Fritz Bramstedt

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Fritz Bramstedt (* 5. Januar 1911 in Hadersleben (heute: Haderslev, Dänemark); † 13. Dezember 1976 in Hamburg) war ein überwiegend in Deutschland tätiger Chemiker, Ernährungswissenschaftler, Kariesforscher und Hochschullehrer.

Fritz Bramstedt studierte Biologie und Chemie (mit Schwerpunkt Physiologische Chemie) in Kiel und dann Marburg, wo er 1935 in der naturwissenschaftlichen Abteilung zum Dr. phil. promoviert wurde. Von 1936 bis 1945 war er mit kriegsbedingten Unterbrechungen wissenschaftlicher Assistent an der Biologischen Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft, Zweigstelle Naumburg/Saale.[1] Nach Ende des Zweiten Weltkriegs nahm er an der Universität Hamburg im Institut für Physiologische Chemie unter dem Ernährungswissenschaftler Joachim Kühnau wissenschaftliche Arbeiten auf, die ihn zur biochemischen Kariesforschung brachten,[2] nicht zuletzt wegen der Nähe Kühnaus zu Karl Schuchardt, dem Direktor der Zahnmedizinischen Abteilung der Universität Hamburg.[3] Bei Kühnau habilitierte sich Bramstedt 1952 für das Fach Physiologische Chemie, wurde 1954 Diätendozent und 1958 apl. Professor.[1] In Schuchardts Institut entstand unter Bramstedts Führung eine Arbeitsgruppe für biochemische Kariesforschung, in der unter anderem Rudolf Naujoks (1948 Doktorand und Assistent bei Schuchardt), Adolf Kröncke, Rudolf Vonderlinn und Günther Ahrens die Wirkung von Fluoriden auf Enzyme und zellige Elemente des Speichels, speziell die Sauerstoff-Aufnahme und Zucker-Clearance, untersuchten.[4][5]

Naujoks nahm 1963 einen Ruf auf den Lehrstuhl für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und als Leiter der Klinik und Poliklinik für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten an der Universität Würzburg an[6][7] und setzte sich dort umgehend für die Schaffung eines Lehrstuhls für Experimentelle Zahnheilkunde ein, dessen Leitung er 1964 Fritz Bramstedt übertrug. Bramstedt hatte zwar gerade eine neue Wirkungsstätte am Bundesforschungsinstitut für Fischerei in Hamburg (heute: Max Rubner-Institut) gefunden,[8] ließ sich aber zum Wechsel nach Würzburg bewegen.[9][10][1]

Als im Mai 1966 die 1959 begonnene Modernisierung und Erweiterung der Würzburger Klinik vorläufig abgeschlossen war, leitete Bramstedt zur Einweihung ein Symposium (6. und 7. Mai 1966) über neuere Probleme der Kariesforschung, an dem deutsche und ausländische Wissenschaftler als Vortragende zahlreiche Gäste informierten. Am runden Tisch gab das Gespräch über die Trinkwasserfluoridierung dem Thema neue Nahrung. Hierbei wurde auf Anregung des dänischen FDI-Präsidenten O. P. Pedersen beschlossen, entsprechende Empfehlungen an die Behörden weiterzuleiten. In Hamburg 1964 abgelehnt,[11] wurde jetzt in diesem Kontext die Fluoridierung des Würzburger Trinkwassers gefordert.[12][13][14][15] Nachdem sich Bramstedt bereits im März 1966 als Sachverständiger beim Bundesgesundheitsrat positiv zur Trinkwasserfluoridierung geäußert hatte, sprach er anlässlich der für den 13. Mai vorgesehenen erneuten Anhörung schriftlich eine weitere Empfehlung aus.[16]

Vom 3. bis 10. August 1966 fand in Hamburg mit einem Kostenaufwand von 1,1 Millionen DM der VII. Welternährungskongress der International Union of Nutritional Sciences statt. Unter der Leitung von Joachim Kühnau, Präsident der DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) und Kongress-Präsident, beteiligte sich Bramstedt als Leiter der Abteilung Allgemeine Ernährung der DGE in Programm- und Arbeitskomitees an Vorbereitung und Durchführung des Kongresses,[17][18][19][20] bei dem auch Fragen der Kariesprophylaxe (insbesondere Fluorid-Anwendung) in einem Round-Table-Gespräch thematisiert wurden.[21]

