Benutzer:Cassel 1995/Positionen

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In der Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Subjekt des Erkennens haben sich unterschiedliche Richtungen und Ansätze feministischer Erkenntnistheorie ausgebildet. Eine Möglichkeit, das heterogene Feld zu strukturieren, bietet die britische Philosophin Susan Haack.[1] Haack zufolge lassen sich die verschiedenen Ansätze anhand der jeweiligen Auslegung des „Standpunkts einer Frau“ (a woman's point of view) in zwei Strömungen unterscheiden: einerseits in Ansätze, die feministische Erkenntnistheorie als „die Art, wie Frauen die Welt sehen“ beschreiben und andererseits in Ansätze, die den Standpunkt einer Frau als „den Interessen der Frauen dienlich“ beschreiben. Gegenstand der ersten Gruppe von Ansätzen ist demnach das spezifisch Weibliche am jeweiligen Erkenntnisbegriff, während Gegenstand der zweiten Gruppe eher die Umstände des Erkenntnisprozesses im Hinblick auf Frauen sind und damit auch Aspekte wie Sexismus und Androzentrismus von Belang sind. Gerade die erste Perspektive ist jedoch insofern problematisch, als dass Haack im Konzept eines spezifisch weiblichen Wissens einen geschlechtsspezifischen Essentialismus sieht, von dem nicht nur sie sich distanziert, sondern der darüberhinaus auch innerhalb der von ihr beschriebenen Ansätze nicht vertreten wird. Eine alternative Einteilung der Ansätze schlägt die Philosophin Mona Singer vor, nach der sich drei Ausrichtungen innerhalb der feministischen Erkenntnistheorie unterscheiden lassen.[2]

Feministische Standpunkttheorie

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Der älteste Ansatz der feministischen Erkenntnistheorie ist die feministische Standpunkttheorie. Die 1981 von der Philosophin Lorraine Code gestellte Frage, ob das Geschlecht des Erkennenden beim Erlangen von Erkenntnis eine Rolle spielt, wird hier bejaht.[3] Zudem können der feministischen Standpunkttheorie zufolge Frauen potenziell eine adäquatere und komplexere Sicht auf die Welt gewinnen als Männer. Diese Aussage begründet sich auf der bereits bei Hegel zu findenden Annahme, dass die innerhalb eines Systems unterdrückten Gruppen der jeweilig herrschenden Gruppe gegenüber einen erkenntnistheoretischen Vorteil haben, da sie im Erkenntnisprozess nicht nur den jeweiligen Gegenstand, sondern auch die systemischen Rahmenbedingungen erkennen. Entsprechend geht die feministische Standpunkttheorie davon aus, dass Frauen im Gegensatz zu Männern im historischen Kontext zu den Unterdrückten gezählt werden und eine solche gesellschaftliche Positioniertheit zu einer objektiveren Erkenntnis führt. Zu beachten ist, dass hier durch den Standpunkt der Frauen keine vollkommen objektive Erkenntnis erlangt werden kann. Vielmehr könne eine objektivere Sicht auf die gesellschaftlichen und institutionellen Verhältnisse in den Wissenschaften erlangt werden, wenn die Lebensbedingungen und Erfahrungen von Frauen berücksichtigt werden. Durch den „besseren“ Standpunkt der Frauen wird sich lediglich dem Ideal der wissenschaftlichen Objektivität in der Erkenntnis angenähert. Die Tatsache, dass in der feministischen Standpunkttheorie ursprünglich nur Frauen und damit ausschließlich mit Blick auf ihr Geschlecht zu den Unterdrückten gezählt wurden, führte häufig zu Kritik und vielfachen Revisionen dieses Ansatzes, insbesondere im Zuge der Dritten Welle des Feminismus seit den 1990er-Jahren. Eine zentrale Revision innerhalb der feministischen Erkenntnistheorie mündet in der sogenannten dialogischen Standpunkttheorie, die besagt, dass es nicht den einen Standpunkt gibt, der eine umfassende kritische Sicht beanspruchen kann, sondern ein Austausch der diversen Standpunkte nötig ist.

