Benutzer:Kku/Mathematisches Verständnis

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Mathematisches Verständnis, bzw. die Kompetenz für Mathematik beschreibt eine Kombination aus Abstraktionsvermögen, konsequent logischem Denken, Kreativität und Intuition.

Mathematisches Verständnis beruht zunächst auf der Einsicht, dass mathematische Formalismen, Zeichen und Formelschreibweisen lediglich das Handwerkszeug eines Mathematikers darstellen, und nicht die Mathematik selber. In den Darstellungsweisen der Mathematik hat sich die Tendenz zu größtmöglicher Präzision und Verkürzung (geringste Redundanz) durchgesetzt - ein Umstand, der großes Eindenkungsvermögen und erheblichen Lernaufwand erfordert. Nicht wenige Mathematiker arbeiten allerdings im wesentlichen mit sehr eigenen Vorstellungen, Abstraktionen und Gedankengebäuden und nutzen die konventionellen Schreibweisen vor allem zur Kommunikation ihrer Ideen in wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Jenseits einer guten Idee oder Einsicht ist Mathematik ein geistiges „Handwerk“, in dem ein guter Teil Aufwand auf die Formulierung der Erkenntnisse verwandt wird.

Von der Zahl zur Algebra

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Eine Grundvoraussetzung für mathematisches Tun ist der Begriff der Zahl und das Vermögen des Abzählens (siehe dazu Geschichte der Mathematik). In gewisser Weise bilden die natürlichen Zahlen den Kern der Mathematik, der durch das typische Fortschreiten durch Problemlösen zu dem heutigen riesigen Gebäude erweitert wurde. Zahlen, selbst wenn sie nicht dargestellt werden, sind eine notwendige Folge von einem Mengenverständnis, das heißt, der Fähigkeit zu Vergleichen von Anzahl (Mächtigkeit der Menge) und Art von Objekten. Diese Erwägung hat bei der der Einführung der Mengenlehre in den Grundschulunterricht eine Rolle gespielt. Man könnte plakativ behaupten, dass ohne Unterscheidungsvermögen keine Quantifizierung und letztendlich keine Mathematik möglich ist.

Reine Zahlenmanipulation, wie sie beim Rechnen stattfindet, macht allerdings noch keine Mathematik im heutigen Sinne aus. Entscheidend ist die Einsicht, dass die Grundoperationen der Arithmetik auf generalisierten abstrahierten Strukturen, wie sie in der Algebra beschrieben werden (z.B. Körper), gültig sind. Es gilt also, zwischen Mengen von Elementen und Operationen auf diesen Elementen und Mengen zu unterscheiden, aber im gleichen Zug ihre Interdependenz zu verstehen.

Elemente aus generalisierten Mengen lassen sich mittels geeigneter Platzhalter notieren. Platzhalter oder Variablen sind weiteres Rüstzeug für eine zentrale Tätigkeit der Mathematiker, der Durchführung von mathematischen Beweisen. So, wie ein „Operator“ (+, -, etc.) eine Abstraktion einer Manipulation von Elementen darstellt, ist eine Variable eine Abstraktion konkreter Mengenelemente (1,2,3,4,...).

So wird und wurde die Addition in der Schule teilweise auch durch das Aneinanderreihen von Holzklötzchen definierter, quantisierter Längen motiviert. Obwohl Kanthölzchen keine Ähnlichkeit mit Zahlen haben, sind die Operationen des Hinzuaddierens in beiden Fällen analog, die Elemente dienen in beiden Fällen nur der Veranschaulichung.

Die Kraft der Bilder

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Visuell begabte Menschen werden finden, dass überhaupt etliche Sätze oder Theoreme großer Teilgebiete der Mathematik sich in konkrete Bilder fassen lassen, deren Ästhetik oder Symmetrien wesentliche Aspekte der Aussage beinhalten. Sehr schöne Beispiele dazu finden sich nicht nur in der Geometrie, sondern z.B. in der Graph- oder Zahlentheorie. Aber auch rein mentale, d.h. nicht „malbare“, Bilder sind kaum in ihrem kreativen Potential zu unterschätzen. Ein klassisches Beispiel hierfür liefert Hilberts Hotel zur Veranschaulichung der Unendlichkeit. Das einfachste Beispiel für visuelle Hilfsmittel liefern die Funktionsgraphen, die dem Betrachter ein „intuitive“ Vorstellung des numerischen Verhaltens (meist reellwertiger) Funktionen geben.

