Benutzer:Nherbig/Spielwiese

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Gewährleistungsmanagement - Definition

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Das Gewährleistungsmanagement ist ein Teil des unternehmerischen Risikomanagements. Zu einem ganzheitlichen Risikomanagement zählen nach Smallman /1/ die folgenden 3 Aspekte (Abb. 1):

1. laufende Überwachung aller Risikoquellen

2. Kombination von qualitativen und quantitativen Techniken zur Risikoerfassung und Risikoüberwachung

3. Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (unternehmerisches Lernen)

In den folgenden Ausführungen wird auf diese 3 Aspekte unter dem Gesichtspunkt des Gewährleistungskostenmanagements eingegangen.

Laufende Überwachung aller Risikoquellen

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Um eine laufende Überwachung aller Risikoquellen gewährleisten zu können, müssen in erster Linie alle Aspekte des Gewährleistungsprozesses und dessen Einflussgrößen bzw. Randbedingungen bekannt sein. Hierzu zählen die gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie vertragliche Bedingungen zwischen Lieferant und Kunde, die Abrechnungsmodalitäten des Kunden bei Gewährleistungsfällen und die Berechnung der Gewährleistungskosten je Einzelfall, der Gewährleistungsprozess des Kunden und zu guter letzt die technische Analyse defekter Produkte an sich (Abb. 2).

Gesetzliche Rahmenbedingungen

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Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für das Vertragsverhältnis zwischen OEM (= original equipment manufacturer) und Lieferant ergeben sich, wenn es sich um einen rein innerdeutschen Sachverhalt handelt (Kunde und Zulieferer in Deutschland) nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch und den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs. Sofern einer der Vertragspartner seinen Sitz im Ausland hat, kommt auch die Anwendung des UN-Kaufrechts in Betracht. Aus den anwendbaren Regelungen oder einer Rechtswahl der Vertragspartner kann sich aber auch ergeben, dass das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien einem anderen Recht unterliegt. Insbesondere bei Verträgen mit ausländischen OEM’s ist hierauf ein besonderes Augenmerk zu legen, da je nach anwendbarem Recht Gewährleistungsrechte in mehrerer Hinsicht (beispielsweise bzgl. Gewährleistungsfristen, Garantiehaftung) stark vom deutschen Recht abweichend geregelt sind. Welche rechtlichen Risiken drohen, kann daher nicht ohne vorherige Klärung über das anwendbare Recht erfolgen.

Vertragliche Bedingungen (Einkaufsbedingungen der OEM)

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Die Gewährleistung ist normalerweise in den Vertragsbedingungen der OEM geregelt. Bei den deutschen Automobilherstellern, die nach den allgemeinen Einkaufsbedingungen des VDA (= Verein der deutschen Automobilindustrie) /2/ handeln, ist die Gewährleistung in Absatz 10 geregelt. Hier wird die Gewährleistungsdauer abweichend von den gesetzlichen Regelungen wie folgt geregelt: „Ansprüche aus Mängelhaftung verjähren mit Ablauf von 24 Monaten seit Fahrzeugerstzulassung oder Ersatzteile-Einbau, spätestens jedoch nach Ablauf von 30 Monaten seit Lieferung an den Besteller. Bereits die VDA-Regelungen werden vielfach als unangemessen und damit unwirksam angesehen. Nicht selten werden diese Regelungen durch zusätzliche Gewährleistungsvereinbarungen der OEM noch erweitert, die dazu führen, dass die Haftung des Zulieferers weiter ausgedehnt wird Hier empfiehlt es sich, diese Vereinbarung vor Unterzeichnung durch einen Juristen prüfen zu lassen, damit eventuelle Risikoquellen frühzeitig erkannt werden.

Gewährleistungsrechnungen

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Wird seitens eines OEMs Gewährleistung von einem seiner Lieferanten gefordert, so stellt der OEM seinen Lieferanten eine Rechnung über die Höhe der angefallenen Kosten. Durch das so genannte Gutschriftenverfahren, das in der Automobilindustrie praktiziert wird, wird der Rechnungsbetrag einem Gutschriftsbetrag gegen gerechnet. Daher nimmt die Analyse der Rechnungen eine zentrale Stellung ein. Die Rechnungsinhalte können, wie die folgende Aufstellung zeigt, mehrere Fehlerquellen enthalten:

Sind Fahrzeuge (Fahrgestellnummer) mehrfach aufgeführt?

