Benutzer:Fabia Sturm/Zürcher Theater Spektakel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Das Zürcher Theater Spektakel ist eines der wichtigsten europäischen Festivals für zeitgenössische Formen der darstellenden Künste und das grösste Theaterfestival der Schweiz.[1][2] Das Theater Spektakel findet jährlich im Sommer während 18 Tagen in Zürich-Wollishofen auf der Landiwiese am Zürichsee statt. Die Organisation obliegt Verantwortlichen des Präsidialdepartements der Stadt Zürich.[3]

Das Festival wurde 1980 als internationales Treffen freier Theater gegründet. Es fand während 8 Tagen erstmals vom 26. Juni bis 2. Juli 1980 statt.

Die Theaterlandschaft der 1980er Jahre war in Zürich wie auch andernorts geprägt von einem Umbruch weg von subventionierten Stadttheatern hin zu neuen Theaterformen des Freien Theaters. Davon zeugt nicht nur die Gründung des Zürcher Theater Spektakels, sondern beispielsweise auch die Jugendunruhen in der Schweiz und die damit einhergehenden Opernhauskrawalle im Mai 1980. Seit dem Ende der 1960er Jahre wandten sich Theaterschaffende immer mehr vom Staats- und Stadttheater ab und stellten sich so gegen die Zwänge zur Repräsentation und zur Vermittlung von Bildungsaufträgen. Das Stadttheater wurde als elitär, verstaubt und zu bürgerlich empfunden.[4] Beispielhaft dafür wurde im Regionaljournal Zürich Schaffhausen vom 21. Mai 1980 das Programm der Juni-Festwochen, die in der Stadt Zürich 1921–1993 durchgeführt worden sind, als "von Jahr zu Jahr langweiliger und ideenloser"[5] bezeichnet. Dies wird vom Regionaljournal unter anderem als Auslöser für die Gründung des Zürcher Theater Spektakels angesehen. Aus dem Bedürfnis nach neuen Theaterformen ausserhalb etablierter Häuser und Institutionen erarbeiteten Theaterschaffende der Freien Szene also spontanere, wildere, radikalere Formen des Theaterspielens.[6] Dabei interessierten sie sich vermehrt auch für zirzensische und musikalische Theaterformen .[5] Aus diesem Bedürfnis heraus wurde das Theater Spektakel mit verschiedensten Auftritten von freien Theater- und Zirkusgruppen gegründet.

Inspiriert waren die Zürcher Festivalgründer unter anderem von Festivals in Nancy und München.[5] 1977 wurde in München erstmals das Internationale Festival des Feien Theaters abgehalten. Auf der Theresienwiese entstand während vierzehn Tagen eine Theaterstadt mit fünf Zelten und Bretterbauten, die das Gelände in eine Theaterlandschaft verwandelten. Es traten internationale Gruppen auf und es war von einem "Theaterjahrmarkt" und natürlich von "Spektakel" die Rede.[7] Am Münchner Theater-Festival war auch Jürg Woodtli, ein späterer Mitgründer des Zürcher Theater Spektakels, als Produktionsleiter der freien Theatergruppe Jerry Dental Kollekdoof zu Gast. In einem Interview mit Verena Hoehne zur Gründung des Theater Spektakels sagte Woodtli: "Und so war die Idee naheliegend: Warum nicht auch in Zürich ein Festival aufziehen mit Theater in Zelten, also zunächst ein Festival nach Münchner Vorbild?!"[8] Kurzerhand wurden also auf der Zürcher Landiwiese die Guckkastenbühnen durch Zirkusarenen ersetzt und das Zürcher Theater Spektakel war geboren.

Das Gründungsteam bestand aus Jürg Woodtli, Wolfgang Wörnhard vom Tages-Anzeiger und Nicolas Baerlocher vom Präsidialdepartement der Stadt Zürich und vom Theater 11.[9] Vom Tages-Anzeiger mit beträchtlichen Geldern lanciert gelangte der Vorschlag zum Zürcher Theaterfestival an die Stadt Zürich, welche sich daraufhin auch finanziell und ideell mitverpflichtete.[8] Bei einer Pressekonferenz vom 22. Mai 1980 informierten der Stadtpräsident Sigmund Widmer und Vertretende der Initianten über die Hintergründe und den Sinn des Festivals. Für freie Theatergruppen war es laut ihnen äusserst schwer, Engagements an subventionierten Theatern zu finden, was meist am mangelnden Bekanntheitsgrad lag. Das Zürcher Theater Spektakel bot nun einigen Gruppen die Möglichkeit, vor einem grösseren Publikum zu spielen. Und dem Publikum wiederum wurde so die Chance geboten, verschiedene Formen des gegenwärtigen internationalen Alternativtheaters kennenzulernen, was bisher in der Schweiz fast gar nicht möglich gewesen war.[10] Die Tickets wurden daher und auch im Vergleich zu anderen Stadtzürcher Theatern preisgünstig angeboten und ein grosser Teil der Aufführungen wurde komplett kostenfrei zugänglich gemacht.[11]

