Benutzerin:Ktiv/Deutscher Evangelischer Kirchentag 1991

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Der 19. Deutsche Evangelische Kirchentag 1981 fand vom 17. bis 21. Juni 1981 unter dem Motto „Fürchte dich nicht“ in Hamburg statt. Kirchentagspräsident war Richard von Weizsäcker. Dieser Kirchentag war auch ein politisches Ereignis, geprägt von der Nachrüstungsdebatte. Mit knapp 118.000 Teilnehmern[1] wurde das Protestantentreffen, das in den siebziger Jahren kriselte, in Hamburg zu der Großveranstaltung, die es seitdem ist.

Am 16. Juni 1981 erhielt der damalige Landesbischof Hans-Otto Wölber ein Dossier des Präsidenten des Hamburger Landesamts für Verfassungsschutz, Christian Lochte. Diese Behörde hatte V-Leute in Vorbereitungstreffen zum Kirchentag eingeschleust, um Details über geplante „Stör- und Protestaktionen“ und sonstige „Aktivitäten“ zu ermitteln. In einem der Berichte listete der V-Mann die etwa sechzig Teilnehmer eines Vorbereitungstreffens auf und notierte, welche Aktivitäten diskutiert wurden, die während der Rede des damaligen Verteidigungsministers Hans Apel stattfinden könnten. Wölber zeigte sich in einem Brief an einen Bischofskollegen bestürzt, „wie stark unsere Szene mit dem gesamten linken Spektrum in der Bundesrepublik in der einen oder anderen Weise verstrickt ist.“[2] (Einige Personen, die dem Verfassungsschutz auf diese Weise bekannt wurden, hatten später Probleme bei ihrer Verbeamtung.)

Friedensbewegung

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Die damalige Regierungspartei SPD war auf dem Kirchentag in verschiedener Weise sichtbar präsent. Viele Mitglieder fanden im christlich motivierten Protest eine „gedankliche Schale“, in der sie ihr Unbehagen an der Politik der eigenen Parteiführung zum Ausdruck bringen konnten.[3] Erhard Eppler, prominenter Nachrüstungsgegner, war nach eigener Aussage eigens zum Kirchentag gekommen, „um deutlich zu machen, daß er diese Leute nicht allein lasse.“[4] Das Christentreffen wurde zu einem ersten Kulminationspunkt der Friedensbewegung, während die Verhandlungen in Genf stockten.[1]

Am Freitag, dem 19. Juni, fanden in der Messehalle 13 ganztägig Veranstaltungen zum Thema Nachrüstung statt, angekündigt unter Titeln wie: „Den Frieden sichern“, „Frieden, Sicherheit und Abrüstung“, „Rüstung – Wettlauf zum Tod?“, „Frieden sichern – Frieden schaffen.“ Prominenter Gast war Verteidigungsminister Apel, weitere Gäste waren: Christoph Bertram, Wolfgang Huber, Gert Krell, Egon Bahr, Alois Mertes und Marie Veit.

Es gibt unterschiedliche Versionen über den teilweise tumultuarischen Ablauf der Veranstaltung. Apel selbst erinnerte sich 2007, dass er „niedergebrüllt wurde, mit Blutbeuteln beschmissen wurde, mir keiner beistand.“ Als Abgeordneter sei er 1981 „opportunistisch“ gewesen und habe dies hingenommen; als aber er kein Mandat mehr hatte und auch noch die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare diskutiert wurde, sei er aus der evangelischen Kirche ausgetreten.[5]

Blutaktionen sollten die vermeintlich saubere Kriegstechnik entlarven. Diese Protestform wurde auch beim Auftritt des Verteidigungsministers auf dem Kirchentag genutzt. Die FAZ berichtete, der Minister sei bei der Veranstaltung mit Blut bespritzt worden; eine Leserbriefschreiberin korrigierte daraufhin, dass Medizinstudentinnen sich im Publikum selbst mit Blut übergossen hätten – sie gehörte wie die Aktivistinnen zur „AG gegen Katastrophenmedizin“ der Fachschaft Medizin an der Universität Hamburg.[6] Vor dem Dienstwagen des Ministers warteten Demonstranten, die das Fahrzeug mit Rinderblut-Beuteln bewarfen. Als Apel sich näherte, kam es zum Handgemenge zwischen Demonstranten und Sicherheitspersonal. Apel konnte schließlich einsteigen und fuhr davon. Er wurde selbst nicht mit Blut attackiert, sondern stellvertretend sein Fahrzeug.[7]