Bramstedts energischer Einsatz für die Kariesprophylaxe mit Fluoriden, speziell die Trinkwasserfluoridierung, zeigt sich auch in seiner Kritik[22] an einer 1975 publizierten ablehnenden Stellungnahme von Karl-Heinz Wagner, der an der Universität Gießen das Institut für Ernährungswissenschaft II leitete.[23][24]

Am 12. November 1976 erlitt Bramstedt während seines Festvortrags in Hamburg zur Verleihung der Ehrendoktorwürde in Zahnmedizin (Dr. med. dent. h. c.) was zunächst wie ein Schwächeanfall schien, aber eine Behandlung in der Hamburger Universitätsklinik erforderlich machte. Am 13. Dezember 1976 erlag er dort den Folgen eines „tückischen Leidens“.[25][26][2]

Funktionen und Auszeichnungen

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  • 1963: Mitglied des Panel of Experts der amerikanischen Food and Agriculture Organization (FAO), Mitglied der Schweizer Group of European Nutritionists (Zürich) und Vorstandsmitglied der Europäischen Arbeitsgemeinschaft für Fluorforschung und Kariesprophylaxe.[27]
  • 1965: Ehrenmitglied der Königlich-Belgischen Zahnärztlichen Gesellschaft.[1][2] Mitglied des Ausschusses Zahngesundheit der Deutschen Zentrale für Volksgesundheitspflege e. V.[28]
  • 1969: Mitglied im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.[29]
  • 1970: Gottlieb-Duttweiler-Preis für Ernährungsforschung, in Zürich.[1][2]
  • 1976: Dr. med. dent. h. c. des Fachbereichs Zahnmedizin der Universität Hamburg.[2]

Publikationen (Auswahl)

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  • 1952 mit Rudolf Vonderlinn: Biochemische Speicheluntersuchungen. II. Die Sauerstoffaufnahme des Speichels und ihre Beziehungen zur Zahnkaries. Zahnärztl. Welt/Reform 7, S. 505
  • 1953 mit Rudolf Vonderlinn: Die Biochemie des Speichels in ihrer Beziehung zur Ernährung und Zahnkaries. Deutsche Zahnärztl. Zeitschr. 8:Sonderbeilage zur DGZMK Tagung 1952 in München, Nr. 12, S. 69
  • 1954 mit Adolf Kröncke, Rudolf Naujoks und Rudolf Vonderlinn: Biochemische Speicheluntersuchungen. VI. Die Verbrennung organischer Substrate im Speichel kariesresistenter und kariesanfälliger Personen. Deutsche Zahnärztl. Zeitschr. 9, S. 782
  • 1955 mit Adolf Kröncke und Rudolf Naujoks: Biochemische Untersuchungen zur Fluorwirkung im Speichel kariesanfälliger und -resistenter Personen. Deutsche Zahnärztl. Zeitschr. 10, S. 311
  • 1963 mit R. Naujoks und I. Benedict: „Oral Sugar Clearance“ und Fermentaktivitäten im menschlichen Speichel. Herrn Prof. Dr. Kühnau zum 60. Geburtstage. Deutsche Zahnärztl. Zeitschr. 18:Nr. 5, S. 242
  • 1966 mit J. Bandilla: Über den Einfluss organischer Fluorverbindungen auf Säurebildung und Polysaccharidsynthese von Plaques-Streptokokken. Deutsche Zahnärztl. Zeitschr. 21:Nr. 12, S. 1390
  • 1968: Der Wirkungsmechanismus der Fluoride als karieshemmende Substanzen. Deutsche Zahnärztl. Zeitschr. Nr. 2, S. 111
  • F. Gehring: Prof. Dr. Fritz Bramstedt 65 Jahre. Zahnärztl. Mitteil. 66 (1976) 83
  • R. Naujoks: Prof. F. Bramstedt †. Zahnärztl. Mitteil. 67 (1977) 96
  • Dominik Groß: Fritz Bramstedt. In: Lexikon der Zahnärzte und Kieferchirurgen im >>Dritten Reich<< und im Nachkriegsdeutschland, Band 1, Hochschullehrer und Forscher (A–L), Hentrich & Hentrich, Berlin Leipzig 2022, S. 154

