Benutzer:NNK-Gerald/Nebennierenrindenkarzinom

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Klassifikation nach ICD-10
C74 Bösartige Neubildung der Nebenniere
C74.0 Nebennierenrinde
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Das Nebennierenrindenkarzinom (kurz NNK; engl. Adrenocortical Carcinoma, kurz ACC) ist ein von der Nebennierenrinde ausgehender seltener Tumor. Es kann alle drei Schichten der Nebennierenrinde betreffen.[1] Da es sich bei der Nebenniere um Drüsengewebe handelt, beschäftigt sich federführend das medizinische Fachgebiet der Endokrinologie mit dem Nebennierenrindenkarzinom.

Der aktuelle Stand der Forschung führt zu den nachfolgenden Aussagen hinsichtlich des Vorkommens des Nebennierenkarzinoms in den Leitlinien der European Society of Endocrinology (Europäische Gesellschaft für Endokrinologie) zur Behandlung von Inzidentalomen der Nebenniere:[2]

Nebennierenkarzinome sind selten (pro Jahr ca. 0,7 bis 2,0 Fälle auf 1 Mio.). Ein Nebennierenkarzinom kann in jedem Lebensalter auftreten, wobei die höchste Inzidenz zwischen 40 und 60 Jahren liegt. Frauen sind häufiger betroffen (55 bis 60 %) als Männer (40 bis 45%). Nebennierenkarzinome treten bei Erwachsenen meistens sporadisch auf. Mitunter kommen sie aber auch als Teil erblicher Syndrome vor, wie z.B.:

Zwar konnte in den vergangenen Jahren mittels Studien die Pathogenese besser verstanden werden, jedoch weist nur ein kleiner Teil der Nebennierenkarzinome die Krankheit erzeugende Veränderungen im Genom von Tumorzellen auf, die für das Zellwachstum und die Zellvermehrung eines Tumors begünstigen können.[2]

Der aktuelle Stand der Forschung führt zu den nachfolgenden Aussagen hinsichtlich der Symptome des Nebennierenkarzinoms in den Leitlinien der European Society of Endocrinology (Europäische Gesellschaft für Endokrinologie) zur Behandlung von Inzidentalomen der Nebenniere :[2]

  • Überschuss an von der Nebenniere ausgeschütteten Hormonen unabhängig von äußeren Einflüssen
  • und / oder unspezifische Krankheitszeichen, die durch eine Raumforderung im Bauchraum verursacht werden.

Hormonüberschuss

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Bei etwa 50 bis 60% der Patienten mit Nebennierenrindenkarzinom tritt ein Überschuss an Hormonen auf. Meist treten Hypercortisolismus (Cushing-Syndrom) oder gemischte Cushing- und Virilisierungssyndrome auf. Dabei ist ein reiner Überschuss an Androgenen weniger häufig, während ein Überschuss an Östrogen oder Mineralocorticoiden sehr selten ist.

Unspezifische Krankheitszeichen

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Zu den unspezifischen Symptomen einer Raumforderung im Bauchraum zählen Bauchbeschwerden (z.B. Übelkeit, Erbrechen, Völlegefühl) oder Rückenschmerzen. Klassische mit Bösartigkeit assoziierte Symptome wie z.B. Gewichtsverlust, Nachtschweiß, Müdigkeit oder Fieber treten selten auf.

Der aktuelle Stand der Forschung führt zu den nachfolgenden Aussagen und Empfehlungen hinsichtlich der Diagnose des Nebennierenkarzinoms.[2]

Zufallsfund: Inzidentalom

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Viele Karzinome der Nebenniere werden zufällig diagnostiziert (Inzidentalome). Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei einem Inzidentalom der Nebenniere um ein Karzinom der Nebennierenrinde handelt, gering. Es kann sich z.B. um ein Adenom oder eine Zyste handeln.

