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Agnes Mann, Poppenhausen Rhön, geb 19.. gest
Malerin, Grafikerin, Glasfensterkünstlerin
Forschungsstelle Glasmalerei des 20. Jahrhunderts e.V.
Aus Anlass der Vorbereitung der Ausstellung trafen sich am 10.
Juli 1977 in Güntersberg/Rhön Frau Dr. Brigitte Oels und P. Ulrich
Hüsch OFM mit Frau Agnes Mann. Viele Stunden dauerte
das Gespräch. Frau Mann erzählte von ihrem Lebensweg und
ihrer künstlerischen Entwicklung.
Persönliches und Fachliches kam zur Sprache. Begegnungen mit
für ihre Entwicklung wichtigen Personen wurden lebendig.
Nach den Aufzeichnungen dieses Gesprächs entstand der folgende
Text. Er zeigt einige persönliche und künstlerisch wichtige
Stationen des Lebens von Agnes Mann.
Gespräch mit Frau Mann
Pater Ulrich: Wie sind Sie damals, es war wohl 1926, eigentlich
nach Düsseldorf gekommen, in die private Malschule von Hans
Carp?
Frau Mann: Über meine Schwester Elisabeth, die früher bei ihm
war und später dann auf die Kunstakademie nach München ging.
Diese Schwester ist die dritte von sieben bei uns in der Familie.
lch bin die Siebte.
Es ist so, dass Carp in Düsseldorf ein wirklich athmosphärischer
Maler war. Und das fast ausschließlich im Porträt. Ich habe nur
ganz wenig andere Dinge von ihm gesehen, wie Landschaften
usw. Er war ein wirklich guter Maler und ein guter Lehrer. Aber
ich war zu kurz bei ihm, ein halbes Jahr. Dann musste ich fort, und
dann brach eben alles zusammen.
Ich habe dann meine Säuglingspflege gemacht, meine Wochenbettpflege
und Hebammenschülerin, - ja, und dann habe ich
auch geheiratet.
Ich bin nach Berlin gekommen und habe dort die Privatpflege
einer sehr kranken Dame übernommen, war sogenannte Haustochter
für 10 Mark im Monat und durfte in der Familie mitleben.
Diese Dame war sehr krank, und es hat mir viel bedeutet, sie zu
pflegen. Und so habe ich damals gar nicht mehr daran gedacht
zu malen. Aber, ich muss gestehen, es ging innerlich was von
Hans Karp in mir weiter. Es war das Sehen des menschlichen
Antlitzes.
(…)Mensch, der mich durch sein philosophisches Denken sehr heraus-
gelockt hat, so dass ich mehr zum Denken kam, nicht nur von meinem
Tun her dachte. Er war auch ein großartiger Schauspieler
und hatte in Berlin sein eigenes Ensemble.
Das Leben mit meinem Mann brachte mich wieder dazu, an die
Zeichnung zu denken, da er mich immer wieder mahnte: ,,Du
musst". Und so fing ich in Berlin seinerzeit wieder an zu zeichnen.
Das Erste war ein Gesicht eines Bekannten von uns. Das war der
Beginn.
Bald darauf holte mich der damalige Bischof von Berlin, Nikolaus
Barres, als lllustratorin ans Berliner Katholische Kirchenblatt
während des Dritten Reiches kamen wir dann in die Rhön. Mein
Mann und ich lebten hier erst sehr verträumt.
Wieder kam ich dazu zu zeichnen, diesmal durch Herrn Dr. Kroos,
den Schriftleiter des „Bonifatiusboten" in Fulda, der mich bat,
für den „Boten" illustrativ zu arbeiten.
Außerdem begann ich, angeregt durch diese Landschaft: Rhön,
Bauern zu zeichnen - und so kam ich wieder zum Porträt. Auch
Gebräuche der Rhön habe ich versucht zu zeichnen, auch in der
Karikatur festzuhalten, und ich begann auch in der Fuldaer Zeitung
etwas dazu zu schreiben. Bauer und Dorf wurden zu Themen
für mich. Auch in dieser Zeit war es, dass der Orgelforscher
und Lehrer Gottfried Rehm mich anregte, Landschaften zu malen.
