Das Weiberdorf

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Das Weiberdorf. Roman aus der Eifel ist ein Roman von Clara Viebig von 1899. Er gehörte zu ihren erfolgreichsten Werken.

Die Männer des Dorfes Eifelschmitt in der Eifel müssen im Ruhrgebiet arbeiten, um ihre Familien zu ernähren.[1][2] Nur zweimal im Jahr, zu Peter und Paul (29. Juni) und zu Weihnachten, kehren sie in ihr Dorf zurück. In diesen zehn Tagen wird ausgiebig gefeiert und geliebt.

In der Zwischenzeit sind die Frauen allein und erledigen alle Aufgaben. Peter Miffert (Pittchen) ist als fast einziger Mann im Dorf geblieben. Er wird von den Frauen umschwärmt und begehrt. Er beginnt Falschgeld herzustellen, anfangs, um einer kranken jungen Mutter zu helfen, und kommt dadurch zu noch mehr Ansehen im Dorf. Als er verhaftet werden soll, stellen sich die Frauen schützend vor ihn. Als aber in diesem Moment die Männer zum Sommerurlaub in das Dorf kommen, stürzen sich die Frauen auf sie und Pittchen ist vergessen...

Das Hauptthema des Romans ist die Beschreibung der schweren Lebensbedingungen der Frauen in der armen und strukturschwachen Region der Eifel. Daraus ergeben sich auch menschliche Deformationen und Gefühlsverhärtungen. Sehr plastisch werden außerdem die leidenschaftlichen Bedürfnisse der Frauen ohne Männer beschrieben. Dazu wird die Geschichte des Falschmünzers Peter Miffert als spannende Kriminalerzählung eingeflochten.

Clara Viebig hatte bei Reisen in der Eifel bemerkt, dass es Dörfer gab, in denen fast nur Frauen zu sehen waren.[3] Hintergrund war, dass viele Männer wegen der fehlenden Arbeitsmöglichkeiten in der armen und strukturschwachen Region im entfernten boomenden Ruhrgebiet arbeiten mussten. Sie wählte das Dorf Eisenschmitt als Handlungsort aus, in dem 1868 die letzte Eisenhütte geschlossen worden war, und legte die Handlung in die Zeit kurz nach 1871.

Clara Viebig war in ihren frühen Werken stark vom naturalistischen und sozialkritischen Werk von Émile Zola beeinflusst. Das Weiberdorf war ihr zehnter Roman. Er erschien 1899 zuerst als Fortsetzungsroman in der Frankfurter Zeitung, dann 1900 im Berliner Verlag F. Fontane & Co., der von ihrem Mann Fritz Cohn (und Friedrich Fontane, einem Sohn von Theodor Fontane, geführt wurde). Die freche und aufreizende Illustration der Erstausgabe stammte von dem bekannten Maler Prof. Max Liebermann.

Das Buch wurde viel gelesen, besonders im Rheinland und in einigen Großstädten.[4] Es machte die Autorin bekannt. In verschiedenen Literaturzeitschriften gab es überwiegend positive Rezensionen. Dabei wurde die realistische Beschreibung des schweren Lebens der armen Frauen in der Eifel gelobt, bemängelt wurde teilweise die nicht besonders hohe literarische Qualität.

In der Eifel gab es allerdings viel Kritik an dem zu negativen und wollüstigen Bild, das von den Frauen des Dorfes gezeichnet wurde, auch in der regionalen Presse.[5] Auch die katholische Kirche polemisierte heftig gegen das Buch (wahrscheinlich auch wegen der unvorteilhaften Darstellung des katholischen Priesters).[6] Ein offizielles Verbot (Index) gab es aber wahrscheinlich nicht.[7] Clara Viebig bekam diese Ablehnung später direkt zu spüren.