Übergreifende Empfehlungen im Rahmen der Diagnose

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Alle Patienten mit vermutetem oder nachgewiesenem Nebennierenrindenkarzinom sollten möglichst zum Zeitpunkt der Erstdiagnose im Rahmen der Sitzung eines Tumorboards besprochen werden. Da das Nebennierenrindenkarzinom selten ist, sollten Patienten an Studien (z.B. Deutsche Nebennierenkarzinom-Studiengruppe) zu Erkrankung und Behandlung teilnehmen. Ebenso an Registern (z.B. ENS@T registry) und der Sammlung von biologischem Material im Rahmen strukturierter Forschungsprogramme. Hierdurch soll mittels Erkenntnisgewinn in der medizinischen Forschung die Diagnose und Behandlung verbessert werden.

Diagnoseverfahren bei Verdacht auf Nebennierenrindenkarzinom

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Allgemeine Empfehlungen

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Die Diagnose Nebennierenrindenkarzinom ist nicht immer eindeutig. Veränderung der Größe der Nebennieren können bösartig (Karzinome weisen Malignität auf) oder gutartig (Adenome weisen Benignität auf) sein. Um keine Zeit zu verlieren, sollte so schnell wie möglich festgestellt werden, ob eine Veränderung der Nebennierenrinde bösartig ist. Daher sollten alle erforderlichen Methoden der Diagnostik möglichst ohne Zeitverzug angewendet werden. Jeder Patient mit Verdacht auf Nebennierenkarzinom bzw. Nebennierenrindenkarzinom sollte sich daher einer sorgfältigen Untersuchung unterziehen. Dazu gehört neben der geeigneten Bildgebung (Funktionelle Bildgebung) auch die Anamnese und klinische Untersuchung auf Symptome und Anzeichen von einem Überschuss an von den Nebennieren ausgeschütteten Hormonen.

Prüfen auf Hormonüberschuss

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Alle Patienten mit Verdacht auf Nebennierenrindenkarzinom sollten eine detaillierte hormonelle Untersuchung durchlaufen, um einen möglichen, von äußeren Einflüssen unabhängigen, Überschuss an

zu identifizieren. Außerdem muss ein Phäochromozytom ausgeschlossen werden.

Funktionelle Bildgebung

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Bei allen Patienten mit Verdacht auf Nebennierenrindenkarzinom sollte geeignete funktionelle Bildgebung durchgeführt werden, die auf die Nebenniere fokussiert ist. Dabei sollte bei akutem Verdacht auf Nebennierenrindenkarzinom zusätzlich zu einer Bildgebung mit Bauch-Becken-Schnitt mittels CT oder MRT auch eine Thorax-CT durchgeführt werden. Die Durchführung zusätzlicher Bildgebung (z.B. Bildgebung von Knochen und Gehirn) ist nur bei klinischem Verdacht auf metastatische Läsionen, also Läsionen, die von Metastasen verursacht werden, empfehlenswert. Die Durchführung einer Biopsie der Nebenniere ist bei der diagnostischen Abklärung von Patienten mit Verdacht auf Nebennierenrindenkarzinom nicht ratsam. Ausnahme: Es liegen Hinweise auf Metastasen vor, die eine Operation ausschließen und deshalb einen histopathologischer (siehe Histologie und Pathologie) Nachweis zur Information über die onkologische (siehe Onkologie) Behandlung erforderlich machen.

Der aktuelle Stand der Forschung führt zu den nachfolgenden Aussagen und Empfehlungen hinsichtlich der Therapie des Nebennierenkarzinoms.[2]

