch und wird die andere fahrlässig herbeigeführt, stehen der Versuch, unabhängig davon, von welchem Absatz, und die fahrlässige Vollendung in Tateinheit.[78]

§ 226 StGB verdrängt als Qualifikation das Grunddelikt § 223 StGB wegen Spezialität. Eine versuchte schwere Körperverletzung steht jedoch in Tateinheit mit einer vollendeten Körperverletzung nach § 223 StGB.[78] Ferner verdrängt der § 226 StGB die gefährliche Körperverletzung nach § 224 StGB, da diese „individualisierte Gefährdungsqualifikationen“ zum Inhalt hat, wohingegen sich die schwere Körperverletzung durch Verletzungsqualifikationen auszeichnet.[55]

Zwar besteht mit dem Schwangerschaftsabbruch nach § 218 Abs. 2 StGB Idealkonkurrenz, durch das Vorliegen der schweren Gesundheitsschädigung (§ 218 Abs. 2 Nr. 2 StGB) wird dieser jedoch durch die schwere Folge im Sinne des § 226 StGB verdrängt.[55]

Überdies liegt, entgegen der früheren Rechtsprechung,[79] mit § 225 Abs. 3 StGB (Misshandlung von Schutzbefohlenen) nicht Gesetzes-, sondern Tateinheit vor.[80] Grund dafür ist das Klarstellungsinteresse, das bloß im Rahmen einer tateinheitlichen Behandlung der „Verletzung der besonderen Sorgepflicht“ gehegt werden kann.[81][82] Die schwere Folge wird dementsprechend über den Tatbestand des § 226 StGB hergeleitet.[83]

Prozessuales

Die Tat ist beendet, wenn die schwere Folge eingetreten ist. Nach § 78a StGB beginnt die Verjährung also mit dem Eintritt dieser.[60] Wird die schwere Folge fahrlässig oder mit bedingtem Vorsatz herbeigeführt (§ 226 Abs. 1 StGB), verjährt die Tat nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB innerhalb von zehn Jahren. Taten nach § 226 Abs. 2 StGB, also solche, bei denen die schwere Folge absichtlich oder wissentlich herbeigeführt wurde, verjähren innerhalb von 20 Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 StGB in Verbindung mit § 38 Abs. 2 StGB). Eine eventuelle Strafmilderung im Sinne des § 226 Abs. 3 StGB ist dabei unbeachtlich. Verurteilungen nach § 226 Abs. 2 StGB sind „in der Urteilsformel als ‚wissentliche‘ oder ‚absichtliche schwere Körperverletzung‘ zu bezeichnen“ (§ 260 Abs. 4 StPO).[27][60][84]

Rechtshistorische Entwicklung

Bis zum 6. StRG vom 13. November 1998 war die schwere Körperverletzung in § 224 StGB geregelt. Die absichtliche Herbeiführung der schweren Folge wurde von § 225 RStGB erfasst.[85] Der Tatbestand der schweren Körperverletzung wurde jedoch bereits in früheren Gesetzen erwähnt.

§ 226 Abs. 1 StGB wurde von den §§ 190 und 193 des preußischen Strafgesetzbuches (1851) hergeleitet. Demnach wurde die Körperverletzung „bezüglich ihrer Folgen in [eine] leichte, erhebliche und schwere“ eingeteilt. Der Gedanke war, körperliche Schäden, die den Verletzten stark beeinträchtigen, besonders schwer zu bestrafen.[86] Diese Regelung findet sich gleichermaßen im § 224 RStGB aus dem Jahr 1871 wieder. Die Grundlage der heutigen Fassung des § 226 Abs. 2 StGB war der § 225 RStGB (beabsichtigte schwere Körperverletzung), der erstmals 1871 mit ins Gesetz aufgenommen wurde.