Er wurde auch - ich muss es gestehen - mit seinen wenigen
Geldmitteln damals für mich zu einem Mäzen. Er gab mir Themen,
die ich ins Bild umzusetzen versuchte. Angeregt durch ihn
begann ich auch surrealistisch, verträumt, zu malen.
1954, aus Anlass des Katholikentages fand im Fuldaer Schloss eine
Glasfensterausstellung statt. Das hat mich sehr beeindruckt. Der
damalige Regens des Priesterseminars, Herr Dr. von Rhein, nahm
zu gleicher Zeit von mir drei in Öl gemalte Bilder ins Treppenhaus
des Priesterseminars.
Damals spürte ich den Wunsch, mich zeichnerisch weiterzubilden.
Durch Vermittlung - während des Katholikentages 1954 -
des Erzbischofs von Paderborn, Lorenz Jäger und in Fulda, von
Weihbischof Adolf Bolte, kam ich zu Dr. Karl Busch, dem Leiter
der alten Pinakothek in München und zu Dr. Hugo Schnell, dem
Redakteur vom „Münster". Durch diese Vermittlung wurde ich
trotz meines Alters noch an der Kunstakademie in Freiburg angenommen.
Ich machte die Aufnahmeprüfung, und wie ich eigentlich nie zu
dem kam, damals, was ich eigentlich wollte, kam ich nicht in die
Zeichenklasse, sondern sofort in die Maiklasse. Ich fühlte mich
zunächst erst wirklich etwas gehemmt, da ich nach meiner Vorstellung
noch nicht zeichnen konnte. Aber, nach der Aufnahmeprüfung
wurde mir gesagt: Das können Sie doch. Und so musste
ich mit Aktmalen, gleich in Ölfarbe, anfangen. Da kam mir aber
das Wissen um die Anatomie aus meiner Krankenpflegezeit zu
Hilfe.
Mein Lehrer war dort: Prof. Strüwe. Er korrigierte mich erbarmungslos.
Wenn man älter ist in solch einer Situation, quält man
sich sehr. Oft spachtelte er mir meine ganze gemalte Geschichte
wieder fort und sagte: ,,Um Gottes Willen". Einmal ging er sogar
so weit, dass er sagte: ,,Wollen Sie denn eigentlich für's Kaffeehaus
malen!" Es war eine ziemliche Qual, so dass ich mich manchmal
hinter den Wandschirm des Modells verkroch und ausheulte.
Bis ich eines Tages mal sagte: ,,Herr Professor, jetzt lassen Sie
…
eine Arbeit drunter zu schmuggeln, eine Komposition etwas
surrealistisch, über Fastnacht. Und wie Strüwe das sah, sagte er:
,,Von wem ist denn das? Das ist ein Anfang zu mehr, das
lassen wir erst nochmal weg." Ich kam nicht mit auf die Ausstellung.
Zu dieser Zeit bekam ich, vor allem durch eine Ausstellung von
Meistermann plötzlich das Gefühl für Glas, für Transparenz, anscheinend
über den Surrealismus, die Träumerei, die absolut in mir
steckte. Wohl war beim Betrachten der Arbeiten von Meistermann
in mir eine Vorstellung: ich würde anders arbeiten.
un ja, ich habe mich dann an die Straße gestellt und trampte
durch das ganze Bundesgebiet von Werkkunstschule zu Werkkunstschule,
weil ich mir sagte: ,,Das Glas muss kommen. " Ich
konnte mir auch nicht leisten in meinem Alter „Bohemien" zu
sein. Ich musste handwerklich weiterkommen. Ich musste ja dann
die Studiengelder wieder zurückgeben.