Operation bei Verdacht auf Nebennierenrindenkarzinom

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  • Bei vermutetem oder bestätigtem Nebennierenrindenkarzinom sollte die Nebenniere chirurgisch entfernt werden. Dieser Eingriff sollte nur von Chirurgen durchgeführt werden, die über Erfahrung in Nebennieren- und onkologischer Chirurgie verfügen.
  • Alle Nebennierenkarzinome, bei denen der Verdacht besteht, dass es sich um ein Nebennierenrindenkarzinom handelt, sollte mittels einer En-bloc-Resektion entfernt werden. Dabei sollte das retroperitoneale Fettgewebe, das sich um den Tumor / die Nebenniere herum befindet, mit entfernt werden. Eine Enukleation und teilweise Resektion der Nebenniere ist nicht ratsam. Besteht der Verdacht, dass der Tumor in benachbarte Organe eingedrungen ist, sollte ebenfalls eine En-bloc-Resektion durchgeführt werden. Liegt jedoch keine direkte Invasion der Niere vor, auf der sich die betroffene Nebenniere befindet, dann sollte diese Niere nicht routinemäßig chirurgisch entfernt werden.
  • Der chirurgische Standardansatz bei einem bestätigtem Nebennierenrindenkarzinom oder dem starken Verdacht auf ein solches ist die offene Operation. Die offene Operation sollte daher bei allen Tumoren mit radiologischen Befunden, die bösartig sind und Anzeichen einer lokalen Invasion aufweisen, durchgeführt werden. Jedoch ist eine laparoskopische Adrenalektomie (unter Beachtung der Prinzipien der onkologischen Chirurgie) sinnvoll, wenn der Tumor eine Größe < 6 cm aufweist und keine Hinweise auf eine lokale Invasion vorliegen. Der ausführende Chirurg sollte über ausreichende Erfahrung mit solchen chirurgischen Eingriffen verfügen.
  • Bei Verdacht auf ein Nebennierenrindenkarzinom oder starkem Verdacht auf ein solches, sollte im Rahmen des chirurgischen Eingriffs routinemäßig eine Lymphadenektomie der umliegenden (lokoregionären) Lymphknoten durchgeführt werden. Zumindest die Periadrenalknoten (Lymphknoten, die um die Nebenniere herum angeordnet sind) sowie die Knoten um den Nierenstiel herum sollten entfernt werden. Alle verdächtigen oder vergrößerten Lymphknoten, die bei der präoperativen Bildgebung oder während der Operation (intraoperativ) identifiziert wurden, sollten ebenfalls entfernt werden.
  • Bei Tumoren mit Ausbreitung in große Gefäße sollte ein multidisziplinäres Operationsteam bzgl. der durchzuführenden Behandlung individuelle, auf den jeweiligen Patienten abgestimmte Entscheidungen treffen. Solche Tumore sollten in einem Expertenzentrum untersucht werden statt sie als "inoperabel" einzustufen.
  • Ein Tumorboard sollte eine erneute Operation besprechen, wenn die erste Operation nicht optimal verlaufen ist und makroskopisch unvollständig war (R2-Resektion), d.h. sichtbare Tumorreste im Körper verblieben sind.
  • Alle Patienten mit Hypercortisolismus, die sich einer Operation des Nebennierenrindenkarzinoms unterziehen, wird in der Zeit vor (präoperativ), während und nach der Operation (postoperativ) ein Hydrocortisonersatz, also ein perioperativer Hydrocortisonersatz empfohlen.

Pathologische Untersuchung

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Der aktuelle Stand der Forschung führt zu den nachfolgenden Aussagen und Empfehlungen hinsichtlich der Pathologie des Nebennierenkarzinoms:[2]

  • Die Diagnose eines Nebennierenrindenkarzinoms sollte histopathologisch bestätigt werden.
  • Alle Nebennierenkarzinome, die nicht ohne weiteres klassifiziert werden können, sowie alle vermuteten Nebennierenkarzinome sollten von einem Pathologen mit Erfahrung in Bezug auf Nebennieren untersucht werden.
  • Um zwischen primären Nebennierenrindentumoren und nicht-Nebennierenrindentumoren unterscheiden zu können, wird empfohlen die Immunhistochemie für Steroidfaktor-1 (SF1) zu verwenden.
  • Um zwischen gutartigen und bösartigen Nebennierenrindentumoren unterscheiden zu können, wird empfohlen der Weiss-Score zu verwenden, das auf einer Kombination aus neun histologischen Kriterien basiert, die auf mit Hämatoxylin und Eosin gefärbten Objektträgern angewendet werden können.
  • Die Verwendung der Ki67-Immunhistochemie für jede Resektionsprobe eines Nebennierenrindentumors wird empfohlen.
  • Der Bericht des Pathologen sollte bzgl. eines vermuteten Nebennierenrindenkarzinoms mindestens die folgenden Informationen enthalten:
    • Weiss-Score (incl. der genauen Mitosezahl)
    • Genauen Ki67-Index
    • Status der Resektion
    • Pathologisches Stadium des Tumors
    • Status der Lymphknoten

