Hochwasser in West- und Zentralafrika 2024

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Im Juni bis September 2024 kam es zu Hochwassern in West- und Zentralafrika, bei denen mehreren Hundert Menschen ums Leben kamen.[1][2] Von den schweren Überschwemmungen waren im Jahr 2024 bis dahin schätzungsweise 4 Millionen Menschen betroffen, darunter laut UNICEF viele Kinder. Mindestens 500.000 Menschen wurden obdachlos und mehr als 300.000 Häuser zerstört. Die Überschwemmungen erstreckten sich von Liberia bis Nigeria und über Mali, Niger und Tschad, wobei auch Zentralafrika betroffen war.[3][4] Die am schwersten von den Überschwemmungen betroffenen Länder waren laut OCHA nach Stand 10. September Tschad (etwa 1 Million Betroffene), Nigeria (600.000 Betroffene) und Niger (300.000 Betroffene), gefolgt von der Zentralafrikanischen Republik, Kamerun und Mali.[5] Bestehende humanitäre Krisen im Tschadbecken, in Kamerun, in Mali und in Nigeria wurden durch die schweren Überschwemmungen weiter verschärft.[6] Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen gab an, dass bereits 55 Millionen Menschen in der Region von einer Hungerkrise betroffen seien. Von den Überschwemmungen seien über 4 Millionen Menschen in 14 Ländern betroffen.[7]

In Guinea führten schwere Regenfälle in der Nacht vom 29. zum 30. Juli zu Überflutungen in der Stadt Siguiri und den umgebenden Unterpräfekturen Djomabanan, Kinièbakoura, Kintinian und Niandankoro, die nach Schätzungen der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung über 19.000 Menschen betrafen. Weitere rund 17.000 Menschen betrafen Stand 27. August Überschwemmungen in Boké und Conakry.[8]

Infokarte zur humanitären Krisensituation in Kamerun (englisch)

In Kamerun setzten mit Beginn der Regenzeit Ende Juli in der Region Extrême-Nord häufige Regenfälle ein, die teils zu Überschwemmungen führten. Zwischen dem 10. und 19. August stiegen die Niederschlagsmengen an und verschlechterten die Überschwemmungssituation.[9] Am schwersten traf es in der Region die Bezirke Mayo-Tsanaga, Mayo-Danay und Logone-et-Chari.[10][11] Am 28. August brachen im Bezirk Mayo-Dana Dämme, wodurch die Bezirkshauptstadt Yagoua und einige Dörfer überflutet wurden.[9]

In Liberia wurden im Juni nach Angaben der National Disaster Management Agency (NDMA) durch Überschwemmungen nach starken Regenfällen rund 50.000 Menschen aus ihren Häusern vertrieben. Zwei Personen kamen ums Leben. Nach starken Regenfällen am 28. Juni wurden rund 8000 Menschen obdachlos. Zahlreiche Gebäude in den Counties Montserrado, Margibi und Grand Bassa wurden schwer beschädigt.[12]

Infokarte zu den Überschwemmungen in Mali im Juli bis August (englisch)

In Mali kam es ab 22. Juli zu starken Regenfällen. Im Ort Bla in der Region Ségou waren bis 29. Juli rund 8700 Menschen von Überschwemmungen betroffen.[13] Zwischen 1. August und 6. September kamen nach weiteren starken Regenfällen 8 Menschen in den Regionen Ségou und San ums Leben. Die Überschwemmungen betrafen insgesamt über 2300 Haushalte bzw. 14.000 Menschen.[14] In Gao fielen am 16. August 95 mm Niederschläge innerhalb von drei Stunden und lösten eine Sturzflut aus, bei der zwei Kinder ums Leben kamen und zwei weitere verletzt wurden. Rund 2000 Häuser wurden zerstört.[15] Insgesamt starben bei Überschwemmungen in Mali mindestens 55 Menschen.[1]

In Niger starben zu Beginn der Regenzeit bis 21. Juni mindestens 21 Menschen durch Überschwemmungen. Davon starben 13 Menschen in einstürzenden Häusern und acht ertranken in den Wassermassen. Etwa 6000 weitere Menschen waren von den Überschwemmungen betroffen.[16]

Karte
OpenStreetMap-Karte der Stadt Maiduguri mit dem etwa 20 Kilometer südöstlich gelegenen Alau-Stausee