„Als ich wieder eine Reise in die Eifel machte, bedrohte man mich, lauerte mir auf. Frauen bewaffneten sich mit Stöcken, Hacken, Rechen, Mistgabeln und machten sich auf den Weg, sich meiner zu bemächtigen.“[8]

Noch in den 1980er Jahren war der Name Clara Viebig in dem Dorf Eisenschmitt ein Reizwort, da dieses zu oft mit dem Roman in Verbindung gebracht wurde.[9] 1989 wurde aber ein Brunnen in Eisenschmitt eingeweiht, an dem auch Motive des Romans festgehalten wurden.[10] Inzwischen wird das Buch Das Weiberdorf als ein Touristenanziehungspunkt für das Dorf akzeptiert und geschätzt.

Es gab zahlreiche Neuauflagen bis in die Gegenwart, eine Theaterbearbeitung mit dem Titel Pittchen von Clara Viebig, eine Hörbuchaufnahme und Übersetzungen in mindestens fünf Sprachen.

In der regionalen Presse hieß es 1900 empört:

„Der Roman Das Weiberdorf ist eine große Lüge, ein schlüpfriges Phantasiestück.“[11]

Die Kulturjournalistin Anna Michaelson schrieb 1901 in einem Brief:

„Ich lese gerade jetzt das Weiberdorf, (von Clara Viebig) lese es mit der Anerkennung eines starken Talents, aber, – aber – mit dem Gedanken an Ruskins Satz, daß: die höchste Kunst auch zugleich immer die höchste Delikatesse gewesen. Willst Du genau erfahren was sich ziemt, ist heut bei unseren schreibenden Frauen etwas außer Kurs gesetzt.“[12]

Und die bekannte Frauenrechtlerin Gertrud Bäumer schrieb 1902:

„Die Eifel hat ihr später Stoff geboten zu einer sozialen Studie von höchstem stofflich-psychologischen, sowohl als auch aesthetischem Interesse, zu dem Roman: Das Weiberdorf. Hier ist ein Stück Eifelleben in noch schärfer gefaßten Wirklichkeitszügen geboten. (...) Wie Bilder der alten Holländer, in ihrer derb-kräftigen Realistik fast brutal, wirken die Scenen, in denen das Leben dieser Menschen sich vor uns abspielt: die Ankunft der Männer, die Kirmesprügelei in der Schenke, die Schlägerei der Weiber auf dem Feld, und alle die Liebesabenteuer des einzigen Zurückbleibenden, des Dorfsultans, des Pittchen, mit den männerdurstigen Weibern.“[13]

Die Frauenrechtlerin Anselma Heine schrieb 1923:

„Alles was Clara Viebig geschrieben hat, ist schon vorgebildet in ihrem Roman Das Weiberdorf, der ihr erster großer Triumph werden sollte: ihre Unerschrockenheit, ihre künstlerische Gewissenhaftigkeit, ihr quellendes frisches Talent, ihr ungewöhnlich starkes Beobachtungstalent allem Konkreten gegenüber und ihr Humor“[14]

Und der Literaturkritiker Rolf Löchel meinte 2008:

„Vielmehr hat sie mit ihrem 1900 erschienenen „Roman aus der Eifel“ ein Stück guter naturalistischer Literatur vorgelegt (...) Zwar ist der Dialekt, in dem die Autorin ihre Figuren reden lässt, etwas gewöhnungsbedürftig, doch liest man ihn nach einigen Seiten schon recht flüssig, und dann bildet der Roman eine leichte, unterhaltsame und auch spannende Lektüre, die ihn noch immer nicht nur für literarhistorisch interessierte GermanistInnen lesenswert machen.“[15]

Ausgaben und Bearbeitungen

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Deutsche Textausgaben

1899–1929:

  • Frankfurter Zeitung, 1899
  • F. Fontane, Berlin, 1900, erste Buchausgabe[16]
  • Egon Fleischel & Co., Berlin 1907, 21. Auflage (à ca. 1.500 Exemplare), Digitalisate
  • Egon Fleischel & Co., Berlin 1915, 28. Auflage
  • Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1928, 45.–46. Tausend, (Zählung seit 1900), letzte Auflage in diesem Verlag[17]
  • Ullstein, Berlin 1929, Die gelben Ullstein-Bücher

Seit 1950:

  • Fischer, Wittlich [1950]
  • Verbandsgemeinde Manderscheid [1979]
  • Erb, Düsseldorf 1982
  • Kölner Stadt-Anzeiger, 27. Dezember 1982 bis 14. Januar 1983, als Fortsetzungsroman[18]
  • Rhein-Mosel-Verlag, 1993, 9. Auflage 2011
  • DigiCat, 2022 Text
  • Henricus, 2023
Bearbeitungen
  • Clara Viebig, Pittchen. Komödie in drei Aufzügen nach dem Roman Weiberdorf, Fleischel, Berlin 1909, Neudruck Rhein-Mosel-Verlag 2010
  • Clara Viebig, Das Weiberdorf, Hörbuch 2006, 2018, mit Eva Krais
Übersetzungen
  • Бабье царство (Bab'je zarstwo), 1904, russisch (Reich der Frauen)
  • Бабья деревня (Babja derewnja), 1907, russisch[19]
  • Když muži ze vsi odejdou, 1909, tschechisch (Als die Männer das Dorf verließen)
  • Het vrouwendorp, Utrecht, 1911, niederländisch
  • Village de femmes, 1911, französisch
  • La aldea de las faldas, Arte y Letras, Barcelona [1921], spanisch
Neuere Fachliteratur
  • Maria-Regina Neft: Clara Viebigs Eifelwerke (1897–1914). Waxmann, Münster 1998 Auszüge; mit vielen sachkundigen Informationen
  • Georg Guntermann: Zur Rolle der Natur im Weiberdorf und anderen Eifelgeschichten. In: Volker Neuhaus, Michel Durand (Hrsg.): Die Provinz des Weiblichen. Lang, Bern 2004 S. 185–217
  • Sophie Lange: Besuche im "Weiberdorf" Eisenschmitt. In: Christel Aretz, Peter Kämmereit (Hrsg.): Clara Viebig. Ein langes Leben für die Literatur. Dokumentation zum 150. Geburtstag. Rhein-Mosel, 2010 Text
  • Simon Jakobs: Clara Viebig. Das Weiberdorf. Betrachtungen der männlichen und weiblichen Protagonisten unter Gender-Aspekten. Seminararbeit. Grin 2011 Textanfang
Historische Rezensionen

  • Monty Jacobs: Clara Viebig. Das Weiberdorf. In: Das litterarische Echo. 2. 1899/1900. Sp. 1084–1085
  • Samuel Lublinski: Ein Schulbeispiel des Naturalismus (Zu Klara Viebig. Das Weiberdorf). In: Der Kunstwart. 1899/1900, II, S. 366–374 (kritisch)
  • Rudolf Steiner: Clara Viebig. Das Weiberdorf. In: Magazin für Literatur, 1900; auch in ders., Gesammelte Aufsätze zur Literatur 1884–1902. 1971. S. 384–386 PDF
  • Carl Ferdinands: Das Weiberdorf von Clara Viebig . In: Die Rheinlande. 1. 1899/1900. Oktober. S. 43–44
  • Arthur Eloesser: Neue Romane. In: Neue deutsche Rundschau. 1900. S. 991–1003, hier S. 1003 (digital)
  • Josef Poláček: Deutsche soziale Prosa zwischen Naturalismus und Realismus (Zu Clara Viebigs Romanen "Das Weiberdorf" und "Das tägliche Brot".). In: Philologica Pragensia. 6. 1963, S. 245–257
  • Hans Bender: Das Dorf ohne Männer. Zum Wiedererscheinen von Clara Viebigs Roman "Das Weiberdorf". für Deutsche Welle, Köln 1982 (Manuskript im Deutschen Literaturarchiv Marbach)
  • Hermann Jung: Clara Viebig neu entdeckt. Rehabilitiertes ›Weiberdorf‹, In: Aus dem Antiquariat. Zeitschrift für Antiquare und Büchersammler. AdA 1983, S. A 97–A 99