Folgende Kontrollen sollten nach einem chirurgischen Eingriff durchgeführt werden:

  • Regelmäßige Querschnittsaufnahmen von Bauch, Becken und Brustkorb zur Überwachung in Hinblick auf ein Wiederauftreten oder Fortschreiten der Erkrankung.
  • Radiologische Bildgebung alle drei Monate für zwei Jahre, danach alle drei bis sechs Monate für weitere drei Jahre. Ggf. über fünf Jahre hinaus, wobei dann jedoch die Überwachung angepasst werden sollte.
  • Eine Überwachung auf der Grundlage prognostischer Faktoren der erwarteten Wirksamkeit der Behandlung und der behandlungsbedingten Toxizität sowie der verfügbaren alternativen Behandlungsmöglichkeiten sollte durchgeführt werden, wenn es sich um ein fortgeschrittenes Nebennierenrindenkarzinom gehandelt hat.
  • Bei allen Patienten sollte ein regelmäßiges Screening auf Hormonsekretion durchgeführt werden.

Adjuvante Therapie

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  • Bei Nebennierentumoren mit ungewissem malignen Potenzial wird von einer ergänzenden oder unterstützenden Behandlung (adjuvanten Therapie) abgeraten.
  • Wird bei Patienten nach dem chirurgischen Eingriff kein makroskopischer Rest des Tumors gefunden, und liegt bei diesen Patienten dennoch ein hohes Risiko für ein Rezidiv vor, dann sollte eine adjuvante Behandlung mit Mitotan durchgeführt werden. Bei Patienten mit geringem / mittlerem Risiko für ein Rezidiv (Stadium I–II, R0-Resektion und Ki67 ≤ 10 %) wird keine adjuvante Therapie empfohlen. Für solche Patienten sollten adjuvante Therapieoptionen auf den jeweiligen Patienten abgestimmt besprochen werden.
  • Ist die Entscheidung für eine Therapie mit Mitotan getroffen, sollte diese Therapie sobald als möglich beginnen, um nicht unnötig Zeit zu verlieren.
  • Patienten, bei denen kein Rezidiv auftritt und die Mitotan in akzeptabler Weise vertragen, sollten Mitotan mindestens zwei Jahre lang, aber nicht länger als fünf Jahre adjuvant einnehmen.
  • Von der routinemäßiegn Anwendung einer adjuvanten Strahlentherapie wird bei Patienten im Stadium I–II und R0-Resektion abgeraten. Bei Patienten mit R1-Resektion oder Rx-Resektion oder im Stadium III sollte eine Strahlentherapie zusätzlich zur Mitotantherapie als an den individuellen Patienten angepasste Therapie in Betracht gezogen werden.
  • Ist die Entscheidung für eine adjuvante Strahlentherapie getroffen, sollte diese Therapie sobald als möglich nach dem chirurgischen Eingriff beginnen, um nicht unnötig Zeit zu verlieren. Die Strahlentherapie sollte mit einer Strahlendosis von 50 bis 60 Gray in kleinen Portionen von jeweils etwa zwei Gray auf das vorherige Tumorbett verabreicht werden.
  • Von der routinemäßigen Verwendung von Zytostatika in der Ausgestaltung der adjuvanten Therapie wird abgeraten. Bei ausgewählten Patienten mit sehr hohem Risiko auf ein Rezidiv sollte jedoch eine adjuvante Chemotherapie in Betracht gezogen werden.

