Benutzer:Contributor124/Eisenbahnunfall von Loifarn

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Am 22. August 1929 stießen auf der Tauernbahn zwischen den Bahnhöfen Schwarzach-St. Veit und Loifarn (bei km 1,8) ein Personenzug und ein Schnellzug frontal zusammen. Das Unglück forderte vier Todesopfer und dutzende Verletzte.[1] Leider existierte auf der Strecke noch keine automatische Blocksicherung, die den Unfall hätte vermeiden können. [2]

  • Der Schnellzug D 115 von Prag nach Villach hätte planmäßig die Station Schwarzach um 11:06 Uhr erreichen und um 11:11 in Richtung Bad Gastein verlassen sollen, erreichte die Station allerdings erst um 11:21 (d.h. mit einer Verspätung von 15 Minuten).[3][4] Der Fahrdienstleiter unterließ es, die Verspätung des Schnellzuges bis zum nächsten Befehlsbahnhof (Spittal/Millstätter See) vorzumelden.[5]
  • Der von Klagenfurt kommende Personenzug 716, erreichte um 11:22 die Haltestelle Loifarn und sollte dort planmäßig warten, bis der Schnellzug D 115 die Haltestelle passiert hat, um erst dann die Fahrt auf der eingleisigen Bergstrecke fortzusetzen. [3][6][4]
  • Der Fahrdienstleiter der Haltestelle Loifarn telegraphierte nach Schwarzach-St. Veit den Vorschlag, dass die Kreuzung ebendort stattfinden solle. Dieser Vorschlag wurde telegraphisch abgelehnt, der Fahrdienstleiter aber verstand entweder die Antwort nicht genau oder er hatte diese nicht abgewartet. Zusätzlich war seine Aufmerksamkeit durch die Anwesenheit des Betriebskontrollors in Anspruch genommen.[5] Er missachtete die Dienstvorschriften und ließ den Zug um 11:27 trotzdem abfahren. [6][3][2] Die sofort abzugebende Anzeige der Abfahrt des Zuges an den vermeintlichen Kreuzungsbahnhof Schwarzach-St. Veit unterblieb.[5]
  • In Schwarzach-St. Veit fertigte der Fahrdienstleiter den Schnellzug ab, der um 11:28 den Bahnhof verließ. Erst danach realisierte der Fahrdienstleiter, dass sich der Personenzug P716 bereits auf der Strecke befand, und wollte (noch vor dem Fahrdienstleiter in Loifarn, der den Fehler nun ebenso erkannt hatte), das Gefahrensignal "Alle Züge anhalten" geben.
  • Das Wächterhaus Kt. 2, das unmittelbar an der Unglücksstelle liegt, war unbesetzt, da der Wächter abgebaut worden war. Ebenso befand sich kein Glockenschlagwerk auf der betreffenden Strecke.[5] So konnte das Signal "Alle Züge aufhalten" nicht die Zugführer erreichen.[4]
  • Der Personenzug aus Gastein fuhr mit beschleunigter Geschwindigkeit (ca. 50 km/h) talwärts, um die durch das Warten verursachte Verspätung aufzuholen, und hätte bald den Untersbergtunnel erreicht. Der Schnellzug, versehen mit einer Schublok am Zugende, fuhr mit ca. 20 km/h bergwärts. [3][6]
  • Die Lokomotivführer konnten durch einen Kurvenverlauf der Strecke erst kurz vor dem Zusammenprall den entgegenfahrenden Zug sehen. [3]
  • Der weitgehend ungebremste Zusammenprall (um 11:33 bei Streckenkilometer 1,8) war als explosionsähnliches Geräusch bis nach Schwarzach zu hören. [3]
  • Durch den Kurvenverlauf war die talseitige Schiene erhöht, sodass die Züge nicht die steile Böschung hinabstürzten. [3]
  • Durch die Schublok am Zugende konnten zwar keine Waggons talwärts rollen, aber die Schublok prallte ihrerseits auf die Waggons des Schnellzuges von hinten auf und verursachte schwere Zerstörungen durch ein vergleichsweise langsames aber starkes Ineinanderschieben der Waggons, weil der Lokomotivführer erst die Bremsung einleitete, nachdem er durch die Geräusche der berstenden Maschinen und Waggons den Aufprall bemerkte. [7][3][2]
Verunfallte Lokomotiven auf der Tauernbahn.

