Der Taucher

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Musen-Almanach 1798

Die Ballade Der Taucher verfasste Friedrich Schiller im Balladenjahr 1797 für den von ihm herausgegebenen Musen-Almanach für das Jahr 1798.[1] Sie beschreibt den Wagemut eines Edelknaben, der sich in den als Schlund der Charybdis bezeichneten Meeresstrudel stürzt, um sich den goldenen Becher zu gewinnen, den sein König dort hineingeworfen hat. Es gelingt ihm, den Becher zurückzubringen, und er berichtet ausführlich von den Schrecken der Tiefe, die er durchlebt hat, ohne jedoch den Meeresboden zu erreichen (Es freue sich, wer da athmet im rosichten Licht. / Doch der Mensch versuche die Götter nicht…). Der König verspricht ihm zu dem Becher noch einen kostbaren Ring, wenn er den Abstieg noch einmal versuche und ihm Kunde bringe von des Meers tiefunterstem Grunde. Die Königstochter fleht ihren Vater an, das grausame Spiel genug sein zu lassen. Doch der König wirft den Becher abermals in den Strudel und verspricht dem Jüngling, ihn nicht nur zum trefflichsten Ritter zu erheben, sondern ihm auch seine Tochter zur Frau zu geben. Dieser Verlockung kann der Jüngling nicht widerstehen. Abermals stürzt er hinunter auf Leben und Sterben, doch dieses Mal bringt ihn die aufsteigende Brandung nicht wieder zurück an die Oberfläche.

Friedrich Schiller
Der Taucher
Vollständiger Text bei Wikisource

Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp,
Zu tauchen in diesen Schlund?
Einen goldnen Becher werf ich hinab,
Verschlungen schon hat ihn der schwarze Mund.
Wer mir den Becher kann wieder zeigen,
Er mag ihn behalten, er ist sein eigen.

Der König sprach es, und wirft von der Höh
Der Klippe, die schroff und steil
Hinaus hängt in die unendliche See,
Den Becher in der Charybde Geheul.
Wer ist der Beherzte, ich frage wieder,
Zu tauchen in diese Tiefe nieder?

Zur Motivgeschichte

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Die Ballade beruht auf einem älteren Sagenstoff.[2] Der Ort des Geschehnisses ist Sizilien (vgl. der Charybde Geheul). Schiller, der sein Lebtag nie das Meer sah, informierte sich über die „spitzen Korallen“, den „stachlichte[n] Roche“, den „Klippenfisch“, „des Hammers gräuliche Ungestalt“ und den „entsetzliche[n] Hay“, die die Ballade nennt, vermutlich aus den „beiden Fischbücher[n]“, die Goethe ihm geliehen hatte und am 16. Juni 1797 wieder bei ihm abholen ließ.

Inzwischen war die Ballade fertiggestellt unter lebhafter Anteilnahme Goethes: „Leben Sie recht wohl und lassen Ihren Taucher je eher je lieber ersaufen“, hatte er Schiller am 10. geschrieben und am 14.: „Ich [...] wünsche daß der Taucher möge glücklich absolvirt sein“; dazwischen vermerkt Goethes Tagebuch am 11. Juni: „Zu Schiller, verschiednes über Charactere, seine Taucherromanze, über Comödie.“ Am 19. Juni hatte Schiller dann auch schon sein „kleines Nachstück zum Taucher“, Der Handschuh, beendet und am folgenden Tag mit einem auf den 18. datierten Brief an Goethe abgesandt.

Was Schiller bei der Darstellung des charybdischen Strudels inspirierte, sei dahingestellt. Goethe war davon jedenfalls so beeindruckt, dass er sich beim Anblick des Rheinfalls, den er am 18. September 1797 auf seiner Schweizreise besuchte, daran erinnerte. Am 25./26. September schrieb er Schiller aus Stäfa am Zürichsee: „Bald hätte ich vergessen Ihnen zu sagen daß der Vers: es wallet und siedet und brauset und zischt pp sich bei dem Rheinfall trefflich legitimirt hat; es war mir sehr merkwürdig wie er die Hauptmomente der ungeheuern Erscheinung in sich begreift. Ich habe auf der Stelle das Phänomen in seinen Theilen und im ganzen wie es sich darstellt zu fassen gesucht und die Betrachtungen, die man dabei macht, sowie die Ideen die es erregt abgesondert bemerkt. Sie werden dereinst sehen, wie sich jene wenigen Dichterischen Zeilen gleichsam wie ein Faden durch dieses Labyrinth durchschlingen.“

