Benutzer:Ttog/Fundamentalismus

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Als Fundamentalismus bezeichnet man religiöse oder weltanschauliche Strömungen, die durch ihr unbedingtes und kompromissloses Beharren auf festen religiösen oder politischen Grundsätzen charakterisiert sind. Basis ist im Allgemeinen die buchstäbliche, nicht hinterfragbare Interpretation einer als göttlich oder unumstößlich angesehenen Überlieferung, deren Geltungsanspruch nicht dialogfähig ist.

Da keine eindeutige Definition des Begriffs allgemein anerkannt ist, und er oft in polemisch abgrenzender Weise verwendet wird, ist eine objektive, scharfe Abgrenzung des Fundamentalismus von ausgeprägtem Konservatismus nicht möglich.[1]

Begriffsgeschichte

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Ursprung im antimodernistischen Christentum

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In seiner ursprünglichen Bedeutung geht der Begriff Fundamentalismus auf eine konservative Reformbewegung gegen Entwicklungen innerhalb des US-amerikanischen Protestantismus zurück. Zwischen 1910 und 1915 verfasste eine Gruppe von konservativen Theologen und Laien die zwölfbändige Schriftenreihe The Fundamentals: A Testimony to the Truth. 1919 gründeten sie die "World's Christian Fundamentals Association", die im Wesentlichen folgende Positionen vertrat:

  • Verbalinspiration der Bibel: In jedem Wort der Bibel läge unfehlbare Wahrheit.
  • Eine streng dualistische Weltanschauung: Dualismus von Materie und Geist, von Welt und Religion, von Böse und Gut, von Richtig und Falsch.

Die Fundamentalisten verschrieben sich dem Kampf gegen den Modernismus, der die Religion in ihren Grundfesten bedrohe. Als Gefährdungen galten insbesondere die historische Bibelkritik, die Aufweichung religiöser Grundsätze und die Evolutionslehre Darwins.

Übertragung auf nichtchristliche Bewegungen

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Die Verwendung der Bezeichnung Fundamentalismus für nichtchristliche Bewegungen greift grundlegende Elemente des Selbstverständnisses des klassischen christlichen Fundamentalismus auf und überträgt sie in analoger Weise auf andere Religionen und Weltanschauungen.

Die heutige Verwendung des Begriffes beinhaltet zumeist die Abwehr einer als fundamentalistisch angesehenen Position. Insofern handelt es sich um einen polemischen Begriff, der weniger eine spezifische Eigenschaft der als fundamentalistisch bezeichneten Gruppierung beschreibt als die Abgrenzung von dieser. Fundamentalismus wird als Etikett verwendet, mit dem unterschiedslos das gesamte Spektrum von konservativen religiösen Gruppen, über militante Organisationen bis hin zu Terroristen, bezeichnet wird. Der Fundamentalismusvorwurf unterstellt und kritisiert Intoleranz, Radikalismus, Traditionalismus und Gewaltbereitschaft dieser Gruppen, wobei dies deren Selbstverständnis entsprechen kann, aber nicht zwangsläufig muss.

Charakteristika

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Fundamentalismus kann als eine grundsätzliche Gegenbewegung gegen die Moderne gesehen werden. Er sieht die grundlegenden Prinzipien einer Religion durch Relativismus, sexuelle Selbstbestimmung, Pluralismus, Historismus, Toleranz und das Fehlen von Autorität gefährdet. Er propagiert die Rückkehr zu traditionellen Werten und striktes Festhalten an religiösen Dogmen. Ein Mittel dazu sieht er im politischen Engagement. Typisch für ihn ist, dass er die in westlichen Ländern übliche Trennung von Kirche und Staat aufgibt, um seine Ziele auch mit politischen Mitteln durchsetzen zu können.

Die fundamentalistische Weltanschauung ist in der Regel durch ein dualistisches Konzept des Niedergangs, nach dem die Anhänger des Wahren und Guten im Kampf gegen die Schlechten, das "Böse", anders Denkenden und anders Gläubigen begriffen sind, geprägt. Dazu vertreten sie eine Lehre, der zufolge Sünde weniger das persönliche Fehlverhalten, sondern eine gesellschaftliche Kraft darstellt. Dieser politisch verstandenen Sünde kann in der Konsequenz nur mit der Errichtung einer Theokratie entgegengewirkt werden.

