Benutzer:MaditaK/Veränderungen in der Gehirnentwicklung im Laufe der menschlichen Evolution

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Anthropologen gehen davon aus, dass die Ernährung ein wichtiger Punkt für die Evolution des Menschen gewesen ist und auch der ausschlaggebende Grund der die Entwicklung der Gattung Homo angetrieben hat. Ein Meilenstein war die Enzephalisation; eine Vergrößerung des Gehirnvolumen die vor ungefähr 1.8 Millionen Jahren angefangen hat, als sich Homo habilis zu Homo erectus entwickelte. Welche Faktoren diese schnelle Entwicklung ausgemacht haben werden aber noch immer diskutiert. In den 1990er Jahren wurde ein Modell entwickelt welches besagt, dass unsere Vorfahren diesen Prozess vorantrieben in dem sie nährstoffreichere Nahrung zu sich nahmen, welche das Gehirnwachstum vorantrieben und die Darmgröße verringerten (Eisenstein 2010, 58). Wissenschaftler sind der Meinung, dass der Reichtum an Vitaminen, Proteinen und Fetten in Fleisch der größte Segen waren und es gibt seit 2.5 Millionen Jahre sogar Belege dafür, dass unsere Vorfahren Steinwerkzeuge nutzen um die Tiere zu zerlegen. Gut möglich ist auch, dass Australopithecinen vor rund 3.4 Millionen Jahren bereits solche Werkzeuge benutzen.

Josh Snodgrass, Anthropologe an der Universität von Oregon ist der Meinung: „Es gibt Grund für die Annahmen, dass Fleisch einen Teil der Nahrung von Australopithecinen dargestellt hat, aber trotzdem haben sie vermutlich mehr pflanzliche Nahrung zu sich genommen“. Weiterhin geht Snodgrass davon aus, dass die Reichhaltigkeit an Nährstoffen in Fleisch einen großen Einfluss zu der Kalorienzunahme hatte und verfechtet dass die Nutzung von fortgeschrittenen Werkzeugen den Verzehr von Fleisch der frühen Hominiden vergrößert hat. Nicht nur das Gehirn hat sich durch den Fleischkonsum vergrößert, der Kiefer verfeinerte sich auch. Dieses Phänomen geht damit einher, dass Fleisch faserärmer ist als pflanzliche Nahrung und somit leichter zu kauen. Diese Interpretationen leiten sich aus dem Vergleich von Fossilien ausgestorbener Hominiden mit den Schädeln lebender Primaten ab, deren Ernährung bekannt ist (P. Wheeler 1995).

Nathaniel Dominy, Anthropologe des Dartmouth Colleges verfolgt die Ansicht, dass unsere Vorfahren ihre Werkzeuge eventuell genutzt haben um besser an die Wurzeln des Gemüses ranzukommen. Er hat beobachtete wie eine moderne Jäger und Sammler Gemeinschaft in der afrikanischen Savanne überlebt, also in etwa in derselben Umwelt von Homo erectus. Er suggeriert, dass die Knollen einen notwendigen Nahrungsquelle für die frühen Jäger waren. „Moderne Jäger und Sammler Gruppen haben Sprache, Technologie und Speere mit Eisenspitzen und dennoch müssen sie kämpfen um an genug Fleisch zu gelangen. Es ist also schwer sich eine Horde von Urmenschen ohne diese Ausstattung vorzustellen, die sehr viele Tiere erlegen“. Knollen waren reichlich und brachen viele Nährstoffe hervor die für das Gehirnwachstum nötig waren, wenn der leichte Zugang zu Fleisch verwehrt war.

Die Evolution des Menschen in Hinblick auf die Gehirnentwicklung

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Den Fossilien nach zu urteilen, waren die Australopithecinen nicht intelligenter als lebende Primaten. Sie zeigen nur einen mäßigen Anstieg der Hirnkapazität von 400 cm³ vor vier Millionen Jahren zu 500 cm³ vor ungefähr zwei Millionen Jahren. Die Gehirngröße der Gattung Homo stieg rasch an, von 600 cm³ bei Homo habilis ungefähr zwei Millionen Jahre vor heute zu 900 cm³ bei dem frühen Homo erectus vor 300,000 Jahren. Das Gehirn von Homo erectus erlangte jedoch nicht die Proportion des Gehirns von modernen Menschen, welche im Durchschnitt 1,350 cm³ groß ist, aber war größer als das der lebenden nichtmenschlichen Primaten.