Durch das 6. StRG wurden die Merkmale von § 224 RStGB und § 225 RStGB im § 226 StGB zusammengefasst. Ferner sind Begriffe der „‚Sprache‘ durch ‚Sprechvermögen‘, ‚Zeugungsfähigkeit‘ durch ‚Fortpflanzungsfähigkeit‘ und ‚Geisteskrankheit‘ durch ‚geistige Behinderung oder Krankheit‘ ersetzt worden“. Darüber hinaus wurde das Merkmal der Absicht so ausgelegt, dass in der heutigen Fassung sowohl die Absicht als auch die Wissentlichkeit ausdrücklich im § 226 Abs. 2 StGB erwähnt werden.[85] Des Weiteren hat das Verbrechensbekämpfungsgesetz (VerbrBG) aus dem Jahr 1994 die nach Art. 19 Nr. 96 EGStGB „vorgesehene Möglichkeit der Geldstrafe“ abgeschafft.[87]

Entwicklung des Strafrahmens

§ 193 prStGB sah für eine Körperverletzung, deren Folgen „Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit“ waren, die länger als 20 Tage andauerte oder zu einer Verstümmelung des Verletzten führten beziehungsweise ihn „der Sprache, des Gesichts, des Gehörs oder der Zeugungsfähigkeit [beraubten], oder in eine Geisteskrankheit“ versetzten Zuchthaus von bis zu 15 Jahren vor. § 224 RStGB bestraft den, der eine Körperverletzung begeht, die den Verlust eines „wichtige[n] Glied[es] des Körpers, [des] Sehvermögen[s] auf einem oder beiden Augen, [des] Gehör[s], [der] Sprache oder [der] Zeugungsfähigkeit“ zur Folge hat oder den Verletzten „in erheblicher Weise dauernd entstellt […] oder in Siechthum, Lähmung oder Geisteskrankheit“ verfallen lässt mit „bis zu fünf Jahren Zuchthaus oder Gefängnis nicht unter einem Jahre“. Eine absichtliche Herbeiführung der Folgen hebte die Strafe auf „Zuchthaus von zwei bis zu zehn Jahren“ an.[88]

Die aus dem Jahr 1975 stammende Fassung des Tatbestands der schweren Körperverletzung, der damals noch im § 224 StGB angesiedelt war, bedrohte die Herbeiführung einer schweren Folge mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren. Minder schwere Fälle wurden mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Eine neuere Fassung aus dem Jahre 1994 änderte den Strafrahmen insofern ab, dass die Geldstrafe abgeschafft und auf eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren erkannt wurde.

Im Jahr 1975 wurde weiterhin der Tatbestand der „beabsichtigte[n] schwere[n] Körperverletzung“ verfasst, der sich im § 225 StGB (alte Fassung) fand. Demnach war auf Freiheitsstrafe von zwei bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn eine der in § 224 StGB (a. F.) bezeichneten Folgen beabsichtigt war. Für minder schwere Fälle (§ 225 Abs. 2 StGB [a. F.]) war die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. 1994 wurde der Tatbestand in die „besonders schwere Körperverletzung“ umbenannt. Nach § 225 Abs. 1 StGB (a. F.) wurde mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit sechs Monaten bis zu fünf Jahren, bestraft, wer eine schwere Folge „wenigstens leichtfertig verursacht“ hat. § 225 Abs. 2 StGB (a. F.) sah für eine absichtliche oder wissentliche Herbeiführung einer schweren Folge eine Freiheitsstrafe von zwei bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen von einem Jahr bis zu fünf Jahren, vor.

