Benutzer:SxPx/Parteilichkeitsprinzip

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Parteilichkeit beschreibt einen Handlungsgrundsatz für den Umgang mit Betroffenen sexualisierter Gewalt. Die von ihnen benannten Grenzverletzungen sind dabei nicht in Frage zu stellen, sondern sind als solche zu respektierren und zu akzeptieren. Von Unterstützenden wird eine Reflexion darüber verlangt, warum keine „skeptischen“ Nachfragen zu stellen sind, sondern sich eindeutig auf die Seite der Betroffenen zu stellen.[1]

Ausgehend von einem feministischen Begriff des Patriarchats struktureller Gewaltverhältnisse, in denen Frauen Männern als untergeordnet gelten. Als sexistische Verhaltensweisen gelten jene, die diese Machtverhältnisse aufrecht erhalten. Wird solches Verhalten nicht angesprochen oder Wahrnehmungen von Frauen in Frage gestellt, manifestiert das die Machtverhältnisse. Sexualisierte Übergriffe sind mit die stärksten Manifestationen sexistischen Verhaltens, weil sie das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen übergehen.[2]

Wird ein sexualisierter Übergriff zur Anzeige gebracht, ermittelt das Rechtssystem, ob eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung vorliegt. Bei der Polizei und vor Gericht müssen Betroffene wiederholt den Tathergang detailiert beschreiben und darlegen, in welcher Weise sie sich gewehrt oder um Hilfe gerufen haben bzw. warum nicht. Dabei wird ihre Glaubwürdigkeit abgefragt und teils auch psychologische Gutachten oder ärztliche Atteste angefertigt. Für die beschuldigte Person gilt die Unschuldsvermutung. Sie braucht sich entsprechend ihrem Aussageverweigerungsrecht nicht zu äußern. Betroffene befinden sich daher bei juristischer Auseinandersetzung aber auch außerhalb von Gerichtsverhandlungen in einer strukturell schwachen Position. Diese Rechtfertigungsposition, die Thematisierung ihrer Erfahrung und Reaktionen der Mitmenschen sind für manche Betroffenen sogar traumatisierender als die Tat selbst.[3]

Um diesen Umständen etwas entgegenzustellen entwickelten Feministinnen das Konzept der Definitionsmacht als Werkzeug für Betroffene. Damit werden die Perspektiven und die Bedürfnisse der Betroffenen ins Zentrum gerückt. Diese wählen den Begriff für den Übergriff und benennen ihn. Dies soll der Aufarbeitung des Erfahrenen dienen, und nicht dem Bedürfnis Anderer, das Geschehene und dessen Schwere einordnen zu wollen.[3]

Parteilichkeit als innere Einstellung gegenüber den Betroffenen sexualisierter Gewalt soll deren Definitionsmacht ermöglichen.[1]

  • Carol Hagemann-White, Barbara Kavemann, Dagmar Ohl: Parteilichkeit und Solidarität. Praxiserfahrungen und Streitfragen zur Gewalt im Geschlechterverhältnis (= Theorie und Praxis der Frauenforschung. Band 27). Kleine Verlag, Bielefeld 1997, ISBN 978-3-89370-252-7.
  • re.ACTion: Antisexismus_reloaded. Zum Umgang mit sexualisierter Gewalt. Ein Handbuch für die antisexistische Praxis. 3., korr. Auflage. Unrast, Münster 2015. ISBN 978-3-89771-301-7

Einzelnachweise

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  1. a b re.ACTion (Hrsg.): Antisexismus_reloaded: zum Umgang mit sexualisierter Gewalt – ein Handbuch für die antisexistische Praxis. 2. Auflage. Unrast, Münster 2010, ISBN 978-3-89771-301-7, Kap. Parteilichkeit, S. 29–34.
  2. re.ACTion (Hrsg.): Antisexismus_reloaded: zum Umgang mit sexualisierter Gewalt – ein Handbuch für die antisexistische Praxis. 2. Auflage. Unrast, Münster 2010, ISBN 978-3-89771-301-7, Kap. Definitionsmacht, S. 19–27.
  3. a b Ann Wiesental: Antisexistische Awareness: ein Handbuch. 2. Auflage. Unrast, Münster 2021, ISBN 978-3-89771-310-9, S. 87 ff.