Benutzer:Karsten11/Revolution von 1848/1849 in Reuß jüngerer Linie

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Die Revolution von 1848/1849 in Reuß jüngerer Linie führte zu der Vereinigung beider Fürstentümer und der Einrichtung einer konstitutionellen Verfassung.

Ausgangssituation

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In den reußischen Fürstentümern bestanden bereits vor dem 19. Jahrhundert Landstände. Diese setzten sich aus den Kurien der Ritterschaft und den Vertretern der Städten zusammen. Eine Vertretung des Klerus war nicht vorgesehen. Die Stände traten planmäßig alle acht Jahre zusammen. Entsprechend der Aufteilung des Gebietes von Reuß jüngerer Linie bestanden getrennte Ritter- und Landschaften Reuß-Gera, Reuß-Schleiz, Reuß-Lobenstein und Reuß-Ebersdorf. Seit 1662 fanden gemeinsame Landtage dieser Landstände im Landschaftshaus in Gera statt. Mit dem Aufkommen des Absolutismus versuchten die Landesherren den Einfluss der Stände zu reduzieren. Diese konnten jedoch in Reuß jüngere Linie mindestens ihre Kernkompetenz, das Steuerbewilligungsrecht, behaupten. Deutlich wurde dies in einem Rezess vor dem Reichskammergericht in Wetzlar 1779 nach einer Klage von 1772. Darin musste Graf Heinrich XXX. von Reuß-Greiz den vereinigten Ritter- und Landschaften zusagen, eine Steuererhöhung, die er wegen der Verwüstungen im Siebenjährigen Krieg verordnet hatte, diesen zunächst zur Genehmigung vorzulegen.

Obwohl Art. 13 der deutschen Bundesakte vorsah, dass in allen Ländern des deutschen Bundes landständische Verfassungen und Landtag eingerichtet werden sollten, war in den Fürstentümern Reuß jüngerer Linie keine Verfassung erlassen worden. Die Ritter- und Landschaften bestanden weiter. 1824 vereinigten sich die Ritter- und Landschaften von Reuß-Lobenstein und Reuß-Ebersdorf entsprechend dem Erbgang der Herscher.

Bereits im Vormärz kam es zu Aufständen gegen die fürstliche Herrschaft. Der Widerstand gegen die zwangsweise Einführung der Feuerversicherung führte 1826 zur "Harraer Schlacht" mit 17 Toten. In Folge der Julirevolution von 1830 kam es zu Unruhen in Schleiz und Gera. Auch 1831 kam es in Gera zu Krawallen, die nur mit Hilfe des gemeinsamen Reußschen Infanterie-Battaillons niedergeschlagen werden konnten.

Die wirtschaftliche Lage in den Fürstentümern war stabil. Die Steuern und Abgaben waren -verglichen mit den anderen Staaten in Deutschland- gering. Grund hierfür war, dass die Schulden aus den Befreiungskriegen bereits 1834 getilgt waren und seit 1836 keine Staatsschulden mehr bestanden. Allerdings bestanden die Feudallasten fort und die Mißernte des Jahres 1847 hatte auch in Reuß j.L. zu einem massiven Anstieg der Lebensmittelpreise geführt.

Im Fürstentum Reuß-Lobenstein und Ebersdorf

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Die Märzrevolution in Reuß j.L. nahm ihren Anfang in Hirschberg. Im Haus des Ledefabrikanten Christian Heinrich Knoch verkehrten bereits vor 1848 führende Demokraten wie Robert Blum und Johann Georg August Wirth. Die Nähe zum bayerischen Hof erleichterte den Gedankenaustausch.

Am 8. März schickten die Bürger von Hirschberg eine Delegation in die Residenz, um Fürst Heinrich LXXII. ihre Märzforderungen zu überbringen. Der Fürst empfing die Delegation nicht, liess aber ausrichten, er würde die Petition persönlich in den nächsten Tagen in Hirschberg entgegennehmen.

