Benutzer:Bobbest~dewiki/Nettonutzenheuristik

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Die Nettonutzenheuristik ist eine Methode um eine Entscheidungsgrundlage für Transaktionen mit ungleicher Informationsverteilung zu schaffen. Eine Heuristik bietet, im Gegensatz zu exakten Verfahren, mit Hilfe sinnvoller und vereinfachter Vorgehensweisen rasch gute Lösungen an. Diese sind im gesamten Lösungsraum zulässig, müssen aber nicht immer optimal sein. Heuristische Verfahren versuchen ausgehend von einer zulässigen Lösung den Zielfunktionswert zu verbessern.[1]

Eine Transaktion kann unter vielen verschiedenen exogenen und endogenen Bedingungen abgeschlossen werden. Um die Zielsetzung eine optimale Lösung im Transaktionsfall erfüllen zu können, müssen Grundannahmen zu Marktteilnehmern und der Transaktion selbst getroffen werden:

  • Marktteilnehmer treffen ihre Entscheidungen zum Transaktionsabschluss selbst und freiwillig.
  • Marktteilnehmer schließen Transaktionen ab mit der Absicht ihren Nutzen zu erhöhen.
  • Marktteilnehmer informieren sich über Transaktionspartner und die zugrundeliegende Transaktion.
  • Alle Informationen sind verfügbar.
  • Die Marktteilnehmer handeln nicht opportunistisch.
  • Eine Transaktion wird zwischen zwei Marktteilnehmern abgeschlossen.
  • Eine Transaktion wird nur dann abgeschlossen wenn ausreichend Information verfügbar ist. Ist dies nicht der Fall wird vom Transaktionspartner Informationsersatz angeboten.
  • Eine Transaktionsgeschäft gilt als abgeschlossen und irreversibel, wenn alle Transaktionspartner in die Transaktion eingewilligt haben.[2]

Zu den eben genannten Grundannahmen gibt es Variationsmöglichkeiten:

  • einmalige / unendlich wiederholende Transaktion
  • Machtgefälle zwischen den Transaktionspartnern: vorhanden / Gleichgewicht
  • Eintritt der Asymmetrischen Informationsverteilung: ex ante / ex post / nicht vorhanden
  • Abschluss der Transaktion erfolgt: gleichzeitig / Zug um Zug

Um das vorliegende Optimierungsproblem der Erhöhung der Informationssymmetrie lösen zu können, müssen Grundannahmen getroffen werden. Vorerst wird das Ziel und dessen Zielfunktion definiert:

Ziel der Nettonutzenheuristik

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Mit Hilfe der Nettonutzenheuristik soll die Informationssymmetrie der Marktteilnehmer im Fall der Transaktionsentscheidung erhöht werden. Um eine vorliegende Informationsasymmetrie messbar zu gestalten, wird als Zielfunktion die Nutzenmaximierung unter Berücksichtigung der vorhanden Informationen, sowie des Vertrauens in den Transaktionspartners gewählt. Die Zielfunktion soll zum Zeitpunkt t0, alle die Transaktion beeinflussenden vorliegenden Informationen It und Transaktionskosten K0, sowie die bereits bekannten zukünftigen Informationen Ii+1 unter Berücksichtigung von Restriktionen R abhängig vom Vertrauen in den Transaktionspartners V enthalten. Mit Hilfe dieser Parameter soll ein pareto-optimaler Nettonutzen UN,opt ermittelt werden, der alle Bereiche einer Transaktion berücksichtigt.

Durch die eben dargestellte Zieldefinition kann eine Zielfunktion ermittelt werden:

Gleichung 1

Gleichung 2

mit Gleichung 3

und
i = {1,2,…,T}
UN,opt: Nettonutzen-Pareto-Optimum
U0: Nutzen zum Zeitpunkt t = 0
T: Planungshorizont
It: Summe aller zum Zeitpunkt i vorliegenden Informationen

Methodik zur Erstellung des Nettonutzenheuristik Modells und dessen mathematische Beschreibung

