Benutzer:Janneman/DKNY

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Die Humoristische Geschichte der Stadt New-York, vom Anbeginn der Welt bis zur Endschaft der hölländischen Dynastie, worin unter vielen erstaunlichen und merkwürdigen Dingen, abgehandelt sind die unaussprechlichen Erwägungen Walters des Zweiflers, die vom Unstern verfolgten Projecte Wilhelms des Eigensinnigen, und die ritterlichen Thaten Peters des Starrköpfigen, der drei holländischen Gouverneure von New-Amsterdam: als die einzige authentische Historie dieser Zeiten, die jemals ans Licht gestellt worden oder werden wird, englischer Originaltitel A history of New York, from the beginning of the world to the end of the Dutch dynasty. Containing, among many surprising and curious matters, the unutterable ponderings of Walter the Doubter, the disastrous projects of William the Testy, and the chivalric achievements of Peter the Headstrong, the three Dutch governors of New Amsterdam: being the only authentic history of the times that ever hath been published ist eine als Geschichtswerk getrante Satire, die der amerikanische Schriftsteller Washington Irving 1809 unter dem Pseudonym Dietrich Knickerbocker veröffentlichte.

In ihr zeichnet Irving ein wenig schmeichelhaftes Bild der Siedler der Kolonie Nieuw Nederland, aus der Irvings Heimatstaat Bundesstaat hervorging. Die Niederländer werden als bräsige, faule, pfeifenrauchende Schildbürger von geringem Verstand gezeichnet, was Irving seinerzeit den Zorn der niederländischstämmigen New Yorker einbrachte. Liest sich das Werk vordergründig als derbe Burleske, so ist es auf einer anderen Ebene zugleich eine beißende Satire auf die politische Führung der Vereinigten Staaten zu Irvings Lebzeiten. So ist die Figur des unfähigen Gouverneurs Wilhelmus Kieft ein spöttisches Portrait Thomas Jeffersons.


Die Geschichte New Yorks erscheint eingerahmt von einer doppelten Herausgeberfiktion: Auf eine „Nachricht über den Verfasser“, eine Beschreibung Dietrich Knickerbockers aus der Hand seines vorgeblichen Herausgebers, folgt ein Vorwort des vorgeblichen Autors Knickerbocker „An das Publikum.“ Knickerbocker erklärt hierin Ziel und Zweck seines Werks: Um den „vielen großen und wunderbaren Thaten unserer holländischen Vorfahren den gerechten Tribut des Nachruhms zu verschaffen,“ habe er es in vorliegendem Werk unternommen, die Geschichte der ersten Jahre seiner Heimatstadt zu schildern, gleich Xenophon „mit äußerster Unparteilichkeit und strikter Befolgung der Wahrhaftigkeit.“

Das eigentliche Werk ist in sieben Bücher mit je fünf bis zehn Kapiteln gegliedert, in denen er die Geschicke New Yorks „von Anbeginn der Welt“ bis zur Eroberung der Kolonie durch die Engländer im Jahr 1667 schildert.

Im ersten Buch der History setzt sich Knickerbocker mit der Vorgeschichte New Yorks auseinander. Er geht dabei in klassischer Manier vom Allgemeinen zum Besonderen über und beginnt also mit den Worten: „Die Welt, die wir bewohnen, ist eine ungeheure, widerscheinende, leblose Masse, die im Äthermeere von unbegrenztem Raume schwimmt.“ Im folgenden stellt er, gemäß seiner Pflicht als „unparteiischer Geschichtsschreiber,“ sämtliche ihm bekannten Theorien zu Gestalt und Ursprung der Erde vor, von den Brahminen und den Mohawk über Demokrit, die „Neger-Philosophen von Congo“, Aboul-Hassan-Aly bis hin zu Buffon, Hutton und Whiston. Da alle genannten Systeme gleichermaßen schlüssig und plausibel seien, möge sich der geneigte Leser eine heraussuchen; er selbst nehme bis auf weiteres mit der mosaischen Schöpfungsgeschichte vorlieb. Allerdings wirft er Noah das „unverzeihliche Versäumnis“ vor, nur drei Söhne gezeugt zu haben, denn gemäß der biblischen Völkertafel wurde Asien von Sems, Afrika von Hams, und Europa von Jafets Nachkommen besiedelt, was die Frage aufwirft, wessen Nachkommen die Indianer seien. Wiederum sieht es Knickerbocker als seine Pflicht an, sämtliche Theorien zur mutmaßlichen Entdeckung und Besiedlung Amerikas durch die Juden, Kanaaniter, Norweger, Friesen, Waliser, Ägypter, Abessinier und so fort vorzustellen. Das fünfte und letzte Kapitel des ersten Buchs ist eine scharfe Anklage der Entrechtung und Vernichtung der Indianer. Da Amerika nun also erwiesenermaßen bereits besiedelt war, stellt er die Frage auf:

„Welches Recht hatten die Entdecker Amerikas, hier anzulanden, und Besitz von diesem Land zu ergreifen, ohne das Einverständnis seiner Bewohner, und ohne sie für ihr Land angemessen zu entschädigen?“

Knickerbocker umreißt die Legitimation der Landnahme mit vorgeblicher Teilnahmslosigkeit mit den vier notwendigen Bedingungen, „wodurch Eigentum in einem Lande erhoben wird“: Entdeckung, Bewirtschaftung, Zivilisierung und schließlich Ausrottung der Ureinwohner. Erstens, so Knickerbocker, könnten sich die Europäer als Entdecker Amerikas bezeichnen, da sie bei ihrer Ankunft nachweislich ein von Menschen unbewohntes Land vorfanden. Zwar habe es hier zugegebenermaßen vor „gewissen zweibeinigen, aufrecht einhergehenden Tieren“ gewimmelt, die eine ganz erstaunliche Ähnlichkeit mit Menschen besessen hätten, doch hatten die Europäer wie Cortés oder Pizarro kaum Mühe nachzuweisen, dass es sich hierbei um bloße wilde Waldtiere handelte, die wie ebensolche gebändigt oder ausgerottet werden sollten. Zweitens hätten die Indianer kein Recht auf ihr Land, da sie es versäumten, das Land auch zu kultivieren. Ihre Sünde bestehe darin, von der Natur nie mehr verlangt zu haben, als diese aus freien Stücken hergebe, wo es doch der himmlische Wille sei, dass die Erde „gepflügt, gesät und gedüngt werden solle und in Städte und Dörfer und Bauernhöfe und Landsitze und Vergnügungsparks“ geteilt werden solle. Da sie jedoch gar kein Verlangen nach diesen Segnungen hätten, verletzten die Indianer nicht nur das göttliche Recht, sondern auch das Anrecht der Europäer auf das Land und machten sich also des unbefugten Betretens und des Diebstahls schuldig. Am schwersten wiege jedoch, dass sich die Indianer der Zivilisierung, insbesondere der Bekehrung zum Christentum widersetzten:

„Dass sie so wenig Bedürfnisse hatten, bewies gerade ihre Rohheit, denn erst die Menge und Größe der Bedürfnisse macht den Menschen – sie waren also unvernünftiges Vieh. Aber kaum sahen die wohlwollenden Bewohner von Europa ihre traurige Lage, als sie ihnen hülfreich beisprangen. Sie machten sie mit Rum, Branntwein, Fusel, und anderen Tröstungen des Lebens bekannt, und es ist erstaunlich, weil schnell die armen Wilden diese Segnungen schätzen lernten. Sie machten sie auch mit Heilmitteln gegen die hartnäckigsten Krankheiten bekannt, und um ihnen diese Wohltaten recht angedeihen zu lassen, führten sie erst jene schweren Krankheiten ein. […] Aber der wichtigste Zweig der Zivilisation, ein Recht, welches die ehrwürdigen Väter der Kirche am höchsten zu erheben gewusst haben, war die Bekehrung zum Christentum. Zwar hatten die Wilden zuvor weder gestohlen, noch veruntreut, sie waren sanft, mäßig, enthaltsam, und hielten ihr Wort, aber das war alles nur Gewohnheit, nicht aus Vorschrift.“

Die Entdecker setzten alles daran, diese Missstände zu beheben und die Indianern aus diesem unwürdigen Zustand herauszuhelfen. Dabei waren sie sehr erfolgreich, denn bald „nahm die christliche Liebe und Zärtlichkeit so überhand, dass in wenig Jahren kaum der fünfte Teil der Ungläubigen mehr in Südamerika existierte“, so dass sie schließlich ihren Anspruch auf das Land auch durch das „Recht durch Ausrottung“, in anderen Worten das „Recht durch Schießpulver“ geltend machen konnten.