Gleichzeitig fand in Lobenstein eine Volksversammlung statt, in der ein Kandidat der Theologie aus Hirschberg namens Thiele von der Hirschberger Petion berichtete. Am Folgetag reiste auch eine Lobensteiner Delegation in die Residenz und wurde ebenfalls nicht vom Fürsten empfangen.

Am Nachmittag des 9. März kam es in Lobenstein zu einer zweiten Volksversammlung. Die Stimmung war agressiv revolutionär, da gegen Mittag ein Militärkommando eingerückt war. Für die Bürger überraschend erschien aber der Fürst persönlich auf der Volksversammlung. Um die Stimmung zu beruhigen, gab er in wesentlichen Punkten nach. Er erklärte die Zensur für aufgehoben und befahl die Bildung einer Bürgerwehr. Am 11. März bestätigte er die Zusagen. Neben den genannten waren dies vor allem die Ablösung der Feudallasten, die Einführung von Schwurgerichten und die Öffentlichkeit des Strafverfahrens sowie die Einführung einer Verfassung und Volksvertretung.

Am 19. März zogen Revolutionäre aus Hirschberg über nach Ebersdorf. In ihrem Zug wollten sie einerseits die revolutionären Gedanken auch in die Landbevölkerung zu tragen, andererseits den Druck auf den Fürsten erhöhen. Der Stadtrat von Lobenstein untersagte ihnen jedoch den Durchmarsch aus Angst vor Ausschreitungen. Die Revolutionäre rückten dennoch in die Stadt ein, wo ihnen die Bürgerwehr unter Waffen entgegentrat. Ein Bote des Fürsten traf ein und überbrachte eine fürstliche Proklamation in der der Fürst erklärte er würde allen Beschlüssen der befreundeten Regierungen bezüglich der Einrichtung eines frei gewählten nationalen Parlamentes beitreten. Darüber hinaus bestätigte er die gemachten Zusagen. Dies reichte den Revolutionären nicht und zog weiter. In der Nähe Schönbrunn traf der Fürst persönlich auf den Zug. Es gelang ihm in Gesprächen mit den Führern des Zuges die Überzeugung zu vermitteln, die Forderungen seien akzeptiert und so löste sich der Zug auf. Auf der Heimkehr kam es an verschiedenen Orten zu Übergriffen.

Die Zugeständnisse der Fürsten hatte die Autorität der staatlichen Stellen zerstört. Es kam an verschiedenen Stellen zu Unruhen und die Bauern schossen das alles Wild, um Wildschäden zu verhindern. Der Fürst reagierte erneut mit Nachgiebigkeit. Er erliess ein Waldgesetz, dass das Abschiessen des Wildes legalisierte und ordnete die freie Wahl eines Landtages nur für Reuß-Schleiz an. Dieser sollte aus 8 frei gewählten Abgeordneten bestehen.

Gegen die Einberufung eines solchen Speziallandtags richtete sich nicht nur Protest aus Schleiz. Auch eine Volksversammlung sprach sich am Ostermontag gegen einen Speziallandtag und für einen gemeinesamen Landtag Reuß j.L. aus.

Im Fürstentum Reuß-Schleiz

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Am 11. März besuchte eine Tannaer Delegation unter Führung von Gustav Knoch in Schleiz und trug dem Fürsten eine Petiion vor, die der Hirschberger vom 8. März entsprach. Fürst Heinrich LXII. genehmigte diese "weil es überall so geschieht". Im Anschluss bildete sich in Schleiz eine Bürgerwehr aus 400 Freiwilligen. Der Stadtrat der Stadt Schleitz richtete am 13. März eine entsprechende Petition an den Fürsten, die ebenfalls genehmigt wurde.

Im Fürstentum Reuß-Gera

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Im Fürstentum Reuß-Gera war es während der ersten Revolutionstage ruhig. Am 11. März erklärten die beiden Fürsten, die Zugeständnisse die sie den anderen Landesteilen gemacht hatten, würden auch für den Geraer Landesteil gelten. Diese Erklärung verhinderte zunächst revolutionäre Handlungen.