Und gelandet bin ich in Krefeld. Das Einzige, was ich zum Zeigen
mitgenommen hatte, waren Fotos meines in Öl gemalten
Kreuzweges, der in der Kirche in Künzell hängt.
Es waren in der Zeit an dieser Schule in Krefeld einige Auseinandersetzungen,
die auch durch die Zeitungen gingen, und ich
sagte mir, wo Auseinandersetzungen sind, da muss ich hin, für
die Arbeit kann das wichtig sein.
Hans Kadow, der Leiter des Vorsemesters, war Bauhausschüler
gewesen, Schüler von Klee und Kandinsky. Er machte Perlenstickereien,
sehr amüsant, sehr, sehr sensibel. Ein Mensch, nicht
groß von Statur, aber mit einem großen Kopf und sehr zarten
Händen, was mich, da mich das Porträt, der Mensch interessiert,
sofort ansprach. Man wusste zuerst mit den Fotos des Kreuzweges
nichts anzufangen. Aber dann sagte Kadow, er wolle mich
behalten, es sei ihm wichtig, einen älteren Menschen im Vorsemester
zu haben.
Ich blieb. Und als ich in Freiburg Professor Strüwe meinen Entschluss
mitteilte, sagte der etwas, was ich bis heute noch nicht
ganz begreife: ,,Jetzt habe ich gedacht, ich hätte jemanden hier
mit Talent, und jetzt geht der wieder weg." Ich habe immer
Scheu vor dem Wort „Begabung" oder „ Künstler" gehabt.
Im Vorsemester in Krefeld zeigte sich, dass ich fähig war zu spielen.
Das Interessante war, dass ich genau so mit Materialien spielen
konnte wie die junge Welt. Ich spielte mit dem Material, mit
dem Stift. dem Pinsel, der Form, der Farbe.
Als ich dann in die Glasklasse übergewechselt war, durfte ich
Kadow, der für einige Zeit nach Griechenland gefahren war, im
Vorsemester vertreten. Das war für mich sehr wertvoll, Anregungen
geben zu dürfen. Ich erinnere mich, einmal gesagt zu haben:
„Beschäftigt Euch doch mal mit einem Gockelhahn, indem Ihr
versucht, nur die Schwanzfedern zu schmücken, der Hahn als
solches ist nicht wichtig." Da sind reizende Dinge herausgekommen.
Alles wurde übersteigert, so dass nur noch Formenspiel
da war, farbige Ornamente, flatterndes Farbenspiel.
Kadow sagte hinterher: ,,Ja, ganz genau, wir müssen ausgehen
von Dingen, die wir sehen."
Ich bin dann in die Glasklasse von Prof. Fünders gegangen. Er
ließ uns viel Freiheit im Umgang mit dem Material. Mir kam wohl
mein Alter zugute, denn ich machte noch aus dem kleinsten
Stückchen Glas etwas.
Nach zwei Jahren habe
ich die Meisterschülerabschlußprüfung an der Werkkunstschule
gemacht. Es hat mir Freude gemacht, muss ich sagen.
Danach kam ich in die Rhön zurück, und - weiß der Himmel - gerade
in diesem Augenblick hatte sich der Architekt Rudolf Schick
in Fulda selbständig gemacht und hatte seinen ersten Kirchenauftrag.
Er bat mich, die Fenster zu machen für die Wigbertkirche
,in Wabern. bei Fritzlar-Homberg.
Diese Fenster habe ich vom Entwurf über das Schneiden des GJaes,
das Ätzen und Bemalen in meiner Wohnung in der Rhön
angefertigt, auch die Montage selbst. Es ist eigentlich schade,
dass man seine Arbeiten in dieser Weise handwerklich nicht mehr
so ausführt. diese Arbeiten den Werkstätten überlässt.
Pater Ulrich: In unserem Gespräch fiel immer wieder das Wort
träumen", ,,Traum". Mich interessiert, was Sie darunter verstehen.
Frau Mann: In meinen Zeugnissen stand immer: Agnes träumt
zuviel.