Das Außergewöhnliche an unserem großen Gehirn ist, wie viel Energie es verbraucht. Menschen haben ein größeres Gehirn im Verhältnis zum Körpergewicht als andere Primaten. Daher brauchen wir einen größeren Anteil unseres täglichen Energiehaushalts für die Versorgung unseres Gehirns. Homo sapiens benötigen große Energiemengen, um ihre Gehirnfunktion aufrecht zu erhalten. Ein erwachsener Mensch verbraucht etwa 20 Prozent seiner Energie zum Denken sowie dafür, sein Gehirn stets auf konstanter „Betriebstemperatur“ zu halten, Primaten nur 8-10 Prozent. Henry M. McHenry von der Universität in Kalifornien nutzte Schätzungen der Hominiden Körpergröße und rekonstruierte den Energiebedarf des Gehirns bei keiner körperlichen Betätigung. Berechnungen zu Folge war es typische, das ein 35-40 kg schwerer Australopithecus ein Gehirn von 450 cm³ hatte und dieses verbrauchte bei keiner körperlichen Betätigung um die 11 Prozent des Energiehaushaltes des Urmenschen. Homo erectus wog ca. 55-60 kg und hatte ein Gehirnvolumen von 900cm³. Sein Gehirn verbrauchte ungefähr 17 Prozent, das sind um die 260 von 1500 Kilokalorien pro Tag für dieses Organ.

Wie entwickelten sich nun diese energetisch kostspieligen Gehirne? Eine Theorie wurde von Dean Falk der Universität von Florida entwickelt und besagt, dass der aufrechte Gang die Hominiden befähigte ihre kranialen Knochen zu kühlen, dadurch konnte die Größe des Gehirns konstant gehalten werden. Es kann also sein, dass durch den aufrechten Gang eine Anzahl von selektiven Faktoren in Arbeit waren. Aber die Entfaltung des Gehirns konnte erst weiter fortschreiten als die Hominiden dazu übergingen kalorien- und nährstoffreiches Essen zu sich zu nehmen um die zugehörigen Kosten zu decken. Vergleichbare Erkenntnisse an Säugetieren unterstreichen diese Aussage. Arten mit größeren Gehirnen nehmen also reichhaltigeres Essen zu sich.

Neusten Erkenntnissen von Loren Cordain der Colorado State Universität zu Folge, nehmen heutige Jäger und Sammler Gemeinschaften 40-60% ihrer Nahrung über tierische Produkte zu sich, wie Milch oder Fleisch. Moderne Schimpansen beziehen nur etwa 5-7% ihrer Nahrung über diese Produkte. Tierische Fette sind reichhaltiger an Kalorien und Nährstoffen als Pflanzen. Dies bedeutet, dass der Urmensch an diese energiereichere Kost gelangen musste. Auch Fossilien bezeugen, dass eine Verbesserung der Essensqualität zum Hirnwachstum beigetragen hat. Alle Australopithecinen haben Kopf und Zähne für harte und qualitativschlechtere pflanzliche Nahrung. Die späteren robusten Australopithecinen haben spezielle Anpassungen um die Pflanzen effektiv zu zermahlen. Sie besitzen ein tellerförmiges Gesicht, sowie eine massiv ausgebildete Mandibula, einen saggitalen Kamm mit kräftigen Kaumuskeln und riesige Molaren mit dicken Enamelum. Das bedeutet jedoch nicht dass Australopithecinen nie Fleisch gegessen haben.