Im August warnte die Nigeria Hydrological Services Agency (NIHSA) vor steigenden Wasserpegeln am Niger.[17] Im Bundesstaat Borno im Nordosten Nigerias führte in der Nacht vom 9. auf den 10. September ein Bruch des am Ngadda, einem der Zuflüsse des Tschadsees, gelegenen Alau-Staudamms bei maximalem Stauvolumen zu Zerstörungen, wobei Schätzungen nach 15 bis 40 Prozent der Stadt Maiduguri überflutet und bis zu 200.000 Menschen betroffen wurden. Viele Menschen wurden vom Wasser im Schlaf überrascht. Laut OCHA starben mindestens 37 Menschen, 58 weitere wurden verletzt. Zwei Brücken stürzten teilweise ein. Im gesamten Bundesstaat waren rund 414.000 Menschen von den Überschwemmungen betroffen.[18] Es waren die schwersten Überschwemmungen in der Region seit 30 Jahren. In der Region herrscht durch die Aktivitäten der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram bereits seit Jahren eine humanitäre Krise, die durch die Überschwemmungskatastrophe weiter verschärft wurde.[19][20] Auch andere Dämme in der Subregion gerieten durch die schweren Regenfälle unter Druck. Stand 15. September wird befürchtet, dass ähnliche Dammbrüche zu noch größeren Zerstörungen führen könnten. In Maiduguri wurde durch die Überflutungen ein Gefängnis mittlerer Sicherheitsstufe beschädigt. Laut dem Nigerian Correctional Service (NCoS) gelang Insassen während einer Verlegung in eine sichere Einrichtung die Flucht. Unter den über 270 Entflohenen sei laut dem Gouverneur Babagana Umara Zulum eine nicht spezifizierte Anzahl Mitglieder von Boko Haram.[21][22] Auch der Sanda Kyarimi Park Zoo in Maiduguri war vom Hochwasser betroffen. Nach Angaben des Zoodirektors starben etwa 80 Prozent der Tiere, weitere entkamen in die Umgebung, darunter Krokodile.[2][17] Am 17. September gab die Nigeria Hydrological Services Agency eine Warnung aus, nachdem am Lagdo-Staudamm in Kamerun begonnen wurde kontrolliert Wasser abzulassen und somit mit einem Anstieg des Wasserpegels am Benue, dem größten Nebenfluss des Niger, zu rechnen war. Durch die Maßnahme sollten weitere schwere Überschwemmungen verhindert werden.[23]

Da das städtische Abwassernetz zusammenbrach und Wasserquellen verunreinigt wurden, wird der Ausbruch von Krankheiten wie Cholera befürchtet. Der Zugang zu Krankenhäusern und anderer Infrastruktur war nach dem Hochwasser nur eingeschränkt möglich. Die Regierung von Borno ließ Schulen im Bundesstaat für zwei Wochen schließen. Über 300.000 durch die Katastrophe temporär obdachlose Menschen wurden in 30 Lagern untergebracht.[24][18] Die durch Inflation bereits hohen Lebensmittelpreise und die Nahrungsmittelknappheit stiegen durch die Zerstörungen weiter an. Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten genehmigte 8 Millionen US-Dollar an humanitärer Soforthilfe für die Betroffenen des Hochwassers in Maiduguri.[25]

Im Tschad waren seit Ende Juli laut Regierungsangaben bis 3. September etwa 1,5 Millionen Menschen in allen 23 Provinzen und 115 der 120 Départements von Überschwemmungen betroffen. Allein in den acht Provinzen Mayo Kebbi Est, Tandjilé, Mandoul, Salamat, N’Djamena, Sila, Lac und Guéra gab es über 1,1 Millionen Betroffene. Mindestens 341 Menschen kamen ums Leben. Zudem wurden Brücken, Straßen und über 260.000 Häuser zerstört sowie 250.000 Hektar Landwirtschaftsfläche überflutet. In der im Norden des Landes innerhalb der Sahara gelegenen Provinz Tibesti kamen bis Mitte August 54 Menschen ums Leben. Überlicherweise fallen in der Wüstenregion nur rund 200 mm Niederschlag pro Jahr, schwerere Regenfälle treten etwa alle 5 bis 10 Jahre auf. Die Überschwemmungen im Land erschwerten Hilfslieferungen in die Region Darfur im Westsudan. Durch den Krieg im Sudan leben im Tschad mehr als eine Million Flüchtlinge. Etwa 220.000 Binnenvertriebene leben zudem in der Region um den Tschadsee.[26][27][28]