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Die grundlegende Annahme des in Gleichung 1 vorgestellten Ansatzes ist, dass zur Entscheidungsfindung nicht nur der Nutzen des Entscheiders einfließen soll, sondern auch weitere Kriterien, wie die aktuelle Informationssituation, Restriktionen, Transaktionskosten und das Vertrauen in den Transaktionspartner. Die Heuristik wird als Nettonutzenfunktion einer Handlungsalternative im Zuge einer Umweltsituation modelliert. In dieser sollen die gesamten zur Entscheidungsfindung relevanten Faktoren berücksichtigt werden. Aus der Spieltheorie abgeleitet, wird auch das Vertrauen, wie auch das mögliche Entscheidungsverhalten des Transaktionspartner berücksichtigt. Mit Hilfe von Modellannahmen soll die Abgrenzung des Modells, sowie die Gedankengänge der Erstellung aufgezeigt werden.

Modellannahme 1
Ein Transaktionspartner willigt nur in eine Transaktion ein, wenn der aus der Transaktion resultierende Nettonutzen größer Null ist.

UN > 0

Modellannahme 2
Ein Transaktionspartner willigt in eine Transaktion nur dann ein, wenn kein weiterer Informationswunsch vorhanden ist.

Aus dieser Annahme kann abgeleitet werden, dass bei einem Transaktionspartner nur im Falle von 100% vorliegender Informationen kein weiterer Informationsbedarf besteht. Würden dem Entscheider nur 99% der Informationen vorliegen, bestünde, wenn auch nur zu einem kleinen Teil, Unsicherheit, demnach wäre ein Informationswunsch vorhanden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wenn bei einem Transaktionspartner keinen weiteren Informationswunsch vorliegt, dieser alle relevanten Informationen zur Transaktion und auch zum Transaktionspartner besitzt. Die Modellannahme spiegelt nur das subjektive Informationsempfinden wieder.

Modellannahme 3
Die Beschaffung von Informationen ist mit Kosten verbunden.

Informationsbeschaffung verursacht Kosten, versucht man die Modellannahme 2 mit zu berücksichtigen, kann man daraus ableiten, dass die Kosten der Informationsbeschaffung vom aktuellen Informationsgrad abhängen. So gilt:

Gleichung 4

mit:
KI,Besch: Kosten der Informationsbeschaffung
K:I: Informationskosten
β: bereits vorliegender, aktueller Informationsgrad

Modellannahme 4
Das Vertrauen in den Transaktionspartner ist abhängig von dessen Informationsbereitstellungsgrad, der Anzahl der Transaktionswiederholungen mit guter Reputation, sowie von dessen Anteil am Gesamtnutzen aber auch vom Grundtyp des Entscheiders. Der Entscheider stellt den Gegenpart zum Transaktionspartner.

Innerhalb komplexer Austauschbeziehungen spielt Vertrauen eine zentrale Rolle. Besonders in mit Unsicherheit behafteten Transaktionen dient Vertrauen zur Reduktion von Unsicherheit und als Stabilisator. Luhmann vergleicht das Vertrauen mit dem Gefühl des „Sich-Verlassen-Dürfen“, Erikson verbindet damit frühkindliche Erfahrungen und für Rotter stellen die Erwartungen in den Transaktionspartner die Basis der Vertrauensbildung.[3] Vertrauen im Transaktionsfall herrscht immer dann, wenn einerseits Unsicherheit über zukünftige Erwartungen vorliegen und andererseits, wenn bereits vor dem Transaktionsfall vom Entscheidungsträger riskante Vorleistungen zum Transaktionsabschluss getätigt werden. Krystek/Zumbrock weisen darauf hin, dass Vertrauen nicht bedingungslos geschenkt wird, um Risiko zu minimieren werden Schwellwerte definiert. Sollten diese überschritten werden, wird dem Vertrauensnehmer das Vertrauen entzogen. [4] Das Vertrauen eines Entscheidungsträgers A in seinen Transaktionspartner B beruht auf verschiedenste Aspekte, jedoch besonders aufgrund von Unsicherheiten durch unterschiedlichem Informationsständen. Die Modellannahme 4 reduziert diese auf vier wesentliche Punkte, die mit einander korrelieren.