Einzelnachweise

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  1. Norbert Jachertz: Literarische Orte: Männerfrei, in Deutsches Ärzteblatt, August 2017, S, 406 Text; mit ausführlicher Inhaltsangabe und einigen Hintergründen
  2. Weiberdorf Literaturkritik, mit Inhaltsangabe
  3. Neft, Eifelwerke, 1998, mit einigen Hintergrundinformationen
  4. Die Literaturzeitschrift Das litterarische Echo, 1900/1901 stellte bei einer Umfrage das Buch Das Weiberdorf bei 5 (+1) von 28(+1) Bibliotheken als eines der meistgefragtesten des Jahres 1900 fest, das war das etwa achtgefragteste Buch des Jahres, auch in den folgenden Jahren wurde es vereinzelt genannt, die Orte der Bibliotheken waren Berlin 2x, Hamburg, Wien, Köln (1900), später Düsseldorf und Bonn, siehe Alberto Martino, Die deutsche Leihbibliothek, 1990 S. 454ff., mit detaillierten Angaben aus den Umfragen der einzelnen Jahre
  5. Claus Rech, Zurückbleiben in Weiberdorf, in: Andreas Gestrich, Marita Krauss (Hrsg.): Zurückbleiben. Der vernachlässigte Teil der Migrationsgeschichte, Steiner, 2006, S. 126 Auszüge, mit Zitaten
  6. Ernst von Wolzogen: Besprechung. Das Kreuz am Venn, in: Das literarische Echo, 1909, Sp. 240, erwähnte, dass von den Kanzeln gegen das Buch gewettert worden sei
  7. Sophie Lange, Clara Viebig stand nicht auf dem Index, in: Eifel Jahrbuch, 2008, berichtete über eine Auskunft zu dem offiziellen Verzeichnis
  8. Erinnerungen von Clara Viebig, zitiert in Norbert Jachertz, Literarische Orte. Männerfrei, in Deutsches Ärzteblatt, August 2017, S. 406, Text, ohne Literaturangabe
  9. Sophie Lange, Besuche im Weiberdorf Eisenschmitt, 2010, berichtete, dass sie noch in den 1980er Jahren in dem Dorf bei Nachfragen an Dorfbewohnerinnen auf totale Ablehnung gestoßen sei
  10. Dorfbrunnen Eisenschmitt Eifel.info
  11. Claus Rech, Zurückbleiben im "Weiberdorf", in Andreas Gestrich, Marita Krauss (Hrsg.): Zurückbleiben, 2006, S. 126, kurzer Auszug, mit diesem Zitat
  12. Anna Michaelson¡, Brief an Miriam Eck vom 22. Juli 1901, Text , jetzt im Archiv des Heine Institutes und Schumann-Hauses
  13. Gertrud Bäumer, Clara Viebig, in Die Frau, Juli 1902, S. 603ff., hier S. 606 (digital)
  14. Anselma Heine, Clara Viebig, in Frankfurter Zeitung, 1923, Nr. 243, zitiert in Das literarische Echo, 25, 1923, Sp. 809
  15. Framenscher ohne Mannsleit Literaturkritik, 2008
  16. Börsenblatt für den deutschen Buchhandel vom 19. März 1900, S. 2173, mit erster feststellbarer Verlagsanzeige
  17. Börsenblatt für den deutschen Buchhandel vom 9. Februar 1928, S. 1153, mit erster Anzeige dieser Auflage; auch Börsenblatt vom 17. Juni 1930, S. 4681, Verlagsanzeige zum 70. Geburtstag von Clara Viebig, mit weiteren Werken und Auflagen; alle Auflagenzählungen beziehen sich auf die Erstausgabe von F. Fontane von 1900 (als Nachfolgeverlage)!
  18. Ina Braun-Yousefi, Lob der Wiederentdeckung, 2024, S. 177; vgl. S. 168 zur Veröffentlichung von 1950
  19. Бабья деревня WorldCat (englisch); wahrscheinlich dieselbe Übersetzung wie 1904, aber mit wörtlicher Übersetzung des deutschen Originaltitels, 1904 wurde der Titel einer Erzählung von Tschechow, Weiberwirtschaft, 1897, verwendet