Das zweite Buch befasst sich mit der Gründung und dem ersten Aufblühen der niederländischen Kolonie in Nordamerika. Zunächst berichtet Knickerbocker von den Entdeckungsfahrten des großen Henry Hudson und seiner niederländischen Besatzung („von geduldigem Temperament, viel der Ruhe und dem Schlaf, wenig dem Denken ergeben“). 1609 war er der erste Europäer, der die Insel Manhattan sichtete. Auf der Suche nach der Nordwestpassage (dem Seeweg nach China) segelte er den nach ihm benannten Hudson River hinauf, doch nach etwa hundert Meilen fiel ihm auf, dass „die Wasserfläche immer seichter und schmaler, der Strom schneller und das Wasser immer süßer wurde – Phänomene, die am Oberlauf von Flüssen nicht ungewöhnlich sind, die den ehrlichen Holländer jedoch ungeheuer in Verlegenheit brachten.“ Kurz darauf beschloss er mit dem Schiffsrat, dass China wohl doch nicht auf diesem Wege zu erreichen sei, und kehrte nach Amsterdam zurück, wo er triumphal empfangen wurde.

Ermutigt von Hudsons Entdeckungen beschloss vier Jahre nach seiner Rückkehr eine Gruppe aufrechter Niederländer, eine Kolonie in der jungen Welt zu Gründen, und stach an Bord der Goede Vrouw in See, einem Schiff, das die Amsterdamer Zimmermänner „den schönen Formen ihrer Landsmänninnen“ nachempfanden (und das daher je hundert Meter lang, breit und tief war). Vor der Landung schickte die Kolonisten ein Boot aus, um die Indianer freundlich zu begrüßen, doch erschraken diese „so sehr über die fürchterlichen, ungeschlachten Töne der holländischen Sprache, dass sie alle die Flucht ergriffen, über die Berghöhen liefen und nicht hielten, bis sie bis an die Ohren in die Sümpfe auf der anderen Seite gerieten und dort jämmerlich umkamen.“ Überrascht und ermutigt von diesem unverhofften Sieg machten sich die Siedler daran, die Gegend zu erkunden und beschlossen, dass sie bereits den richtigen Ort für eine Siedlung gefunden hatten, denn „der weiche Boden ließ sich herrlich mit Pfählen umrammeln, die Sümpfe umher gaben herrliche Gelegenheit für Gräben und Dämme, und das seichte Gestade war zur Anlegung von Schiffsdocks ganz gemacht – kurz der Ort hatte alle Eigenschaften zur Gründung einer echten holländischen Stadt.“ So errichteten sie an dieser Stelle die erste niederländische Siedlung in Amerika, genannt Communipaw, die bald durch regen Handel mit den Indianern aufblühte:

„Die Mannschaft der Goede Vrouw war bald durch frische Einfuhr von Holland verstärkt und die Niederlassung gedieh zusehens. Die benachbarten Indianer gewöhnten sich bald an die wunderlichen Töne der holländischen Sprache und ein lebhafter Verkehr trat ein. Die Indianer waren langem Sprechen, die Holländer langem Schweigen ergeben; in dieser Hinsicht paßten sie ganz zu einander. Die Häuptlinge hielten große Reden über den dicken Ochsen, den Wabasch und den großen Geist, wobei die andern sehr aufmerksam zuhörten, ihre Pfeifen rauchten und Yah Mynheer grunzten – worüber die armen Wilden sehr entzückt waren. Sie unterrichteten die Ansiedler in der besten Art den Taback zu gewinnen und zu rauchen, und diese lehrten sie auf gut holländisch trinken – wie nicht minder die Kunst, Handel zu treiben.“

Die einzige Gefahr drohte den Siedlern, als 1614 Samuel Argall vor der Küste der Kolonie aufkreuzte, um sie zur Unterwerfung unter die englische Krone zu zwingen, doch als die Bürger Communipaws sein Schiff erspähten, ergriff sie ein „solcher panischer Schrecken ergriffen, daß sie mit erstaunenswerther Heftigkeit ihre Pfeifen geraucht, und in Kurzem eine Wolke gebildet, die in Verbindung mit den umgebenden Waldungen und Sümpfen, ihr geliebtes Dorf ganz verschleierte“, so dass Argall vorbeifuhr, ohne die Kolonie gefunden zu haben. Nach diesem Schreckmoment sahen sich die Kolonisten nach einem geeigneteren Ort für eine Siedlung um, der sich leichter verteidigen ließen, und kauften den Indianern nach einigen Erkundungen schließlich die Insel Manhattan ab („Eine Maßnahme, die,“ so Knickerbocker, „in den Annalen der Entdeckungen und Kolonisation kaum eine Entsprechung hat“) und errichteten dort zunächst ein Fort, dann die Stadt Neu-Amsterdam.

