Benutzer:Zsasz/Exzerpte (Papen)

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Zeit im Bild, Nr. 6 vom 22. Februar 1948

  • S. 8
    • Franz von Papens Memoiren. Aus der Hexenküche des 3. Reiches
    • Herr Lammers fliegt die Treppe hinunter
    • 100 Personen ohne Gerichtsverhandlung hingemordet. Die außergewöhnliche Unverschämtheit des Herrn Lammers. 3 Uhr nachts. Hitler am Telefon. Ich werde Botschafter in Wieng
      • Die Memoiren des Franz v. Papen wurden im Chateau de Lesbioles bei Mondorf in Luxemburg geschrieben, als er sich in der Haft der alliierten Armeen befand. Infolge besonderer glücklicher Umstände ist "Zeit im Bild" in der Lage, sie ihren Lesern mitteilen zu können. Die Redaktion teilt in keiner Weise die Meinung des Memoirenschreibers und gibt dieselben auszugsweise, aber inhaltlich unverändert wieder.
      • Fortsetzung und Schluss
      • Man erschießt oder verhaftet meine Mitarbeiter
        • Jetzt setze ich mich an meinen Schreibtisch und richte ein Schreiben an Hitler mit der Aufforderung, mich unverzüglich zu empfangen. Inzwischen hatte ich in Erfahrung gebracht, daß bei der Besetzung meiner Büros in der Voßstraße mein Pressereferent, Major a.D. v. Bose, "wegen Widerstandes gegen seine Verhaftung" kurzerhand erschossen, und daß meine beiden persönlichen Adjutanten, Herr v. Tschirsky [Tschirschky] und Graf Kageneck, verhaftet seien.
        • Hitler ließ mir sagen, dass er mich sogleich zu empfangen wünsche. In der Reichskanzlei angekommen, sagte man mir, das Kabinett habe sich soeben versammelt. Ich würde den Kanzler im Kabinettssaal finden. Als ich den Saal betrat, fand ich die gesamte Reichsregierung einem offensichtlich soben begonnen Vortrage Hitlers lauschend. Der Kanzler erhob sich bei meinem Erscheinen, schritt auf mich zu und wünschte mich auf meinen Sitzen neben dem seinen zu führen. Ich erklärte ihm, daß ich ihn nur allein zu sprechen wünsche und keineswegs die Absicht habe, meinen Sitz im Kabinett einzunehmen, den ich bereits vor 14 Tage zur Verfügung gestellt hätte. Hitler schien verwirrt und erregt. Wir begaben uns in den anstoßenden Raum.
      • Ein Regime von Mord und Totschlag
        • Nachdem ich meiner Empörung über die schmachvolle Behandlung des zweithöchsten Beamten des Reiches Ausdruck gegeben hatte, sagte ich ihm, er werde wohl nicht erwarten, daß ich noch eine Stunde länger Mitglied einer Regierung sein könne, die ein Regime von Mord und Toschlag vertrete und nun offensichtlich zu decken suchen werde. Unnötig, hinzuzufügen, dass H. versuchte, die Notwendigkeit der Aktion zu verteidigen und den Mord an Bose als gerechtfertigt zu erklären, weil dieser seit langem durch landesverräterische Konspiration mit der ausländischen Presse sich strafbar gemacht und außerdem seiner Verhaftung Widerstand entgegengesetz habe. Ich verlangte Beweise und eine eingehende Untersuchung sowie die sofortige Enthaftung meiner Adjutanten. Was mich anbetreffe, so bedauere er sehr meinen Entschluss sofortiger Demission. Indessen erklärte er mir, er werde erst etwa in einem Monat in der Lage sein, diese Demission öffentlich bekanntzugeben, um "die so nötige Beruhigung der öffentlichen Meinung nicht dadurch zu stören".