Schönheit, genauer: die Empfänglichkeit für und das Erkennen von Schönheit ist für viele Mathematiker eine ganz zentrale Motivation für ihr Tun. Gute mathematische Lösungen (und ihre Probleme!) besitzen klassischerweise eine gewisse Eleganz, die unabhängig von der Wahl ihrer Repräsentation ist.

Aufgrund des Gesagten wird allerdings auch klar, dass haptisch oder akustisch veranlagte Menschen aufgrund der Serialität in der Wahrnehmung ihrer bevorzugten Begriffsobjekte gegenüber visuellen Typen zunächst benachteiligt erscheinen. „Bilder“ hingegen erfassen für Augenwesen wie den Menschen tatsächlich maximal viele Informationen auf einmal. Andererseits geht mathematische Begabung häufig mit einer musischen Begabung einher. Dieser Umstand beruht wohl auf der Fähigkeit, Musikstücke als Einheit zu erfassen, gewissermaßen vor dem inneren Auge zu „sehen“.

Nature versus Nurture

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Wie das Beispiel vieler Mathematikerfamilien (siehe z.B. die Bernoullis) zeigt, ist mathematische Begabung, genau wie andere Begabungsformen, wohl zumindest teilweise vererbbar. Welche mathematischen Genies ihre Leistungen allein aufgrund ihrer Schulbildung erzielten, ist eine vermutlich nicht zu klärende Frage. Es existieren aber durchaus Aussagen über die Vererbbarkeit von Intelligenz.

Mathematisches Verständnis baut auf einer soliden mathematischen Grundbildung auf. Die Abneigung vieler Menschen gegen Mathematik und ihre Denkweisen, die dazu führt, dass sie mathematische Kompetenzen nur mangelhaft erwerben können, kann unter anderem durch verfehlte Unterrichtsformen in der Schule erzeugt werden. Wer in der Schule an Stelle von Mathematik bloßes Rechnen oder Auswendiglernen von Formeln erlebt hat, wird mit wesentlichen Konzepten der Beweisführung nicht klarkommen. Ein weiterer Grund kann mathematisches Desinteresse in der Familie und im sonstigen sozialen Umfeld sein.

Wie jede Begabung, lässt sich auch Mathematik trainieren. Zwar bemerkt Beutelspacher, dass Mathematik nichts mit Denksport zu tun hat, sondern sich mit substanziellen Problemen beschäftigt, dennoch ist das Knobeln an logischen Problemen und (Schein-)Paradoxa eine gute Übung für den Mathematiker. Das Lösen standardisierter Aufgaben mit Hilfe stets gleicher Lösungswege dagegen stumpft gegenüber der mathematischen Denkweise eher ab.


Gedächtnis- oder Rechenkünstler, die durch gewaltige Kombinations- oder Rechenleistungen auffallen, können durchaus mathematisch begabt sein. Häufig handelt es sich jedoch um Spezialbegabungen mit einem gewissen Tunnelblick, der kreative mathematische Leistungen nicht zulässt. Kunst überlappt in diesen Fällen stark mit Artistik. Kein Mathematiker würde spontan der Behauptung widersprechen, dass seine Arbeit einen Teil „Kunst“ erfordert. Geistige Kapriolen hingegen sind wenig nützlich und eine gewisse Rigorosität im Denken ist mindestens ebenso wichtig wie die künstlerische Freiheit.

Randerscheinungen

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Die vielgeschmähte „Verschrobenheit“ oder „Weltfremdheit“ vieler, aber bei weitem nicht aller, Mathematiker ist als Nebeneffekt einer Fixierung auf das Erkennen des Allgemeinen und der Prinzipien hinter dem Speziellen und Konkreten anzusehen und keineswegs eine Grundvoraussetzung für mathematische Begabung. Wie auch schon im Exkurs über Schönheit angemerkt, ist für einen echten Mathematiker die abstrakte Lösung in Reinform das Wesentliche und nicht ihre Darstellung, somit auch selten ihre Anwendung. Dieser Umstand lässt in den Naturwissenschaften tätige Mathematiker oft hinter Physikern zurückstehen, jedenfalls, was ihre Praxisbezogenheit angeht. Die Zuordnung der Mathematik zu den Strukturwissenschaften und deren Bindegliedcharakter zwischen Natur- und Geisteswissenschaften macht auch klar, dass diese Unterschiede prinzipbedingt sind.

Kategorie:Erkenntnistheorie Kategorie:Didaktik der Mathematik