Benutzer:Rosemann/Primitivknoten

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Als Primitivknoten (lat. nodus primitivus) wird in der Entwicklungsbiologie eine histologische Struktur im sich entwickelnden Embryo aller Nabeltiere bezeichnet, die eine wichtige Rolle am Übergang zwischen der Gastrulation und der Neurulation spielt. Bei Vögeln ist der Primitivknoten als Hensen-Knoten und bei Amphibien als Spemann-Organisator bekannt. Beim menschlichen Embryo taucht der Primitivknoten am Tag 17 p.c. auf.

Lage und Struktur

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Schema eines Embryos von Nabeltieren im Gastrulastadium (Transversalschnitt) mit Lage von Primitivknoten und Primitivstreifen. Der Primitivknoten definiert auch die anterior-posterior Achse. In der Abbildung ist dorsal oben und ventral unten.

Der Primitivknoten stellt eine Ansammlung von Zellen in der Gastrula dar, die sich im vorderen (anterioren) Teil des Primitivstreifens befindet. Die Lage des Primitivknotens am cranialen Ende des Primitivstreifens definiert damit die Orientierung des frühen Embryos relativ zu seiner späteren Längsachse (anterior-posterior Achse). Durch Transplantation von Zellen des Primitivknotens in entfernt liegenden Bereiche bei Hühnerembryonen konnte durch C.L.Waddington gezeigt werden, dass der Knoten (bzw. seine Zellen) die Fähigkeit besitzen, die Entwicklung von Wirbelsäule und Rückenmark entlang der Längsachse einzuleiten [1].

In der Embryonalscheibe befindet sich der Primitivknoten auf deren dorsaler Keimschicht am rostralen Ende der Primitivrinne. Zusammen mit der Primitivgrube bilden diese drei durch Zellvermehrung und -Migration definierten Strukturen den Primitivstreifen.

Entwicklung des Primitivknotens

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Beim menschlichen Embryo zeigt sich der Primitivknoten am Tag 17, also etwa am 11. Tag nach Einnistung in die Gebärmutter. In diesem Entwicklungsstadium zeigt die zweischichtige Embryonalscheibe (bestehend aus Epiblast und Hypoblast) auf ihrer dorsalen, an der Amnionhöhle anliegenden Keimschicht (Epiblast) sowohl eine Vermehrung (Proliferation) von Zellen als auch eine Zunahme des Zellvolumens. Durch diese Raumforderung kommt es zur Verschiebung von Zellen, die sich von zwei Seiten her in der Mittellinie des kaudalen Bereichs konzentrieren und so den Primitivstreifen bilden. Dadurch wird im Embryo erstmalig eine Achse definiert (anterior-posterior Achse), durch die eine räumliche Orientierung "Richtung Kopf" (rostral bzw. cranial) und "Richtung Schwanz" (caudal) möglich ist und gleichzeitig eine rechts-links Symmetrie von zwei Körperhälften erfolgt. Der Primitivstreifen wird dann durch einwandernde Zellen (Migration) stärker und nach kaudal länger. Dabei senkt er sich zur Primitivrinne ein, deren rostrale Region durch Zelleinwanderung verstärkt und zur Primitivgrube wird.

Der Primitivstreifen und der im Randwall der Primitivgrube gelegene Primitivknoten sind bei der Organisation räumlicher Muster in der Entwicklungssteuerung eines Embryos, speziell seiner Körperachsen von entscheidender Bedeutung (morphogenetische Organisation).

Gene und Signalwege

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Wichtige an der Entwicklung des Primitivknotens beteiligte Gene und Signalwege sind Sonic Hedgehog, WNT und BMP.

Funktion der nodalen Zellen

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Zellen des Primitivknotens spielen eine wichtige Rolle als Organisator der räumlichen Strukturierung nachfolgender Gewebe und Organanlagen. So liefert der Primitivknoten mesenchymale Zellen, die während der Gastrulation in kaudaler Richtung migrieren und das Notochord ("Rückensaite") bilden, einen transienten Organisator für die Bildung weiterer axialen Strukturen wie der Somiten, des Neuralrohres und der Neuralleiste.
Die Bedeutung des Primitivknotens für die Bildung des Neuralrohres zeigt sich, wenn nodale Zellen aus Hühnerembryonen entnommen und in anderen Bereichen der Keimscheibe eines Empfängerembryos transplantiert werden. Als Folge davon bilden sich von dort ausgehend ektopische Wirbelsäulen und Rückenmark-Strukturen beim Empfängerembryo aus[2].