Dadurch, dass sich der Strafrahmen des § 224 StGB (a. F.) nicht neu bemessen hat, Nachdem im Jahr 1994 die „schwerwiegenden Unrechts- / Schuld-Formen der leichtfertigen oder bedingt vorsätzlichen Fälle“ in den § 225 StGB (a. F.) verlagert wurden, „bedeutete die Beibehaltung des Strafrahmens [des § 224 StGB (a. F.)] eine erheblich verschärfte Unrechts-Prädikatisierung für die einfach-fahrlässige“ Herbeiführung des Taterfolges.[89] Kritische Einwände gegen diese Verlagerung führen an, dass es unverhältnismäßig sei, den Strafrahmen für die „leichtfertige“ und „bedingt vorsätzliche“ Erfolgsverursachung auf eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren zu verdoppeln, wohingegen der Höchststrafrahmen für eine vorsätzliche Erfolgsverursachung unverändert der gleiche war.[89]

Reformvorhaben

Im Jahr 2009 wurde „ein Gesetzentwurf, mit dem die Verstümmelung weiblicher Genitalien als schwere Körperverletzung erfasst werden sollte“,[90] vom Bundestag abgelehnt.[91] Daraufhin beschloss der Bundesrat im Folgejahr, „einen Gesetzesentwurf beim Bundestag einzubringen, dessen zentrales Anliegen die Einfügung eines § 226a [StGB] (Genitalverstümmelung) ist“.[90] § 226a Abs. 1 StGB solle lauten: „Wer die äußeren Genitalien einer Frau durch Beschneidung oder in anderer Weise verstümmelt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft“.[92] Nach herrschender Meinung sei eine solche Regelung „aus strafrechtsdogmatischer Sicht […] nicht erforderlich“,[90] da eine solche Verstümmelung vom Straftatbestand der gefährlichen Körperverletzung mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfasst sei.[93] Dennoch sei sie als „mittlere Lösung“ zwischen § 224 StGB und § 226 Abs. 2 StGB denkbar.[94]

Kriminologische Statistik

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Die jährlich vom Bundeskriminalamt herausgegebene polizeiliche Kriminalstatistik fasst die gefährlichen und schweren Körperverletzungsdelikte in einer Statistik zusammen. Nach ihr nahm die Anzahl dieser Delikte bis 2007 zu, seit 2008 jedoch kontinuierlich ab.[95] Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Statistik dadurch verzerrt werden kann, dass der polizeiliche Tatvorwurf nicht identisch mit der juristischen Wertung sein muss. 1987–1990 sind lediglich die alten Bundesländer erfasst worden. In den Jahren 1991 und 1992 wurde Berlin berücksichtigt. Seit 1993 fließen die neuen Bundesländer, mithin das gesamte Bundesgebiet, mit in die Statistik ein.[96] Im Jahr 2011 wurden 139.091 Fälle gefährlicher und schwerer Körperverletzung erfasst,[95] davon wurde in 947 Fällen (0,68 %) mit einer Schusswaffe gedroht, in 153 Fällen (0,11 %) wurde mit einer geschossen.[97] Die fallbezogene Häufigkeit dieser Straftaten pro 100.000 Einwohner im Erfassungsgebiet betrug im Jahr 2011 insgesamt 170 Fälle. Die Aufklärungsquote stieg im Zeitraum von 1993 bis 2011 von 80,1 % auf 82,3 %.[98] Auf Straßen, Wegen und Plätzen wurden im selben Jahr 306 Fälle von schwerer Körperverletzung erfasst.[99]