Das dritte Buch der History beschreibt die Amtszeit von Wouter van Twiller als Gouverneur der Kolonie in den Jahren ab 1629. Seinen Namen leitet Knickerbocker von Twijfler, also „Zweifler“ ab, und so kann sich Twiller in seiner gesamten Amtszeit zu nicht einer Entscheidung durchringen konnte: die „Größe seiner Ideen“ erlaubte es nicht, „sie in dem Hirnkasten umzuwenden und von zwei Seiten zu betrachten, woher es denn kam, daß er immer in Zweifel lebte.“ Trotz oder gerade wegen dieser Untätigkeit war seine Ägide jedoch das Goldene Zeitalter der Kolonie:

„Im Rathe präsidirte er mit großer Salbung und Feierlichkeit. Da saß er denn in seinem stattlichen Stuhl, rauchte die prächtige Pfeife, bewegte sein rechtes Knie und richtete die Augen oft stundenlang auf einen kleinen Kupferstich von Amsterdam, der in einem schwarzen Rahmen ihm gegenüber an der Rathswand hing. Ja, wenn es eine Berathung von besonderer Länge und Schwierigkeit war, soll er die Augen ganz zugedrückt haben, oft auf zwei Stunden, um sich nicht durch Außendinge zerstreuen zu lassen. Dann gab sich die innere Bewegung seines Geistes durch gewisse regelmäßige Gurgeltöne kund, welche seine Bewunderer lediglich für das Getöse des Kampfes seiner Gedanken und Zweifel erklärten. Van Twiller war nicht allein der erste, sondern auch der beste Gouverneur dieser Provinz – nie wurde unter ihm ein Verbrecher bestraft, welches gewiß ein Zeichen milder Regierung ist.“

Von jeglicher Form der Regierung weitgehend unbehelligt gedieh unterdessen in der vormaligen Wildnis Manhattans die Stadt Neu-Amsterdam „wie ein mächtiger Fungus auf einem Stück verrottetendem Holz“ – detailreich schildert Knickerbocker im folgenden die eigentümlichen Trachten, Gebräuche und Sitten der Siedler.

Dieses Beschaulichkeit wird erst erschüttert, als die sich (als Folge des Bundlings) zahlreich vermehrenden Siedler der englischen Nachbarkolonie Connecticut immer häufiger erfrechen, sich auf niederländisch beanspruchtem Gebiet niederzulassen. Als einige dieser Squatter ihre Kohlrabatten gar direkt vor den Toren des Fort Goede Hoop anlegen, setzt der Kommandeur dieses Grenzforts eine eilige Depesche an den Gouverneur ab. Der Kurier schaffte die Strecke nach Neu Amsterdam zwar in etwas weniger als einem Monat, „obwohl die Entfernung gute zweihundert Pfeifen ausmachte,“ doch stieß Gouverneur Wouter van Twiller in eben dem Moment, da der Botschafter sein Ziel erreichte, eine letzte Rauchwolke durch die Lippen und schied mit einem sanften Grunzen dahin.

Entstehungs- und Werkszusammenhang

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Die Geschichte der Stadt New-York ist das erste selbständige Werk Washington Irvings. Begonnen hatte er seine Karriere als Schriftsteller 1802 mit vorgeblichen Leserbriefen, gezeichnet mit dem Pseudonym Jonathan Oldystyle im Morning Chronicle, einer von seinem Bruder Peter Irving herausgegebenen Tageszeitung. 1807–08 gab er gemeinsam mit einem weiteren Bruder, William Irving, und seinem Schwippschwager James Kirke Paulding in den 20 Ausgaben der Zeitschrift Salmagundi das kulturelle und politische Treiben besonders der höheren Kreise New Yorks aufs Korn. In gewisser Hinsicht erscheint die History als Fortführung von Salmagundi[1]; in einer der späteren Nummern hatte Irving sich von der Gegenwart zur Geschichte der Stadt zugewandt und eine humorige Episode als vorgeblich den Annalen der Stadt entnommenene wahre Begebenheit abgedruckt (Of the Chronicles of the Renowned and Antient City of Gotham). Er knüpfte so an das Genre des Spottepos (mock-heroic epic) an, das die Dichtung des englischen Neoklassizismus mit Werken wie Samuel Butlers Hudibras, Jonathan Swifts The Tale of the Tub, John Drydens MacFlecknoe und Alexander Popes The Rape of the Lock über ein Jahrhundert dominierte. Anders als diese Werke sind die pseudohistorischen Berichte in Salmagundi ebenso wie die History jedoch in Prosa gehalten. Prestigegewinn des Romans etc. pp