Materialschäden

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Beim Schnellzug wurden der Dienst- und Postwagen sowie insbesondere zwei in der Mitte der Zuggarnitur eingereihte vierachsige Personenwägen schwer beschädigt. [3]

Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über das Zugmaterial und die verursachten Schäden.

Zug Lok / Wagen Laufweg Schäden
P716
von Villach,
talwärts,
ca. 49 km/h
BBÖ Ce 38500
BBÖ Be 2564
BBÖ Ce 22393
BBÖ Ce 35644
BBÖ Ce 22969
BBÖ Ce 38109
BBÖ ABe 3166 Coupés zweiter Klasse; Kasten erheblich beschädigt: eine Seitenwand und die Wand zwischen Seitengang und Abteilungen gänzlich zerstört
BBÖ Deg 56321 Gepäckwagen, vollständig zertrümmert, zwei Räder abgerissen [4]
BBÖ FKg 41777 Der Tender hatte sich über den Postwagen geschoben und diesen vollständig zertrümmert [3].
Lok 270.244 beide Vorderräder abgerissen, Kessel beschädigt[7], 2 Achsen entgleist, der Schornstein wurde abgerissen und 30 Meter den Hang hinabgeschleudert, wo er neben dem Gleis der Strecke Schwarzach—Lend liegen blieb[4]
D115
von Schwarzach-St.Veit,
bergwärts,
ca. 21 km/h
Lok 380.113 erheblich beschädigt, 3 Achsen entgleist
BBÖ Deg 56393 Linz-Villach vollständig zertrümmert; teilweise unter die Lok geschoben[4]
ISG WR 2305 Linz-Villach Speisewagen; vordere Stirnwand eingedrückt, Küche in den Postwagen hineingeschoben und zerdrückt, Seitenwand und Dach beschädigt[4]
BBÖ Ca 37263 Linz-Villach rückwärtige Drehgestell abgeschert; Kasten des Folgewagens (BCa) schob sich darunter
CSD BCa 28735 Prag-Grado Dach und Seitenwände vollständig abgerissen; von den Personenwaggons am schwersten zerstört (die vier Todesopfer wurden in diesem Waggon gefunden)[4]
ISG WL 2063 Prag-Rom Schlafwagen; Stirnwand eingedrückt
BBÖ ABa 112 Prag-Klagenfurt fast unbeschädigt
BBÖ Ca 37391 Prag-Klagenfurt fast unbeschädigt
DRB ABCa 23015 Köln-Klagenfurt fast unbeschädigt
DRB ABCa 23007 München-Klagenfurt fast unbeschädigt
ISG WL 22001 Berlin-Bad Gastein Schlafwagen; fast unbeschädigt
Lok 181.01 (Schublok)

Personenschäden

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In dem völlig zertrümmerten Postwagen des Personenzuges befand sich Regierungsrat Schneider (aus Villach), sowie mehrere Beamte auf Dienstreise, welche den Aufprall überlebten.[4][8]

In dem völlig zertrümmerten Postwagen des Schnellzuges befand sich ein Beamter, welcher nicht verletzt wurde.[4]

Das aus sechs Personen bestehende Küchenpersonal des Speisewagens blieb unverletzt, nur eine Person des Bedienungspersonal wurde am Fuß verletzt.[4]


Dienstliche Konsequenzen

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Rettungsmaßnahmen

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  • Das durch einen Autofahrer und einen Passagier informierte Bahnhofspersonal verständigte das Krankenhaus, welches Ärzte zur Unfallstelle schickte.[3]
  • Die Bevölkerung sowie Ärzte aus umliegenden Ortschaften eilten zur Hilfe.
  • Ein Hilfszug aus Bischofshofen konnte bereits nach ca. 20 Minuten erste Hilfe leisten.[9][2]
  • Ein Hilfszug aus Salzburg wurde in St. Johann wieder zurückgesandt, nachdem sämtliche Verletzte bereits geborgen und versorgt waren.