Welche Länder / Welche Werkstätten kommen gehäuft vor?

Welche Produkte und welche Fahrzeuge/Modelle sind betroffen?

Für welche Produkte wurde noch keine Anerkennungsquote vereinbart?

Wie verhalten sich die Produkte hinsichtlich Laufzeit und Laufleistung?

Wurden alle reklamierten Produkte vom gleichen Lieferant geliefert?

Wie setzen sich die Kosten je Schadensfall zusammen?

Daher ist es erforderlich, dass erhaltene Rechnungen bzgl. Gewährleistungsansprüche zeitnah auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Falls Abweichungen festgestellt werden, besteht die Möglichkeit des Einspruches und der Korrektur der Rechnung.

Berechnung der Gewährleistungskosten

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Leider wird in den geltenden Gesetzen und Vereinbarungen selten die Kalkulation der Gewährleistungskosten exakt definiert. In Paragraph 10 der allgemeinen Einkaufsbedingungen nach VDA /2/ steht, dass „Ersatzleistungen, Kosten und Aufwendungen, die der Lieferant tragen soll, in einem angemessenen Verhältnis zum Wert des Zulieferteils stehen“ müssen. Es ist absolut erforderlich, die Kalkulation der Kostenbestandteile, die sich in Ein-/Ausbaukosten, Materialkosten und Nebenkosten gliedern, zu kennen. Die Ein-/Ausbaukosten werden in der Regel nach den tatsächlichen Aufwendungen berechnet. Hierfür wird die für die Reparatur in der Werkstatt erforderliche Zeit mit einem im Allgemeinen bekannten Stundensatz verrechnet. Die Stundensätze werden üblicherweise von den OEMs jährlich den geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen angepasst und bekannt gegeben.

Bei den Materialkosten ist es bereits nicht mehr so einfach. Bei manchen OEMs werden lediglich die Materialkosten (= Verkaufspreis des Produktes an den Kunden) in Rechnung gestellt. Meistens enthalten die Materialkosten Zuschläge für Logistik, Lagerung und Verwaltung von Ersatzteilen. Die Kalkulation dieser Zuschläge ist in den wenigsten Fällen transparent und bedarf einer Diskussion mit dem OEM. Mit den Nebenkosten werden Kleinteile und sonstige Betriebsmittel, die für die Durchführung der Reparatur erforderlich sind, verrechnet. Je nach Kalkulation der Materialkosten, können in den Nebenkosten auch Aufwendungen für Logistik, Lagerung und Verwaltung von Ersatzteilen enthalten sein. Die Zuordnung von diversen Kostenanteilen auf Material- und Nebenkosten ist von OEM zu OEM unterschiedlich.

Gewährleistungsprozess der OEM

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Bis es zu einem Gewährleistungsfall für ein Automobilzulieferindustie-Unternehmen kommt, müssen die durch die Werkstätten bzw. Vertragshändler bereitgestellten Daten mehrere Prüfungen durchlaufen (siehe Kundenprozesse Abb. 3). Nach mehreren administrativ notwendigen Abläufen wird in einem ersten Schritt der Gewährleistungsfall durch eine technische Abteilung auf inhaltliche Richtigkeit geprüft. Wird der Gewährleistungsfall in diesem Schritt freigegeben, folgt eine Prüfung hinsichtlich kommerzieller Vereinbarungen wie z.B. vereinbarter Gewährleistungsfrist oder Kosten. Passiert ein Gewährleistungsfall auch diese Prüfungen, wird der Gewährleistungsfall an den Lieferanten berechnet /3/. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit für einen Fall beträgt erfahrungsgemäß zwischen 2 bis 4 Monaten. In Sonderfällen, bei denen Daten unvollständig sind bzw. Daten stark Zeit verzögert durch Importeure an die Konzernzentralen weitergemeldet werden, kann die Bearbeitungszeit 12 Monate und länger betragen. Die einzelnen internen Bearbeitungsschritte der OEMs sind teilweise in offiziell zugänglichen Dokumenten beschrieben. Teilweise werden Prozesse erst durch intensive Diskussion mit dem OEM für den Lieferanten transparent und nachvollziehbar.