Die ersten Pläne zur History of New York gehen auf das Jahr 1808 zurück, wenige Monate, nachdem die letzte Nummer des Salmagundi erschienen war. Wiederum war sie ursprünglich als familiäre Kollaboration geplant: die ersten Entwürfe schreib Washingtin Irving gemeinsam mit seinem älteren Bruder Peter Irving, der sich jedoch im Herbst des Jahres nach Europa einschiffte, um die Leitung der dortigen Dependance des Irvingschen Handelsunternehmens zu übernehmen; er sollte erst 1832 nach New York zurückkehren.

Ursprünglich hatten die Brüder vor, eine Parodie auf einen kurz zuvor erschienen Band von Samuel Latham Mitchill zu schreiben. Mitchill genoss in New York einiges Renommee als Universalgelehrter, beglückte die Stadt mit ebenso zahlreichen wie langatmigen Vorträgen über so verschiedene Themen wie Ichthyologie, Erdbeben, Literatur und Medizin. 1807 veröffentlichte dieser weitgereiste Polyhistor einen Band mit dem Titel The Picture of New York; or The Traveller's Guide through the commercial metropolis of the United States. Dieser in thematische Kapitel (Geschichte, Topographie, Gesundheit, Wirtschaft usw.) gegliederte Reiseführer ließ New-York geradezu paradiesisch erscheinen. Den Brüdern Irving hingegen, die die Metropolen Europas aus eigener Anschauung kannten, erschien diese Überhöhung des doch noch recht überschaubaren New York – um 1800 eine Stadt mit kaum mehr als 60.000 Einwohnern – recht vermessen.[2] Die Parodie der Irvings sollte eigentlich der thematischen Gliederung des Vorbilds folgen, doch entschied sich Washington Irving nach der Abreise seines Bruder, stattdessen das als Einleitung gedachte Geschichtskapitel zu einer umfassenden Pseudochronik der Stadt New York „vom Anbeginn der Welt bis zur Endschaft der holländischen Dynastie“ auszuspinnen. Der Grund dafür mag sein, dass er bei seinen Recherchen erstmals aufrichtiges Interesse an gelehrten Schriften entwickelte.

Während der Arbeit an der History verstarb im April 1808 nach kurzer, schwerer Krankheit Matilda Hoffman, an die Irving sein Herz verloren hatte.[3] Dieser Schicksalsschlag, von seinen späteren Biografen oft auf höchst sentimentale Weise geschildert, sollte sein Gemüt nachhlatig verfinstern; der Arbeit an der History hingegen gab er plötzlichen Schub. In den nächsten Wochen und Monaten schrieb er umso eifriger an seinem Werk, um den schmerzlichen Gedanken an seine verlorenen Liebe zu verdrängen. Zum Schreiben zog er sich teils für Wochen aufs Land zurück, in der Stadt verbrachte er die meiste Zeit zwischen verstaubten alten Büchern in der Bibliothek der New York Historical Society zurück.[4]

Die History als Satire auf Thomas Jefferson

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Irvings zeitgenössisch amerikanische Leser hatten kaum Mühe, die in der History enthaltenen Spitzen gegen die Person und Administration des damaligen Präsidenten Thomas Jefferson zu entschlüsseln.[5] Auch ohne Kenntnis der amerikanischen Politik erkannte Walter Scott sofort, dass das Werk eine politische Satire ist.[6]

Irving hatte sich schon zuvor in der Kunst der politischen Schmähschrift geübt; seine ersten schriftstellerischen und journalistischen Arbeiten erschienen in der Tageszeitung Morning Chronicle, die sein Bruder Peter Irving 1802 als Sprachrohr der Parteigänger von Vizepräsident Aaron Burrs ins Leben gerufen hatte. Nachdem die Burr’sche Partei nach 1804 als politische Kraft aufgehört hatte, zu existieren, nahm Irving zwar kaum noch am politischen Tagesgeschehen teil, doch galten seine Sympathien in vielen Belangen den Föderalistische Partei. Radikaldemokratischen Tendenzen, wie sie sich im politischen Programm Jeffersons zeigten, stand er mit ausgeprägtem Misstrauen gegenüber.