Besondere Überlegungen zu Mitotan

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  • Die Therapie mit Mitotan sollte in einem eskalierenden Schema zu beginnen. Dabei wird das Ausmaß bzw. die Intensität einer Therapie sukzessive gesteigert. Dies sollte davon abhängig gemacht werden wie gut der jeweilige Patient das Medikament verträgt und in welchem Ausmaß es sich auf den Leistungszustand (nach ECOG/Karnofsky-Index) dieses Patienten auswirkt.
  • Die Überwachung der Konzentration von Mitotan im Blut wird empfohlen. Als allgemeiner Zielwert gilt ≥ 14 mg/L.
  • Bei allen Patienten, die eine Mitotan-Therapie erhalten, sollte ein Ersatz der Glukokortikoide erfolgen, wobei Patienten mit anhaltendem Cortisolüberschuss davon auszunehmen sind. Dabei ist in der Regel mindestens das Doppelte der Standard-Ersatzdosis erforderlich. Dies ergibt sich aus der erhöhten Steroid-Ausscheidung und dem Anstiegs des Cortisol-bindenden Globulins.
  • Die von Mitotan verursachte Nebenwirkungen sollten regelmäßig überwacht werden. Sie sollten angemessen behandelt werden, also weder überversorgt, noch unter- oder fehlversorgt. Zudem sollte eine unterstützende Therapie begonnen werden, um Mitotan für den Patienten verträglicher zu machen. Im Idealfall erfolgt dies bevor es zu einer schweren Toxizität kommt.
  • Mitotan führt zu bedeutenden Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln. Dies wird von einer starken Induktion (Genetik) von CYP3A4 verursacht. Dies ist unbedingt zu beachten. "Alle Begleitmedikamente sollten auf CYP3A4-Wechselwirkungen überprüft und bei Bedarf und Verfügbarkeit durch eine Alternative ersetzt werden. Anderen Leistungserbringern sollte geraten werden, ohne Rücksprache keine anderen medikamentösen Therapien einzuleiten."[2]

Andere unterstützende Therapien

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  • Eine medizinische Therapie zur Kontrolle des Überschusses von Hormonen wird bei allen Patienten mit klinisch relevantem Nebennierenrindenkarzinom, die Hormone produzieren, empfohlen.
  • Bei Patienten mit Metastasen in den Knochen sollte eine Therapie mit antiresorptiver Behandlung, also der Gabe von Substanzen, die den Abbau der Knochen hemmen, durchgeführt werden.
  • Eine palliative Bestrahlung zur Linderung der Symptome sollte bei Patienten mit fortgeschrittenem / metastasiertem Nebennierenrindenkarzinom durchgeführt werden.
  • Die Einbeziehung einer palliativen Behandlung in die onkologische Standardbehandlung wird für alle Patienten mit fortgeschrittenem Nebennierenrindenkarzinom empfohlen.
  • Bei weiblichen Patienten im gebärfähigen Alter sollte eine Beratung zum Schutz der Fruchtbarkeit durchgeführt werden. Dabei sollte eine solche Fruchtbarkeitsberatung den Patienten angeboten werden, die sich einer zytotoxischen Chemotherapie unterziehen, und den Patienten gegeben werden, die eine Mitotan-Therapie planen.

Genetische Beratung

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Erwachsene mit Nebennierenrindenkarzinom wird wenigstens eine grundlegende klinisch-genetische Untersuchung empfohlen. Dabei wird die persönliche und familiäre Vorgeschichte auf Hinweise auf ein erbliches Vorbelastung untersucht. Es gibt keine Empfehlungen für oder gegen genetische Tumortests auf somatische Veränderungen.