In Kontrast dazu steht die Gattung Homo welche sich aus den grazilen Australopithecinen entwickelt haben. Diese hatten ein kleineres Gesicht, grazilere Wangen, kleinere Molaren und keinen Sagittalkamm und waren größer im Vergleich zu ihren Vorfahren. Dies kann ein Hinweis darauf sein, dass Homo weniger pflanzliche und mehr tierische Nahrung zu sich genommen hat, die das Gehirnwachstum angetrieben hat. Die Umwelt scheint also einmal mehr für den evolutionären Wandel verantwortlich zu sein. Die fortlaufende Austrocknung der afrikanischen Landschaft verringerte den Bestand an pflanzlicher Nahrung welche für die Hominiden zur Verfügung stand. Das Entstehen der Graslandschaft trug dazu bei, dass sich die Anzahl der Säugetiere, wie Antilope oder Gazelle, vergrößerte und sich somit die Gelegenheit für die Urmenschen bot diese zu jagen. Homo erectus tat dies und es entwickelte sich die erste Jäger und Sammler Gemeinschaft, in der Tiere eine wichtige Rolle für die Ernährung der Mitglieder darstellte. Nachweise dieser Verhaltensevolution sind im archäologischen Befund zu verzeichnen und zeigen sich in einer Erhöhung der Tierknochen mit teilweise erhaltenen Schnittspuren und dazugehörigen Werkzeugen. Dies bedeutet nicht dass sich unsere Vorfahren nur von Fleisch ernährten. Die Ergänzung von Fleisch zur täglichen Ernährung führte lediglich zu einer Stabilisierung des Nahrungshaushaltes und zu einer qualitativ hochwertigeren Ernährung. Die Verbesserung der Nahrung allein trug nicht zu einer Vergrößerung des Gehirns der Hominiden bei aber spielt eine wichtige Rolle in dieser Entwicklung. Man kann also sagen, dass größere Gehirne ein komplexeres soziales Verhalten produzieren. Dieses führte zu einer Veränderung in der Taktik der Nahrungssuche und dies wiederrum zu einer verbesserten Nahrung, die das Gehirnwachstum unterstützte.

Die Gehirnentwicklung von Neandertalern

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Die Hirnstrukturen moderner Menschen und die der Neandertaler ähneln sich unmittelbar nach der Geburt. Vorgenommene Untersuchungen der Entwicklung von Neandertalern und modernen Menschen haben gezeigt, dass viele morphologischen Charakteristika die die Gruppen teilen, schon während der Geburt auftreten. Danach setzt bei jeder Art eine individuelle Entwicklung ein, die zu deutlichen Unterschieden in den ersten Lebensmonaten führt. Zu diesem Ergebnis kamen Forscher des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie durch den Vergleich von digitalen Gehirnabdrücken der beiden Arten. Auch nach dem zweiten Lebensjahr verläuft die Entwicklung ähnlich. Doch in der Phase dazwischen verändert sich das Gehirn des Homo sapiens sapiens deutlich. Es wird im Vergleich zum Neandertalergehirn kugelförmiger. Das Gehirn unseres menschlichen Cousins dagegen behält seine längliche Form bei. Beim Menschen gilt das erste Lebensjahr als enorm wichtige Phase. Hier entwickeln sich viele soziale, emotionale und kommunikative Fähigkeiten. Die Vernetzung und Ausprägung der Gehirnstrukturen ist dabei enorm wichtig. Die Forscher vermuten, dass der Neandertaler, eben aufgrund der anderen Gehirnentwicklung in den ersten Lebensjahren und –monaten, auch ein deutlich anderes Verhalten zeigte als der moderne Mensch.

Seit langem ist durch Knochenfunde belegt, dass die Größe des Gehirns von Homo neanderthalensis und Homo sapiens in etwa gleich groß ist. Doch ob man damit dem Neandertaler allein schon dieselben kognitiven Fähigkeiten zusprechen darf wie dem Menschen, ist eine Frage, die unter den Wissenschaftlern heftig diskutiert wird. Denn allein die Hirngröße macht es nicht aus. Auch die Gehirnstrukturen bestimmen maßgeblich das Verhalten und die Intelligenz. Es konnte nachgewiesen werden, dass geringe Abweichungen in den ersten Lebensjahren bereits zu deutlichen Änderungen in Kognition und Verhalten führen. Daher ist es nicht unwahrscheinlich, dass unsere ausgestorbenen Verwandten die Welt ganz anders wahrnahmen als wir heute. Allerdings unterstreichen die Forscher nochmals, dass dies nicht automatisch bedeutet, dass die Neandertaler deswegen „Dumpfbacken“ waren. Von geistiger Zurückgebliebenheit ist weit und breit nichts zu finden. Die Neandertaler waren hochentwickelte Jäger und Sammler, die höchstwahrscheinlich bereits eine eigene Sprache hatten.

Es wurde jetzt untersucht ob man einen Hinweis für die Globularisationsphase, welche bei Homo sapiens vorhanden ist, auch bei Neandertalern finden kann. Dafür verwendete man 58 Schädel von modernen Menschen und den rekonstruierte Schädel des neonaten Neandertalers aus Le Moustier 2 für die Computertomographie. Es wurde nun gezeigt, dass Neandertaler diese Phase nach der Geburt nicht haben. Wenn Neandertaler diese nach der Geburt hätten, dann bräuchte ein neugeborener Neandertaler einen extrem länglichen Gehirnschädel und ein sehr schlecht entwickeltes Kleinhirn. Es gibt aber keine Rekonstruktion eines Neandertaler Babys aus Le Moustier 2 die zu dieser Prognose passen würde.

