Benutzer:Regiomontanus/Galeriebild

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Das 'Galeriebild eine lokal auf Antwerpen begrenzte, am Anfang des 17. Jahrhunderts als Schöpfung der Kabinettmalerei entstandene Bildgattung [44] stellte ursprünglich überwiegend fiktive Sammlungen dar. Die Galeriebilder, die David Teniers von der Sammlung Leopold Wilhelms malte, sind im Gegensatz dazu Galerieportraits. Er bringt mit diesen Bildern die Entwicklung dieses Bildtyps zum Höhepunkt und gleichzeitig zum Abschluß. Es sind ausschließlich wirklich existierende Bilder aus der Sammlung des Erzherzogs abgebildet, der selbst mit verschiedenen Mitgliedern seines Hofstaats dargestellt ist, was den dokumentarischen Charakter dieser Galeriebilder noch erhöht. Abgesehen von den zahlreichen Wiederholungen und Kopien sind heute elf Galeriebilder erhalten, die Datierungen zwischen 1651 und 1653 tragen. Sie zeigen verschiedene Räume der Residenz des Statthalters in Brüssel mit jeweils unterschiedlichen Ausschnitten aus der Sammlung, wobei sich Teniers gewisse Freiheiten in der Anordnung der Bilder nahm.

Die in dem großen Wiener Galeriebild gezeigte Raumdisposition wiederholt sich in ähnlicher Form in anderen Galeriebildern [45], so daß die Vermutung naheliegt, daß vielleicht eine tatsächlich existierende Galerie im Palast am Coudenbergh in Brüssel dargestellt sei. Drei weitere Galeriebilder, in Brüssel, im Prado und ein anderes in München [46], zeigen eine gänzlich verschiedene, untereinander aber wieder so ähnliche Raumanordnung, daß man vermuten könnte, auch hier sei jedesmal ein und derselbe Saal der Galerie des Erzherzogs abgebildet.

Insgesamt sind etwa 150 Gemälde der Sammlung Erzherzog Leopold Wilhelms auf den verschiedenen Galeriebildern wiedergegeben, dabei überwiegen die italienischen Bilder der Sammlung, einige Galeriebilder zeigen ausschließlich Gemälde italienischer Herkunft, zum größten Teil aus der Sammlung Hamilton, wie zum Beispiel das große Galeriebild der Wiener Gemäldegalerie [47], das unmittelbar nach dem Kauf der Hamilton-Bilder und wahrscheinlich aus diesem Anlaß entstanden sein dürfte, wie eine bis auf wenige Details übereinstimmende, 1651 datierte Replik [48] nahelegt. Das Bild stellt den Einblick in einen hohen, links von zwei Fenstern belichteten Raum dar, mit einer Personengruppe links vorne, bestehend aus dem Erzherzog, dem Maler des Bildes Teniers, dem zwergenhaften Kanonikus van der Baren und ganz links Graf Johann Adolf von Schwarzenberg, der Obersthofmeister des Erzherzogs. [49] Die rechts davon am Boden stehenden, gegen Stühle gelehnten und solcherart für den Betrachter arrangierten Bilder heben Hauptstücke der Sammlung hervor, wie die "Hl. Margarete" von Raffael aus der Sammlung des Prokurators Priuli, "Esther vor Ahasver" von Veronese, aus unbekannter Quelle in die Sammlung Hamilton gelangt, heute in den Uffizien und Tizians "Bravo" aus der Sammlung Bartolomeo della Naves; sie kehren auch auf anderen Galeriebildern an prominenter Stelle wieder. Weitere Bilder hängen an der Seitenwand eines hohen, zwischen den Fenstern vorspringenden Türverbaus. Im Gegensatz zu dieser, wie zufällig und regellos scheinenden Anordnung der Bilder am Boden und an der Wand links, die ganz realistische Züge trägt, zeigt die Rückwand in streng bildparalleler Anordnung fünf Reihen von Bildern dicht vom Fußboden bis zur Decke. Keinerlei räumliche Illusion wird dabei angestrebt, die Bilderrahmen schließen dicht aneinander, ohne auch nur einen Fingerbreit Platz zu lassen. Nicht wie ein Teil des Innenraums, sondern wie ein Katalog wirkt diese Wand, wozu vor allem die Anordnung der Bilder in mehreren gleich hohen Reihen beiträgt. Teniers wechselt dazu von Bild zu Bild den Maßstab: da die meisten der dargestellten Gemälde erhalten sind, können die wahren Größenverhältnisse der Bilder leicht verglichen werden. So hängen etwa in der zweiten Reihe der "Brudermord Kains" von Palma Giovane [50] und die "Erweckung des Jünglings von Nain" von Paolo Veronese [51], zwei etwa ein Meter hohe Bilder, neben der "Erweckung des Lazarus" von Pordenone [52], einem annähernd doppelt so großen Bild, das auf einem der Galeriebilder in München [53] in seiner tatsächlichen Größe zu sehen ist.

Neben den Gemälden sind aber auch Skulpturen und Kleinplastiken der Sammlung dargestellt; auf insgesamt sieben Galeriebildern erscheint ein aus dem Besitz Kaiser Rudolfs II. stammender Pietra Dura-Tisch, der von einer Plastik Adriaen de Vries', Ganymed darstellend, getragen wird. [54]

Die meisten Galeriebilder tragen Beschriftungen mit Künstlernamen auf den Rahmen, einige Nummern, die mit dem späteren Inventar der Sammlung korrespondieren und den Schluß zulassen, daß das Inventar von 1659 auf einem Vorgängerinventar basiert, das im Jahr 1651 etwa 300 Gemälde enthielt [55] und vielleicht im Zusammenhang mit dem Testament des Erzherzogs aus dem Jahr 1651 [56] verfaßt wurde.