Als ich in Paderborn im Dom mein Mosaik an die Wand legte,
kam ich einmal ins Gespräch mit dem damaligen Domprobst Dr.
Scheele und Herrn Köster. An uns vorbei ging eine alte Dame,
sehr gebückt, klein an Statur. Ich schaute und erkannte in ihr
meine frühere Klassenlehrerin vom Lyzeum. - Ich in meiner
Freude ging auf sie zu, umarmte sie und sagte: ,,Mein Gott, Anna
Schäfers!" Früher nannten wir sie: Frau Oberstudienrätin - aber
jetzt war sie für mich: Anna Schäfers - Und sie: ,,Ja Kind , wer
bist denn du?" Als ich ihr sagte, wer ich bin, erwiderte sie: ,,Ach
ja, und was ist aus deinen Träumen geworden?" Da führte
Scheele sie zu meinem Mosaik. ,,Schauen Sie mal hier".
Heute bin ich viel wacher, heute weiß ich, wohin mein Träumen
zielt.
Wenn ich von Träumen spreche, dann meine ich etwas, was in
einem verborgen ruht und das geweckt werden muss. Man wird
wach gemacht durch das plötzliche Tun, Tunmüssen.
Frau Oels: In diesem Zusammenhang fiel schon häufig das Wort
,, Mütterlichkeit ", ,, Geburt". Sie nannten Ihre Werke ihre „Kinder".
Frau Mann: Ja, lassen wir uns ruhig nochmal auf die „Geburtswehen
" zurückkommen, da ist was dran.
Man wird angesprochen eigentlich auf ein Thema, das ist der
Samen. Man steht noch in dem Ereignis: das Tragen - und dann
ist es da - In den Zeiten des Tragens ist es ein Träumen -
plötzlich wird es etwas Reales - das ist es, wenn man plötzlich
einen Strich zieht. Ich kann es als Frau nur mit diesem Bild sagen.
Vielleicht ist das wirklich weiblich. Wir Frauen nehmen ganz
selbstverständlich diese Zeit des Träumens hin, egal, welches
Leiden dabei ist.
Frau Oels: Sie sagten vorhin, im Samen sei bereits alles angelegt.
Mich interessiert in diesem Zusammenhang, welches Verhältnis
Sie in diesem „Schöpfungsakt", wie Sie das nannten, zum Material
haben. Ich finde es bemerkenswert, dass Sie mit so vielen
Materialien gearbeitet haben, mit Glas, Metall, Stoff, Ton, ja, dass
es kaum eine Technik gibt, die Sie nicht angewendet haben.
Frau Mann: Ja, das ist überraschend. Aber vielleicht ist es das
wirkliche Kindsein, das Mit-den-Dingen-Spielen. Ich empfinde
das Material organisch, ich empfinde den Marmor, den ich in
große und kleine Stücke schlage oder schneide, vom Gefühl her.
Ich fühle, da geht der gewachsene Schuss durch, du musst den
Stein so oder so schlagen. Ebenso ist es beim Glas. Bestimmte
Farben haben bestimmte Spannungsverhältnisse. Das muss man
spüren beim Schneiden. Mir sagte mal ein Meister in einer Werk-
statt, die meine Fenster bearbeitet: „wenn ich einen Karton von
ihnen durchpause, dann läuft das Blei ganz organisch. Es ist
eine Freude, das Material nicht zu vergewaltigen.“ da haben Sie
das Wort organisch. Ich halte das schöpferische für etwas absolut
Organisches, Mütterliches.
Pater Ulrich: Welcher Technik fühlen Sie sich gegenwärtig am
stärksten verbunden?
Frau Mann: Das ist eine gefährliche Frage. Ich kann zwar sagen,
dass das Formen mit den Händen, die Plastik, im Moment einen
besonderen Reiz für mich hat. Andererseits glaube ich kaum,
dass ich mich ganz auf die Plastik verlege. Nein, denn dafür ist
das Glasfenster für mich mit seiner Transparenz, voll solcher,
ich möchte sagen, göttlicher Überraschungen, dass ich nicht davon
loskommen kann.