Man simulierte die Entwicklung von modernen Menschen im Alter von 2-6 Jahren aber ließ die besagte Phase aus. Das Ergebnis daraus zeigt eine beachtliche Ähnlichkeit zu der Form der Neandertaler. Es ist also so, dass die Gehirnentwicklung von modernen Menschen im Gegensatz zu Neandertalern entwickelt ist. Das Muster der Veränderung der Schädelform in diesem Alter ist bei modernen Menschen, Neandertalern und Schimpansen ähnlich. Das Schädelvolumen der Neandertaler ist vergleichbar zu dem der modernen Menschen. Die Untersuchungen von Bruner und Kollegen zeigen, dass morphologische Kriterien, die moderne Menschen und Neandertaler unterscheiden, schon zur Zeit der Geburt vorhanden sind.

Nach den Untersuchungen von Gunz et al. beträgt die Hirnkapazität bei dem neugeborenen Neandertaler aus Le Moustier 2 408-428 cm³ und untermauert die Ähnlichkeit des Hirnvolumens zu modernen Menschen. Man geht davon aus dass die Unterschiede im Aussehen, vor allem die Größe des Gesichts, sich pränatal entwickeln, die endokranialen Unterschiede sich aber postnatal entwickeln. Bei der Geburt haben beide Arten die ähnliche Schädelform, nur die der Neandertaler ist etwas länglicher. Die Unterschiede entwickeln sich erst direkt nach der Geburt, wenn die Form der Wölbung noch sehr sensibel in Hinsicht auf das Gehirnwachstum ist. Wenn die Schädelknochen noch sehr dünn sind, werden die Veränderungen von frontal und parietal Knochen sehr von dem Gehirnwachstum beeinflusst. Auch wenn das Wachstum des Gesichts die Form der Schädelbasis beeinflusst, so ist es doch unwahrscheinlich dass dies die Formveränderung der parietal und occipital Knochen erklärt. Man nimmt daher an, dass die Unterschiede im Hirnwachstum der Frequenz und der Zeit der menschlichen Globularisationsphase unterliegen. Die Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten während der individuellen Entwicklung ist an die Reifung der grundlegende Nervenschaltung gekoppelt. Bei Menschen geht man davon aus, dass die Veränderungen im Nervengewebe das Verhalten und die Kognition beeinflussen.

Auch haben Forscher bereits die Gehirnentwicklung von Schimpansen und modernen Menschen miteinander verglichen. Auch hier gab es Unterschiede. Erst mit dem Durchbrechen der Milchzähne nehmen menschliche Gehirne und die von Schimpansen wieder eine ähnliche Entwicklung. In der Zwischenzeit – nämlich genau in den ersten, prägenden Monaten nach der Geburt - sind sie völlig unterschiedlich. Ähnliche Entwicklungsmuster bei Schimpansen, modernen Menschen und Neandertalern führen die Forscher auf den gemeinsamen Vorfahren vor vielen Millionen Jahren zurück.

Die Gehirnentwicklung von Homo erectus

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Man behauptet, dass die Evolution von Homo erectus von signifikanten Veränderungen in der Hirnentwicklung begleitet wurde, jedoch bleibt das Meiste der Wahrnehmung oder Kognition des Urmenschen unzugänglich. Der Homo erectus hatte eine fortgeschrittene Raumwahrnehmung im Gegensatz zu Affen und frühen Hominiden (Wynn 2002). Man bekam direkte Hinweise durch Artefakte und indirekte Hinweise durch die Rekonstruktion des Größenbereiches der Hirnkapazität. Faustkeile waren die ersten gefunden Objekte von imposanter Größe. Man ging davon aus, dass der Urmensch eine Art Vorlage im Gedächtnis hatte, bevor er anfing das Objekt zu fertigen. Stout et al. sind der Meinung dass dies nicht von Nöten war. Es kann gut möglich gewesen sein, dass der Urmensch einfach anfing ein Objekt herzustellen ohne zu wissen was genau daraus wird. Die kognitiven Folgen daraus waren klar: die Steinwerkzeugherstellung ist primär ein Arbeitsantrieb des räumlichen Denkens. Stout ist der Meinung, dass dies die Arbeit der Hirnrinde ist, die durch die Parietallappen gesteuert wird. Formenerkennung und vor allem Symmetrie sind andere Kognitionsverbindungen welche von den Temporallappen gesteuert werden. Also musste Homo erectus diese beiden Wege verbinden. Es ist dennoch nicht sicher wo genau dieser Prozess stattfand. Wynn und Coolidge nehmen an, dass visuelle und räumliche Informationen einen Teil des Gehirns der damaligen Menschen ausmachten. Dies setzte jedoch nicht voraus, dass die Urmenschen genauer Kenntnis oder deklarative Erinnerungen hatten. Man kann davon ausgehen dass der Nachwuchs durch Beobachten des Arbeitsprozesses und Nachahmen, sich die Kenntnis zu Werkzeugherstellung aneignete.