Die History war ein sofortiger Verkausferfolg: Bereits nach einem Jahr beliefen sich Irvings Tantiemen auf $ 2.000.[7] Insbesondere in New York spaltete das Werk die Gemüter: Viele der Nachkommen der holländischen Siedler fühlten sich in ihrer Ehre verletzt. Es geht die Mär, dass eine gefürchtete Vettel aus Albany sich auf den Weg nach Manhattan machte, um Irving eigenhändig mit ihrer Pferdepeitsche zu versohlen.


zeitgenössische Ausgaben

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  • A History of New York…. Inskeep & Bradford, Philadelphia 1809. [Erstausgabe]
  • A History of New York…. Inskeep & Bradford, Philadelphia 1812. [1. überarbeitete Ausgabe; Digitalisat beim Internet Archive]
  • A History of New York… Band I von The Works of Washington Irving. New Edition, Revised George P. Putnam [Ausgabe letzter Hand (Author's Revised Edition)]; Digitalisat bei google book search]

moderne Ausgaben

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  • Stanley T. Williams und Tremaine McDowell (Hrsg.): A History of New York. Yale University Press, New Haven 1927.
  • Michael L. Black und Nancy B. Black (Hrsg.): A History of New York…. Twayne, Boston 1984 (=Band 7 von Henry A. Pochmann, Herbert L. Kleinfield, Richard D. Rust (Hrsg.): The Complete Works of Washington Irving. 30 Bände. University of Wisconsin Press, Madison/Twayne, Boston 1969–1986).
  • Elizabeth L. Bradley (Hrsg.): A History of New York. Penguin, London und New York 2008.
  • Humoristische Geschichte der Stadt New-York… Verlag Johann David Sauerländer, Frankfurt am Main 1829. [Digitalisat]

Sekundärliteratur

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  • Ralph M. Aderman: Critical Essays on Washington Irving. Hall, Boston 1990. ISBN 0-8161-8896-3
  • Peter Antelyes: Tales of Adventurous Enterprise. Washington Irving and the Poetics of Western Expansion. New York u.a.: Columbia Univ. Pr., New York 1990. ISBN 0-231-06860-3
  • Helmbrecht Breinig: Irvings Kurzprosa, Kunst und Kunstproblematik im erzählerischen und essayistischen Werk. Europäische Hochschulschriften. Reihe 14, Angelsächsische Sprache und Literatur. Bd 6. Herbert Lang, Bern 1972. ISBN 3-261-00789-3
  • Robert A. Ferguson: "Hunting Down a Nation": Irving's A History of New York. In: James W. Tuttleton (Hg.): Washington Irving: The Critical Reaction. AMS Press 1993. [erstmals erschienen in: Nineteenth-Century Fiction 36:1, Juni 1981. S. 22–46.]
  • Jeffrey Insko: Diedrich Knickerbocker, Regular Bred Historian. In: Early American Literature 43:3, 2008. S. 605-641.
  • Andrew B. Myers (Hrsg.): A Century of Commentary on the Works of Washington Irving. 1860–1974. Sleepy Hollow Restorations, Tarrytown NY 1976. ISBN 0-912882-28-X
  • Martin Roth: Comedy and America. The Lost World of Washington Irving. Kennikat Press, Port Washington NY 1976. ISBN 0-8046-9132-0
  • Stanley T. Williams: The Life of Washington Irving. 2 Bände. Oxford University Press, New York 1935.

Einzelnachweise

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  1. Williams: The Life of Washington Irving. Bd. I, S. 110.
  2. Williams: The Life of Washington Irving. Bd. I, S. 111.
  3. Williams: The Life of Washington Irving. Bd. I, S. 103.
  4. Williams: The Life of Washington Irving. Bd. I, S. 109.
  5. Henry Adams: History of the United States of America during the Administration of James Madison. Charles Scribner’s Sons, New York 1921. Bd. III. S. 209–213.
  6. Williams: The Life of Washington Irving. Bd. I, S. 117.
  7. Williams: The Life of Washington Irving. Bd. I, S. 118.

Adams