Das Mosaik hat für mich vom Handwerklichen her einen ungeheuren
Reiz, Steinchen für Steinchen in das Bild, in die Form
zu setzen! Mich reizt es auch sehr, mal wieder zu malen. Neulich
habe ich auch wieder mal versucht, zu portraitieren, aber ich
weiß, da muss ich mich erst wieder hinarbeiten, zum Zeichnen.
Aber ich möchte das wieder machen. Ich kann mich nicht trennen
von dem oder dem.
Pater Ulrich: Sie haben gesagt: Kunst ist für mich Dienst für andere,
und deshalb experimentiere ich nicht.
Frau Mann: Ja, sehr richtig.
Pater Ulrich: Brauchen Sie nicht das Experiment, um Unsicherheiten
auszugleichen, um sich weiter zu bringen?
Frau Mann: Sie sprechen von Unsicherheiten. Ich nenne das:
Suchen! Das Experiment könnte sich nur im Tun entwickeln,
nicht im Suchen. Experimentieren bedeutet in der heutigen Kunst
auch ein gedankIiches Experimentieren, nicht nur ein Spielen
mit dem Material und mit der Form.
Pater Ulrich: Dann meinen Sie also: Ich darf nie mit meinem Publikum
experimentieren!
Frau Mann: Absolut nicht. Ich habe mich mit mir selbst auseinanderzusetzen.
Frau Oels: Ich habe in Ihren Werken eigentlich nichts gefunden,
was nicht eine Geschichte erzählen würde, was nicht im Grunde
Inhaltliches zu sagen hätte.
Frau Mann: Ja, ich will die Menschen zum Sehen herausfordern,
ich will sie ansprechen.
Pater Ulrich: Sie sagten: Kunst ist Weitergeben von Leben. Und
Sie verdeutlichten das mit dem Bild der Geburt. Und von Ihren
Werken sprechen Sie dann als von Ihren Kindern.
Frau Mann: Ja. Die Verantwortung der Zeugung. Deshalb kann
ich nicht im eigentlichen Schaffen experimentieren, wohl aber
mit dem Handwerkszeug, dem Material.
Wenn ich mit dem Wachs modelliere oder mit Plastilin oder Ton,
dann kann ich durch dieses Experimentieren zwar auf neue Formen
kommen, aber nicht auf mich, der so denkt und schafft. Ich
stelle den Priester, den Arzt und den Künstler immer auf eine
Ebene, in ihrer Verantwortung dem Nächsten gegenüber, dem
Menschen und seinem Tun.
Pater Ulrich: Und da kommt der Lehrer noch dazu, heute mehr
denn je.
Pater Ulrich: Was sind vom künstlerischen Schaffen her die für
Sie wichtigsten Stationen?
Frau Mann: Ich möchte keine
Einzelnen Stationen nennen. Es war ein Weg. Eine Entwicklung.
Ein entscheidender Schritt war allerdings die Hinwendung zum Handwerk.
Es war eine Existenzfrage. Aber auch das ist eigentlich keine Station.
sondern ebenfalls ein Weg.
Pater Ulrich: Welche Erfahrungen - auch über das Künstlerische hinaus
Haben Sie wesentlich beeinflusst?
Frau Mann: Da möchte ich sagen: Die Religiosität.
1 Pater Ulrich: Das ist eine kurze Antwort, und ich möchte gleich
die Frage anschließen: Welche biblischen Themen haben Sie vorrangig
beschäftigt?
Frau Mann: Ich glaube, da kann ich nichts Einzelnes hervorheben.
Mir ist das Alte Testament so lieb wie das Neue. Es geht
mir oft auch um die Darstellung von Heiligen, um die Legenden.
Franziskus beschäftigt mich besonders, auch Jonas im Fisch und
Daniel in der Löwengrube.