Schematische Ansicht der Keimscheibe einer späten Gastrula. In der Mitte der Primitivknoten mit nodalen Zilien. Durch deren gerichtete Schlagbewegung von rechts nach links kommt es zu einer Rotationsbewegung der amniotischen Flüssigkeit entgegen des Uhrzeigersinns. Für das entlang des Primitvstreifens sezernierte NODAL-Protein stellt sich damit ein Konzentrationsgradient ein.

Neben seiner Funktion als Quelle von auswandernden Zellen spielt der Primitivknoten aber auch eine wichtige Rolle bei der Verteilung von morphogenetischen Signalmolekülen: die im Bereich des Primitivknotens gelegenen (nodalen) Zellen mit ihren aus Mikrotubuli und Dynein Motorproteinen aufgebauten, primären Monozilien rufen in der darüber liegenden extraembryonalen Flüssigkeit eine gerichtete Strömung hervor (von ventral gesehen im Uhrzeigersinn). Einem Modell zufolge werden über diese Strömung morphogene Signalstoffe transportiert, welche durch die linksgerichtete Strömung ungleichmäßig über die Keimscheibe verteilt werden. In den für diese Morphogene empfindlichen Zellen kommt es damit entlang der Konzentrationsgradienten zu unterschiedlich starken Reaktionen, wie z.B. in der Expression von Nodal, und als Folge davon zur Ausbildung eines asymmetrischen Zellmusters [3]. Dies wird als Auslöser für die links-rechts Verteilung der meisten inneren Organe, die aus dieser Zelllage später hervorgehenden, angesehen.
Einem anderen Modell zufolge wird die Ausbildung der Links-Rechts-Asymmetrie nicht (nur) durch einen chemischen Gradienten der Morphogene, sondern (auch) durch einen zweiten Zilientyp im Bereich des Primitivknotens vermittelt, der den generierten Flüssigkeitsstrom mechanisch wahrnimmt.[4] Der exakte Mechanismus der Determination der Links-Rechts-Achse ist noch nicht vollständig geklärt.[5]

Beim Menschen kann das Fehlen des nodalen Flüssigkeitsstroms zu einer zufälligen Vertauschung der Links-Rechts-Anlage von Organen führen. Typisch dafür ist zum Beispiel ein Situs inversus, bei dem das Herz auf der rechten statt linken Brustseite angelegt wird. Das wird häufig im Rahmen eines Kartagener-Syndroms diagnostiziert, verursacht durch eine Störung der chiralen Rotation der nodalen Zilien [6]. Ursächlich dafür sind oft Mutationen in den Genen DNAH5 und DNAH11 aus der Dynein Familie.

Am Ende der Embryogenese noch vorhandene und durch eine maligne Transformation genetisch veränderte Zellen des Primitivknotens können bei Neugeborenen zur Bildung von Teratomen führen [7].

Einzelnachweise

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  1. C. H. Waddington: Organisers & genes. In: wellcomecollection.org. Abgerufen am 6. Februar 2023 (englisch).
  2. C. H. Waddington: Organisers & genes. In: wellcomecollection.org. Abgerufen am 6. Februar 2023 (englisch).
  3. Yasushi Okada, Sen Takeda, Yosuke Tanaka, Juan-Carlos Izpisúa Belmonte, Nobutaka Hirokawa: Mechanism of Nodal Flow: A Conserved Symmetry Breaking Event in Left-Right Axis Determination. In: Cell. Band 121, Nr. 4, 20. Mai 2005, S. 633–644, doi:10.1016/j.cell.2005.04.008 (elsevier.com [abgerufen am 14. April 2021]).
  4. James McGrath, Stefan Somlo, Svetlana Makova, Xin Tian, Martina Brueckner: Two Populations of Node Monocilia Initiate Left-Right Asymmetry in the Mouse. In: Cell. Band 114, Nr. 1, 11. Juli 2003, S. 61–73, doi:10.1016/S0092-8674(03)00511-7 (elsevier.com [abgerufen am 14. April 2021]).
  5. Nobutaka Hirokawa, Yosuke Tanaka, Yasushi Okada, Sen Takeda: Nodal Flow and the Generation of Left-Right Asymmetry. In: Cell. Band 125, Nr. 1, 7. April 2006, S. 33–45, doi:10.1016/j.cell.2006.03.002 (elsevier.com [abgerufen am 14. April 2021]).
  6. W. Janning, E. Knust: Genetik. Thieme, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-13-128772-4, Kapitel 30.2 (Ausbildung der links-rechts-Asymmetrie), S. 463.
  7. Marcel Bettex (Hrsg.), Max Grob (Begr.), D. Berger (Bearb.), N. Genton, M. Stockmann: Kinderchirurgie. Diagnostik, Indikation, Therapie, Prognose. 2., neubearbeitete Auflage. Thieme, Stuttgart / New York 1982, S. 10.26ff, ISBN 3-13-338102-4