Als Schillers Vorlage für die Fabel kommt das Kinderbuch Tisch-Gebete und Unterhaltungen in Liedern und Versen, besonders der Jugend gewidmet von Christian Gottlieb Göz (1746–1803) in Frage, das 1790 von dem Hof- und Canzlei Buchdruker Christoph Friedrich Cotta gedruckt und verlegt worden war.[3] In einem Cotta gehörenden Haus hatte Familie Schiller 1767–1775 in Ludwigsburg gewohnt, und Cotta hatte sowohl 1767–1769 Schillers Vater als auch 1780 Schillers medizinische Dissertation[4] verlegt. Das genannte Kinderbuch erzählt in dem Abschnitt Unterhaltungen mit Kindern über Tische auf S. 50–52 die Tauchersage. Auszug: „Siehe, sagte der König, diesen großen goldenen Becher werfe ich hinein, - er ist dein, wenn du ihn herausholst! Rasch sprang der Taucher hinten drein -!

Anscheinend hat der Taucher nur in dieser Fassung und in Schillers Ballade keinen Namen. Sonst heißt er Nicolaus oder Nicola Piscis oder Pesce (Nikolaus oder Niklas Fisch), Cola (Klaus) Pesce oder ähnlich (aus der sizilianischen Legende vom Colapesce). Schiller war dieser Name jedoch völlig fremd, wie er Goethe am 7. August 1797 schrieb: „Herder hat mir nun auch unsre Balladen, die ich ihm communicirt hatte, zurückgeschickt; was für Eindruck sie aber gemacht haben, kann ich aus seinem Briefe nicht erfahren. Dagegen erfahre ich daraus, daß ich in dem Taucher bloß einen gewissen Nicolaus Pesce, der dieselbe Geschichte entweder erzählt oder besungen haben muß, veredelnd umgearbeitet habe. Kennen Sie etwa diesen Nic. Pesce, mit dem ich da so unvermuthet in Concurrenz gesetzt werde?“

Angesichts dessen kann eine gedruckte Vorlage Schillers nur Gözes Kinderbuch gewesen sein. Natürlich schließt das nicht aus, dass Schiller auch durch mündliche Erzählung, zum Beispiel Goethes, der dabei dem Taucher keinen Namen gab, an den Stoff gekommen sein kann.

Christian Gottlieb Göz hatte seinerseits das Buch Nützliches Allerley des Quedlinburger Pastors Johann August Ephraim Goeze (1731–1793), in dem der Taucher Cola Pesce und Niklas Fisch genannt wird, als Quelle benutzt.[5]

Der Text wurde von Johann Heinrich Carl Bornhardt († 1843) für Klavier- und auch für Gitarrenbegleitung vertont.

Des Weiteren wurde der Text von Franz Schubert für seine Balladenvertonung 'Der Taucher' (erste Fassung 1814; zweite Fassung 1815) genutzt.

Riccardo Zandonais Erstlingsoper La coppa del re hat Der Taucher als literarische Vorlage. Das Libretto schrieb Gustavo Chiesa.

Weiterverwendungen

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Heinz Erhardt hat das Thema in seinem Sinne genutzt.[6]

