Benutzer:MDu/Infinitesimalmodell

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Das Infinitesimalmodell ist ein genetisches Modell, das die Genetik von Pflanzen und Tieren beschreibt. Es wurde 1918 von dem amerikanischen Biostatistiker Ronald Fisher eingeführt.[1] Obwohl es von biologisch nicht zutreffenden Annahmen ausgeht, vermag es viele Phänomene der additiven Genetik gut zu beschreiben. Zahlreiche Verfahren der klassischen Genetik, wie zum Beispiel die Berechnung von Verwandtschaftskoeffizienten, beruhen auf diesem Modell. Auch heute noch findet das Modell zahlreiche Anwendungen.

Die Ausprägung quantitativer phänotypischer Merkmale, wie zum Beispiel Körpergröße beim Menschen oder Milchleistung beim Rind, ist in der Regel sowohl von äußeren Umweltfaktoren als auch von den Eigenschaften der Gene abhängig. Genorte, die für die Merkmalausprägung eine Rolle spielen, bezeichnet man als Quantitative Trait Loci (QTL). Als QTL-Effekt bezeichnet man den (positiven oder negativen) Einfluss, den ein QTL auf das Merkmal besitzt.

Zur Verdeutlichung kann das folgende Beispiel dienen: Betrachten wir einen fiktiven Genort beim Menschen mit den folgenden Eigenschaften. Menschen, die an diesem Locus das Allel A1 tragen sind im Mittel einen Zentimeter größer als die durchschnittliche Bevölkerung, Menschen mit dem Allel A2 einen Zentimeter kleiner. Diesem Genort wird dann ein QTL-Effekt von cm zugeschrieben.

Gibt es an einem Genort mehr als zwei mögliche Allele, so betrachtet man als Kenngröße des QTL-Effekts meist die Varianz, die sich aus den Verschiedenen Allelmöglichkeiten ergibt.

Dem Infinitesimalmodell liegt die Vorstellung zugrunde, ein Genom bestünde aus unendlichen vielen QTLs, die alle einen gleichen, jedoch infinitesimal kleinen, Effekt besitzen. Die unterschiedlichen QTLs sind hierbei unabhängig voneinander, das heißt, es liegt keine Genkopplung vor. Zudem geht es davon aus, dass an jedem Genort beliebig viele verschiedene Allele möglich sind und zwei unverwandte Individuen an einem Locus stets unterschiedliche Allele tragen.

Bei diploiden Lebewesen, wie zum Beispiel Säugetieren, geht man davon aus, dass an jedem Locus zwei Allele sitzen, deren Einflüsse auf das quantitative Merkmal sich addieren. Der Zuchtwert, also der genetische Anteil am Phänotyp, ergibt sich als Summe der einzelnen Alleleinflüsse.

Berücksichtigung der Inzucht

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mehrere Merkmale

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Wird die Auswirkung der Gene auf mehrere Merkmale gleichzeitig untersucht, so lässt sich der Effekt eines Allels als Vektor darstellen, in dem die Einflüsse auf die verschiedenen Merkmale aufgelistet sind. Als QTL-Effekte

Eine Verallgemeinerung des Infinitesimalmodells, die auch Genmutationen berücksichtigt wurde 1990 von Naomi Wray eingeführt.[2]


Mathematische Definition

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Die Vorstellung von (abzählbar) unendlich vielen Genloci mit infinitesimal kleinem Einfluss kann nicht als mathematisch rigorose Definition dienen, da dies eine Gleichverteilung auf einer abzählbaren Menge implizieren würde, die es nicht gibt. Auch die Definition des Zuchtwerts als eine unendliche Summe über infinitesimal kleine Beträge ist mathematisch nicht wohldefiniert. Es ist jedoch möglich, das Infinitesimalmodell als Grenzwert von Modellen mit einer großen, aber endlichen, Zahl von Loci mit gleichem Effekt herzuleiten.[3]

Eine tatsächliche Herleitung aus der Vorstellung von vielen unabhängigen Genorten heraus ist jedoch für die Praxis gar nicht nötig. Vielmehr genügt es, dass die genetischen Eigenschaften bezüglich eines quantitativen Merkmals durch eine einzige Zahl (den Zuchtwert) beschrieben werden und, dass die Vererbung gemäß der oben aufgeführten Gleichungen erfolgt.

Zuchtwertschätzung

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Modellierung von Populationsentwicklungen

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Kritik und alternative Modelle

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Einzelnachweise

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  1. R. A. Fisher: The correlations between relatives on the supposition of Mendelian inheritance. In: Trans. Roy. Soc. Edinb. 52. Jahrgang, Nr. 2, 1918, doi:10.1017/S0080456800012163, S. 321–341 (cambridge.org).
  2. N. R. Wray: Accounting for Mutation Effects in the Additive Genetic Variance-Covariance Matrix and Its Inverse. In: Biometrics. 46. Jahrgang, Nr. 1, 1990, doi:10.2307/2531640, S. 177–186 (jstor.org).
  3. N. H. Barton, A. M. Etheridge, A. Véber: The infinitesimal model: Definition, derivation, and implications. In: Theor. Popul. Biol. 118. Jahrgang, 2017, doi:10.1016/j.tpb.2017.06.001, S. 50–73 (elsevier.com [PDF]).