Pater Ulrich: Sie sagten, Sie verspürten die Notwendigkeit zu
1malen, um die Bibel wieder lebendig, sichtbar zu machen. Sie
sagten, viele sähen die Bibel nicht mehr ...
Frau Mann: Ja, man weiß nicht mehr genug darum, und ich halte
es für wichtig, heute mehr denn je.
Frau Oels: Immer wieder war die Rede davon, dass Sie gehalten
!wurden zu malen, zu portraitieren, zu zeichnen. Der Anstoß kam
offensichtlich oft von anderen. Auf mich machen Sie aber einen
sehr intensiven Eindruck. Mich beeindruckt Ihre Intensität des
Gebenwollens, gleichsam ein Überfließen, ein Angefülltsein, das
aus dem spricht, was Sie sagen, wie aus dem, was Sie gestalten.
Frau Mann: Ich bin nicht für mich da. Ich glaube, dass wir Menschen
bei aller Verschiedenheit viele Dinge haben, die auf der
gleichen Ebene liegen, dass wir alle, ich sage oft, wie die Sterne
am Himmel, eine gemeinsame Ordnung haben. Wir haben alle
unseren eigenen Weg zu gehen, aber wir müßten ihn alle in einer
gemeinsamen Ordnung gehen.
Religiosität als Schutz - früher, als Kind, lief ich unter die große
Schürze meiner Kindermagd. Wo kann man als Erwachsener hinlaufen?
Und da halte ich eben das, was wir Religion nennen, für etwas
ganz Wichtiges, etwas, ohne das Leben kaum möglich ist. Das
Leben - unter dem Kreuzweg!
Und diese Sensibilität, die aus dem Glauben kommt, ist heute
nicht mehr genug da. Glaube ist ja Wissen! Passiert es nicht,
dass man sagt: Ich glaube das, weil ich es weiß? Weil ich das erfahren
habe, darum glaube ich das. So kann ich mir das bei Christus
auch vorstellen, wenn er jemandem helfen konnte, weil er
den Glauben hatte. Weil er wusste, dass er vom Vater kam.
Pater Ulrich: Wenn Sie einmal keine Überlegungen anstellen
müssten, wie ein Auftrag finanziell abzusichern ist - wenn Sie
ganz frei wären, in der Wahl Ihres Themas - welches würden
Sie gern gestalten? Haben Sie einen Traumauftrag?
Frau Mann: Natürlich gehen bestimmte Themen mit einem. Aber
vielleicht beschäftigt mich ein Thema wirklich ganz besonders.
Das 1st die Geschichte Babylons, weil ich glaube, dass es in unsere
Zeit passt: An den Flüssen Babylons saßen sie und weinten
und hingen ihre Harfen an die Bäume.
Mir erscheint wichtig, dass der Wind, der durch die Harfen geht
also eine Musik, eine Feinheit, eine Sensibilität, nie vergeht, bei
all dem, wenn man Weint an den Flüssen Babylons.
Auch der Turmbau zu Babel beschäftigt mich seit Jahren. Das ist
unsere Zeit, das ist unser Leben. Und deshalb habe ich wohl
den Wunsch, gerade dieses Thema zu malen, wenn es geht,
als großes Wandbild oder als Mosaik.
Pater Ulrich: Frau Mann, der Aspekt dieser Ausstellung ist: Frau
Mann.
Sie zeigt Portraits, Landschaften, Übungsblätter, Entwürfe zu
Kirchenfenstern, Mosaiken und Plastiken, Gobelins, Batikarbeiten,
Stickereien und Goldschmiedearbeiten.
Darf ich Sie fragen: Was erwarten Sie von der Ausstellung?
Frau Mann: Wenn ich ein Kind in die Welt gebe, was wird daraus.
was kann ich erwarten?
Früher habe ich ja einige Ausstellungen mitgemacht ... Aber
ich halte das nicht für so wichtig. Ich habe meine Arbeiten überall.
Ich habe meine Kinder überall.
Ich werde jetzt siebzig ...