Besondere Schicksale

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  • Zu den Todesopfern zählte Dr. Bianca Bienenfeld, Ärztin (Gynäkologin) aus Wien. 1904 promovierte Sie als zweite Frau in Österreich in Medizin, eröffnete als erste österreichische Frauenärztin eine Privatpraxis und publizierte frauenrelevante Artikel in Frauenzeitschriften.[10] Im August 1929 besuchte B. B. ihre Schwester Elsa in Salzburg, die als Rezensentin des „Neuen Wiener Journals“ von den Salzburger Festspielen berichtete, um anschließend gemeinsam einen Urlaub in Italien anzutreten. Im Augenblick des Zusammenstoßes fiel ein schwerer Koffer aus dem Gepäcknetz auf Frau Bienenfeld, sodass sie eine Schädelfraktur erlitt und sofort tot war.[11] Ihr Grab befindet sich am Wiener Zentralfriedhof.
  • Die Schwester von Bianca Bienenfeld, Frau Dr. Elsa Bienenfeld, war die erste promovierte österreichische Absolventin im Fach Musikwissenschaft. Kurz vor dem Unfall sollen die Schwestern die Plätze getauscht haben, sodass Elsa durch den Aufprall unverletzt blieb.[3] Nach dem Anschluss Österreichs wurde Elsa Bienenfeld 1939 verhaftet und starb am 26. Mai 1942 in der Vernichtungsstätte Maly Trostinec bei Minsk. [12]
  • Der Jura-Student Otto Schießl, Sohn des Bundesbahn-Direktor-Stellvertreters in Klagenfurt befand sich in dem am stärksten zerstörten Waggon auf der Toilette. Durch den Zusammenstoß wurden die Wände des Waggons langsam zusammengedrückt und der Student vollkommen eingeklemmt - ein Puffer des nächsten Waggons in bedrohlicher Nähe. Ihn Sichtweite verstarb einer der beiden männlichen Todesopfer. Der Student hatte Angst, durch das austretende Wasser zu ertrinken und wurde als Letzter aus dem Waggon befreit.[13]
  • Der zum Unfallzeitpunkt 45-jährige Fahrdienstleiter der Haltestelle Loifarn, Herr Ludwig Sonnleitner, stand bereits 19 Jahre im Bahndienst und war bereits seit 1925 in dieser Bahnstation tätig.[14] 1930 wurde Herr Sonnleitner vom Landesgericht Salzburg schuldig gesprochen, und zu drei Monaten strenger Haft verurteilt. Er legte Berufung ein und der Oberste Gerichtshof hob das Urteil im Februar 1932 auf (zur neuerlichen Verhandlung) mit der Begründung, dass der Angeklagte seine verhängnisvolle Nachlässigkeit beim Lesen des Rücktelegramms von Schwarzach mit Arbeitsüberlastung, d.h. körperlicher und geistiger Erschöpfung (Nervenzusammenbruch) begründete und ärztliche Sachverständige einbezogen werden sollten.[15]. Sonnleitner gab an, u.a. an einer Lungenerkrankung zu leiden und schilderte die Dienstleistung als äußerst anstrengend und seine Körperkräfte übersteigend. So habe er zwar nach je 24 Stunden ununterbrochenem Dienst eine 24-stündige Ruhe gehabt, diese aber teilweise für seine Pflichten als Fahrdienstleiter verwenden müssen. Vom 11. bis zum 21. August 1929 soll er acht Mal Nachtdienst gehabt und acht Tage nicht geschlafen haben. [16] Die neuerliche Verhandlung am Salzburger Landesgericht im Januar 1933 führte zu einer bedingten strengen Haftstrafe von 3 Monaten. Eine Nichtigkeitsbeschwerde von Hrn. Sonnleitner wurde verworfen.[17]

Einzelnachweise

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  1. Eisenbahnkatastrophe 1929 auf der Tauernbahn. Abgerufen am 26. Juli 2023.
  2. a b c d Salzburger Volksblatt
  3. a b c d e f g h i j k l m n Salzburger Chronik, 23. August 1929
  4. a b c d e f g h i j k Salzburger Wacht, 23. August 1929
  5. a b c d Horst Knely: Das Eisenbahnunglück vom 22. August 1929 bei Loifarn. Eisenbahn Österreich, 6/1985, S. 104-105.
  6. a b c d Freie Stimme
  7. a b c d Wiener Zeitung
  8. a b c Reichspost, 23. August 1929
  9. a b Arbeiterzeitung
  10. Österreichische Nationalbibliothek. Abgerufen am 1.11.2023
  11. biografiA. Abgerufen am 1.11.2023
  12. Wien Geschichte Wiki. Abgerufen am 1.11.2023
  13. Salzburger Volksblatt: unabh. Tageszeitung f. Stadt u. Land Salzburg, 24. August 1929
  14. Alpenländische Rundschau, 31. August 1929
  15. Salzburger Chronik für Stadt und Land, 21. Mai 1932
  16. Salzburger Wacht, 5. Juli 1932
  17. Der Tag, 13. Januar 1933

Kategorie:Eisenbahnunfall (Österreich) Kategorie:Tauernbahn