Kriminalstatistik für gefährliche und schwere Körperverletzung in der Bundesrepublik Deutschland[96]
erfasste Fälle mit Schusswaffe
Jahr insgesamt pro 100.000 Einwohner Versuche geschossen gedroht Aufklärungsquote
1987 63.711 104,2 4.074 (6,4 %) 265 1.535 84,1 %
1988 62.889 102,4 4.298 (6,8 %) 247 1.480 84,1 %
1989 64.840 104,6 4.249 (6,6 %) 228 1.327 83,5 %
1990 67.095 107,0 4.174 (6,2 %) 227 1.368 82,6 %
1991 73.296 112,7 4.298 (5,9 %) 294 1.398 80,6 %
1992 77.160 117,3 4.800 (6,2 %) 382 1.797 80,7 %
1993 87.784 108,4 5.061 (5,8 %) 439 2.378 80,1 %
1994 88.037 108,2 5.340 (6,1 %) 493 2.280 81,3 %
1995 95.759 117,4 6.023 (6,3 %) 536 2.478 81,7 %
1996 101.333 123,9 6.594 (6,5 %) 553 2.619 83,2 %
1997 106.222 129,5 6.922 (6,5 %) 522 2.508 82,5 %
1998 110.277 134,4 7.690 (7,0 %) 535 2.289 83,6 %
1999 114.516 139,6 8.322 (7,3 %) 592 2.300 83,9 %
2000 116.912 142,3 8.866 (7,6 %) 580 2.159 83,9 %
2001 120.345 146,3 9.042 (7,5 %) 473 1.715 83,8 %
2002 126.932 154,0 9.596 (7,6 %) 492 1.707 84,6 %
2003 132.615 160,7 10.141 (7,6 %) 441 1.844 84,1 %
2004 139.748 169,3 10.790 (7,7 %) 389 1.546 84,2 %
2005 147.122 178,3 12.151 (8,3 %) 418 1.492 83,5 %
2006 150.874 183,0 12.953 (8,6 %) 352 1.357 83,2 %
2007 154.849 188,1 13.589 (8,8 %) 350 1.337 82,5 %
2008 151.208 183,9 15.347 (10,1 %) 279 1.084 82,3 %
2009 149.301 182,1 15.730 (10,5 %) 214 1.098 82,2 %
2010 142.903 174,7 15.799 (11,1 %) 202 931 82,3 %
2011 139.091 170,1 16.085 (11,6 %) 153 947 82,3 %