Einzelnachweise

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  1. vgl. Friedrich Schiller (Hrsg.): Musenalmanach für das Jahr 1798, mit Beiträgen von Goethe, Schlegel, Humboldt, Mereau, Schiller u. a., J.G. Cottaische Buchhandlung, Tübingen
  2. vgl. die umfassende Darstellung von Klaus Joachim Heinisch
  3. vgl. den Aufsatz von Reinhard Breymayer
  4. Versuch über den Zusammenhang der thierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen. https://books.google.de/books?id=yJE0AQAAMAAJ&q=
  5. Johann August Ephraim Goeze: Nützliches Allerley aus der Natur und dem gemeinen Leben für allerley Leser […]. Erstes Bändchen. Leipzig, bey Weidmanns Erben und Reich. 1785. Auf S. 49–55 findet sich dort die Tauchergeschichte innerhalb des Abschnitts „Was die Menschen fürs Geld zu thun im Stande sind?“.
  6. Heinz Erhardt - Der Tauchenichts
  • Reinhard Breymayer: Der endlich gefundene Autor einer Vorlage von Schillers „Taucher“: Christian Gottlieb Göz (1746-1803), Pfarrer in Plieningen und Hohenheim, Freund von Philipp Matthäus Hahn? In: Blätter für württembergische Kirchengeschichte, 83/84 (1983/1984). Stuttgart [1985], S. 54–96; S. 83–96: Literaturübersicht.
  • Mary Garland: Taucher, Der. In: The Oxford Companion to German Literature. By Henry (Burnand Garland) and Mary Garland. Third Edition by Mary Garland. (Oxford; New York; Athen [usw.] 1997), S. 820, Sp. 2. [Übernimmt Breymayers Auffassung, dass in dem Kinderbuch des Pfarrers Christian Gottlieb Göz die "most likely source" der schillerschen Ballade zu finden sei.]
  • Klaus Joachim Heinisch: Der Wassermensch. Entwicklungsgeschichte eines Sagenmotivs. (Stuttgart 1981), S. 313–336: Bibliographie.
  • Carl Aldenhoven: Zu Schillers Taucher. (1887.) In: Carl Aldenhoven: Gesammelte Aufsaetze, hrsg. von A(rthur) Lindner. (Leipzig [1911]), S. 428–437.
  • Andreas Alsleben: Funde und Forschungen eines Bücherfreundes, I-IV. In: Zeitschrift für Bücherfreunde. N. F. 12 (1920). Leipzig 192=/1921, Heft 1/2, S. 42–48; hier S. 42–44: I. Zu Schillers Taucher.
  • Paul Beck: Eine weitere Vorlage für Schillers Gedicht: Der Taucher. In: Diözesanarchiv von Schwaben, 23 (1905), S. 160.
  • Robert Boxberger: Eine poetische Bearbeitung der Taucher-Sage vor Schiller. In: Archiv für Litteraturgeschichte, 1 (1870), S. 504–506.
  • H. Braune: Woher hat Schiller den Stoff zu seinem 'Taucher' genommen? In: Zeitschrift für den deutschen Unterricht, 20 (1906), S. 230–233.
  • Hilde D. Cohn: Die 'grundlose Tiefe'. Eine Studie zu Schillers 'Taucher'. In: The German Quarterly 32 (1959), S. 199–210.
  • August Döring: Ein zeitgenössisches Seitenstück zu Schillers Taucher. In: Neue Jahrbücher für Pädagogik, 12 (1909), S. 140–149.
  • Alfons Egen: Ein uraltes Gegenstück zu Schillers Taucher. In: Zeitschrift für den deutschen Unterricht, 23 (1909), S. 687–691.
  • Arthur Fleischmann: Eine neue Quelle für Schillers Taucher. In: Das freie Wort. Frankfurter Halbmonatsschrift für Fortschritt auf allen Gebieten des geistigen Lebens 5 (Apr. 1905 - Apr. 1906), Nr. 9 (1. Aug.heft 1905), S. 360–362.
  • Arthur Fleischmann: Ursprung und Bedeutung von Schillers Ballade: Der Taucher. In: Zeitschrift für den deutschen Unterricht, 21 (1907), S. 574–578.
  • Maximilian Wilhelm Götzinger: Deutsche Dichter, 5. Aufl., hrsg. und zum großen Theile neubearbeitet von Ernst Götzinger, Bd. 2. Aarau 1877, S. 174–183: Der Taucher. (v[on]. 1797.)
  • Johannes Hermanus Gunning, Junior: Schiller’s Taucher. Eene Studie. Amsterdam: Van Kesteren [1871]. - XXIX, 71 S.
  • Heinrich Jungwirth: Taucher. In: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Hrsg. […] von Hanns Bächtold-Stäubli, Band 9. Berlin 1938/1941, Sp. 789.
  • Gerhard Kaiser: Von Arkadien nach Elysium. Schiller-Studien. Göttingen (1978), S. 59–78; hier S. 61–65 zum „Taucher“.