        • Meine politische Reputation, erwiderte ich, verlange gebietrisch eine sofortige Bekanntgabe. Ich könne unter keinen Umständen dulden, daß in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehe, ich bliebe im Amte und decke mit meiner Autorität die Vorgänge des 30. Juni
      • [Kasten: Das Chamäleon Meißner. Hier sehen wir Herrn Meißner vor Gericht, den Mann, von dem Papen sagt, er habe den alten Hindenburg "eingesperrt". Genannt das "Chamäleon", weil er seine Farbe so gut zu wechseln verstand, diente Staatsekretär Meißner ebenso "treu" dem Sozialdemokraten Ebert wie Hindenburg und später Hitler. Ein ebenso ehrgeiziger wie charakterloser Berufspolitiker.
        • Es half alles nichts. Da die Presse von der Regierung völlig kontrolliert wurde, wußte ich, daß es aussichtslos sei, die Öffentlichkeit ohne seine Zustimmung zu unterrichten. Indessen hoffte ich doch, mich nächster Tage mit Hindenburg in Verbindung setzen zu können. Hitler beschloss diese Unterredung mit dem Bitte, ich möge mich wenigstens morgen im Reichstag einfinden, wo er dem deutschen Volk Rechenschaft über alles ablegen wolle.
      • Hitler: Ich übernehme die Verantwortung!
        • Selbstverständlich bin ich dieser monstruösen Sitzung ferngeblieben, in der er der erstaunten Mitwelt erklärte, er übernehme allein die volle Verantwortung für die Erschießung von etwa 80-100 Personen, die ohne jedes Gericht - ob schuldig oder nicht - hingemordet waren. Ihre tatsächliche Anzahl ist nie bekanntgegeben worden. Aber ich erfuhr an diesem Tage, dass mit anderen auch der mir nahestehende jungkonservative E. Jung erschossen worden sei. Meine Bemühungen, diesen Fall aufzuklären, waren ebensowenig von Erfolg wie im Fall Bose.
        • E. Jung hatte nach meiner Ernennung zum Vizekanzler Fühlung mit mir genommen; ich hatte ihn früher nicht gekannt. Er war ein scharfsinniger, geistvoller Mensch. Er hat mir in meiner vielbesetzten Zeit manchen Entwurf für eine Rede geliefert. Aber ich habe sie nach meinem eigenen Geschmack umgearbeitet und vervollständigt. E. Jung hatte leider die Gewohnheit, in den oppositionellen Parteikreisen die Mitarbeit, die er mir leistete, allzusehr zu unterstreichen. Man darf annehmen, dass dies der Grund war, der ihm am 30.6. das noch junge, unvollendete Leben gekostet hat.
        • Am Tage nach der Reichstagssitzung erfuhr ich, daß mein Fehlen auf der Regierungsbank erregtes Aufsehen verursacht habe. So hatte ich wenigstens die Genugtuung, daß meine engeren Freunde daraus meine Trennung von dieser Regierung erfuhren.
      • Der Zwischenfall Lammers
        • Am Nachmittag erschien der Staatssekretär der Reichskanzlei, Dr Lammers, in meiner Wohnung. Der Führer bitte mich, den Posten eines Botschafters beim Vatikan anzunehmen. Mit dem Zusatz: Die Gehaltsfrage solle so großzügig behandelt werden, wie ich es nur wünsche.
        • Das war zuviel. Ich bin ein höflicher Mann ungd erzogen, mich in allen Gelegenheiten des Lebens wie ein Gentleman zu benehmen. Aber ich habe Herrn Lammers die Treppe hinuntergeworfen, und ihn beauftrgat, dem Führer zu sagen, ich hielte diesen "Bestechungsversuch" für eine außergewöhnliche Unverschämtheit. Meine Frau hatte dieser Szene beigewohnt. Sie war von jeher jeder politischen Kooperation mit den Nazis auf das äußerste abgeneigt gewesen und hatte mit einem untrüglichen Instinkt mich immer gewarnt. Jetzt fand ich zum ersten Male ihre volle Billigung.