Analyse defekter Produkte (technische Analyse)

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Durch die technische Analyse wird einerseits sichergestellt, dass Mängel an Serienprodukten erkannt werden und im laufenden Produktionsprozess schnellstmöglich abgestellt werden können. Andererseits kann nicht unterstellt werden, dass ein Mangel an einem Produkt immer durch den Lieferanten verursacht wurde. Ein Versagen eines Produktes kann auch durch eine nicht sachgerechte Handhabung oder durch eine nicht bestimmungsgerechte Verwendung eines Produktes verursacht werden. In diesen Fällen ist der Lieferant natürlich nicht schadensersatzpflichtig. Primäres Ziel einer technischen Analyse ist es, die Schadensursache zu bestimmen. In einem weiteren Schritt können einzelne Schadensursachen dem Lieferanten oder dem Kunden zugeordnet werden. Anhand dieser Zuordnung kann eine technisch/wirtschaftliche Quote bestimmt werden, mittels derer die weltweit anfallenden Kosten für Gewährleistungsfälle zwischen Lieferant und Kunde aufgeteilt werden. Die Quote wird anhand einer repräsentativen Stichprobe aller Schadensfälle aus dem jeweiligen Heimatmarkt des OEM bestimmt. Eine OEM-übergreifende Regelung wird derzeit zwischen Lieferanten, OEM und VDA erarbeitet. Ein erste Fassung ist derzeit als Entwurf „ „Schadteilanalyse Feld“ /4/ verfügbar. Eine regelmäßige Durchführung technischer Analysen ist äußerst wichtig, da an Hand der Schadensbilder und der ermittelten Schadensursachen Informationen bzgl. des Verhaltens der Produkte am Markt ermittelt werden können. Diese Informationen können z.B. in der Produktentwicklung eingesetzt werden und führen zu Produktverbesserung als auch zu –innovation.

Kombination von qualitativen und quantitativen Techniken zur Risikoerfassung und Risikoüberwachung

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In der Praxis hat sich gezeigt, dass eine regelmäßige Durchführung technischer Analysen gemeinsam mit dem Kunden zum besseren Verständnis von Produkt, Schadensbildern und Schadensursachen beitragen. Vor allem bei Produkten, die neu in den Markt eingeführt werden, können somit frühzeitig Schadensursachen erkannt werden. In einigen Fällen ist es sogar sinnvoll, technische Analysen für Produkte unterschiedlicher Modelle oder Herkunftsländer durchzuführen. Die Ergebnisse der technischen Analysen werden durch die konsequente Auswertung der Gewährleistungskosten ergänzt.

Der Einsatz einer Datenbank (Computer Aided Quality - CAQ) erleichtert grundsätzlich die schnelle Analyse der zur Verfügung stehenden Daten. Natürlich müssen beim Einsatz einer Datenbank standardisierte Auswertungen definiert werden, um diese unternehmensspezifisch bereitzustellen. Nur dann können in kürzester Zeit Aussagen zu Trends, Kosten, Produkten, Anwendungen, Fahrzeugmodellen, Schadensmechanismen etc. getroffen werden. Mit Hilfe einer Datenbank können die Daten aus den technischen Analysen mit den Daten der finanziellen Abwicklung (Rechnungen bzgl. Gewährleistungskosten) zusammengeführt werden. Ein weiterer Vorteil einer Datenbank ist die Aufbereitung der Daten für weiterführende Analysen, wie z.B. einer Weibull-Analyse. Mit Hilfe einer Weibull-Analyse (Weibull-Verteilung) kann die Versagenswahrscheinlichkeit von Produkten mit Hilfe von statistischen Methoden berechnet werden. Die Ergebnisse der Analysen können wiederum für eine umgehende Produktverbesserung bzw. für Planung von Rückstellungen im Finanzwesen verwendet werden.

Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (unternehmerisches Lernen)

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Ein möglicher kontinuierlicher Verbesserungsprozess ist in Abb. 4 in Anlehnung an die 6 Sigma Systematik dargestellt und in die folgenden 5 Phasen gegliedert: 1. Identifizierung 2. Analyse 3. Maßnahmen 4. Umsetzung 5. Prüfung der Nachhaltigkeit

Im ersten Schritt des Verbesserungsprozesses „Identifizierung“ müssen Fehlerschwerpunkte bestimmt werden. Diese Fehlerschwerpunkte lassen sich nach Kunden, Anwendungen, Fahrzeugmodelle etc. kategorisieren. In der Analyse-Phase werden die Fehlerschwerpunkte auf mögliche Fehlerursachen untersucht. Für die Indentifizierungs- als auch für die Analysephase kommen vorwiegend Pareto-Diagramme Pareto-Verteilung und Histogramme zur Anwendung. Sind die Fehlerursachen bestimmt, können in der 3. Phase des Verbesserungsprozesses Abstell-Maßnahmen definiert werden. Die Abstell-Maßnahmen beschränken sich hierbei nicht nur auf Maßnahmen, die den Lieferanten betreffen, sondern vielmehr Maßnahmen, die alle in der Wertschöpfungskette beteiligten Unternehmen betreffen. Definierte Maßnahmen müssen durch ein schlagkräftiges Team umgesetzt werden (Phase 4: Umsetzung). Bei Produkten, die sich bereits in Serienproduktion befinden, ist darauf zu achten, dass alle Betroffenen rechtzeitig über veranlasste Änderungen informiert werden. In der letzten Phase „Prüfung der Nachhaltigkeit“ wird die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen durch die konsequente Fortsetzung der durchgeführten Datenanalyse aus Phase 1 und 2 überprüft und visualisiert. Der dargestellte Verbesserungsprozess muss im Unternehmen in vorhandene Prozesse implementiert werden (Abb. 3). Hierfür müssen Standards entwickelt werden, die gewährleisten, dass die im Gewährleistungskostenmanagement gewonnenen Informationen an die einzelnen Fachabteilungen übermittelt werden. Ziel ist es, eine Regelkommunikation zwischen dem Gewährleistungskostenmanagement und den einzelnen Fachbereichen aufzubauen und einen Regelkreis im Unternehmen zu entwickeln.

Ein umfassendes Gewährleistungsmanagement umfasst nicht nur Methoden des Qualitätsmanagements sondern bedarf auch Kenntnisse bzgl. Recht, finanzielle Abwicklung, Preis- und Kostenkalkulation und Analyse von administrativen Prozessen. Die vielfältigen Anforderungen erfordern eine konsequente Weiterbildung der Mitarbeiter im Reklamations- und Gewährleistungsmanagement in den unterschiedlichen Disziplinen. Neben den Mitarbeitern stellt die Entwicklung geeigneter Prozesse die zweite große Herausforderung dar.

Einzelnachweise

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/1/ Smallman, C.: „Risk and organizational bahaviour: a research model” in Disaster, Prevention and Management, S. 12 – 26, 5 (2), 1996

/2/ Allgemeine Einkaufsbedingungen, Empfehlung des Verbands der deutschen Automobilindustrie e.V. (VDA), Fassung aus 2002

/3/ Riebschläger, E. „Rechnergestütztes Qualitätsmanagement: Aufbau einer Fehler-Wissensdatenbank zur Erhöhung der Prozessqualität bei der Analyse von Feldschadensteilen in der Automobilindustrie“, Diplomarbeit, Technische Universität Ilmenau, 2006

/4/ „Schadteilanalyse Feld“, 1. Entwurf, VDA-AK Automotive Standard Schadteilanalyse, VDA, 2008 (http://webshop.vda.de/QMC/product_info.php?cPath=23_25&products_id=144)

/5/ Herbig, N.; Günes, M.: “Raus aus der Kostenfalle – Gewährleistungskostenmanagement bringt Sicherheit”, In „QZ-Qualität und Zuverlässigkeit“, 54 (2009) 5, S. 22 - 27

Veranstaltungen

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http://www.warrantyconference.com/

http://www.warrantyweek.com/

http://www.clepa.be/index.php?id=64 (European Association of Automotive Suppliers, CLEPA - Working Group "Warranty")

http://www.aiag.org/staticcontent/committees/workgroup.cfm?workgroup=CQWR&section=committees (AIAG - Consumer-Centric Warranty Management)

http://www.vda.de/de/verband/fachabteilungen/recht/infos/einkaufsbedingungen1.html (VDA - Einkaufsbedingungen)

Dr. Norbert Herbig, PPV Consulting GmbH

Philipp Reusch, Reusch Rechtsanwälte GbR.