Menschen unterscheiden sich von Primaten durch ihre lang ausgedehnte Wachstums- und Entwicklungsperiode. Hinzu kommt, dass beim Menschen das Gehirn nach der Geburt noch mehr als zehn Jahre lang weiter wächst, diesen Vorgang nennt man auch sekundäre Altrizialität. Erstmalig wurden nun die Ergebnisse der Analyse an dem 1.8 Millionen Jahre alten Mojokerto Kindes aus Java/ Indonesien, der einzige gut erhaltene Schädel eines Homo erectus Kindes, mit Hilfe der Computertomographie präsentiert. Dieser Schädel des so genannten Mojokerto-Kindes wurde im Jahr 1936 von einem Ausgrabungsteam um den deutschen Anthropologen Gustav Heinrich Ralph von Königswald in der Mojokerto- Region auf Java in Indonesien entdeckt. Verantwortlich für die Analyse waren eine Forschungsgruppe von Prof. Jean-Jacques Hublin vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie und Helene Coqueugniot von der Universität Bordeaux. Dieses Kind ist bedeutsam, da es den frühesten Beweis eines Hominiden auf den südöstlichen Inseln Asiens vor 1,8 Millionen Jahren darstellt. Vergleiche mit großen Serien von noch erhaltenen Menschen und Schimpansen weisen darauf hin, dass dieses Individuum um bei seinem Tod etwa ein Jahr alt gewesen sein muss und eine Hirnkapazität von 72-84% eines ausgewachsenen Homo erectus hatte. Vergleiche mit heute lebenden Menschen und Schimpansen ergaben, dass das Gehirnwachstum von Homo erectus außerhalb des Mutterleibes ähnlich schnell abgeschlossen war wie bei Schimpansen, aber wesentlich früher als beim modernen Menschen. Auch Jean-Jacques Hublin sagt: „Die Daten weisen darauf hin, dass die Zeit, in der das Gehirn des Homo-erectus-Kindes nach der Geburt reifen konnte, sehr kurz war“. Daraus schließen die Forscher, dass H. erectus über geringere kognitive Fähigkeiten verfügte hat als der heutige Mensch.

Dentale Mikrostrukturen wurden kürzlich genutzt um zu ermitteln, wann im Zuge der menschlichen Evolution das Muster der dentalen Reife entsteht. Individuen von Homo erectus haben eine kürzere Periode der dentalen Entwicklung gezeigt, was bedeutet, dass das Wachstumsmuster sich erst jüngst entwickelt hat. Ein weiter wichtiger Aspekt der menschlichen Entwicklung ist das zusätzliche „Nesthocken“. Bei den meisten Primaten geht das Gehirnwachstum nach der Geburt zurück, bei Hominiden verläuft die Entwicklung andersrum. Hier werden die Nachkommen mit einem kleineren Gehirn geboren, welches im Laufe der Entwicklung stetig an Größe zunimmt. Wohingegen neugeborene Makaken ein Hirnvolumen von 70% der erwachsenen Größe widerspiegeln, zeigt ein neugeborener moderner Mensch ein Gehirnvolumen von 25% der erwachsenen Größe. Die Gehirnkapazität steigt daraufhin rasch an. Mit einem Jahr wächst das menschliche Gehirn auf 50% des erwachsenen Gehirnvolumens an und im Alter von 10 hat es 95% erreicht. Bei Schimpansen werden innerhalb des ersten Lebensjahres schon 80% des ausgewachsenen Gehirnvolumens erreicht. Das sogenannte Nesthocken hat noch weitere soziale Konsequenzen, da Kinder des von Homo sapiens nach der Geburt noch einige Jahre an elterlicher Unterstützung benötigen. Die sekundäre Altrizialität beeinflusst auch die Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten. Das meiste des menschlichen Gehirnwachstums entsteht während das Individuum schon mit der mütterlichen Umwelt interagiert. Hublin ist hier der Meinung, dass diese Reifedauer der auch sekundäre Altrizialität, dem Homo sapiens gegenüber seinen frühen Verwandten einen erheblichen Vorteil verschafft hatte, da in dieser Zeit das kindliche Gehirn vielen Reizen aus der Umwelt ausgesetzt war und dies wiederrum intensive Wechselwirkungen zwischen somatischen und senso-motorsichen Hirnregionen bedingte. Auch für die Entwicklung der Sprache dürfte die sekundäre Altrizialiät eine bedeutende Rolle gespielt haben. Der Leipziger Wissenschaftler ist überzeugt, dass Homo erectus schon kommunikative Fähigkeiten besaß, doch das insgesamt geringere Hirnvolumen und das Fehlen der sekundären Altrizialiät dürften die kognitiven Fähigkeiten des frühen Menschen sehr eingeschränkt und eine komplexe Sprache und Verständigung unmöglich gemacht haben. Daher kann man annehmen dass sich die komplexe Sprache gleichzeitig mit der sekundären Altrizialität endwickelt hat.