Einzelnachweise

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  1. a b c d e F. Gehring: Prof. Dr. Fritz Bramstedt 65 Jahre. Zahnärztl. Mitteil. 66 (1976) 83
  2. a b c d e R. Naujoks: Prof. F. Bramstedt †. Zahnärztl. Mitteil. 67 (1977) 96
  3. S. K. Riemer: Karl Schuchardt – Leben und Werk. Diss. Dr. med. dent., Hamburg 2001
  4. F. Bramstedt, R. Naujoks: Biochemische Kariesforschung an der Universitätsklinik und Poliklinik für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten Hamburg seit 1949. Deutsche Zahnärztl. Zeitschr. 17:Nr. 13 (1962) 867
  5. Klaus William: Die Sauerstoffaufnahme des menschlichen Speichels und ihre Beziehung zur Karies. Deutsche Zahnärztl. Zeitschr. 20: Beilage Kariesforschung (1965) 785
  6. Hochschulnachrichten. Hamburg. Deutsche Zahnärztl. Zeitschr. 18:Nr. 8 (April 1963) 434
  7. Hochschulnachrichten. Würzburg. Das Deutsche Zahnärztebl. 17 (1963) 222
  8. Eintrag „Fritz Bramstedt“ im Professorenkatalog der Universität Hamburg, abgerufen am 10. September 2024
  9. Hochschulnachrichten. Würzburg. Zahnärztl. Praxis 15:Nr. 18 (15. September 1964) 219
  10. Personalnachrichten. Das Deutsche Zahnärztebl. 18 (1964) 560
  11. Arznei aus der Wasserleitung? In Hamburg keine Fluorzusätze geplant. Zahnärztl. Mitteil. 54 (1964) 486
  12. Universitätsklinik und Poliklinik für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten Würzburg. Zahnärztl. Mitteil. 56 (1966) 661
  13. Probleme der Kariesforschung. Zahnärztl. Mitteil. 56 (1966) 582
  14. H. J. Schmidt: Symposium über neue Probleme der Kariesforschung. Zahnärztl. Mitteil. 56 (1966) 539
  15. Trinkwasserfluoridierung für Würzburg gefordert. Zahnärztl. Mitteil. 56 (1966) 244
  16. Votum Bundesgesundheitsrat 1966 zur Trinkwasserfluoridierung. Bundesarchiv Koblenz B142-3530
  17. Internationaler ernährungswissenschaftlicher Kongress, Hamburg 1966. Bundesarchiv Koblenz B142-2494 (Laufzeit 1960–1966) und B142-2495 (Laufzeit 1966–1967)
  18. Ehrung für Prof. Dr. Joachim Kühnau. Ernährungs-Umschau 13 (1966) 140
  19. VII. Internationaler Ernährungskongress, Hamburg 3.–10. August 1966. Ernährungs-Umschau 13:Nr. 8 (1966) 241
  20. Proceedings of the Seventh International Congress of Nutrition. Hamburg 1966. Vols. 1,2,4,5 herausgegeben von Joachim Kühnau, Vol. 3 herausgegeben von H.D. Cremer, Verlag Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig 1967
  21. J. Kühnau (Hrsg.): Proceedings of the Seventh International Nutrition Congress... Vol. 1, S. 212–252
  22. F. Bramstedt, W. Büttner, Klaus G. König: Entgegnung auf K. H. Wagners „Bedenken gegen die Trinkwasserfluoridierung“. Öffentl. Gesundheitswesen 38 (1976) 397
  23. K. H. Wagner: Bedenken gegen die Trinkwasserfluoridierung. Öffentl. Gesundheitswesen 37 (1975) 799
  24. Wagner: Fluor nutzlos und obendrein toxisch. Euromed Nr. 20 (1975) 898
  25. Prof. Bramstedt Dr. med. dent. h. c. Zahnärztl. Mitteil. 67 (1977) 16
  26. Fritz Bramstedt †. Zahnärztl. Mitteil. 67 (1977) 17
  27. Hochschulnachrichten. Hamburg. Deutsche Zahnärztl. Zeitschr. 19:Nr. 4 (1964) 352
  28. Ausschuss Zahngesundheit der Deutschen Zentrale für Volksgesundheitspflege e.V. Zahnärztl. Mitteil. 55:Nr. 13 (1965) 630
  29. Prof. Pannhorst neuer Präsident der DGE. Zahnärztl. Mitteil. 59 (1969) 2