Am 9. April fand im Rathaus in Langenberg eine Volksversammlung statt, zu der 64 Gemeinden des Fürstentums Vertreter entsandt hatten. Wortführer war der reußische Landkammerrates C. L. Krause. Die dort gefassten "Langenberger Beschlüsse" wurden gedruckt und im Fürstentum verteilt. Die darin enthaltenen Forderungen waren die weitestgehenden, die in Reuß aufgestellt wurden. Am 25. April wurden sie der Landesdirektion übergeben, am 13. Mai antworteten die beiden Fürsten. Die bereits bewilligten Forderungen wurden bestätigt, in den anderen auf die Arbeit des wählenden Landtags verwiesen.

Die Wahlen zur Nationalversammlung

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Nachdem das Vorparlament Wahlen zur Nationalversammlung ausgeschrieben hatte, wurde dieser Beschluss mit Verordnung vom 15. April auch in den Fürstentümern umgesetzt. Danach sollte für jedes der Fürstenümer je ein Abgeordneter gewählt werden. Dies wurde weithin abgelehnt. Bei der Wahl am 20. April gaben die meisten Gemeinden an, einen Kandidaten für das gesamte Land wählen zu wollen.

Nach der Wahl entschied der Fünfzigerausschuss am 29. April in diesem Sinne: Reuß j.L. sollte nur einen Abgeordneten bestimmen. Nun wurden Neuwahlen angesetzt, wobei den Gemeinden, die unter Vorbehalt gewählt hatten, freigestellt wurde, die Wahl zu wiederholen oder auch nicht.

Diese Verwirrungen führten zu einer Verschärfung des Wahlkampfes, in dem sich der Hirschberger Vaterlandsverein für radikaldemokratische Positionen stark machte. Am 18. Mai wurde das Wahlergebniss verkündet: Die Radikaldemokraten hatten sich durchgesetzt und Robert Blum hatte die meisten Stimmen erhalten. Blum war jedoch in mehreren Wahlkreisen gewählt worden. Er nahm das Leipziger Mandat an und lehnte das Reußische ab. Die Regierung ging davon aus, dass damit der zweitplatzierte, August Thieme gewählt sei und schickte ihn nach Frankfurt.

Dagegen richte sich eine Flut von Petitionen und Volksversammlungen, die Neuwahlen forderten. Ab dem 6. Juli 1848 vertrat daher Johann Georg August Wirth die Fürstentümer in der Paulskirche. Nach dessen Tod gewann Julius Fröbel das Mandat.

Aufstände und Besetzung

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Am 24. Juni fand in Gera ein kleiner Tumult statt, nachdem Hauptmann von Schönfels eine als Provokation empfunden Rede gehalten hatte. Gegen die Bürger, die von Schönfels tätig angegriffen hatten, wurden strafrechtliche Untersuchungen angeordnet. Die Landschaft Gera forderte eine Beendigung der Untersuchungen. Auf einer Volksversammlung am 24. Juli wurde diese Forderung lautstark wiederholt. Der Wortführer Krause griff hierbei zu so radikalen Worten, dass moderate Mitglieder des Redevereins (darin hatten sich die Demokraten organisiert) austraten und einen eigenen demokratischen Verein bildeten.

Auch die Regierung grif ein und liess am 26 Juli Kruse verhaften. Nachdem dies bekannt wurde, forderte die Landschaft die Freilassung. Diesem kam die Regierung nicht nach, worauf sich eine große Menschenmenge ansammelte, Kruse zu befreien. Die Regierung setzte 70 Mann Militär ein, die die Menge, die bereits das Schlosstor gesprengt hatte, mit gezogenen Bajonetten herausdrängte. Nachdem ein weiterer Angriff erneut die Schlosstore gesprengt hatte, wurde Kruse freigegeben, nachdem Kruse zugesagt hatte, zu Ruhe und Ordnung aufzurufen.