der Informationsbereitstellungsgrad:
Der Informationsbereitstellungsgrad α zeigt an wie hoch der Anteil an der zur Verfügung gestellten Information des Transaktionspartners B ist. Dieser wird in Prozent gemessen und beeinflusst auch die Kosten der Informationsbeschaffung. Ein Informationsbereitstellungsgrad von 0% bedeutet, keinerlei Informationen werden durch den Transaktionspartner bekannt gegeben. Am vollkommenen Kapitalmarkt läge ein α von 100% vor.



der Enttäuschungsgrad:
Dieser Faktor spiegelt die Anzahl der Transaktionswiederholungen mit guter Reputation wieder, dieser errechnet sich aus dem Verhältnis der positiv abgeschlossenen Transaktionen ages† zur Gesamtzahl der bereits abgeschlossenen Transaktionen ages. Dabei gilt, dass nur Transaktionen einfließen, die jeweils mit dem Transaktionspartner abgeschlossen worden sind, wessen Vertrauensgrad nun zu bewerten ist. Wird die Transaktion mit einem Transaktionspartner erstmals durchgeführt, gilt: der Enttäuschungsgrad ε = 1.


mit Gleichung 5

mit
Datei:Ages+.JPG: Anzahl der abgeschlossen Transaktionen mit guter Reputation
ages: Gesamtzahl der abgeschlossen Transaktionen

Anteil am Gesamtnutzen der Transaktionspartner
Das Vertrauen ist auch vom erwarteten Anteil am Gesamtnutzen des Transaktionspartners abhängig. Denn besteht beim Transaktionspartner ein hoher Nutzenzuwachs, so wird dieser die zu Grunde liegende Transaktion mit höherer Sorgfalt behandeln. Im Falle eines hohen Nutzenzuwachses wird dieser auch ein großes Interesse haben die Transaktion abzuschließen. Der Nutzenzuwachs des Transaktionspartners ergibt sich aus:

mit
UA :Nutzen des Entscheidungsträgers A
UB :Nutzen des Transaktionspartners B

Der Risikogrundtyp des Entscheiders A
Ein wesentlicher Faktor zur Ermittlung des Vertrauens, ist auch der Grundtyp des Entscheiders selbst. Dieser Typ zeichnet sich von risikoscheu bis risikofreudig aus. Risikoscheue Entscheider werden trotz eines hohen erwarteten Nutzens weniger mit einem Transaktionspartner kooperieren. Die Risikoscheu φ fließt als Faktor in die vorliegende Berechnung mit ein, wobei ein Risikogrundtyp von 0,5 als neutral bewertet werden kann. Liegt extremer Pessimismus vor ist die Risikoscheu mit 0 zu bewerten, herrscht hingegen maximaler Optimismus fließt φ mit 1 in die Modellbewertung ein.

Der Modellannahme 4 folgend, erhält man für das Vertrauen bzw. dem Vertrauensgrad:
Gleichung 6
Nach Berücksichtigung aller Modellannahmen kann der Nettonutzen für den Entscheidungsträger durch folgende Gleichung beschreiben werden.

Gleichung 7

mit

wobei bei der Berechnung des Informationsgrades x berücksichtigt werden muss, dass in den vorliegenden Informationen β bereits Teilmengen bis hin zur Gesamtmenge des Informationsbereitstellungsgrad α enthalten.

Interpretation des Modells

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Mit Hilfe des durch Gleichung 6 definierten Modells, lässt sich der Nettonutzen in Abhängigkeit des Informationsgrades als folgende Kurve darstellen.


Abbildung 1: Nettonutzen[5]