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b BGH: Schwere Körperverletzung. Absichtliche oder wissentliche Verursachung der Folgen einer schweren Körperverletzung als Qualifikationstatbestand; Anwendbarkeit der Vorschrift bei direktem Tötungsvorsatz. In: NJW. München 2001, S. 980 f. (Link zum Urteil auf bundesgerichtshof.de).
  2. Paeffgen in: Strafgesetzbuch. 2010, S. 1022.
  3. Wessels/Hettinger: Strafrecht. 2012, S. 80.
  4. a b c Hardtung in: Münchener Kommentar. 2012, S. 989.
  5. Paeffgen in: Strafgesetzbuch. 2010, S. 1002.
  6. a b c d Joecks: Studienkommentar StGB. 2012, S. 430 f.
  7. Joecks: Studienkommentar StGB. 2012, S. 412.
  8. Pieroth/Schlink: Grundrechte. 2012, S. 97.
  9. Joecks: Studienkommentar StGB. 2012, S. 417.
  10. Altenhain: Der Zusammenhang zwischen Grunddelikt und schwerer Folge bei den erfolgsqualifizierten Delikten. In: GA. München 1996, S. 19–35.
  11. BGH: Todesfolge als unmittelbare Auswirkung der Verletzungshandlung. In: NJW. München 1971, S. 152. (Link zum Urteil auf juris.de).
  12. Roxin: Strafrecht. 2006, S. 334.
  13. Kühl: Das erfolgsqualifizierte Delikt (Teil I). In: Jura. Berlin 2002, S. 810−815.
  14. a b Hardtung in: Münchener Kommentar. 2012, S. 994–996.
  15. Murmann: Grundkurs Strafrecht. 2011, S. 129.
  16. a b RGSt 3, S. 391 f.
  17. a b BayObLG, Urteil vom 20. April 2004, Az. 2 St RR 165/03.
  18. a b c Fischer: Strafgesetzbuch und Nebengesetze. 2012, S. 1511 f.
  19. a b Hardtung: Die Körperverletzungsdelikte. In: JuS. München 2008, S. 1060–1065.
  20. LG Freiburg, Urteil vom 14. Dezember 2005, Az. 7 Ns 210 Js 24420/04 – AK 84/05.
  21. a b c Lackner/Kühl: Strafgesetzbuch. Kommentar mit Erläuterungen. 2011, S. 1049 f.
  22. Scheffler: Die Wortsinngrenze bei der Auslegung. In: Jura. Berlin 1996, S. 505–510.
  23. Rengier: Strafrecht. 2012, S. 124.
  24. a b c Hardtung in: Münchener Kommentar. 2012, S. 998–1001.
  25. BGHSt 28, S. 100–102.
  26. RGSt 64, S. 201 f.
  27. a b c BGH, Urteil vom 15. März 2007, Az. 4 StR 522/06 (Link zum Urteil auf bundesgerichtshof.de).
  28. a b c Joecks: Studienkommentar StGB. 2012, S. 432 f.
  29. Jesse: Beruf des Opfers und Wichtigkeit eines Körpergliedes in § 226 StGB. In: NStZ. München 2008, S. 605–608.
  30. a b Hörnle: Die wichtigsten Änderungen des Besonderen Teils des StGB durch das 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts. In: Jura. Berlin 1998, S. 179.
  31. Hirsch in: Leipziger Kommentar. 2005, S. 110.
  32. Hardtung in: Münchener Kommentar. 2012, S. 990 f.
  33. OLG Hamm, Urteil vom 8. Mai 2000, Az. 13 U 7/00.
  34. RGSt 39, S. 419 f.
  35. Wessels/Hettinger: Strafrecht. 2012, S. 89.
  36. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2006, Az. 3 StR 183/06 (Link zum Beschluss auf bundesgerichtshof.de).
  37. Kindhäuser: Strafgesetzbuch. 2013, S. 812.
  38. LG Saarbrücken: Zum Begriff der dauernden Entstellung. In: NStZ. München 1982, S. 204.
  39. a b Rengier: Strafrecht. 2012, S. 127.
  40. a b BGH, Urteil vom 28. Juni 2007, Az. 3 StR 185/07 (Link zum Urteil auf bundesgerichtshof.de).
  41. Hirsch in: Leipziger Kommentar. 2005, S. 114.
  42. a b Wessels/Hettinger: Strafrecht. 2012, S. 90.
  43. Lilie in: Leipziger Kommentar. 2005, S. 22.
  44. BGH: Schwere Körperverletzung. Lähmung. In: NStZ. München 1988, S. 2622.
  45. a b Hardtung in: Münchener Kommentar. 2012, S. 1004.
  46. BR-Drs. 164/97, S. 15.
  47. BT-Drs. 13/9064.
  48. Schroth: Zentrale Interpretationsprobleme des 6. Strafrechtsreformgesetzes. In: NJW. München 1998, S. 2861–2866.
  49. van Els: Verlust des Sehvermögens und anderer in § 224 StGB genannter Fähigkeiten. In: NJW. München 1974, S. 1074–1076.