Die Soziologin Patricia Hill Collins hat im Jahr 1990 in postkolonialer Absicht das Konzept eines black feminist standpoint entwickelt.[4] Collins teilt die Annahmen der Standpunkttheorie, dass Unterdrückte die Regeln der Unterdrückung besser in ihre Erkenntnistätigkeit einbeziehen und daher einen komplexeren Standpunkt einnehmen können. Doch bezieht sie in ihr Konzept der Unterdrückung nicht mehr nur das Merkmal des Geschlechts, sondern erweitert den Ansatz um verschiedene, sich überschneidende Aspekte der Unterdrückung wie beispielsweise Hautfarbe, Ethnizität und Behinderung. Collins’ Ansicht nach ist es daher notwendig, die spezifischen Erfahrungen von afro-amerikanischen Frauen in wissenschaftliche Diskurse einzubringen. Nach Collins werden diese im „Mainstream-Wissenschaftsdiskurs“ als Subjekte ausgeschlossen und nehmen so im westlichen feministischen Diskurs eine Außenseiterrolle ein. In ihrem Modell wird gefordert, dass die Standpunkte der outsider-within, d. h. jener Positionen, die am Rande angesiedelt sind und wenig Mitspracherecht an den wirkmächtigen Diskursen haben, zu bevorzugen sind und dass diese unterdrückten Standpunkte in einen herrschaftskritischen Dialog treten. Dieses Konzept kann als eine Position der dialogischen Standpunkttheorie angesehen werden, denn Collins erklärt, dass es keinen Standpunkt gibt, der eine umfassende kritische Sicht beanspruchen kann. Vielmehr gebe es nur unterschiedliche Perspektiven und Standpunkte zwischen denen durch kritische Dialoge Gemeinsamkeiten hergestellt werden können.

Die Wissenschaftstheoretikerin Sandra Harding hat die postkoloniale Kritik von Collins in ihre Arbeiten aufgenommen, etwa aufgrund der Reflexion mit der eigenen privilegierten westlichen Verortetheit. So revidiert Harding ihre vorherige standpunkttheoretische Ansicht dahingehend, dass nun nicht bloß vom Leben der Frauen, sondern vom Leben aller Marginalisierten auszugehen ist.[5] Eine überarbeitete Standpunkttheorie ist ihrer Ansicht nach am besten geeignet, um die Diversität von Frauen zu thematisieren. Harding plädiert unter anderem dafür, dass privilegierte weiße Frauen ihre Privilegiertet, also ihren eigenen privilegierten Standpunkt kritisch hinterfragen und vom Wissen und den Erfahrungen der von Collins beschriebenen „outsiders-within“ lernen. Hardings Konzept der „starken Objektivität“ besagt, dass der Entstehungszusammenhang, also das Vor- und Umfeld wissenschaftlicher Erkenntnisprozesse, aufgeklärt und demokratisiert werden soll, um objektiveres Wissen, d. h. Wissen in seinen komplexen Produktionszusammenhängen, zu erlangen. Es sollten in der Wissenschaft möglichst viele verschiedene Perspektiven einbezogen werden, die im vorherrschenden Diskurs marginalisiert werden. Hardings Schlussfolgerung lautet, dass je heterogener die wissenschaftlichen Gemeinschaften sind, desto größer die Chance ist, objektiveres Wissen zu produzieren. Den Vorteil einer solchen dialogischen Standpunktepistemologie sieht Harding darin, dass bislang ignorierte Wissens- und Erfahrungsweisen in wissenschaftliche Erkenntnisprozesse eingebracht werden können und so die verschiedenen Standpunkte in einen Dialog treten.

