Gianfranco Becchina

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Gianfranco Becchina (* 1939 in Castelvetrano[1]) ist ein italienischer Antikenhändler, der mit illegal ausgegrabenen antiken Objekten handelte.

In jungen Jahren zog Becchina zu seinem Onkel nach Carbonia auf Sardinien. Als junger Erwachsener arbeitete er dort als Kellner. Carbonia war zu der Zeit von Kohleminen geprägt, doch als diese in den 1960er Jahren schlossen, zog Becchina nach Basel. Dort begann er als Laufbursche im Hotel Helvetia, das er später kaufte. Über einen Hotelgast, Elie Borowski, kam er in den Antikenhandel.[2] Außerdem gründete er 1985 die Firma Olio Verde, die Olivenöl in Castelvetrano im Westen Siziliens produziert. Dort verbringt Becchina auch seinen Ruhestand. Das Unternehmen wird mittlerweile von den drei Töchtern weitergeführt.[3]

Im Jahr 2023 wurde bekannt, dass Becchina dem Mafioso Matteo Messina Denaro nahestand.[1]

Illegaler Antikenhandel

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Kouros des J. Paul Getty Museums

Gianfranco Becchina eröffnete zusammen mit seiner Frau Ursula-Marie Becchina-Juraschek ein Geschäft für Antiken, die Galerie Antike Kunst Palladion (benannt nach dem Palladion). Über diese Galerie verkauften sie seit den 1970er Jahren Raubkunst, die sie über ein Netzwerk von Grabräubern und Schmugglern beschafften. Becchina bezahlte sogenannte „Tombaroli“, Grabdiebe, die unter anderem vom Weltkulturerbe-Friedhof von Cerveteri, Pompeji, Ruinen von Syrakus, Tarent und Canosa Objekte stahlen, die Becchina später verkaufte. Es gelang ihnen, antike Objekte an Museen wie das Ashmolean Museum, den Louvre, das Museum of Fine Arts in Boston, das Metropolitan Museum of Art in New York, das Princeton University Art Museum, das Toledo Museum of Art und das J. Paul Getty Museum zu verkaufen. Es waren aber auch Einzelpersonen wie Shelby White und ihr Mann Leon Levy, der Sammler George Ortiz und der Antikenhändler Noriyoshi Horiuchi. Von Becchina stammt auch die Marmorstatue des griechischen Jünglings Kouros, die er für 10 Millionen Dollar an das J. Paul Getty Museum verkaufte. Bis heute gibt es den Verdacht, dass es sich um eine Fälschung handelt.[2][4]

Ins Visier der Polizei geriet Becchina erstmals 1994, als ins Castello di Melfi eingebrochen wurde und acht Vasen aus der Zeit von Alexander des Großen entwendet wurden. Daraufhin wurde von einer Sonderstaffel der italienischen Carabinieri, der Tutela Patrimonio Culturale, die „Operation Geryon“ eingeleitet. Die Vasen wurden im Oktober 1994 bei einer polizeilichen Durchsuchung der Wohnung des Antikenhändlers Antonio Savoca sichergestellt. Dabei wurde auch eine Kartei mit Geschäftsvorgängen beschlagnahmt, woraufhin Luigi Coppola als Lieferant der Melfi-Vasen identifiziert wurde und zusammen mit seinem Komplizen Pasquale Camera, einem Zollbeamten, überwacht wurde. Camera starb während eines Autounfalls auf dem Weg zu einer Antikenhändlerin, Frieda Tchacos. In seinem Auto wurden Fotos von illegal ausgegrabenen antiken Objekten gefunden. Es wurde beispielsweise ein Foto eines Paestanischen rotfigurigen Kraters des Malers Asteas gefunden, welchen Becchina 1981 an das J. Paul Getty Museum verkaufte.[5] Weitere Untersuchungen führten zu dem Fund eines von Pasquale Camera angefertigten Organigramms, das die Struktur des illegalen Antikenhandels darstellte. Im Zentrum stand der US-Antikenhändler Robert Hecht, der Verbindungen zu Sammlern und Museen in den USA hatte und davon abgehend waren auf dem Organigramm zwei Händlerketten: Eine über Giacomo Medici und eine über Gianfranco Becchina, die Hecht mit illegal ausgegrabenen Artefakten versorgten.[6] Becchina erhielt wiederum Objekte unter anderem von Raffaele Monticelli of Taranto, der 2002 zu vier Jahren Haft verurteilt wurde.[7][8]

Im Jahr 2002 wurden drei von Becchinas Lagern und die Galerieräume durchsucht. Etwa 13 000 Dokumente, 6 300 Artefakte und 8 000 Fotografien wurden beschlagnahmt. Davon konnten 5361 Objekte Italien zugeordnet und an Italien zurückgeführt werden. Vier Jahre später wurde eine weitere Lagerstätte mit Artefakten entdeckt. Becchina wurde 2011 wegen illegalem Handel mit antiken Objekten verurteilt und legte Berufung ein. Daraufhin wurde er wegen Verjährung freigesprochen.[2]

Im Mai 2022 wurden seine Vermögenswerte endgültig beschlagnahmt, darunter der Palazzo Tagliavia Aragona Piganetelli aus dem 18. Jahrhundert in Castelvetrano sowie Gebäude und Fahrzeuge.[1][9]

Rückgabe von antiken Objekten

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Das J. Paul Getty Museum und das Toledo Museum of Art haben einige illegal ausgegrabene Artefakte, die sie von Becchina erworben haben, an Italien zurückgegeben. Außerdem wurden 2012 zwei Keramikgefäße und ein Marmorkopf von der US-amerikanischen Zollbehörde vom New Yorker Auktionshaus Christie’s beschlagnahmt.[7]

2023 forderte Italien sieben antike Objekte vom Louvre zurück. Diese wurden zwischen 1982 und 1995 unter anderem von Becchina angekauft. Das bekannteste Stück ist eine Amphore aus dem 5. Jahrhundert v. Chr., die dem Berliner Maler zugeschrieben wird. Weitere Stücke sind griechische Vasen des Ixion-Malers aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. sowie Werke im Stil des Antimenes-Maler aus dem 6. Jahrhundert v. Chr.[10]

Einzelnachweise

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  1. a b c Redazione: Il "Mecenate di Castelvetrano" o Gianfranco Becchina. In: Artiquariato. 27. März 2023, abgerufen am 7. Juli 2024 (italienisch).
  2. a b c Matthias Schulz: Die Spur des Sizilianers. In: Der Spiegel. 17. April 2015, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 2. Juli 2024]).
  3. Gianfranco Becchina - Olivenöl aus Italien online kaufen | MYVINI.de. Abgerufen am 1. Juli 2024.
  4. Gianfranco Becchina. In: Trafficking Culture. Abgerufen am 3. Juli 2024 (amerikanisches Englisch).
  5. Operation Geryon. In: Trafficking Culture. Abgerufen am 3. Juli 2024 (amerikanisches Englisch).
  6. Organigram. In: Trafficking Culture. Abgerufen am 3. Juli 2024 (amerikanisches Englisch).
  7. a b United Nations Office on Drugs and Crime: Case Law Database: Case G. Becchina. Abgerufen am 1. Juli 2024.
  8. Case G. Becchina. Abgerufen am 3. Juli 2024 (englisch).
  9. Justice Rendered: The final confiscation of properties and business enterprises of Gianfranco Becchina has been confirmed.
  10. Par Le Parisien avec AFP Le 14 juillet 2023 à 14h33: L’Italie réclame au Louvre sept antiquités probablement pillées. 14. Juli 2023, abgerufen am 1. Juli 2024 (französisch).