Als die Menge mit Kruse die Stadt verliess fiel ein Schuss. In der Folge kam es zu Ausschreitungen bei denen ein Toter und 20 bis 30 Verletzte zu beklagen waren. Die Regierung gab sich nun nach außen konziliant, beschloss aber um Unterstützung durch sächsische Truppen nachzusuchen.

Auch im Oberland hatte es inzwischen Krawalle gegeben. Anlaß war hier ein Volksfest am 29. Juli auf dem Gallenbeg bei Lobenstein. Die Revolutionäre hissten, entgegen dem Befehl des Fürsten, die schwarz-rot-goldene Fahne auf dem Schlossturm. Der Vorsitzende der Bürgerwehr Jäger, der dies veranlasst hatte wurde dem Kommando über die Bürgerwehr enthoben und angeklagt. Reußische Tuppen wurden nach Lobenstein verlegt. Hier rief die Regierung bayerische Truppen aus Bayreuth zur Hilfe.

Am 13. August rückten 350 Mann sächsische Infanterie und 80 Mann Kavallerie in Gera ein und stellten die Ordnung wieder her. Krause flüchtete ins nahe gelegene Ausland und die Vaterlandsvereine protestierten bei der Nationalversammlung. Trotz der Besezung kam es auch weiterhin überall im Land zu Volksversammlungen und Protesten.

Die Abdankung Heinrich LXXII.

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Am 26. Juni 1848 verliess Heinrich LXXII. Schloss Osterstein und nahm auf Schloss Guteborn Wohnsitz. Am 1. Oktober danke er förmlich ab. Da er unverheiratet war, trat Heinrich LXII. in seine Rechte ein und vereinigte damit alle Fürstentümer Reuß j.L. in einer Hand. Trotz der Wirren der Zeit erfolgte die Machtübertragung unproblematisch. Die Vereidigung der Staatsbediensteten und die Huldigung der Bürger erfolgte fast überall ohne Probleme. Lediglich Stdatrat und Stadtverordneten von Hirschberg verweigerten sich der Huldigung.

Weitere Besatzung

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Trotz der Anwesenheit sächischer Truppen war die Autorität der Regierung in Reuß j.L. weitgehend verschwunden. Ihre Anweisungen wurden nicht umgesetzt, zu einer Durchsetzung fehlte den Behörden die Kraft. Die Provisorische Zentralgewalt ernannte in dieser Situation Herbst 1848 Ludwig von Mühlenfels zum Reichskommissar für Thüringen und Altenburg. Mühlenfels besuchte am 31. Oktober nach Gera, um sich über die Lage ein Bild zu machen. Er ordnete an, zwei Bataillone Reichstruppen aus Altenburg nach Schlez und Lobenstein zu verlegen.

Die Empörung im Land war groß. Die Regierung sah sich gezwungen, dem Landtag zu erklären, sie sei gegen diese Besetzung und verhandelte gemeinsam mit dem Landtag mit Mühlenfels, die Last der Besatzung zu mildern. Nachdem die Bürgerwehren reorganisiert wurden und die Lage im Land ruhig geworden war, konnte diesem Wunsch entsprochen werden. In der Folge blieb es auch ruhig, selbst als Mühlenfels im Februar 1849 abberufen wurde. Während des sächsischen Aufstandes kam es erneut zu kurzfristigen Unruhen in Reuß j.L., die aber ohne Wirkung blieben und bald endeten.

  • Waldemar Wucher: Reuß jüngerer Linie in der Bewegung der Jahre 1848/49, Diss 1926
  • Reyk Seela: Landtage und Gebietsvertretungen in den reußischen Staaten 1848/67-1923, 1996, ISBN 3-437-35046-3, S. 32-33, 62-67

Einzelnachweise

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Kategorie:Revolution 1848/1849 in Deutschland Kategorie:Haus Reuß