      • Der Kordon um Neudeck
        • Die Versuche, mit Hindenburg in Fühlung zu kommen, waren völlig vergeblich. Einer meiner persönlichen und treuen Mitarbeiter, der Frhr. W. v. Ketteler, hatte isch sofort insgesheim nach Ostpreußen zum Herrn von Oldenburg-Januschau begeben, der ein Nachbar und alter Freund des Feldmarschalls war. Er hoffte, von dort aus den Feldmarschall über die tatsächlichen Vorgänge unterrichten und zum Eingreifen bewegen zu können. Unter Mitwirkung des Staatssekretärs Dr. Meißner war ein undruchdringlicher Kordon um Neudeck gezogen und nur Hitler genehme Leute hineignelassen. Inwieweit dies mit dem Einverständnis des Sohnes des Feldmarschalls geschehen ist, vermag ich nicht zu sagen. Ich habe den Eindruck, daß Oskar v. H., der sich intern sehr für politische Fragen interessierte, diesen Ring hätte durchbrechen können, wenn er der Überzeugung gewesen wäre, daß die Autorität seines Vaters das gleitende Schiff hätte aufhalten müssen.
        • Später begab ich mich zu meinem alten Freunde Schaffgotsch ins Riesengebirge und
  • S. 9
        • versuchte von dort aus nach Neudeck vorzudringen. Alles vergeblich. Hindenburg, so wurde mir wiederholt bedeutet, sei so krnak, daß er bedauere, meinen Besuch nicht empfangen zu können. Nach seinem Tode hat mir einer der ihn behandelnden Ärzte erzählt, daß der Marschall in diesen Juli-Tagen oft nach mir verlangt habe.
        • Bevor ich Berlin nach diesen Schreckenstagen verließ, oblag mir noch die traurige Pflicht, meinem Mitarbeiter Bose die letzte Ehre zu erweisen. Seine bedauernswerte Gattin mit zwei noch unerwachsenen Kindern und sein Schwiegervater, der General der Art. Kühne, waren verzweifelt. Man hatte versucht, die sterblichen Überreste Boses einem Krematorium zu übergeben, um sie, wie die anderen Opfer des 30. Juni wortlos verschwinden zu alssen. Ich verlangte - und erreichte nach schärfstem Druck - die Erlaubnis zu einer ordnugnsmäßigen Beerdigung und Trauerfeier. In der Kapelle des Schöneberger Friedhofs habe ich dem ausgezeichneten, durch Mörderhand gefallenen Mann in tiefster Bewegung Worte des Dankes und der Anerkennung widmen dürfen, bevor wir ihn zur ewigen Ruhe bestatteten. Es war eine selbstverständliche Pflicht, mich später der Witwe und ihrer Kinder anzunehmen.
      • Gestapo. Ermordet meine beiden Freunde
        • Ich darf hier gleich anfügen: Ein beweis für irgendeine unzulässige Verbindung Boses mit ausländischen Journalisten ist natürlich nie gesucht und erbracht worden. Dagegen erzählten meine Mitarbeiter, daß Bose im Besitz aktenmäßiger Unterlagen über das Vorleben Himmlers gewesen sei, derentwegen man ihn umgebracht habe. Nach dem, was sich vier Jahre später in Wien ereignete hat, wo mein Freund und Mitarbeiter, der Fhrr. v. Ketteler, auf unerklärliche Weise verschwunden und später ermordet aufgefunden wurde, besteht für mich nicht der geringste Zweifel, daß der gleiche Agent der Gestapo, der damals als Mitarbeiter in Boses Abteilung saß, diese beiden Menschen auf dem Gewissen hat. Meine persönlichen Adjutanten waren bald befreit worden. Herrn v. Tschirsky hatte man im Kz. B. sogar den Kopf nach Sträflingsart glatt rasiert.
      • Mit Pistolen an der Haustüre
        • Am Vorabend des Mordes an Bundeskanzler Dollfuss traf ich wieder in Berlin ein, um meine Sachen einzupacken und mich ins Privatleben zurückzuziehen.
        • Plötzlich um drei Uhr nachts ein heftiges Läuten an meinem Hause. SS-Leute begehren Einlass. Mein Sohn und ich sind der Meinung, dass ich sehr warhscheinlich verhaftet werden solle. Wir begeben uns, mit Pistolen bewaffnet, zur Haustüre. Der Verdacht bestätigt sich nicht.
        • Die SS-Männer erklären, von der Reichskanzlei zu kommen mit dem Befehl sofort eine telefonische Verbindung zwischen Hitler und mir herzustellen. Hitler befinde sich in Bayreuth und versuche vergeblich seit Stunden, mich zu erreichen.
