Benutzer:Ditschie-wiki/Franz Maria Kilian

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Franz Maria Kilian (* 14. Oktober 1822 in Mainz; † 6. Juli 1851 in Paris) war ein deutscher Mediziner.

*****************

Assistenzarzt an der großherzogl. hessischen Entbindungsanstalt zu Mainz;

geb. d. 14. Okt. 1822, geft. den 6. Juli 1851.

K., zu Mainz geboren, gehört zu denjenigen Männern, welche, obgleich ihnen nur eine kurze Lebensbahn gesteckt war, doch die ihnen zugemessene Zeit so trefflich benutzt und zur Förderung der Intereffen der Menschheit angewendet haben, daß selbst der frühzeitig fiel ereilende Tod ihnen ein ehrenvolles und bleibendes Andenken nicht entziehen kann.

Schon im Knabenalter dem älterlichen Hause entnommen, erhielt er feine erste Ausbildung in dem leidecker'schen Erziehungs-Institut in Wiesbaden, defen trefflicher Vorsteher sich mit vieler Liebe des talentvollen, bald unter feinen Mitschülern hervorragenden Knaben annahm.

Später machte K. feine wissenschaftlichen Vorbereitungsstudien auf den Gymnasien in Hanau und Darmstadt und bezog um Ostern 1841 die Universität Gießen.

Sein Vater, viele Jahre einer der ausgezeichnetsten Advokaten in Mainz, später Generalstaatsprokurator an dem Kaffationshof in Darmstadt und in den Jahren 1848 und 1849 großherz. heff. Justizminister *), hatte gewünscht, daß der Sohn ebenfalls die juristische Laufbahn betrete; allein von früher Jugend an hatte dieser eine unüberwindliche Neigung zu den Naturwissenschaften gefaßt.

Mit ganzer Seele und unermüdlichem Fleiße und Ausdauer widmete fich K. daher dem Studium dieser Wiffenfchaften im Allgemeinen und insbesondere der Medicin während feines vierjährigen Aufenthaltes in Gießen von Ostern 1841 bis Ostern 1845.

Männer, welche ihm damals näher gestanden, rühmen noch heute, wie sehr er schon in jener Zeit sich durch schnelles Auffaffungsvermögen, durch logische Schärfe des Verstandes und die Kritik mancher, bald von ihm als unhaltbar erkannten, veralteten Lehren ausgezeichnet und ihre Aufmerksamkeit erregt habe.

Nachdem er im Frühjahr 1845 die Fakultätsprüfung bestanden und den akademischen Doktorgrad erlangt hatte, begab er sich nach Paris, wo er durch den Besuch der dortigen Hörsäle und Hospitäler, sowie im Umgange mit ausgezeichneten Männern der Wissenschaft seine Kenntniffe und Erfahrungen bedeutend erweiterte.

Auch war dieser Aufenthalt von wesentlichem Einfluß auf die Richtung einer Studien.

K. suchte nur die exakte Wissenschaft und stand ganz auf dem materialistischen Boden, von dem aus allein nach seiner Ansicht, Heil in den Naturwissenschaften erwartet werden konnte.

Hiermit in innigstem Zusammenhange stand eine Abneigung gegen allen Dogmatismus, gegen Alles, was nicht der Kritik der exakten Forschung Stand

hält.

Von Paris zurückgekehrt, firirte fich K. im I. 1846, obwohl er mehr Hinneigung zu dem Lehrfache fühlte, doch dem Wunsche seines Vaters folgend, zuerst als praktischer Arzt in Mainz, wo er sich bald Vertrauen erwarb und von Allen, die ihn näher kennen lernten, oder mit ihm als Arzt in Berührung kamen, lieb gewonnen wurde.

Indeffen lag er dabei unausgesetzt den theoretischen Studien, ob und widmete diesen, sowie den anatomischen Zerlegungen und mikroskopischen Untersuchungen, insbesondere der Leichen von Thieren, welche er zu diesem Zwecke stets unterhielt und in den verschiedensten Ausbildungs- und Entwicklungsstadien tödtete, nicht blos die freien Tagesstunden, sondern oft ganze Nächte.

In dieser Zeit machte er die persönliche Bekanntschaft von Professor Henle, in deffen Zeitschrift für rationelle Medicin er bereits Beiträge geliefert hatte, und entschloß sich, von demselben aufgemuntert, zu dem Lehrfach überzugehen.