Einige Jahre nach der Anfertigung der Galeriebilder war David Teniers mit einer zweiten großen Aufgabe im Dienst Erzherzog Leopold Wilhelms beschäftigt, der Herausgabe des "Theatrum Pictorium", einem Bildkatalog der Galerie, dessen erster Teil mit 244 Radierungen der italienischen Bilder 1660 in Brüssel erschien, als sich die Galerie bereits in Wien befand. Auf das 1658 datierte Widmungsblatt mit dem Bildnis des Erzherzogs folgen Titel und Vorrede in Französisch, Lateinisch, Spanisch und Flämisch. Teniers, der sich als ayuda de cámara am Hof Leopold Wilhelms stolz mit dem Kämmererschlüssel portraitieren ließ, verlegte, wie er in seiner Vorrede vermerkt, die Publikation auf eigene Kosten. [57] Die Beschreibung der Aufstellung der Galerie in Wien, die auf der brieflichen Schilderung eines ungenannten Gewährsmannes beruht, wird durch eine am Ende des Buches angeordnete Radierung von F. van der Steen nach einer Zeichnung von Nikolaus van Hoy mit einem Einblick in die Stallburggalerie - und nicht, wie oft angenommen, in die Galerie im Palast in Brüssel - ergänzt.

Die Radierungen wurden von einer ganzen Reihe von Künstlern geschaffen. Alle Tafeln tragen am unteren Plattenrand den Namen des Malers, die Größe des Originals, sowie den Namen des Stechers. Die führenden Künstler waren mit jeweils mehr als 50 Platten vertreten: Jan van Troyen, der vor allem mehrfigurige Kompositionen radierte, Lucas Vorsterman d.J., von dem überwiegend Portraits und Halbfiguren stammen und Pieter van Liesebetten. Theodor van Kessel fertigte 27 Radierungen mit starken Hell-Dunkel-Kontrasten, bei ihm wie bei den 29 Blättern von Quirin Bol überwiegen Landschaften. Eine Reihe weiterer Stecher, wie Nikolaus van Hoy, der dem Erzherzog aus den Niederlanden nach Wien folgte und 1660 zum kaiserlichen Kammermaler ernannt wurde, oder Wenzel Hollar ist mit einzelnen Blättern beteiligt.

Die Reihenfolge der Tafeln folgt einer gewissen kunsthistorischen Ordnung. Am Anfang stehen zwei Werke Raffaels, es folgen sechs, zum größeren Teil vermeintliche, Werke Bellinis, dann Michelangelo, Giorgione, Leonardo, Correggio, Mantegna, Barocci. Dann kommen die großen Bildgruppen der venezianischen Maler des 16. Jahrhunderts, die den Hauptteil des Werks ausmachen, allein 47 Bilder von Tizian, gefolgt von Tintoretto, Veronese, Schiavone, Bassano, Palma Vecchio und Palma Giovine und schließlich Fetti. Am Schluß des Werkes stehen Lotto sowie italienische Maler des 17. Jahrhunderts wie Reni, Manfredi, Varotari, Valentin.

Auffallend sind die Unterschiede der Zuschreibungen zu dem annähernd gleichzeitig abgefaßten Inventar. Die meisten Zuschreibungen im Inventar verraten eine kritischere Distanz zu den Objekten als die Bildunterschriften im "Theatrum pictorium", die vielleicht, dem Charakter dieser Publikation angemessen, in lobrednerischer Absicht möglichst viele Bilder berühmten Künstlern zuschreiben möchten. So sind etwa von den dreizehn Giorgiones, die im "Theatrum pictorium" abgebildet sind, im Inventar nur sieben uneingeschränkt als Originale genannt, zwei weitere mit Vorsicht "man halt es von Giorgione Original" ihm zugeschrieben.

Als Vorlage für die Radierer fertigte Teniers bereits in die genaue Größe der Radierungen verkleinerte gemalte Kopien [58], denen er durch die flüssige und rasch hingesetzte Malerei seinen persönlichen Charakter verlieh. 120 dieser Pastiches wurden von John, Herzog von Marlborough (1650 - 1722) erworben und befanden sich bis 1886 in Schloß Blenheim. [59] Heute sind sie auf viele Sammlungen verstreut, größere Gruppen befinden sich in der Princes Gate Collection, London, in der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums in Wien, in der Wallace Collection, London, im Chicago Art Institute, in der Johnson Collection, Philadelphia und in anderen Museen sowie im Kunsthandel.

Nachdem sich die militärischen Erfolge Leopold Wilhelms der Jahre 1647 bis 1653 nicht halten ließen - 1654 gingen alle Eroberungen der vergangenen Jahre wieder verloren -, legte der Erzherzog die Statthalterschaft der Niederlande nieder und verließ am 9. Mai 1656 seine Residenz Brüssel in Richtung Erblande. Noch war nicht sicher, wo er in Zukunft residieren würde, seine Bilder, Tapisserien, Kunstkammerstücke und Möbel wurden vorerst nach Passau gesandt, wo sie am 2. Juli 1656 eintrafen. [60] Erst im darauffolgenden Jahr wurde die Sammlung nach Wien gebracht und die zukünftige Aufstellung in der Stallburg vorbereitet.