        • Die Verbindung wird hergestellt. Hitler beginn. "Sie wissen ja, was in Wien vorgefallen ist: Sie müssen sofort dorthin und versuchen, alles in Ordnung zu bringen." Ich. "Ich habe keine Ahung, waas in Wien vorgefallen ist. Komme eben vom Lande zurück und begreife nicht, was Sie in Wien von mir wollen. Ich bin im Begriff, meine Koffer zu packen udn Berlin endgültig zu verlassen."
        • Hitler, höchst erregt, gibt darauf eine kurze Schilderung der dramatischen Vorgänge in Wien, die zur Ermordung Dollfuß' führten, und fährt fort: "Sie sind die einzige Persönlichkeit, die die Lage retten kann. Ich flehe Sie an, folgen Sie meiner Bitte."
        • "Sie werden nach allem, was vorgefallen ist, nicht erwarten, Herr Hitler, daß ich ohne genaue Kenntnis aller Vorgänge und der Politik, die Sie künftig in Wien zu befolgen gedenken, eine solche Aufgabe übernehmen könnte. Dazu hat der 30. Juni unüberbrückbare Hindernisse zwischen uns geschaffen."
        • "Dann kommen Sie wenigstens zu einer Aussprache sofort hierher. Sie haben doch immer für die österreichische Frage ein ebsodneres Interesse gezeigt. Mein Sonderlfugzeug steht zu Ihrer Verfügung, so daß Sie beim Hellwerden starten können."
      • Das Böse Gewissen
      • Ich sagte zu und flog in den Morgenstunden nach Bayreuth. Dort fand ich Hitler und seine ganze Umgebung wie ein Ameisenhaufen in größter Erregung. Es war schwer, ein annähernd genaues Bild von dem Wiener Putsch und der Rolle der Hitlerschen Promoteure zu gewinnen. Selbst wenn man in völliger Unkenntnis der Zusammenhänge in diese Gesellschaft hineingeraten wäre, hätte man auf den ersten Blick begriffen, daß man hier ein sehr schlechtes Gewissen hatte und nun die Folgen fürchtete. Für mich stand von vornherein fest, daß die maßlose Politik der österreichischen NSDAP unter Führung von Hitlers Kondottieri Habicht zu diesem Staatsstreich geführt hatte.
        • Das war also in wenigen Tagen nach dem 30. Juni der zweite blutige Exzeß der Partei die versprochen hatte. Deutschland auf friedlichem Wegen zu sozialem Frieden, Wohlfahrt und Ansehen zu bringen. Es war klar, daß beide Vorgänge einen tiefen Eindruck in der gesamten Welt hervorrufen und daß die Regierungsmethoden der Partei den politischen Kredit des Reiches aufs schwerste schädigen mußten.
        • [Kasten: In jenen Tagen um den 30. Juni waren Verhaftungen an der Tagesordnung. Kein Mensch war mehr sicher zu hause. Der Terror der SA und SS tobte sich überall aus]
      • Eine Verbrecherische Politik
        • Als alle diese Gedanken durch meinen Kopf zogen, war mir klar, daß der Entschluß, vor den ich heute gestellt wurde, mit der größten Verantwortlichkeit zu prüfen war. Auch heute nachdem feststeht, daß durch eine verantwortungslose, ja verbrecherische Politik unser Vaterland und seine Zukunft für Generationen zerstört sind, glaube ich, daß unter Abwägung der damaligen Lage und Umstände meine Entschluss gerechtfertigt, ja notwendigt war.