Strittig ist insbesondere die Abgrenzung zu Anhängern konservativer oder orthodoxer Richtungen von Religionen oder Ideologien. Diese stehen ebenfalls gegenwärtigen Entwicklungen kritisch oder ablehnend gegenüber, nehmen dabei aber eine eher moderate Haltung ein. Konservative und Orthodoxe wollen auch eher die real existierenden Traditionen ihrer unmittelbaren Vorfahren fortsetzen, während Fundamentalisten zu einem angenommenen "Urzustand" vergangener Zeiten zurücklenken zu können meinen.

Religionssoziologisch bilden die Fundamentalisten oft kleinere Gruppen innerhalb großer Religionen, die sich von der Mehrheit absetzt, weil diese die grundlegenden Prinzipien der Religion verraten habe. Versteht man Fundamentalismus als eine Bewegung zurück zu den Quellen der Religion, so waren die Reformatoren in vergröberter Sicht ebenfalls eine Art Fundamentalisten. Islamwissenschaftler wie zum Beispiel Oliver Roy unterschieden im Islamismus unter anderem einen militanten Islamismus (oder islamistischen Terrorismus) und einen Neofundamentalismus.

Religiöse Ausprägungen

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  • Martin E. Marty, R. Scott Appleby (Hg.): The Fundamentalism Project (5 Vols.):
Fundamentalisms Observed, University of Chicago Press, Chicago u.a. 1994, ISBN 978-0-226-50878-8;
Fundamentalisms and Society, University of Chicago Press, Chicago u.a. 1997, ISBN 978-0-226-50881-8;
Fundamentalisms and the State, University of Chicago Press, Chicago u.a. 1996, ISBN 978-0-226-50884-9;
Accounting for Fundamentalisms, University of Chicago Press, Chicago u.a. 2004, ISBN 978-0-226-50886-3;
Fundamentalisms Comprehended, University of Chicago Press, Chicago u.a. 2004, ISBN 978-0-226-50888-7
  • Thomas Meyer: Fundamentalismus: Aufstand gegen die Moderne. Reinbek bei Hamburg 1989, ISBN 3-499-12414-9
  • Stephan H. Pfürtner: Fundamentalismus - Die Flucht ins Radikale. Herder, Freiburg 1991, ISBN 345104031X

Fundamentalismus und Religion

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  • Clemens Six, Martin Riesebrodt, Siegfried Haas (Hg.): Religiöser Fundamentalismus. Vom Kolonialismus zur Globalisierung. StudienVerlag, Innsbruck u.a. 2004, ISBN 3-7065-4071-1
  • Kevin Phillips: American Theocracy. The Peril and Politics of Radical Religion, Oil, and Borrowed Money in the 21st Century. Viking Books, März 2006. - ISBN 0-67003-486-X (Rezension: [1]; auch als Audiobuch erhältlich)
  • Martin Riesebrodt: Fundamentalismus als patriarchalische Protestbewegung: amerikanische Protestanten (1910-28) und iranische Schiiten (1961-79) im Vergleich. Tübingen 1990, ISBN 3-16-145669-6
  • Hubertus Mynarek: Denkverbot - Fundamentalismus in Christentum und Islam. 1992, ISBN 3-926901-45-4
  • Karen Armstrong: Im Kampf für Gott. Fundamentalismus in Christentum, Judentum und Islam. Siedler Verlag, München 2004.
  • Andreas Becke: Fundamentalismus in Indien? Säkularismus und Kommunalismus am Beispiel von Ayodhya, in: Zeitschrift für Missionswissenschaft und Religionswissenschaft, 78. Jahrgang, 1994, Heft 1, S. 3-24, ISSN 0044-3123

Christlicher Fundamentalismus

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  • R. A. Torrey, A. C. Dixon (Hg.): The Fundamentals: A Testimony to the truth. Baker Books, Grand Rapids 2003 (ISBN 0-80108-750-3)
  • Manfred Brocker: Protest - Anpassung - Etablierung. Die Christliche Rechte im politischen System der USA. Frankfurt a. M./New York: Campus 2004, ISBN 3-593-37600-8
  • Holthaus, Stephan, Fundamentalismus in Deutschland: Der Kampf um die Bibel im Protestantismus des 19. und 20. Jahrhunderts, 2. Aufl. Bonn: Verlag für Kultur und Wissenschaft, 2003. (ISBN 3-932829-85-9)
  • Schnabel, Eckhard J. "Sind Evangelikale Fundamentalisten?" Wuppertal; Zürich: Brockhaus, 1996. (ISBN 3-417-29067-8)

Online verfügbar

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Wiktionary: Fundamentalismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Fundamentalismus in bestimmten Religionen

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  1. Andreas Grünschloß, Was heißt "Fundamentalismus"?