Es wurden nun Analysen an dem gut erhaltenen Schädel des Homo erectus Kindes durchgeführt. Da man weiter keine Zähne gefunden hat musste man sich für die Altersbestimmung auf die Schädelstrukturen beziehen und so kommen verschiedene Alter von 18 Monaten bis 8 Jahren, auf moderne menschliche Standards bezogen, heraus. Mittels computertomographischer Aufnahmen vom Schädel des Mojokerto-Kindes konnte das deutsch-französische Forscherteam nun sein Alter anhand des Entwicklungsstandes innerer Schädelstrukturen neu bestimmen. Dazu analysierten die Wissenschaftler, wie weit die Verknöcherung der Pars tympanica, der Stirnfontanelle in der Bregma-Region und der Fossa subarcuata fortgeschritten war. Anschließend wurden die Daten sowohl mit denen von 159 Schädeln moderner Menschen zwischen 0 und 8 Jahren als auch mit Schädeln von 201 jungen Schimpansen und Bonobos verglichen. Im Unterscheid zu den Fossilen Menschen und Schimpansen ist das Tympanikum des Mojokerto Kindes vollständig verknöchert, wohingegen die Verknöcherungen der Bregmaregion und die Fossa subarcuata noch nicht abgeschlossen sind. Die Reifung des Tympanicum ist jedoch kein gutes Alterskriterium da in allen Altersstufen unterschiedliche Verknöcherungsgrade auftreten können. Bei der Untersuchung der Bregma-Region wurde weiterhin festgestellt, dass sich beim Mojokerto-Kind bereits Spongiosa gebildet hatte, die Scheitelbeine jedoch noch nicht vollständig entwickelt waren. Zwischen den beiden Scheitelbeinen befindet sich zudem eine 3,5 Millimeter große Lücke, die einerseits zwar als ein unvollständiger Verschluss der Stirnfontanelle, andererseits jedoch auch als postmortale Beschädigung gedeutet werden kann. Vergleiche des Entwicklungsstandes der Pars tympanica, der Bregma-Region und der Fossa subarcuata von jungen modernen Menschen und jungen Schimpansen ergaben, dass das Mojokerto-Kind zum Zeitpunkt seines Todes etwa ein Jahr alt gewesen sein muss. Eine direkte Messung am Schädel des Homo erectus Kindes ist nicht möglich, da die Kalvaria mit Matrix gefüllt ist. Vorhergegangen Schätzungen der Hirnkapazität haben ein Ergebnis von 636-730 cc ergeben. CT-Scns erlauben eine Schätzung von 663 cc.

Obwohl die Ergebnisse auf der Untersuchung nur eines einzigen H. erectus-Kindes fußen, kann man davon ausgehen, dass sich die sekundäre Altrizialität erst relativ spät in der Evolution des Menschen entwickelt hat. Die Daten weisen außerdem darauf hin, dass die Zeit, in der das Gehirn des Kindes außerhalb des Mutterleibes wachsen und reifen konnte, beim H. erectus sehr kurz war. Dies macht es unwahrscheinlich, dass der frühe Homo bereits über kognitive Fähigkeiten verfügte, die mit denen des modernen Menschen vergleichbar waren und deutet ferner darauf hin, dass sich komplexe Sprache erst relativ spät in der menschlichen Evolution entwickelt hat.

Literaturverzeichnis

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