        • Der Versuch Hindenburgs, durch Einspannung der größten Partei des Reiches in die politische Verantwortung die Stabilität des Landes wiederherzustellen, war - das mußte ich heute erkennen -, trotz aller Sicherheitsmaßnahmen, die wir uns bemüht hatten einzuschalten, offensichtlich nahe daran, zu scheitern. Jeder mit voller Verantwortung an der Entwicklung der Dinge seit 1932 behaftete und an führender Stelle stehende Mann konnte nur mit großer Sorge der Zukunft entgegensehen. Gab es einen Ausweg? Die Partei beherrschte das Land. Das Ermächtigungsgesetz, das die Parteien des neugewählten Reichstags Hitler gegeben hatten, sowie die dann einsetzende Auflösung dieser Parteien, machten eine demokratische Kontrolle oder mindestens Opposition des Gsetzgebungsapparates unmöglich. Der einzige Ordnungsfaktor, die Reichswehr, hatte am 30. Juni jammervoll versagt. Hindenburg war todkrank. Es blieb nur die Hoffnung, daß der gesunde Sinn und Instinkt des deutschen Volkes sich innerhalb der Partei auswirken werde, nachdem Arbeiterschaft, Landvolk und Intelligenz in breiten Massen hineinströmte. Es blieb auch die Hoffnung, daß Hitler, durch die Ereignisse belehrt, in Zukunft seine politischen Methoden ändern werde, insbesondere, wenn er offen und rücksichtlos beraten wurde.
        • Konnte ich mich unte solchen Umständen der Pflicht entziehen, wenigstens in der österreichsichen Frage alles zu tun, um nach dieser Katastrophe zu retten, was noch zu retten war und zu versuchen, den außenpolitischen Kredit des Reiches wiederherzustellen? Es war wahrlich keine verlockende Aufgabe, die vor mir lag und über deren innere Schwierigkeiten ich mir nicht die geringsten Illusionen machte. Einfacher und angenehmer wäre es sicher gewesen und hätte in allem viel mehr den Wünschen meiner Familie entsprochen, wenn ich eine reinliche Scheidung von Leuten vollzogen hätte, mir denen ich in Erziehung und Denken nichts gemeint hatte.
        • Ich fand, daß trotz aller vorausgegangenen Insulte gegen meine Person, ich mich der Verantwortung gegen das Land nicht entziehen dürfte. In langen Auseinandersetzungen beschwor mich Hitler, die österreichische Angelegenheit aus dem Zusammenbruch zu retten. Ich erwiderte, daß ich im Prinzip dazu bereit sei, wenn eine Reihe zu stellender Bedingungen erfüllt werde.
        • Ich legte ihm dar, daß der geschichtlich notwendige Zusammenschluss unserer Lädne nur und ausschließlich auf dem Wege einer friedlichen Evolution verfolgt werden könne, gleichgültig wie lange Zeit dieser Prozess in Anspruch, nehmen werde. Die erste Vorbedingung der Widergewinnung des österreichsichen Vertrauens sei die völlige Ausschaltung der reichsdetschen NS-Partei aus der innerpolitischen
  • Schluss auf Seite 14
  • S. 14
        • Entwicklung Oesterreichs sowie die sofortige Kaltstellung des bisherigen reichsdeutschen Führers des österreichischen Partei, seines Vertrauensmannes Habicht.
        • Die letzte Bedingung stieß auf schärfsten Widerspruch. Eine Zurückziehung Habichts in diesem Augenblick bedeutete eine Schulderklärung Hitlers für den Dollfussmord. "Vielleicht in einigen Wochen."
        • Ich entgegnete: "Wenn Sie auf meine Berufugn Wert legen, muß Habicht in 24 Stunden abgesetzt sein - und zwar persönlich von Ihnen, hier in diesem Hause, vor meinen eigenen Augen."
      • Hitler unterzeichnet
        • Der Kampf währte einige Stunden. Als Hitler sah, daß ein Kompromiss mit mir unmöglich war, lenkte er ein. Ich forderte außer meiner Anwesenheit bei der Entlassung Habichts eine schriftliche Festlegung meiner Vorbedingungen und seine Unterschrift. So fertigte ich ein Dokument, das mir freie Hand garantieren würde. Es enthielt folgende Grundforderungen:
        • 1. Der Anschluss Oesterreichs kann nur auf dem Wege einer langsamen friedrlichen Evolution in Aussicht genommen werden. Es darf in dieser Frage, die im Laufe der Geschichte und erst jetzt soviel Bruderblut gekostet hat, nicht ein Tropfen kostbaren duetschen Blutes fürderhin vergosssen werden.