Das Programmspektrum des Zürcher Theater Spektakels war von Anfang an breit gefächert. Es reichte vom Gauklerzirkus und Variété über Puppen- und Schattenspiele bis zum politisch engagierten oder avantgardistischen Sprech-, Tanz- und Musiktheater. Auch Strassentheater, Kleinkunst, Kinder- und Jugendtheater sowie spartenübergreifende Inszenierungen waren Teil der vielfältigen Theaterformen.[2] Den Organisatoren war es ein Anliegen, mit Theaterexperimenten und innovativen Zirkusformen unkonventionelle Theatererlebnisse zu ermöglichen.[2] Ein kontroverses Programmangebot – sowohl für Kritiker als auch für das Publikum – war das erklärte Ziel.[11] Viele der eingeladenen Gruppen zeigten politisches und sozialkritisch engagiertes Theater.[4] Zugleich waren aber auch leicht zugängliche und unterhaltsame Aufführungen, bei denen einfach gelacht werden darf, schon immer fester Bestandteil des Programms.[11] Im ersten Jahr setzte sich das Programm aus fünf Schweizer Gruppen und elf weiteren Gruppen aus Deutschland, Frankreich, Algerien, den Niederlanden, Italien, Mexiko und den USA zusammen.[12] Die Veranstalter verfolgten damit auch das Ziel, vor allem internationale Theaterformen vorzustellen und nicht nur Schweizer Gruppen einzuladen.[5]

Das Zürcher Theater Spektakel sollte rasch zu einem erfolgreichen Festival heranwachsen. Aufgrund der grossen Resonanz beim Zürcher Publikum wurde das Budget innerhalb der ersten zehn Jahre beinahe verdreifacht und schon in den frühen 1980er Jahren erhielt das Festival Beiträge vom Kanton Zürich und von verschiedenen Stiftungen und Sponsoren.[2]

Strassen-Performance am Theaterspektakel

Rund 40 verschiedene internationale Gruppen und Einzelkünstlerinnen und Einzelkünstler werden jährlich mit ihren aktuellen Theaterproduktionen eingeladen. Das Zürcher Theater Spektakel ist dabei kein Uraufführungsfestival, Premieren stellen eher die Ausnahme dar.[2] Das Programm umfasst verschiedene zeitgenössische Formen der darstellenden Künste. Auch ein Kinderprogramm oder diverse Workshops sind fester Bestandteil des Programms.[5]

Im Rahmen des Theater Spektakels sind bekannte Künstler wie Kornél Mundruczó, Milo Rau, Boyzie Cekwana, Lola Arias, Amir Reza Koohestani, Forced Entertainment, Market Theatre, Wooster Group, Socìetas Raffaello Sanzio, Peter Brook, Robert Lepage, Christoph Marthaler, Marina Abramović, Matthew Barney, Ueli Hirzel oder Alvis Hermanis aufgetreten.[13]

Das Zürcher Theater Spektakel zählt jährlich rund 150'000 Besucher. Während der 18 Tage Festival finden jeweils rund 100–140 Aufführungen statt.[2] Für die kostenpflichtigen Vorstellungen werden jeweils rund 25'000 Karten abgesetzt. Das entspricht einer durchschnittlichen Auslastung von rund 85%. Die Tickets für die Aufführungen sind oft schon Wochen im Voraus ausverkauft.[11]

Seit 1986 verleiht die Zürcher Kantonalbank am Schluss des Festivals den ZKB Förderpreis und den ZKB Anerkennungspreis. 2016 kam der ZKB Publikumspreis dazu.[13]