Schwangerschaft und Nebennierenrindenkarzinom

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Wird während einer Schwangerschaft eine Nebennierenmasse diagnostiziert wird, bei der der Verdacht auf Nebenierenrindenkarzinom besteht, wird, unabhängig vom Schwangerschaftstrimester, eine sofortige chirurgische Entfernung dieses Gewebes. Patientinnen sollten über schwangerschaftsbezogene Bedenken informiert werden, die sich speziell auf die aktuelle oder frühere Diagnose eines Nebennierenrindenkarzionoms beziehen. Während der Mitotan-Behandlung sollte eine Schwangerschaft vermieden werden.

Therapie-Begleitung

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Neben einer primär auf die Behandlung des Tumors ausgerichteten Therapie sollte vom behandelnden Arzt eine unterstützende Therapie (siehe "Besondere Überlegungen zu Mitotan") zur Anwendung kommen. Darüber hinaus gibt es auch eine Vielzahl weiterer Angebote für Unterstützung. Diese können es dem Patienten und seinen Angehörigen erleichtern mit der Diagnose, der Krenstherapie und den Folgen der Erkrankung besser zurecht zu kommen. Die nachfolgende Auflistung stellt keine komplette Übersicht aller Hilfsangebote dar. Es handelt sich um Beispiele, die den Einstieg in die Suche nach für den jeweiligen Patienten geeigneten Hilfen erleichtern soll.

Beratungsstellen, allgemein

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Im Internet bieten Seiten wie z.B. krebshilfe.de (Deutsche Krebshilfe) oder krebsinformationsdienst.de (Deutsches Krebsforschungszentrum) Informationen. Weitere Beispiele: junge-erwachsene-mit-krebs.de (Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs) und kinderkrebsstiftung.de (Deutsche Kinderkrebsstiftung).

Beratungsstellen, spezielle Themen

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Sehr viele Kliniken (vor allem das CCC-Netzwerk oder Netzwerk der Tumorzentrum) bieten sowohl im Internet, aber auch vor Ort Anlaufstellen für z.B. nachfolgende Themen an:

Sonstige Hilfen

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Beispielsweise haben Erkrankte unter Umständen einen Anspruch auf Hilfe im Haushalt.[3] Auch andere Sozialleistungen können helfen die Härten, die eine Krebserkrankung mit sich bringt zu mildern.[4]

Selbsthilfegruppen

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Eine besondere Form der Hilfe stellen Selbsthilfegruppen dar. Hier können Patienten und Angehörige sich austauschen und / oder sich gegenseitig unterstützen. Vom Nebennierennierenkarzinom Betroffene haben sich in Deutschland seit 2024 in der Selbsthilfegruppe "MIT&GEGEN NNK" zusammengeschlossen, auf internationaler Ebene in "LET'S CURE ACC". Darüber hinaus können auch andere Selbsthilfegruppen, die sich zwar nicht speziell um das Thema Nebennierenkarzinom bemühen, jedoch damit einhergehende Themen abdecken, kontaktiert werden. Als Beispiel sei hier das Netzwerk Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen e. V. (glandula-online.de) genannt.

Allgemeine Aussagen

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Die Prognose ist insgesamt schlecht, das Ansprechen auf eine medikamentöse Therapie unbefriedigend.[1] Der Median des Gesamtüberleben aller vom Nebennierenkarzinom betroffenen Patienten beträgt etwa drei bis vier Jahre. Die Prognose ist jedoch nicht einheitlich. Derzeit gilt die vollständige chirurgische Entfernung als einzige Möglichkeit der Heilung. Neben der vollständigen chirurgischen Entfernung gibt es weitere voneinander unabhängige Einflußgrößen für die Prognose:[2]:

  • Stadium der Erkrankung
  • Zellwachstums und Zellvermehrung / Tumorgrad
  • Überschuss an Cortisol

Die s.g. Fünf-Jahres-Überlebensrate beträgt

  • 60 bis 80% bei Tumoren, die auf den Raum der Nebenniere beschränkt sind,
  • 35 bis 50% bei lokal fortgeschrittener Erkrankung,
  • 0% bis 28% bei aufgetretenen Metastasen.

