Benutzer:INM/Sonaten für Violine und Cembalo (Bach)

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Unter Johann Sebastian Bachs Namen sind mindestens zehn Werke für Violine und Cembalo erhalten. Acht davon sind viersätzige Kirchensonaten; hinzu kommen eine siebensätzige Suite sowie eine Fuge. Bach selbst beherrschte beide Instrumente virtuos und setzte sich in praktisch allen seinen Schaffensperioden mit dieser Besetzung auseinander. Oft fand er hier neue und ungewöhnliche kompositorische Lösungen.

Historische Bedeutung

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Ein Blick auf diese Kompositionen zeigt die Entwicklung der rechten Hand des Cembalisten von einer reinen Continuobegleitung durch stützende Akkorde hin zur gleichberechtigten Solostimme. Dieser neue Einsatz des „Claviers“ ist eine musikhistorisch sehr bedeutende Entscheidung Bachs, die dem Tasteninstrumentenspiel eine neue Dimension hinzufügt und vollkommen neue musikalische Gattungen ermöglichte – beispielsweise die Sonate für Klavier mit Begleitung einer Violine, das Klaviertrio und das Klavierkonzert, die von den nachfolgenden Generationen begeistert aufgegriffen wurden und schnell zu den wichtigsten und am meisten verwendeten Gattungen wurden.

Sonaten für ein Instrument und obligates Cembalo basieren grundsätzlich auf der Tradition der Triosonate (und wurden gewöhnlich auch als „Trios“ bezeichnet), da das Soloinstrument und die beiden Hände des Cembalisten drei unabhängige Stimmen ausführen. Bach ging aber noch einen Schritt weiter, indem er dem Cembalo nicht nur einstimmige Sololinien anvertraute, sondern auch harmonische Begleitfiguren, die nun also nicht mehr der Spieler aus der Bezifferung improvisiert, sondern der Komponist im Detail ausformuliert. Dabei griff er zunehmend auf Elemente des Klaviersatzes zurück, die er in seinen virtuosen Solokompositionen (etwa der Clavierübung) entwickelt hatte.

Auch wenn Bach bis ins hohe Alter noch Werke mit Continuo schrieb (beispielsweise die Triosonate im Musikalischen Opfer), zeigt seine Kammermusik eine deutliche Tendenz zur individuellen kompositorischen Ausformung aller Werkdetails, die sich zunehmend weniger auf die gestalterischen Fähigkeiten des Interpreten verlässt. Dies lässt sich auch in Bachs Sonaten für Gambe und Flöte sowie vor allem in seinen Cembalokonzerten beobachten.


Sei Suonate à Cembalo concertato e Violino Solo

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Innerhalb einer Fülle einzeln überlieferter Werke für Violine und Cembalo spielen die Sechs Sonaten (BWV 1014-1019) eine ganz besondere Rolle. Schon die Zusammenfassung zu einem Zyklus und die autographe Schönschrift zeigen die Wertschätzung, die der Komponist ihnen entgegenbrachte. Diese Sonaten entstanden etwa 1724 oder 1725, und sogar in den letzten Wochen seines Lebens nahm Bach sich noch einmal Zeit, einzelne Sätze davon zu überarbeiten.

Der Originaltitel regt auch die Verwendung einer Gambe zur Verstärkung der linken Hand des Cembalos an:

„Sei Suonate à Cembalo [con]certato e Violino solo, col Basso per Viola da Gamba accompagnato se piace. Composte da Giov. Sebast. Bach.“

Mit diesem Bassinstrument würde es sich gleichzeitig um eins der historisch frühesten Fälle eines Klaviertrios handeln, wie sie auch Carl Philipp Emanuel Bach 1774 in einem Brief an Johann Nikolaus Forkel nannte[1]:

„Die 6 Clavirtrio, die unter ihren Nummern zusammengehören, sind von den besten Arbeiten des seeligen lieben Vaters. Sie klingen noch jetzt sehr gut, u. machen mir viel Vergnügen, ohngeacht sie über 50 Jahre alt sind. Es sind einige Adagii darin, die man heut zu Tage nicht sangbarer setzen kann.“

Sonate h-Moll BWV 1014

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  • Adagio 6/4 h-Moll
  • Allegro 2/2 h-Moll
  • Andante c D-Dur
  • Allegro 3/4 h-Moll

Der erste Satz fällt auf, weil er gleich von Beginn die rechte Hand des Cembalos zweistimmig in Terzen und Sexten führt; dies wird später auch von der Violine in Doppelgriffen aufgenommen und führt so stellenweise zu einem bis fünfstimmigen Satzbild.

Sonate A-Dur BWV 1015

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  • dolce 6/8 A-Dur
  • Allegro assai 3/4 A-Dur
  • Andante un poco c fis-Moll
  • Presto 2 A-Dur

Sonate E-Dur BWV 1016

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  • Adagio c E-Dur
  • Allegro 2 E-Dur
  • Adagio ma non tanto 3/4 cis-Moll
  • Allegro 3/4 E-Dur

Sonate c-Moll BWV 1017

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  • Siciliano - Largo 6/8 c-Moll
  • Allegro c c-Moll
  • Adagio 3/4 Es-Dur
  • Allegro 3/4 c-Moll

Der erste Satz zeigt starke motivische Beziehung zu der Aria Erbarme dich aus der Matthäuspassion.

Sonate f-Moll BWV 1018

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  • Largo 3/2 f-Moll
  • Allegro c f-Moll
  • Adagio c c-Moll
  • Vivace 3/8 f-Moll

Zum dritten Satz liegt auch eine Frühform vor (BWV 1018a).