Feministischer Empirismus

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So wie der Empirismus im klassischen Sinn, geht auch der feministische Empirismus davon aus, dass sinnliche, meist empirisch gewonnene Befunde die Grundlage von Erkenntnis sind. Im Kontrast zu eher positivistischen Ansätzen des Empirismus, bei denen der Entstehungszusammenhang von Wissen als wissenschaftsextern erachtet wird, revidiert der feministische Empirismus diese Annahme dahingehend, dass er Wissenschaft als ein soziales Unternehmen erachtet und so dem Kontext des Erkenntnisprozesses stärkere Aufmerksamkeit widmet. Teil dieser veränderten Auffassung ist auch, dass eine wissenschaftliche Wertfreiheit faktisch nicht gegeben ist und so auch soziale Zusammenhänge berücksichtigt werden, die für die Erkenntnis konstitutiv sind. Basierend auf der These der Unterdeterminiertheit empirischer Theorien durch die Evidenz hinterfragen Vertreterinnen wie etwa die Philosophin Helen Longino den klassischen Wertekanon der Wissenschaften: Wenn eine empirische Theorie nicht vollständig von den erhobenen empirischen Daten belegt werden kann, sondern der Theorie stets Hintergrundannahmen vorausgehen, die selbst nicht empirisch begründet werden können, dann müssen diese Hintergrundannahmen zum Gegenstand der Erkenntnistheorie werden.[6] Longino stellt so den klassischen „wissenschaftlichen Tugenden“ (scientific virtues) wie Objektivität, Konsistenz, Einheitlichkeit oder Einfachheit von Erklärungen ein neues Set von Tugenden entgegen, das neben empirischer Adäquatheit auch ontologische Heterogenität, Neuartigkeit und die Komplexität von untersuchten Bezügen und Beziehungen umfasst.

Postmoderne Epistemologie

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Der Ansatz der postmodernen Epistemologie vertritt die These, dass es in den Wissenschaften ausschließlich Konstruktionen gibt. Fakten sind demnach stets ideologisch aufgeladen und wissenschaftliche Erkenntnis ist eher mit Macht verbunden als mit Wahrheit. Auch die Frage nach dem Subjekt des Wissens wird in dieser Hinsicht neu gedacht: Anstatt ein rationales, autonomes sowie psychisch und physisch als Einheit auftretendes Subjekt zu behaupten, muss es selbst als diskursiv zwischen Sprache, Bedeutung, Unbewusstem und Macht erzeugt verstanden werden, wie die Philosophin Jane Flax schreibt.[7] Im Fokus der postmodernen Epistemologie steht eine Orientierung, „die die lokale und perspektivische Beschränktheit, Kontingenz und Instabilität, Ambiguität und prinzipielle Bestreitbarkeit aller Wissensansprüche in den Vordergrund stellt.“[8]






Ich würde die folgenden Inhalte entweder in den Kritik-Abschnitt einarbeiten, abhängig davon, wie viel Neues Sie hier erarbeitet haben. Oder Sie könnten alternativ, falls Sie Interesse daran haben, mit diesen sehr auf Haack zugeschnittenen Punkten einen neuen Abschnitt zur Diskussion der Kritik an der fem. Erkenntnistheorie in den Wiki-Artikel zu Susan Haack einbauen.

Einteilung der Strömungen und Positionen nach Susan Haack

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Selbst wenn eine solche essentialistische Position eingenommen würde, so Haack, fordere es die feministische Erkenntnistheorie, zu belegen, aus welchen Gründen eine weibliche Perspektive die „bessere“ d. h. den objektivistischen Wissenschaftsstandards zufolge „geeignetere“ sei. An dieser Stelle werde Haack zufolge argumentiert, dass marginalisierte Personen bezüglich ihrer eigenen Unterdrückung die wirklich epistemisch Privilegierten, also „Expert*innen“ seien. Zwar gesteht sie ein, dass bahnbrechende Erfindungen oft von Marginalisierten stammen, allerdings hält sie Frauen als Klasse nicht für marginalisiert. Eine unterdrückte Position macht Haack insbesondere an der Möglichkeit der Informationskontrolle durch den Unterdrückenden fest, woraus sie einen epistemologischen Nachteil von Unterdrückten ableitet.

Als Gemeinsamkeit der Philosoph*innen der zweiten Kategorie (nach Haack Zynist*innen?) stellt Haack die Annahme heraus, dass der Sexismus in den (Natur-)Wissenschaften(?) das Ergebnis des Ausschlusses von weiblichen Wissensformen sei (auch Essentialismus-Vorwurf?).

Version 1: Während Haack Sexismus in den (Natur-)Wissenschaften(?) nicht vollkommen ausschließt, kritisiert sie die Ableitung, die - beispielsweise nach Helen Longino daraus folgt: die Einbeziehung politischer Erwägungen wenn es darum geht, konkurrierende Theorien zu bewerten. (Link zu Longino?)