Stadieneinteilung und Prognosefaktoren

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Der aktuelle Stand der Forschung führt zu den nachfolgenden Aussagen und Empfehlungen hinsichtlich der Stadieneinteilung und Prognosefaktoren des Nebennierenkarzinoms:[2] Im Rahmen der Erstdiagnose wird empfohlen die Stadieneinteilung des Europäischen Netzwerks für die Untersuchung von Nebennierentumoren (ENSAT) zu verwenden.

Einteilung der Stadien nach ENSAT
ENSAT-Stadium Parameter
I T1, N0, M0
II T2, N0, M0
III T1–T2, N1, M0, T3–T4, N0–N1, M0
IV T1–T4, N0–N1, M1
Definition T1: Tumor ≤ 5 cm
T2: Tumor > 5 cm
T3: Tumor ist in umliegendes Gewebe eingedrungen
T4: Tumor ist in benachbarte Organe eingedrungen oder Tumor verstopft ganz oder teilweise Hohlvene bzw. Nierenvene;
N0: kein positiver Lymphknoten (Lymphkmnoten enthält Tumorzellen);
N1: positiver Lymphknoten (Lymphkmnoten enthält keine Tumorzellen);
M0: keine Fernmetastasen vorhanden;
M1: Fernmetastasen vorhanden

Ebenso sollten im Rahmen der Erstdiagnose bei der Beurteilung der Prognose und der Alternativen der Behandlung die folgenden Faktoren zu berücksichtigt werden:

  • Stadium des Tumors
  • Status der Resektions
  • Ki67-Index (oder Mitosezahl)
  • Ausschüttung von Cortisol, unabhängig von äußeren Einflüssen
  • Allgemeinzustand des Patienten.

Während der Nachsorge sollte die Prognose nach jeder Untersuchung neu bewertet werden, um die Strategie der Behandlung entsprechend anpassen zu können.

Kinder mit Nebennierenrindenkarzinom

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Allgemeine Informationen

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Bei Kindern ist ein Nebennierenkarzinom äußerst selten (pro Jahr ca. 0,2 bis 0,3 Fälle auf 1 Mio.).[5] Die Prognose ist schlecht. Es gibt derzeit keine etablierten Standards zu Diagnostik und Therapie.[6] Daher wurde bei ENSAT die Studiengruppe "ENSAT kids" für Kinder mit Nebennierenrindenkarzinom eingerichtet. Während bei Erwachsenen nur ein Teil der Nebennierenridenkarzinome hormonaktiv ist, sind bei betroffenen Kindern fast alle diese Karzinome hormonaktiv.[7] Dabei tritt meist das Cushing-Sydrom, eine vorzeitige Geschlechtsentwicklung Pubertas praecox oder Virilisierung auf. Wie bei der Therapie erwachsener Patienten wird der Tumor chirurgisch komplett entfernt. Liegt ein fortgeschrittenes Stadium vor, werden auch bei Kindern zusätzlich Lymphknoten entfernt und eine Chemo- und Mitotan-Therapie durchgeführt. Da im Zuge der Pubertät der Körper und die Psyche eines Menschen hormonell bedingte Veränderungen durchläuft, ist nicht klar, welche Auswirkungen die Therapie des Nebennierenkarzinoms auf die Pubertät und die neurokognitive Entwicklung, sowie das spätere Leben eines davon betroffenen Kindes hat. Dies gilt insbesondere, wenn die Mitotan eingesetzt werden muss.

Stand der Forschung

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Der aktuelle Stand der Forschung wird als unzureichend angesehen. Die wenigen verfügbare Vergleiche zwischen den Nebennierenrindenkarzinomen von Erwachsenen und Kindern weisen auf deutliche Unterschiede hin. Daher können Erkenntnisse, die bisher bei Erwachsenen gewonnen wurden, nicht ohne weiteres auf Kinder übertragen werden. Um diese Wissenslücken zu schließen und für Kinder geeignete Therapien festlegen zu können, ist ein besseres molekularbiologisches Verständnis von Prognose und Tumorbiologie der Nebennierentumore bei Kindern erforderlich.