Nachdem er hierzu die Erlaubniß seines Vaters erwirkt hatte, begab er sich zur desfallsigen weitern Vorbereitung Anfangs 1847 nach Heidelberg, wo er bis Ende des Jahres verblieb und fodann auf der hessischen Universität Gießen nach Herausgabe seiner Habilitationsschrift: „Versuche über die Restitution der Nervenerregbarkeit nach dem Tode“ und nach wohlbestandener öffentlicher Disputation im Winter von 1847 auf 1848 als Privatdocent recipiert wurde, um in feinem Lieblingsfache, dem Fache der Geburtshilfe, Vorlesungen zu halten.

Bald jedoch entstanden in Folge der Verschiedenheit der wissenschaftlichen (physiologischen) Richtung K.'s mit jener des Vorstehers der dortigen Entbindungsanstalt solche Differenzeu zwischen Beiden, daß K. sich entschloß, bis zur Beseitigung der ihm als Privatdocenten in der Benutzung der Anstalt und der Ausübung feines Lehrfaches erhobenen Schwierigkeiten die Stelle eines Affistenzarztes an der Entbindungsanstalt in Mainz anzunehmen, welche ihm im Winter von 1848 auf 1849 von der großh. hessischen Regierung übertragen wurde und welche er bis zu seinem Tode, oder vielmehr bis zu seiner letzten Krankheit in jeder Hinsicht, sowohl in den praktifchen Beziehungen als in der Ertheilung des Hebammenunterrichtes, in musterhafter Weise und zur allseitigen Zufriedenheit der Betheiligten, wie feiner vorgesetzten Behörden versah.

Unermüdlich war er während dieser ganzen Zeit in der Fortsetzung seiner wissenschaftlichen Forschungen in dem Gebiete der Geburtshilfe.

Sein Hauptbestreben ging vor Allem dahin, diesem wichtigen Zweige der praktischen Heilkunde eine physiologische Grundlage zu gewinnen.

Dieses versuchte er nach zwei Richtungen, Einmal suchte er den Einfluß des Nervensystems auf die schwangere und nicht schwangere Gebärmutter zu erforschen und sodann fuchte er die feineren hystologischen Veränderungen, welche der Maffenzunahme des Uterus während der Schwangerschaft und dessen rascher Verkleinerung nach der Geburt zu Grunde liegen, zu ergründen.

In beiden Beziehungen hat er Ausgezeichnetes geleistet und namentlich in der letzten, wo er, so zu sagen, noch gar keine Vorarbeiten fand, hat er durch glänzende Entdeckungen seinem Namen eine ehrenvolle Stellung in der Gefchichte der Wissenschaft erworben.

Seine hauptsächlichen Arbeiten, chronologisch geordnet, find folgende:

Neuralgie des Nervus cruralis (in Henle's u. Pfeuffer's Journ. für rationelle Medicin. Bd. VI. S. 24 ff.) –

Pathol. Mittheilungen (ebendas. Bd. VI. S. 184 ff.) –

Ein fibrinöfer Polyp d. Uterus (ebendas. Bd. VII, S. 149 ff.) –

Die Endigung sympathischer Fasern (ebendaf. Bd. VII. S. 221 ff) –

Die Struktur d. Uterus bei Thieren (ebd. Bd. VllI. S. 53 ff.) –

Die Struktur des Uterus bei Thieren. 2. Art. (ebendas. Bd. IX. S. 1 ff.) –

Die beiden letzten sind offenbar die bedeutendsten Arbeiten von K.

Außerdem veröffentlichte derselbe mehere der prakt. Geburtshilfe angehörige Abhandlungen in der geburtshilfl. Zeitschrift von Busch und Siebold, welche dem Verfaffer dieses augenblicklich nicht zur Hand sind.

Endlich erschien noch nach feinem Tode seine letzte Arbeit, nämlich: Einfluß d. Medulla oblongata auf d. Bewegungen des Uterus.

Diese wurde ebenfalls in Henle's und Pfeuffer's Journal neue Folge Bd. 11. S. 1 ff. von Dr. A. Mayer von Mainz, welcher sie aus den hinterlaffenen Papieren des Verstorbenen zusammenstellte, veröffentlicht. –

In einem Alter von kaum 26 bis 27 Jahren war es K. bereits gelungen, durch die obigen wissenschaftlichen Arbeiten die Augen der ausgezeichnetsten Männer in seinem Fache auf sich zu '' denn seine Leistungen waren von der Art, daß sie ei allen wissenschaftlichen Geburtshelfern großes Aufsehen erregten.