Sonate G-Dur BWV 1019

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  • Allegro c G-Dur
  • Largo 3/4 e-Moll
  • Allegro c E-Dur (Cembalo solo)
  • Adagio c h-Moll
  • Allegro 6/8 G-Dur

Diese Sonate existiert auch in zwei vorhergehenden Fassungen mit anderer Satzfolge (Frühform: BWV 1019a); offenbar hat Bach


Weitere Werke für Violine und Cembalo, oder Violine und Basso Continuo

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Neben der Sammlung von sechs Sonaten sind weitere Einzelwerke in ähnlicher Besetzung erhalten. Quellenlage, Struktur und Charakter sind sehr unterschiedlich – teils sind es virtuose Violinsoli mit schlichter Continuobegleitung, teils akzeptieren sie das Continuo als gleichberechtigten Partner; einige der Werke führen die rechte Hand des Cembalos aber auch ganz obligat. Im Konzertsaal und auf CDs stehen diese Kompositionen sehr im Schatten der Sechs Sonaten.

Sonate G-Dur BWV 1021

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  • Adagio c
  • Vivave 3/8
  • Largo c
  • Presto ¢

Diese Sonate für Violine und bezifferter Bass ist nach heutigem Forschungsstand wohl 1732 bis 1735 entstanden[2].

Sonate e-Moll BWV 1023

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  • c
  • Adagio ma non tanto 3/4
  • Allemande c
  • Gigue 12/8

Die einleitende virtuose Fantasie der Violine über einem liegenden Ton Orgelpunkt des Continuo besteht aus ununterbrochenen Sechzehntelketten; ihre typischen geigenspezifische Effekte – vor allem die Bariolage – erinnern an ähnliche Passagen im E-Dur-Präludium für Violine solo oder in der d-Moll-Toccata für Orgel. Der dreiteilige Satz moduliert im Mittelteil stark und kehrt dann zur Motivik des Beginns zurück. Es folgt ein ausdrucksvolles Adagio voller Chromatik und unerwarteter harmonischer Wendungen, in dem Bach häufig die Violine in Triolen gegen die Achtel des Continuos führt. Zwei zweiteilige Tanzsätze führen das ungewöhnliche Werk, in dem das Continuo praktisch überhaupt nicht am motivischen Spiel beteiligt war, zu Ende.

Christoph Wolff datiert die Komposition vorsichtig auf „nach 1723“[3] und rechnet sie zu dem Repertoire, das Bach in Leipzig zu Aufführungen im Kaffeehaus zur Verfügung stand.

Suite A-Dur BWV 1025

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  • Fantasia c
  • Courante 3/4
  • Entrée c
  • Rondeau 3/4
  • Sarabande 3/4
  • Menuett 3/4
  • Allegro c

Das Werk stellt in mancher Hinsicht einen Zwitter zwischen Sonate und Suite dar. Die Komposition wird heute auf etwa 1739 datiert[4].

Fuge g-Moll BWV 1026

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  • Allegro ¢

Ein umfangreicher, virtuoser Einzelsatz für Violine und obligates Cembalo, der besonders an das mehrstimmige Spiel der Violine hohe Anforderungen stellt. Lange Zwischenspiele mit einem quasi improvisatorischen Gestus geben dem Geiger auch genug Möglichkeit, seine Bogenbeherrschung zu zeigen. Eine Abschrift aus Bachs Weimarer Zeit beweist die frühe Entstehung, möglicherweise als Vorstudie oder im Zusammenhang mit den Sonaten und Partiten.


Zu Unrecht Johann Sebastian Bach zugeschriebene Werke

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Drei Werke haben in den Fünfziger Jahren eine Nummer im Bachwerke-Verzeichnis erhalten, gelten aber heute im Allgemeinen nicht mehr als originale Kompositionen Johann Sebastian Bachs:

Carl Philipp Emanuel Bach: Sonate g-Moll für Violine und Cembalo.

  • 3/4
  • Adagio 9/8
  •  Allegro 2/4

Die bereits von Friedrich Spitta angestellte Vermutung, es könne sich auch um ein Werk für Flöte handeln, basiert nur auf der Tatsache, dass die Stimme keine Doppelgriffe oder andere geigenspezifische Effekte und einen entsprechend geringen Tonumfang aufweist.

Unbekannter Komponist: Sonate F-Dur für Violine und obligates Cembalo

  • c
  • Allegro e presto 3/8
  • Adagio c
  • Presto c

Diese Komposition liegt auch in einer Fassung für Flöte, Violine und Continuo vor (BWV 1038). Sie hat mit der originalen G-Dur-Sonate (BWV 1021) eine praktisch identische Basslinie; die Forschung geht im Allgemeinen davon aus, dass es sich um eine Aufgabe im Kompositionsunterricht handelt, wo ein Schüler zwei Oberstimmen zu einer von Bach vorgegebenen Bassstimme anfertigte.

Johann Georg Pisendel: Sonate c-Moll für Violine und bezifferten Bass.

  • Adagio c
  • Presto ¢
  • Affettuoso c
  • Vivace 3/8

Pisendel war ein Freund Bachs; als virtuoser Geiger hatte er bei Antonio Vivaldi studiert und war als Konzertmeister am Hof in Dresden angestellt.

  1. zitiert nach: Christoph Wolff: Johann Sebastian Bach, 2. Auflage 2007. S. Fischer, Frankfurt am Main, ISBN 978-3-596-16739-5
  2. Christoph Wolff, gleiche Stelle.
  3. Christoph Wolff, gleiche Stelle.
  4. Christoph Wolff, gleiche Stelle.

Noten im Internet

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