  • Gerhard Kaiser: Sprung ins Bewußtsein In: Norbert Oellers (Hrsg.): Interpretation. Gedichte von Friedrich Schiller. (= Universal-Bibliothek Nr. 9473). Reclam, Stuttgart 1996, ISBN 3-15-009473-9, S. 196–216.
  • Ernst Kayka: Zu Schillers 'Taucher'. In: Zeitschrift für vergleichende Litteraturgeschichte, N. F. 16 (1906), S. 227–230.
  • Albert Leitzmann (Bearbeiter): Die Quellen von Schillers und Goethes Balladen. Zusammengestellt von Albert Leitzmann. Bonn 1911, S. 3–5: Der Taucher; dazu die Erläuterungen S. 48; 2. Aufl. Bonn 1923, S. 3–5; dazu die Erläuterungen S. 56.
  • Albert Leitzmann: Zu Schillers „Taucher“. In: Hundert Jahre A[dolph] Marcus und E[duard] Webers Verlag 1818-1918. Mit einer Vorrede von Albert Ahn. Bonn am Rhein 1919, S. 136–139.
  • Felix Liebermann: Die Urgestalt von Schillers „Taucher“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen, Jg. 78, Bd. 146 = Neue Serie, Bd. 46, Heft 1 und 2 (1923), S. 115.
  • Wilhelm Loock: Friedrich Schiller. Der Taucher. In: Wege zum Gedicht, Tl. 2. Interpretationen von Balladen. Mit einer Einführung von Walter Müller-Seidel. Hrsg. von Rupert Hirschenauer/Albrecht Weber (Neuauflage). München und Zürich (1968), S. 229–239.
  • Hugo Mareta: Woher hat Schiller den Stoff zu seinem 'Taucher' genommen? In: Festgabe zum 100jährigen Jubiläum des Schottengymnasiums gewidmet von ehemaligen Schottenschülern. Wien 1907, S. 179–186.
  • Ernst Müller: Die Quelle von Schillers 'Taucher'. In: Studien zur vergleichenden Literaturgeschichte, 8 (1908), S. 239–244.
  • Beate Otto: Unterwasser-Literatur. Von Wasserfrauen und Wassermännern. Würzburg: Königshausen & Neumann 2001 (Epistemata, Reihe Literaturwissenschaft, 348). S. 195 ff. books.google
  • Dierk Puls: Schillers Quelle für den 'Taucher'. In: Muttersprache, 69 (1959), S. 353–356.
  • Reinhold Röhricht: Bemerkungen zu Schillerschen Balladen. In: Zeitschrift für deutsche Philologie, 26 (1894), S. 105–107 (dort auch zur Tauchersage).
  • Berthold Schulze: Ein vergessener Dichter (Franz von Kleist). In: Nord und Süd. Eine deutsche Monatsschrift 65. Breslau (1893), S. 322–343.
  • Berthold Schulze: Zu dem Aufsatze von A(ugust) Döring: Ein zeitgenössisches Seitenstück zu Schillers Taucher (Heft III 140 ff. [140 – 149]). In: Neue Jahrbücher für Pädagogik, 12 (1909), S. 335.
  • Hinrich C. Seeba, Hinrich: Das wirkende Wort in Schillers Balladen. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft, 14 (1970), S. 275–322.
  • Wulf Segebrecht: Die tödliche Losung „Lang lebe der König“. Zu Schillers Ballade „Der Taucher“. In: Gedichte und Interpretationen. Deutsche Balladen. Hrsg. von Gunter E. Grimm. Stuttgart: Reclam 1988 (RUB 8457).
  • Hans-Günther Thalheim: „Und der Mensch versuche die Götter nicht, …“. Zum Kernmotiv in Schillers „Taucher“. In: Goethe-Jahrbuch, 98 (1981), S. 62–71.
  • Hermann Ullrich: Zu Schillers Balladen. In: Archiv für Litteraturgeschichte, 10 (1881); S. 220–235; hier S. 220–228: Der Taucher. - Vgl. dazu die Verbesserungen und Nachträge ebenda, 15 (1887), S. 449.
  • Hermann Ullrich: Beiträge zur Geschichte der Tauchersage. In: Programm der Lehr- und Erziehungs-Anstalt für Knaben, Realschule II. Ordnung (mit Gymnasial- und Elementarklassen) von Ernst (Alexander) Zeidler, früher Albani, Dresden […], womit zugleich zu den am 2. und 3. April [1884] […] stattfindenden öffentlichen Prüfungen ergebenst eingeladen wird. Dresden 1884 (1884. Progr[amm]. - Nr. 509), S. 3–8.
  • Hermann Ullrich: Die Tauchersage in ihrer litterarischen und volksthümlichen Entwickelung. In: Archiv für Litteraturgeschichte, 14 (1886), S. 69–102.
  • Heinrich Viehoff: Schiller’s Gedichte erläutert und auf ihre Veranlassung, Quellen und Vorbilder zurückgeführt nebst Variantensammlung, 5. Aufl., Bd. 1. Gedichte der ersten und zweiten Periode, Stuttgart 1876, S. 244–266: Der Taucher. 1797.
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