Männer, wie Negele, Kiwisch, v. Siebold u. A. äußerten sich höchst ehrenvoll über seine Leistungen und sprachen ihm ihre Anerkennung aus, indem sie ihn aufmunterten, auf dem betretenen Wege fortzuschreiten.

Unzweifelhaft würde K. bald einen geburtshilflichen Lehrstuhl eingenommen haben und eine ehrenvolle und glänzende Zukunft schien jedenfalls dem jungen Manne bevorzustehen, zumal derselbe nicht blos ausgezeichneter Geburtshelfer und Arzt, sondern allseitig und gründlich gebildet, namentlich in Geschichte, Philosophie, Literatur und Sprachen wohl bewandert war und ein bedeutendes Rednertalent besaß.

Wir erwähnen beispielsweise in erster Beziehung, daß ihm außer den alten, die französische, englische, italienische und spanische Sprache und ihre Schriftsteller wohlbekannt waren.

Offen und liebenswürdig im Umgange, verband er mit einer imponierenden und einnehmenden Persönlichkeit eine Seele, die für alles. Edle und Große begeistert war, sowie eine seltene Energie und Vestigkeit des Charakters, die ihn vor keinen Schwierigkeiten zurückschrecken ließ und zu jedem Opfer für das, was er als wahr erkannt hatte, bereit machte; sowie ihn auch nichts vermochte, seine wissenschaftlichen, politischen oder religiösen Ueberzeugungen zu verläugnen. –

Indeß nicht Talent noch Kenntniffe, nicht Adel der Seele und des Geistes, noch Verdienste um die Menschheit, nicht physische Körperkraft (K. besaß von Natur eine gesunde, kräftige Konstitution), noch jugendliches Alter vermögen vor einem frühen Ende des irdischen Lebens zu schützen ' ' schwarzen Fürsten der Schatten seine Beute zu EUtreiben.

„In fein stygisches Boot

Raffet der Tod

Auch der Jugend blühendes Leben.“

Auch K. war von dem Schicksal ein frühzeitiger Tod bestimmt.

Er sollte ihm erliegen als Opfer eines wifenfchaftlichen Berufs.

Im August 1849 hatte er fich bei feinen anatomischen Untersuchungen mit einem chirurgifchen Instrumente an dem Mittelfinger der rechten Hand

verwundet, jedoch fo unbedeutend, daß er es gar nicht beachtete.

An demselben Tage affitierte er in der Gebäranstalt einer Kreifenden, welche, was ihm ursprünglich entgangen und fich erst später herausstellte, fyphilitisch angesteckt war und durch deren Berührung mit dem verletzten Finger er daher eine Blutvergiftung fich zuzog, welche um fo gefährlicher ward, weil er, wie feine ihn hiernächst behandelnden Kollegen ursprünglich über die Urfache der Vergiftung in Unkenntniß waren.

So ward jene an und für fich geringfügige Verletzung die Ursache feines allzufrühen, wenn gleich erst nach langen Leiden erfolgten Todes.

Doppelt tragisch erscheint dieses herbe Geschick, wenn man erfährt, daß K. damals gerade im Begriffe fand, mit einer geliebten Braut, mit einem schönen und geistreichen Mädchen, mit welcher er seit 1848 verlobt war, fich zu verbinden.

Schon war die Vermählung bestimmt und der Haushalt der künftigen jungen Ehegatten eingerichtet, als wenige Wochen vor der Epoche der Trauung der Bräutigam fo schwer von der Hand des Schicksals getroffen wurde.

Nach mehrmonatlichen schmerzlichen Leiden fuchte K. zu Anfang 1850 die Hilfe Profeffor Pfeuffers in Heidelberg, in Folge dessen Anordnungen er zwar nach einigen Monaten anscheinend vollständig genefen nach Mainz zurückkehrte und wieder feinem Berufe obliegen konnte, jedoch nur bis zum Spätsommer defelben Jahres, wo er plötzlich abermals erkrankte.

Nach mancherlei Versuchen und nach fruchtlosem Gebrauche einer Molkenkur in Badenweiler, hoffte er in einem südlichen Klima eher feine Genesung zu erlangen.