        • 2. Alle Einwirkung der reichsdeutschen NSDAP unmittelbar oder mittelbar in die österreichsiche Politik wird vom Führer den Parteiorganisationen srikte utnersagt.
        • 3. Der bisherige Führer der NSDAP in Oesterreich, Habicht, wird sofort abberufen.
        • 4. Ich unterstehe als Gesandter in Wien ausschließlich dem Führer und keiner anderen Instanz. In österreichischen Angelegenheiten habe ich jederzeit unmittelbares Vortragsrecht. Am Abend unterzeichnete Hitler das Dokument. Gleichzeitig war Habicht im Flugzeug eingetroffen und wurde in meiner Gegenwart seiner sämtlichen Funktionen entsetzt (Herr von Ribbentrop hat diesen Kondottiere offensichtlich auf Grund seiner Verdienste um das Reich 1939 nach Beginn des Krieges als Staatssekretär in das Auswärtige Amt berufen.)
      • Hindenburg stirbt
        • Der FM (Feldmarschall) hatte unter mein Ernennungsdekret die letzte Unterschrift seines Lebens gesetzt. Wenige Tage später schloss er seine Augen für immer. Sein Sohn Oskar erzählte mir, daß er mit besonderer Freude begrüßt habe, mich auf dem wichtigen Posten in Wien zu sehen und daß er noch in seinen letzten Tagen oft nach mir gefragt habe.
        • Der große aufrechte Mann mit dem gütigen Herzen, gleichgeachtet als Solat wie als Oberhaupt des Staates - ein Mitkämpfer von Königsgrätz und ein Zeuge der Kaiserkrönung von Versailles - er hatte sich in hohem Alter willig bereit erklärt, das geschlagene und gedemütigte Reich zu einer friedlichen Entwicklung bergan zu führen. Nun hatte die Vorsehung ihn uns entrissen - in einem Augenblick kritischster innerer Gährung und Auseinandersetzung, wo nur seine von der Weisheit des Alters unterstützte Autorität das von Parteileidenschaften zerrissene Volk vor weiteren Erschütterungen zu bewahren vermocht hätte. Es war ein Verhängnis für die deutsche Geschichte, daß der Herrgott ihn nicht noch ein halbes Jahr länger im vollen Besitze seiner geistigen und körperlichen Kräfte belassen hatte.
      • Der würdelose Blomberg
        • Nach Lage der Dinge konnte die weitere revolutionäre Entwicklung nur durch einen Mann aufgehalten werden, der gegenüber den militanten Kräften der Partei und der jetzt völlig in ihrem Dienste stehenden Polizei (Göring) über die Wehrmacht als Ordnungsfaktor verfügte. Der Feldmarschall hatte, als er Hitler zum Kanzler berief, den Mann seines persönlichen Vertrauens, den General von Blomberg, als Wehrministr berufen. Diese Wahl sollte die verhängnisvollste Wirkung auf die Zukunft haben. Denn: Herr v. Blomberg geriet schon nach zwei Monaten so vollständig unter den suggestiven Einfluss Hitlers, daß er als der "Promotor" der Partei und aller ihrer extremen Wünsche bezeichnet werden muß. Offensichtlich ohne jeden politischen Blick und ohne genügend hohes Verantwortungsgefühl, das ein Minister über sein Ressort hinaus für die allgemeine Wohlfahrt des Staates besitzen muß, geriet er völlig unter den Einfluss der Parteimaschine, die nur zu willig war, die Wehrmacht - unter der Devise der Arbeitsbeschaffung - neu aufzurüsten, um sich am Ende ihrer als politisches Werkzeug skrupellos zu bedienen. Das Bild dieses Mannes wird vervollständigt durch den Mangel an persönlicher Würde, den man einer Persönlichkeit seiner Herkunft und Erziehung niemals hätte zutrauen können und an dem er dann gescheitert ist. Hindenburg würde sich im Grabe herumgedreht haben, ob solchen Mangels an Ehrgefühl und Pflichtbewusstsein, den Tugenden, die er, der Feldmarschall, in so hohem Maße verkörperte.