Trinitatis-Kirche Altona

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In der Altonaer Trinitatis-Kirche stellten sich Bundeskanzler Helmut Schmidt und Bischof Wölber am Freitag, dem 19. Juni, in einem Podiumsgespräch („Wie christlich kann Politik sein?“) den Fragen besorgter Bürger; das ZDF übertrug live. Ein junger Mann konfrontierte Schmidt mit dem Satz: „Ich habe Angst vor Ihrer Politik!“ Rationalität und Emotionalität trafen in ungewohnter Weise aufeinander; Schmidt inszenierte sich als im Sinn der Verantwortungsethik sorgsam abwägender Staatsmann und konterte Angstbekenntnisse aus dem Publikum, indem er von seiner eigenen Angst als Wehrmachtssoldat erzählte. Aus diesen biographischen Einlassungen leitete er die Konsequenz ab, dass vom deutschen Boden nie wieder Krieg ausgehen dürfe.[8]

Friedensdemonstration

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Zu einer Friedensdemonstration am Rande des Kirchentages kamen am 20. Juni rund 100.000 Teilnehmer. Unter dem Motto „Gegen das atomare Wettrüsten in West und Ost“ bewegte sie sich vom Kirchentag aus durch die Hamburger Innenstadt. Mit dieser bis dahin nicht erreichten Breitenwirkung markierte der Hamburger Kirchentag einen Durchbruch der neuen Friedensbewegung in der Bundesrepublik.[9]

Das Abendmahlslied „Er ist das Brot, er ist der Wein“ (Text: Eckart Bücken, Melodie:Joachim Schwarz) war mit etwas anderem Text 1980 für eine liturgische Feier entstanden und wurde in das Liederheft zum Hamburger Kirchentag aufgenommen. Es knüpft an den Bibelvers 1 Kön 19,7 an und interpretiert das Abendmahl als Wegzehrung. Durch den Kirchentag wurde es soweit bekannt, dass es ins Evangelische Gesangbuch (EG 228) aufgenommen wurde.[10]

  • Susanne Schregel: Der Atomkrieg vor der Wohnungstür. Eine Politikgeschichte der neuen Friedensbewegung in der Bundesrepublik 1970-1985. Campus Verlag, Frankfurt / New York 2011. ISBN=978-3-593-39478-7.

Einzelnachweise

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  1. a b Jan Hansen: Abschied vom Kalten Krieg? S. 40.
  2. René Martens: Als sich Spitzel unter gläubige Friedensfreunde mischten. In: Zeit Online. 26. Mai 2016, abgerufen am 24. Oktober 2018 (Eine Formulierung in dem Dossier legt nahe, dass dies nicht Wölbers erster Kontakt mit dem Landesamt für Verfassungsschutz war.).
  3. Jan Hansen: Abschied vom Kalten Krieg? S. 41.
  4. Jan Hansen: Abschied vom Kalten Krieg? S. 157.
  5. Fröhlich und aggressiv für die eigene Überzeugung (Zeitzeugen im Gespräch: Hans Apel). In: Deutschlandfunk. 28. Juni 2007, abgerufen am 24. Oktober 2018.
  6. Susanne Schregel: Der Atomkrieg vor der Wohnungstür. S. 253.
  7. Susanne Schregel: Der Atomkrieg vor der Wohnungstür. S. 250–251.
  8. Jan Hansen: Abschied vom Kalten Krieg? S. 42.
  9. Susanne Schregel: Der Atomkrieg vor der Wohnungstür. S. 73.
  10. Joachim Stalmann: 228: Er ist das Brot, er ist der Wein. In: Gerhard Hahn (Hrsg.): Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch. Band 17. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2012, S. 27–29.