Benutzer:Maladjusted/Das Lied

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Das Lied (Gedicht) „Das Lied“ ist ein Gedicht des deutschen Lyrikers Stefan George (1868–1933). Das Gedicht erschien zum ersten Mal anonym in der 9. Folge der Blätter für die Kunst (1910). 1928 nahm George es in den gleichnamigen Zyklus seines letzten Gedichtbands Das neue Reich auf. „Das Lied“ hinterlässt durch seine Form und Entstehungsgeschichte Fragen nach der Autorschaft offen. „Das Lied“ spricht schon im Titel die Programmatik einer poetologischen Gattung an, aus der die Gegenüberstellung vom Lyrischen und Liedhaften entsteht. Das Gedicht zeigt eine liedhafte Form durch seine neun Chevy-chase-Strophen (Reimschema „x a x a“) mit einem konstanten Wechsel von vier- und dreihebigen Versen.

Das Gedicht erzählt eine märchenhafte Geschichte und gehört zur Gattung der Ballade. Ein junger Mann („knecht“) verläuft sich im Wald und kehrt nach sieben Jahren zurück ins Dorf. Die Dorfeinwohner halten ihn längst für tot, seine Eltern sind verstorben und keiner erkennt ihn bei seiner Rückkehr. Der Knecht erzählt über seine Erlebnisse im „wunderwald“ – ein Jenseits voll von Festlichkeiten, bewohnt von Menschen mit goldenen Haaren. Die Dorfeinwohner lachen über seine Geschichte und erklären ihn für toll, nur die Kinder hören ihm zu und singen sein Lied nach seinem Tod bis in die Ewigkeit.

1. Text 2. Entstehung Eine seltsame Vorbemerkung bezeichnet die letzte Gruppe von Gedichten in der 9. Folge der „Blätter für die Kunst“: Wir bringen wie in der achten folge eine auswahl jüngerer dichter: das lezte gedicht wie die lezte rede weil sie – obwohl den rahmen der ‚Blätter‘ etwas überschreitend – ein vielversuchtes und -angepriesenes in der echtheit zu enthalten scheinen. (Blätter für die Kunst, 9. Folge, 1910, S. 139.) Diese letzte Gedichtgruppe enthält das ansonsten undatierte Gedicht „Das Lied“. Es ist das letzte Gedicht in der Gruppe der anonymen Beiträge, aber auch das letzte in der 9. Folge überhaupt. Ausgerechnet dieses Gedicht wird von George für den letzten kürzesten Zyklus des Gedichtbandes „Das neue Reich“ unter dem Titel Das Lied ausgesucht. Die meisten der restlichen Gedichten des Zyklus erscheinen ebenso zuerst in den „Blättern für die Kunst“, aber erst in ihrer 10. Folge und zwar unter dem Namen Georges (Nachweis). Der Zyklus besteht aus zwölf Gedichten und erscheint im Band unter dem kurzen Motto: Was ich noch sinne und was ich noch füge Was ich noch liebe trägt die gleichen züge (Das neue Reich, In: …)

Das Motto ist ebenfalls undatiert und erst kurz vor der Zusammenstellung der Gesamtausgabe entstanden. „Das Lied“ erscheint als das zweite Gedicht im Zyklus und weist einige orthographische Unterschiede zum Erstdruck in den „Blättern für die Kunst“ auf. Die Hochpunkte, typisch für das Schriftbild Georges, wurden in der Version der Gesamtausgabe (1928) getilgt.


Noch in der ersten Strophe des Gedichtes „Das Lied“ wird eine Reimwiederholung benutzt „wald/wunderwald“, was „auch in erweiterter Form“ „äußerst selten“ bei George zu finden ist. (Ute Oelmann, Kommentar) Der seltene Reim zusammen mit der schlichten Bezeichnung der Autoren der letzten Gedichten in der 9. Folge von den „Blätter für die Kunst“ („jüngere Dichter“) könnte wiederum als ein Hinweis auf eine zweifelhafte Autorschaft des Gedichtes dienen.

3. Form

„Das Lied“ ist in neun gleichgebauten Strophen eingeteilt. Der klare narrative Inhalt macht es zu einer Ballade. Jede Strophe hat vier Verse, die abwechselnde jambische Vier- und Dreitakter sind. Obwohl der konsequente abweichungslose Bau der Strophen der leichten Zugänglichkeit und der Einfachheit eines Volksliedes entspricht, weisen der männliche Reim und die Reduktion des für Lieder typischen Endreimes auf den zweiten und vierten Vers auf eine Strenge, die das Liedhafte ausschließlich im Maß und nicht im Reim situiert. An üblichen Kreuzreim erinnern nur der identische Reim wald – wald in der ersten Strophe und der vokalische Halbreim (Assonanz) sahn – starb in der vierten. Laut Heieck („Das Lied“ von Stefan George. Ein Beispiel meisterlicher Formkunst, In:) findet der Georgianische Gedanke im Gedicht seine Bestätigung: „Strengstes maass ist zugleich höchste freiheit“ (Stefan George: Über Dichtung I, in: Stefan George, Tage und Taten. Aufzeichnungen und Skizzen etc.). Der festen Form werden Wortwahl, -stellung und grammatische Regeln unterordnet.

4. Interpretation

Der Titel des Gedichts wählt den bestimmten Artikel und wendet sich dadurch nicht nur an die Strenge der lyrischen Form, sondern auch an die Programmatik und Regelungen, nach denen bekannte Gattungen wie Volkslied, Ballade, Novelle und Märchen funktionieren. Laut Braungart (S. 89) ist der Titel ein offensichtlicher Bezug auf Goethes programmatische Gedichten. Gattungstheoretisch hat George noch 1901 zusammen mit Karl Wolfskehl an der Goethe gewidmeten Anthologie „Deutsche Dichtung“ gearbeitet, in dem er die spezifischen Unterschiede der lyrischen Gattungen Lied, Ballade, Elegie, Sonette, Hymne und Ode für die Anordnung nutzt. Noch in der Vorbemerkung zur 9. Folge der „Blätter für die Kunst“ wird die in den letzten Gedichten enthaltene Echtheit angesprochen. Im Prosatext „Über das Feststehende und die Denkformen“, der an „Das Lied“ anschließt, wird diese Überlegung weitergeführt. Die letzte Rede wirkt als ein Appell. Man solle zurück zum Einfachen und Feststehenden kehren und sich nicht verwickelte Fragen weiterstellen. (Blätter für die Kunst, 9. Folge, 1910, S. 154) Dies könnte nicht nur als eine Kritik der Moderne verstanden werden (Braungart, S. 89), sondern auch als eine Begründung im Bruch von Hymne zum Lied.

3.1 Lied und Lyrik 3.2

Mechtild Heieck: In: Stefan George. Lehrzeit und Meisterschaft. Gedenk- und Feierschrift zum 100. Geburtstag des Dichters am 12. Juli 1968. Herausgegeben vom Stefan-George-Gymnasium Bingen. Bingen am Rhein 1968.