Version 2: Daraus erfolgt nach Haack die Forderung, politische Erwägungen mit in die Bewertung verschiedener konkurrierender Theorien einzubeziehen. (Link zu Longino?) Generell: gehe ich hier schon zu sehr auf die Argumentation Haacks ein? soll ich das rauskürzen?

Haack grenzt ihre Position von diesen beiden Strömungen ab. Sie erkennt sexistische Strukturen in den (Natur-)Wissenschaften(?) an, leitet daraus jedoch das Gegenteil der beschriebenen "gängigen" feministischen Erkenntnistheorien ab; sie fordert dass nur solche Theorien berechtigterweise anerkannt werden, deren empirische Beweise qualitativ überzeugen. Damit vertritt Haack einen positivistischen Ansatz, der sich von beiden anderen Strömungen abgrenzt. Sie fordert eine strikte Trennung von Politik und (Natur-)Wissenschaften(?) und stellt sich gegen die von Singer als Minimalkonsens feministischer Philosoph*innen angenommene Fokussierung auf den gesellschaftlichen Kontext von Wissen(sproduktion) [9]. Nach Haack sollen keine wissenschaftsexternen politischen Werte – auch keine feministischen – Einfluss auf die Akzeptanz von Theorien haben. Ansätze, die politischen Einfluss auf (Natur-)Wissenschaften(?) zulassen, hält Haack aufgrund der zynistischen Annahme, dass wertneutrale Forschung weder möglich noch gewünscht sei für gefährlich (Tipps, wie ich ich an dieser Stelle gut markieren kann, dass es sich hier um Haacks Interpretation der zynistischen Argumentation handelt?). Solche Ansätze würden nach Haack den Möglichkeiten einer Tyrannei, der Forderung nach politisch angemessener Forschung und einer Einschränkung der Gedankenfreiheit den Weg bereiten. Ich habe noch ein bisschen weitergeschrieben und gehe genauer auf Haacks Gegenargumente zu beiden Strömungen ein, aber ich denke, das wird in "Kritik" zu lesen sein?

...

Code: bezeichnet sich als relativistisch --> ist sie das ? (Hönig: Anti-anti-relativistisch)

(Keine englischen Zitate, kein langes Zitat, besser paraphrasieren)

  1. Susan Haack: Knowledge and Propaganda: Reflections of an Old Feminist. In: Susan Haack (Hrsg.): Manifesto of a Passionate Moderate. University of Chicago Press, Chicago 1998, ISBN 978-0-226-31136-4, S. 123–136.
  2. Mona Singer: Feministische Wissenschaftskritik und Epistemologie: Voraussetzungen, Positionen, Perspektiven. In: Ruth Becker, Beate Kortendiek (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. 3. Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-531-17170-8, S. 285–294.
  3. Lorraine Code: Is the Sex of the Knower Epistemologically Significant? In: Louis P. Pojman (Hrsg.): The Theory of Knowledge. Classical and Contemporary Readings. 3. Auflage. Wadsworth, Belmont 2003, ISBN 978-0-534-55822-2, S. 559–571.
  4. Patricia Hill Collins: Black Feminist Thought: Knowledge, Consciousness, and the Politics of Empowerment. Unwin Hyman, Boston 1990, ISBN 978-0-04-445137-2.
  5. Sandra Harding: Whose Science? Whose Knowledge? Thinking from Women's Lives. Cornell University Press, Ithaca 1991, ISBN 978-0-8014-9746-9.
  6. Helen Longino: In Search of Feminist Epistemology. In: The Monist. Band 77, Nr. 4, 1994, S. 472–485.
  7. Jane Flax: Disputed Subjects. Essays on Psychoanalysis, Politics and Philosophy. Routledge, New York 1993, ISBN 978-0-415-75222-0.
  8. Mona Singer: Feministische Wissenschaftskritik und Epistemologie: Voraussetzungen, Positionen, Perspektiven. In: Ruth Becker, Beate Kortendiek (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. 3. Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-531-17170-8, S. 285–294, hier S. 296.
  9. Singer, Mona: Feministische Wissenschaftskritik und Epistemologie: Voraussetzungen, Positionen, Perspektiven. In: Becker, Ruth; Kortendiek, Beate (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008, S. 285–294.