Nach dem Motto "Raus aus den Tempeln, rein in die Hallen und Zelte!"[6] oder "Statt Kultur auf Säulen: Kultur im Zelt!"[14] wurde das Zürcher Theater Spektakel nicht etwa in einem eigens dafür erbauten Theaterhaus etabliert, sondern in Zelten auf der Landiwiese und unter freiem Himmel. Die Zelte wurden anfänglich vom Münchner Zirkusunternehmen Atlas-Sarasani ausgeliehen.[15] Neben den herkömmlichen Zirkuszelten gab es auch besondere Varationen von Zelten, so wie etwa das Spiegelzelt des Zirkus Aladin.[16] Doch allein die Zelte genügten dem expandierenden Spektakel bald nicht mehr und weitere Spielorte kamen dazu. So wird auf der Saffainsel eine bis ins Wasser reichende Seebühne aufgebaut und verschiedene Veranstaltungen finden auch an anderen Orten statt, so wie beispielsweise in der Werfthalle der Zürichsee-Schifffahrtsgesellschaft, der Roten Fabrik, oder der Reithalle Gessnerallee. Es ist auch vorgekommen, dass Gruppen ausverkaufter Aufführungen kurzerhand Gratis-Vorführungen ausserhalb der Zelte gegeben haben.[11]

Fester Bestandteil des Zürcher Theater Spektakels sind seit jeher Strassentheater-Formate. Entsprechende Darbietungen wurden sowohl auf dem Gelände auf der Landiwiese als auch in der Zürcher Innenstadt gegeben.[11] So wurden beispielsweise die Rathausbrücke, der Paradeplatz und die Pestalozzi-Wiese bespielt[17] und zuweilen fanden auch Aufführungen an speziellen Spielorten wie im Zoo Zürich[18] statt. Insbesondere in den Anfangszeiten des Theater Spektakels waren Freilichtveranstaltungen mit Festivalcharakter und umfassendem Kulinarikangebot eine Neuheit in der Schweiz.[4] Auf dem Veranstaltungsgelände gab es ein Gastronomieangebot mit mehreren Restaurants und Bars, das als sehr kreativ und ausgefallen wahrgenommen wurde.[19][11] Viele Leute kamen so auch ans Zürcher Theater Spektakel, ohne eine Theateraufführung zu besuchen.[20]

Die Atmosphäre, das Festival als sozialer Begegnungsort, zeichnete das Zürcher Theater Spektakel neben dem breiten Theaterangebot von Anfang an aus.[11] Zahllose Stimmen aus dem Publikum heben diese Atmosphäre besonders positiv hervor.[20] 1983 berichtet die Neue Zürcher Zeitung darüber: "Eine Mischung von ganz eigenem Geschmack: Viele, sehr viele Leute, die sich offensichtlich wohlfühlen, lachen, reden, essen, dazwischen Musik aus den vier Theaterzelten und in den Zelten Ausdruck des Unbehagens an der Zeit, immer wieder die Frage nach dem Sinn heutigen Lebens. – Das Theater-Spektakel auf der Landiwiese."[21]

Zeitweise war die Jahrmarkts-Stimmung am Theater Spektakel beinahe überwiegend, worauf die Organisation des Festivals beispielsweise mit weniger Gruppen an mehr Tagen reagierte.[14] Es ist zuweilen eine heikle Gratwanderung zwischen Theaterkultur und Volksfest.[18] So sagte Mitgründer Woodtli 1982 in einer Fernseh-Reportage: "Es läuft fast zu gut! [...] So viele Leute kommen mittlerweile mit Saxophon, Gitarre und Trommeln hierher. Zuviel miteinander stört sich, führt zu einem Jahrmarkt. Und im Zentrum soll ja schliesslich das Theater stehen."[22] Dieses schwierige Nebeneinander von Theater und Spektakel stellt eine der grössten Herausforderungen für das Zürcher Theater Spektakel dar, doch die einzig radikale Lösung wäre es, sämtliche Gastronomieangebote zu streichen, was auch nicht im Sinn der Veranstalter wäre.[22]

Rechtsträgerin und Veranstalterin des Zürcher Theater Spektakels ist das Präsidialdepartement der Stadt Zürich. Das Leitungsteam des Theater Spektakels wird durch dieses Departement ausgewählt. Die Festival-Leitung ist verantwortlich für Programm- und Budgetplanung.[2] In den Anfangsjahren war eine Programmgruppe aus sechs bis zehn Personen verantwortlich für die Organisation. Innerhalb dieser Gruppe entstand schliesslich ein Team von einigen ganzjährig angestellten Personen, welche die eigentliche Festivalleitung bildeten und welche die Verantwortung für die Leitung des Festivals, die Technik, die Administration und das Programm übernahm.[2] Das Festival wird aktuell von Matthias von Hartz (Künstlerische Leitung, seit November 2017), Veit Kälin (Technische Leitung, seit 2015) und Sarah Wendle (Kaufmännische Leitung, seit 2021) geleitet.[1] Neben der Leitung beschäftigt das Zürcher Theater Spektakel während der Festivalwochen mittlerweile über hundert Teilzeitkräfte.[2]