  50. a b c d e Joecks: Studienkommentar StGB. 2012, S. 434 f.
  51. BGHSt 24, S. 315–318.
  52. LG Hamburg, Urteil vom 21. Juli 1965, Az. (40) 26/65.
  53. Rengier: Strafrecht. 2012, S. 122.
  54. Hardtung in: Münchener Kommentar. 2012, S. 1006.
  55. a b c d e Hirsch in: Leipziger Kommentar. 2005, S. 116–122.
  56. Hirsch in: Leipziger Kommentar. 2005, S. 121.
  57. BGHSt 25, S. 222–224.
  58. BGH: Minder schwerer Fall der Körperverletzung mit Todesfolge. In: StV. Berlin 1994, S. 16 f.
  59. BGH, Beschluss vom 10. August 2004, Az. 3 StR 263/04 (Link zum Beschluss auf bundesgerichtshof.de).
  60. a b c d Hardtung in: Münchener Kommentar. 2012, S. 1011.
  61. BGH, Beschluss vom 11. August 1987, Az. 3 StR 341/87.
  62. a b c d Fischer: Strafgesetzbuch und Nebengesetze. 2012, S. 1514 f.
  63. a b c Hardtung in: Münchener Kommentar. 2012, S. 1008.
  64. Hirsch in: Leipziger Kommentar. 2005, S. 120.
  65. Murmann: Grundkurs Strafrecht. 2011, S. 245, 134 f.
  66. BGHSt 45, S. 226 f.
  67. BGHSt 11, S. 111 f.
  68. BGH, Urteil vom 19. November 1997, Az. 3 StR 271/97.
  69. BGH, Urteil vom 22. Februar 1978, Az.
  70. Horn: Der medizinisch nicht indizierte, aber vom Patienten verlangte ärztliche Eingriff – strafbar? In: JuS. München 1979, S. 29–31.
  71. Bichlmeier: Die Wirksamkeit der Einwilligung in einen medizinisch nicht indizierten ärztlichen Eingriff. In: JZ. Tübingen 1980, S. 53–56.
  72. a b c Hardtung: Münchener Kommentar. 2012, S. 1009.
  73. BGH, Urteil vom 21. Juni 1968, Az. 4 StR 157/68.
  74. a b Hirsch in: Leipziger Kommentar. 2005, S. 119 f.
  75. Rengier: Strafrecht. 2012, S. 130.
  76. Laubenthal: Der Versuch des qualifizierten Delikts einschließlich des Versuchs im besonders schweren Fall bei Regelbeispielen. In: JZ. Tübingen 1987, S. 1065–1070.
  77. Kühl: Strafrecht. 2012, S. 636.
  78. a b c Hardtung in: Münchener Kommentar. 2012, S. 1009 f.
  79. BGH, Urteil vom 27. März 1953, Az. 1 StR 689/52.
  80. BGHSt 4, S. 113−119.
  81. BGH: Konkurrenzen. Tateinheit zwischen der Mißhandlung eines Schutzbefohlenen durch Quälen und schwerer Körperverletzung. In: NJW. München 1999, S. 72.
  82. Hardtung in: Münchener Kommentar. 2012, S. 987.
  83. Hirsch in: Leipziger Kommentar. 2005, S. 97.
  84. BGH, Urteil vom 25. Juni 2002, Az. 5 StR 103/02 (Link zum Urteil auf bundesgerichtshof.de).
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  86. Eisenmenger et al.: Medizin und Recht. 1986, S. 416.
  87. Hirsch in: Leipziger Kommentar. 2005, S. 101.
  88. Rubo: Kommentar über das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. 1879, S. 775–782.
  89. a b Paeffgen in: Strafgesetzbuch. 2010, S. 1000 f.
  90. a b c Hardtung in: Münchener Kommentar. 2012, S. 1012.
  91. BT-Drs. 16/12910.
  92. BR-Drs. 867/09. (PDF, 57 KB) Bundesrat, 12. Februar 2010, S. 7, abgerufen am 10. Dezember 2012.
  93. Hardtung in: Münchener Kommentar. 2012, S. 955.
  94. Hahn: Genitalverstümmelung: Wirksamer Opferschutz durch einen eigenen Straftatbestand. In: ZRP. München 2010, S. 37–40.
  95. a b Polizeiliche Kriminalstatistik. (PDF, 6265 KB) Bundeskriminalamt, 2011, S. 29, abgerufen am 26. November 2011.
  96. a b PKS-Zeitreihen 1987 bis 2011. (PDF, 1152 KB) Bundeskriminalamt, 16. Juni 2012, S. 36, abgerufen am 26. November 2012.
  97. Polizeiliche Kriminalstatistik. (PDF, 6265 KB) Bundeskriminalamt, 2011, S. 66, abgerufen am 26. November 2011.
  98. Polizeiliche Kriminalstatistik. (PDF, 6265 KB) Bundeskriminalamt, 2011, S. 80, abgerufen am 26. November 2011.
  99. Polizeiliche Kriminalstatistik. (PDF, 6265 KB) Bundeskriminalamt, 2011, S. 40, abgerufen am 26. November 2011.