Aus dieser Abbildung lässt sich erkennen, dass mit steigendem Informationsgrad auch der Nettonutzen des Entscheidungsträgers konvex ansteigt. Erst bei einem Informationsgrad von 1 ist der volle Nettonutzen erreichbar, besteht Informationsbedarf so geht der Nettonutzen tendenziell gegen 0. Gelten diese in Abbildung 1 dargestellten Voraussetzungen, so wird bei einem Informationsbedarf von 100%, dies bedeutet dem Entscheider stehen keinerlei Informationen zur Verfügung, auch der Nettonutzen gleich Null sein.Möchte der Entscheidungsträger mindestens 50% seines ursprünglichen Nutzens erreichen, müsste ein Informationsgrad von ca. 75% vorliegen. Zu beachten ist, dass der Nettonutzen stark abfällt. Denn liegen dem Informationsnehmer nur die Hälfte der benötigten Informationen auf, so beträgt der Nettonutzen nur noch 20%. Dieser Informationseffekt hat zur Folge, dass der Informationsgeber, also der Transaktionspartner starkes Interesse haben sollte Informationen bereit zu stellen. Verändert man die Paramater des Vertrauens resultiert daraus lediglich eine marginale Änderung der Kurvenform, die jedoch die Aussage, zur Wichtigkeit der Informationsbereitstellung durch den Transaktionspartner nicht wesentlich beeinflusst. In der maximalsten Ausprägung (Vertrauen ≈ 1) wird sich der der Nettonutzen als Gerade mit der Steigung x KI darstellen.


Abbildung 2: Nettonutzen mit Vertrauen ≈1[6]


Entscheidungsmöglichkeiten bei Vorliegen mehrerer Handlungsalternativen
Das Modell zur Berechnung des Nettonutzens kann für jede vorliegende Handlungsalternative berechnet werden und in die Auszahlungsmatrix einfließen. Im Falle mehrerer Handlungsalternativen kann ein modifiziertes Savage-Nihans-Kriterium einen optimalen Entscheidungsansatz bieten.


Abbildung 3: Auszahlungsmatrix

Für jede Umweltsituation wird, analog dem Savage-Nihans Kriterium, pro Handlungsalternative eine maximal mögliche Enttäuschung berechnet. Zusätzlich werden allen Umweltsituationen eine Eintreffwahrscheinlichkeit zu geordnet, ist diese nicht bekannt soll Gleichwahrscheinlichkeit angenommen werden.

Abbildung 4: Enttäuschungsmatrix

Der Ergebniswert berechnet sich bei Handlungsalternative a1 nach

Das Entscheidungsergebnis des modifizierten Savage-Nihans-Kriterium besagt, dass die maximal mögliche Enttäuschung unter Berücksichtigung der Eintreffwahrscheinlichkeiten minimal sein soll. Im obigen Beispiel stellt die Handlungsalternative a1 das bestmögliche Ergebnis dar.


Zusammenfassung
Anhand dieser Modellannahmen ist eine Heuristik zur Berechnung des Nettonutzen entwickelt worden. Diese versucht zusätzlich zu den Transaktionskosten auch Informa-tionskosten und das Vertrauen in den Transaktionspartner zu berücksichtigen.

  1. Vgl. [Rösler, 2003] Seite 172f
  2. Die Annahme von Irreversibilität wird getroffen, da im Zuge dieser Diplomarbeit der allgemeine Fall berücksichtigt werden soll. Um Rückkopplungen nach Transaktionsabschluss berücksichtigen zu können, müssen die jeweils im Einzelfall zu abgeschlossen Verträge, sowie die für die Transaktion anwendbaren Gesetze, berücksichtigt werden. Unter Rückkopplung werden Möglichkeiten der Vertragsauflösung oder Rückabwicklungen von abgeschlossenen Transaktionen verstanden. In der Realität kommen Rückkopplungen häufig vor, beispielsweise im Fall von Umtausch oder auch als Gewährleistungsfälle.
  3. Vgl. [Bruhn/Stauss, 2001] Seite 10 und Seite 281, mit Verweisen auf Luhman, Erikson und Rotter
  4. Vgl. [Bruhn/Stauss, 2001] Seite 10 und Seite 281, mit Verweisen auf Luhman, Erikson und Rotter
  5. Quelle: Darstellung mit den Parametern UN=1, TK=0, KI=1, φ=1, ε = 0,2, Nutzenzuwachs = 0,5 In dieser vereinfachten Darstellungsweise fließt der Informationsgrad als Exponent (1-x) in die Parameter des Vertrauens. In der Realität wird der Informationsgrad nicht dem Informationsdeckungsgrad deckungsgleich sein, sondern überschneiden.
  6. Darstellung mit den Parametern UN=1, TK=0, KI=1, φ=1, ε = 1, Nutzenzuwachs ≈ 1