      • Im Totenzimmer
        • Den toten Feldmarschall noch einmal zu sehen und von ihm Abschied zu nehmen, wurde mir wenigstens nicht verwehrt. Ich betrat das einfache, schlichte Sterbezimmer mit einem Herzen voller Wehmut, ich fand die hohe Stirn und die nun geschlossenen Augen, die geraden Formlinien dieses markanten Kopfes von einem Frieden verklärt, der nur der ewige Lohn eines so langen pflichttreuen Lebens sein kann.
        • Mit Bittereit gedachte ich der Hindernisse, die sich der friedvollen Vollendung der von uns geplanten Reorganisation des deutschen politischen Lebens entgegengestellt hatten. Der Mann, der die Entscheidung Hindenburgs vom 2. Dezember 1932 umgeworfen hatte, war nun selbst ein Opfer der revolutionären Bewegung geworden, die er damals noch mit parlamentarischen Mitteln zu meistern gehofft hatte. Wie anders wäre das Schicksal Deutschlands verlaufen, wenn General von Schleicher mit mir die Arbeit unter Hindenburg fortgesetzt hätte. Das entsetzliche Ende dieses Dramas, das hätte allerdings auch ein Jules Verne nicht vorausahnen können. Jetzt hieß es, den Mut und das Verantwortungsgefühl in beide Hände zu nehmen.
      • Ein Prinz als Nachfolger
        • Im Frühjahr 1934, als der Feldmarschall zu kränkeln begann, hatte ich mit ihm über die Frage seiner Nachfolgerschaft gesprochen. Es war natürlich eine Frage von höchster Bedeutung und Aktualität. Hitler hatte mir früher oft versichert, er beabsichtige nach dem Tode des Feldmarschalls einen Hohenzollernprinzen in die Stellung des Reichspräsidenten zu bringen und wenn das Experiment gut verlaufe, könne man später auch an eine Restauration denken. Zuvor wolle er das Reich nach innen und außen wieder kräftigen und zu einem Faktor der europäischen Politik machen. Der Kronprinz genoß nicht seine Gunst.
      • Das Fenster auf!
        • Er behauptete, die Kronprinzessin habe nach einem Besuch Hitlers in Cäcilienhof gesagt, man müsse schnell die Fenster öffenen um zu lüften.
        • Diese Geschichte ist sicherlich von Parteileuten und Antimonarchisten erfunden. Denn der sprichwörtliche Takt der hohen Frau hätte niemals eine solche Bemerkung erlaubt. So empfahl ich Hilter wiederholt, schon jetzt einen ihm sympathischen Sohn des Kronprinzen in seinem persönlichen Gefolge einzureihen, um ihn kennenzulernen und der späteren Entwicklung einen Start zu geben. Prinz August Wilhem von Preußen, ein enthusiastisches Parteimitglied, konnte ihn am besten über Charakter und Eigenschaften seiner Neffen unterrichten. Daß Hitler damals eine solche Nachfolgeregelung ernsthaft durchdachte, weiß ich aus einer mir später bekanntgewordenen Anordnung. Er hatte in diesen Tagen sich einem Reichsminister, der Parteimitglied war, gegenüber ausführlich im Sinne einer späteren Restitution der Krone ausgesprochen und gesagt, er selsbt wolle vorher die Rolle Friedrich Wilhelms I., des Vaters Friedrich des Großen, des Erneuerers Preußens spielen. Die Leistung dieses Königs müsse daher popularisiert werden. Jannings wurde beauftragt, sofort einen Film herzustellen, der diesem Ziel diene.
        • Aber, noch ehe diese Entscheidung irgendwie ausgereift war, sollte sie schon im Keim zerstört werden. Hitler unternahm eine Reise nach Rom, um Mussolini zu sehen. Selbstverständlich mußte er auch dem Souverän seinen Besuch machen. Es scheint, daß König Victor Emanuel, dessen innere Abneigung gegen den Duce beannt war, diesen neuen Diktator nur mit kalter Höflichkeit behandelt hat. Auch wird Mussolini Hitler nicht vorenthalten haben, wie sehr die Widerstände der Krone und der sogen. Hofclique seine Arbeit erschwert hätten. Jedenfalls kam Hitler mit einem Eindruck zurück, der sich mir gegenüber mit den Worten Luft machte: "Wenn ich noch kein Antimonarchist gewesen wäre - jetzt würde ich es bestimmt sein."