Die Vereinigten Staaten kündigten am 11. September als Reaktion auf die Überschwemmungen 2 Millionen US-Dollar an humanitärer Hilfe an, zusätzlich zu den mehr als 168 Millionen im Fiskaljahr 2024 bereits zur Verfügung gestellten US-Dollar.[29]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b ‘Water Is Coming.’ Floods Devastate West and Central Africa. The New York Times, abgerufen am 16. September 2024 (englisch).
  2. a b Hunderttausende fliehen vor Überflutung in Nigeria. In: zeit.de. 11. September 2024, abgerufen am 16. September 2024.
  3. UNICEF reagiert auf schwere Überschwemmungen in West- und Zentralafrika. UNICEF, 13. September 2024, abgerufen am 16. September 2024.
  4. Record-breaking floods are devastating Niger, Mali, and Nigeria, warns IRC. International Rescue Committee, 12. September 2024, abgerufen am 16. September 2024 (englisch).
  5. Afrique de l’Ouest et centrale : Derniers événements en bref (3 - 9 septembre 2024). Abgerufen am 16. September 2024 (englisch).
  6. Severe floods hitting most vulnerable in Sahel and Lake Chad region. In: ReliefWeb. 16. September 2024, abgerufen am 16. September 2024 (englisch).
  7. WFP ramps up response in flood-hit West Africa as region grapples with record levels of acute hunger. Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen, 17. September 2024, abgerufen am 18. September 2024 (englisch).
  8. Guinea: Floods - Jul 2024. In: ReliefWeb. Abgerufen am 18. September 2024 (englisch).
  9. a b Cameroon - Far North Floods DREF Operation, Appeal: MDRCM039. In: ReliefWeb. 14. September 2024, abgerufen am 16. September 2024 (englisch).
  10. Devastating floods in Cameroon: Thousands Displaced, Infrastructure destroyed. Africanews, 15. September 2024, abgerufen am 16. September 2024 (englisch).
  11. Cameroon: Floods - Aug 2024. In: ReliefWeb. Abgerufen am 16. September 2024 (englisch).
  12. Liberia: Floods - Jun 2024. In: ReliefWeb. Abgerufen am 16. September 2024 (englisch).
  13. Mali: Floods - Jul 2024. In: ReliefWeb. Abgerufen am 16. September 2024 (englisch).
  14. Mali : Note d’information sur les inondations (régions de Ségou et San) - Rapport de situation No. 01 (13 septembre 2024). In: ReliefWeb. 13. September 2024, abgerufen am 16. September 2024 (englisch).
  15. Mali : Inondations à Gao - Flash update No. 01. In: ReliefWeb. 27. August 2024, abgerufen am 16. September 2024 (englisch).
  16. Dalatou Mamane: Floods in mostly arid Niger kill 21 people as rainy season just gets started. AP News, 21. Juni 2024, abgerufen am 16. September 2024 (englisch).
  17. a b Nimi Princewill: Floods gush through Nigerian zoo, sweeping snakes and crocodiles into neighborhoods. CNN, 11. September 2024, abgerufen am 16. September 2024 (englisch).
  18. a b Nigeria - Floods and dam overflow, update (UN OCHA, NOAA-CPC) (ECHO Daily Flash of 16 September 2024). In: ReliefWeb. 16. September 2024, abgerufen am 17. September 2024 (englisch).
  19. Nigeria: Floods - Aug 2024. In: ReliefWeb. Abgerufen am 16. September 2024 (englisch).
  20. Dyepkazah SHIBAYAN Shibayan: Dam collapse in Nigeria sweeps deadly reptiles into flooded communities. AP News, 11. September 2024, abgerufen am 16. September 2024 (englisch).
  21. Prisoners flee after Nigeria floods damage jail. BBC, 16. September 2024, abgerufen am 16. September 2024 (englisch).
  22. Knapp 300 Insassen nach Hochwasser aus Gefängnis in Nigeria ausgebrochen. Der Standard, 15. September 2024, abgerufen am 16. September 2024.
  23. Nigeria Issues Flood Alert as Lagdo Dam Begins Water Release. Nigerian Bulletin, 18. September 2024, abgerufen am 19. September 2024 (englisch).
  24. 'I thought I would die with my six children' - dam collapse survivor. BBC, September 2024, abgerufen am 17. September 2024 (englisch).
  25. Timothy Obiezu: UN diverts $8 million in humanitarian funding to Nigeria flood response. Voice of America, 16. September 2024, abgerufen am 19. September 2024 (englisch).
  26. Chad: Floods - Aug 2024. In: ReliefWeb. Abgerufen am 16. September 2024 (englisch).
  27. UNFPA Chad Flash Update #1 | Devastating floods impact all 23 provinces of Chad (August 30, 2024 to September 11, 2024). (PDF; 719 KB) In: ReliefWeb. United Nations Population Fund, 16. September 2024, abgerufen am 16. September 2024 (englisch).
  28. Floods in Chad have killed hundreds of people and affected 1.5 million, UN says. France24, 16. September 2024, abgerufen am 16. September 2024 (englisch).
  29. The United States Provides $2 Million in Additional Humanitarian Assistance for Flood-Affected Populations in Chad. United States Agency for International Development, 11. September 2024, abgerufen am 16. September 2024 (englisch).