künstlerische Leitung Technische Leitung Kaufmännische Leitung
1980 Jürg Woodtli Rolf Derrer
1981
1982 Cornelia Howald
1983
1984
1985
1986
1987
1988 Werner Hegglin
1989 Res Bosshart
1990 Res Bosshart & Markus Luchsinger
1991
1992
1993
1994 Markus Luchsinger
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007 Sandro Lunin
2008
2009
2010
2011
2012
2013 Delphine Lyner
2014
2015 Veit Kälin
2016
2017
2018 Matthias von Hartz
2019
2020 Sarah Wendle
2021
2022
2023
2024


  1. a b Theater Spektakel: Porträt. Abgerufen am 25. Mai 2024.
  2. a b c d e f g h i Evelyn Klöti: Zürcher Theaterspektakel, Zürich ZH. In: Theaterlexikon - CH. Abgerufen am 25. Mai 2024.
  3. Zürcher Theater Spektakel In: Stadt Zürich, Kultur, abgerufen am 22. Februar 2024.
  4. a b c Zürcher Theater Spektakel - Die besten Bilder aus 40 Jahren Spektakel-Geschichte. 15. August 2019, abgerufen am 16. Juni 2024.
  5. a b c d e Regionaljournal Zürich Schaffhausen - Regionaljournal Zürich Schaffhausen - SRF. 21. Mai 1980, abgerufen am 25. Mai 2024.
  6. a b Christian Altorfer, Verena Hoehne (Hrsg.): Spektakel. Werd-Verlag, Zürich 1989, ISBN 978-3-85932-007-9, S. 40.
  7. D. I. E. ZEIT (Archiv): Schöner Spuk auf der Wiesn. In: Die Zeit. 19. Mai 1978, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 25. Mai 2024]).
  8. a b Christian Altorfer, Verena Hoehne (Hrsg.): Spektakel. Werd-Verlag, Zürich 1989, ISBN 978-3-85932-007-9, S. 78.
  9. Theater Spektakel: Chronik. Abgerufen am 25. Mai 2024.
  10. bi: Erstes "Zürcher Theater-Spektakel". In: Neue Zürcher Zeitung. 23. Mai 1980, S. 50.
  11. a b c d e f g h Regionaljournal Zürich Schaffhausen - Regionaljournal Zürich Schaffhausen - SRF. 10. Juli 1983, abgerufen am 16. Juni 2024.
  12. Theater Spektakel: Programmarchiv. Abgerufen am 16. Juni 2024.
  13. a b Die ZKB Preise. Zürcher Theater Spektakel, abgerufen am 15. Januar 2020.
  14. a b Schauplatz - Zürcher Theaterspektakel - Play SRF. 30. Juni 1983, abgerufen am 16. Juni 2024.
  15. Christian Altorfer, Verena Hoehne (Hrsg.): Spektakel. Werd-Verlag, Zürich 1989, ISBN 978-3-85932-007-9, S. 41 f.
  16. Christian Altorfer, Verena Hoehne (Hrsg.): Spektakel. Werd-Verlag, Zürich 1989, ISBN 978-3-85932-007-9, S. 42.
  17. Christian Altorfer, Verena Hoehne (Hrsg.): Spektakel. Werd-Verlag, Zürich 1989, ISBN 978-3-85932-007-9, S. 51 f.
  18. a b Kultur aktuell - Zürcher Theaterspektakel - Play SRF. 8. Juli 1984, abgerufen am 16. Juni 2024.
  19. Über uns. Zürcher Theater Spektakel, abgerufen am 15. Januar 2020.
  20. a b Regionaljournal Zürich Schaffhausen - Regionaljournal Zürich Schaffhausen - SRF. 4. Juli 1982, abgerufen am 16. Juni 2024.
  21. vi: Vergnügen und Gedanken. In: NZZ Zeitungsarchiv. 28. Juni 1982, S. 19, abgerufen am 16. Juni 2024.
  22. a b Christian Altorfer, Verena Hoehne (Hrsg.): Spektakel. Werd-Verlag, Zürich 1989, ISBN 978-3-85932-007-9, S. 79.