        • Indessen durfte man hoffen, daß solche flüchtigen Eindrücke nicht bleiben und wichtige Entscheidungen maßgeblich beeinflussen würden. Dem klarblickenden Staatsmann konnte doch nicht entgangen sein, wie klug gerade Mussolini gehandelt hatte, als er auf die monarchistische Gesinnung Italiens Rücksicht nahm und nicht versucht hatte, die Exekutive und Leitung des Staates in seiner Person zu vereinigen
        • Hindenburg war selbstverständlich Monarchist und würde in jedem passenden Augenblick entsprechend gehandelt haben. Ich schlug ihm daher vor, ein politisches Testament aufzusetzen, in dem er Hitler die Restiution der Krone empfahl - als eine Regierungsform, die nach 1100 Jahren geschichtlicher Erfahrung dem deutschen Volk am sichersten die Vorzüge einer weisen konstituionellen Leitung verbürgen würde. Dieses Testament als Vermächtnis des alten Feldmarschalls konnte von Hitler als Sprungbrett benutzt werden, die Frage - auch gegen sichere Widerstände in seiner Partei - einer sofortigen Lösung zuzuführen.
        • Oskar von Hindenburg übergab mir das Testament nach dem Heimgang seines Vaters, um es Hitler auszuhändigen. Das Testament hat niemals das Licht der Öffentlichkeit gesehen. Seine Existenz ist bis heute dem deutschen Volke verheimlicht worden.
        • Es ist bekannt, daß unmittelbar nach dem Ableben des Reichspräsidenten Hitler diese Würde ursurpierte. Seitdem hat er monarchistische Regungen im Volk bis auf das Messer bekämpft. Als die Beisetzung des Prinzen Wilhelm von Preußen, des ältesten Sohnes des Kronprinzen, der auf dem Schlachtfelde gefallen, sich in Potsdam unter stärkster Teilnahme der Bevölkerung vollzog, gab ihm dies den Anlass, sämtliche Prinzen aus regierenden Häusern sofort aus den Frontstellungen zu entfernen. Diese jungen Prinzen hatten ausnahmslos ihre Pflicht gegen das Vaterland getreulich erfüllt; sie kämpften an allen Fronten wie jeder deutsche Grenadier. Diese Ordre, die sie vom Wehrdienst ausschloss, war eine Diffamierung, die sicherlich keines der ehemaligen regierenden Häuser verdient hatte und die sonderbar kontrasierte mit der von Hitler stets zur Schau gestellten Verehrung Friedrichs des Großen und preußischer Tradition. Als später der Prinz Eitel Friedrich seine Augen schloss - ein Prinz, der durch seine persönliche Tapferkeit an der Spitze der Garde im ersten Weltkrieg weithin bekannt ist und der völlig unpolitisch war -, musste er bei Nacht und Nebel, wie ein räudiger Hund verscharrt werden. Kein Soldat in Uniform durfte seinem Sarge folgen.
      • Modernes Heidentum
        • Die Möglichkeit einer Restauration verfolgte Hitler wie ein böser Traum. Wahrscheinlich war ihm bewusst, wie kritisch ein großer Teil des Volkes seiner und der Partei Amtsfhrung gegenüberstand, wie tief im Volke die Sehnsucht nach einer geordneten Regierung war, wo Recht vor Macht ging, wie es die preußischen Könige und die anderen Landesherren immer gehalten hatten.
        • Die große Trauerfeier für den entschlafenen Reichspräsidenten an der Stätte seines einstigen Ruhmes, in Tannenberg, gestaltete sich zu einer bewegten nationalen kundgebung, in die der Nachruf seines nunmehrigen Nachfolgers einen falschen Ton brachte. Die Schlussworte:
        • "Großer Feldherr, gehen un ein in Walhalla." kontrasierten seltsam mit dem gläubigen Christentum Hindenburgs. Es war die Manifestation des modernen nationalsozialistischen Paganismus gegen alles, was in deutschen Landen noch an die Grundalgen einer tausendjährigen abendländischen Kultur erinnerte.