Was ist bisher bekannt?

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Etwa 70% der Betroffenen sind weiblich. Davon sind ca. 90% hormonaktive Karzinome.

  • 50% Androgene
  • 30% gemischt
  • 10% Steroide
  • 10% hormoninkativ

Die mittlere Zeit vom Beginn der Symptome bis zur Diagnose beträgt sechs Monate. Etwa 70% der Tumore sind komplett operabel.

Forschungsfragen

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Aktuell bestehen im Wesentlichen folgende Forschungsfragen:

  1. Klinisch: Statuserhebung von Diagnostik und Therapie international mit dem Ziel der Verbesserung des klinischen Verständnisses und der Behandlungsabläufe.
  2. Klinisch-translational (Translationale Medizin): Analyse der Wertigkeit von Profilen von Plasma und Urinsteroiden / Liquid Biopsy („Flüssigbiopsie“) mit dem Ziel geeignete Tumormarker aufzuspüren.
  3. Experimentell: Identifikation immunhistochemischer Charakteristika, DNA-Sequenzierung mit dem Ziel der Identifikation von drugable targets, also Zielen für die medikamentöse Bekämpfung von Tumorzellen. Dadurch sollen gesunde Zellen vom Medikament möglichst verschont bleiben.

Die nachfolgenden Links stellen nur eine Auswahl dar.

Einzelnachweise

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  1. a b W. Siegenthaler: Klinische Pathophysiologie. Thieme Verlag, 2006, ISBN 3-13-449609-7, S. 343–344, books.google.de
  2. a b c d e f g h i Martin Fassnacht, Stylianos Tsagarakis, Massimo Terzolo, Antoine Tabarin, Anju Sahdev, John Newell-Price, Iris Pelsma, Ljiljana Marina, Kerstin Lorenz, Irina Bancos, Wiebke Arlt, Olaf M Dekkers: European Society of Endocrinology clinical practice guidelines on the management of adrenal incidentalomas, in collaboration with the European Network for the Study of Adrenal Tumors. In: European Journal of Endocrinology. Volume 189, Issue 1, July 2023, ISSN 0804-4643, Pages G1–G42, https://doi.org/10.1093/ejendo/lvad066 [abgerufen am 06. Juli 2024]
  3. Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen, https://www.gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/ambulante_leistungen/haushaltshilfe/haushaltshilfe.jsp [abgerufen am 12. Juli 2024]
  4. Deutsche Krebshilfe, https://www.krebshilfe.de/informieren/ueber-krebs/mit-krebs-leben/sozialleistungen-bei-krebserkrankungen/ [abgerufen am 12. Juli 2024]
  5. Pädiatrische Nebennierenkarzinome, https://www.ukw.de/kinderklinik/forschung/nebennierenkarzinome/ [abgerufen am 13. Juli 2024]
  6. Maria Riedmeier, Boris Decarolis, Imme Haubitz, Sophie Müller, Konstantin Uttinger, Kevin Börner, Joachim Reibetanz, Armin Wiegering, Christoph Härtel, Paul-Gerhardt Schlegel, Martin Fassnacht and Verena Wiegering: Adrenocortical Carcinoma in Childhood: A Systematic Review. In: MDPI Cancers 2021, 13(21), published: 20 October 2021. 5266. https://www.doi.org//10.3390/cancers13215266 [abgerufen am 15. Juli 2024]
  7. Prof. Dr. Verena Wiegering "Nebennierenrindentumore im Kindesalter", GLANDULA 55-22, Seite 36 - 37, veröffentlicht im Dezember 2022 https://web.archive.org/web/20240804080733/https://www.glandula-online.de/fileadmin/user_upload/Aktuelle_Meldungen/GLANDUlinchen_2-22.pdf [abgerufen am 04. August 2024]

Kategorie:Krankheitsbild in der Endokrinologie Kategorie:Krankheitsbild in Hämatologie und Onkologie Kategorie:Nebenniere