Im Oktober 1850 nahm er daher Abschied von feiner Braut – um sie nie wieder zu sehen – und begab sich zuerst in das südliche Frankreich in die Gegend von Montpellier und Marseille.

Bald zog es ihn aber auch von hier weiter nach Süden, nach Spanien, dem Lande, von welchem schon feine Jugendträume erfüllt waren, defen Sprache er fertig redete und schrieb und defen Dichter er kannte.

Theils zu Land über die westlichen Pyrenäen, Theils auf dem Meere von Barzellona aus, reiste er nach Valencia, wo er den ganzen Winter hindurch verblieb und vielfach freundschaftliche Aufnahme und Theilnahme, leider! aber nur nicht das, was er suchte – seine Wiedergenesung – fand.

Immer vester ward ihm hier die Ueberzeugung, daß die Wundvergiftung nicht völlig geheilt worden und daß das Gift, welches fortwährend in seinem Körper umherzog und sich bald auf die Augen, von denen das eine nach und nach erblindete, bald auf die Brust, bald auf andere edle Theile warf, zu lange Zeit gehabt habe, sich in dem Blutsysteme vetzusetzen.

Doch hatte er damals die Hoffnung auf Wiedergenesung noch nicht aufgegeben, wenigstens waren viele seiner Briefe, in welchen er zugleich mit glühenden Farben jenes herrliche Land, die reizenden Gegenden der Huerta, beschrieb, noch voll von diesen Hoffnungen, wenn gleich auch in jener Zeit schon zuweilen Todesahnungen, die Ahnung seines eigenes Geschickes ihn durchzucken mochten.

Von solcher Ahnung war er wohl bewegt, als er feine tiefgebeugte Braut, die in dieser Epoche ihre treffliche noch in blühenden Jahren stehende Mutter verloren hatte, mit dem Troste aufzurichten suchte, daß es nicht darauf ankomme, ob man lange gelebt, sondern nur darauf, wie man gelebt und seinen Beruf, auch in noch so eng gezogenen Grenzen, erfüllt habe.

Indeß ward K. gegen den Frühling hin immer leidender.

Der Heimath wieder feine Schritte zuwendend und von dem Wunsche beseelt,

Diejenigen, die ihm theuer waren, noch einmal zu sehen und wenigstens auf heimathlichem Boden zu sterben, kehrte er Ende April 181 aus Spanien zurück.

In Paris angekommen, konsultierte er Ricord und noch einmal den Lebenshoffnungen nachgebend, unterwarf er sich der Behandlung dieses berühmten Arztes, der ihn mit wahrhaft väterlicher Liebe aufnahm und Alles aufbot, um den jungen Kollegen, der ihm das größte Intereffe einflößte und den er, je länger er ihn behandelte, desto lieber gewann, zu retten.

Allein auch die Anstrengungen Ricord's waren vergebens.

Nach einer längeren und angreifenden Kur unterlag K. noch vor Vollendung seines 29. Jahres seiner langwierigen und schmerzlichen Krankheit *) (*). Näheres über die Geschichte der Krankheit Kilian's findet sich in Eine Pfeuffer's Journal für rationelle Medicin neue Folge Bd. 1, S. 1 u. 2).

Mit vollem Bewußtfeyn war er dem Tode entgegengegangen.

In einem rührenden Briefe, welchen er kurze Zeit vor seiner Auflösung an feine Braut geschrieben, worin er derselben auf ewig Lebewohl sagte und ihr, die stets fein guter Engel gewesen fey, für die treue Bewahrung ihrer Liebe trotz des über ihn gekommenen Verhängniffes dankte, sagte er unter Anderm: „er gehe rasch der letzten Katastrophe entgegen, die er nicht fürchte, sondern nur Ihretwegen gern in weiter Ferne sähe. Es fey aber ihm nicht. Anders bestimmt. Sie möge fich darum beruhigen und gleich ihm in dem Gedanken einen Trost finden, daß er als Opfer einer Sache falle, die die edelste im Leben, als Opfer der Wiffenschaft.“

Seine Gebeine ruhen auf dem Kirchhofe des Père Lachaise an einer Stelle, welche er auf dem Plane dieses berühmten Begräbnißplatzes, den er sich auf feinem Sterbebette hatte vorlegen laffen, felbst ausgesucht und bezeichnet hat, an der Seite eines Landsmannes und Kollegen, eines ebenfalls in Paris verstorbenen jungen deutschen Arztes.

Schriften (Auswahl)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schau'n mer mal

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]