Benutzer:Assayer/Temp2

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Mythenbildung und historische Forschung

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Die Unterlagen der deutschen Marine wurden am Ende des Zweiten Weltkriegs zunächst von den Alliierten beschlagnahmt. Auch wenn mit der Rückgabe der Akten Anfang der 1960er Jahre begonnen wurde, erschwerte dieser Umstand die kritische Auseinandersetzung mit der Rolle Dönitz’ im Zweiten Weltkrieg.[1] Die Memoirenliteratur in Nachkriegsdeutschland und die von Dönitz verfassten Autobiographien prägten das Bild einer Kriegsmarine und ihres Oberbefehlshabers, die vom Holocaust abgekoppelt schienen.[2] Dönitz’ eigene Bücher enthalten wenig Persönliches, sondern sind vor allem Erzählungen seines Lebens in der Marine bis 1935 oder ausführliche Darstellungen des U-Bootkrieges im Zweiten Weltkrieg. Er war zwar in größerem Maße selbst Autor als etwa Erich Raeder, dessen Erinnerungen von einem Autorenteam geschrieben wurden. Unterstützt wurde er aber bis zu seinem Tod von dem Historiker Jürgen Rohwer, der als ehemaliger Offizier der Kriegsmarine Dönitz bald nach Kriegssende kennengelernt hatte und in Fachfragen zum Seekrieg beriet.[3]

Die Zeitzeugengeneration tendierte dazu, eine emotionslose Operationsgeschichte zu verfassen, in der zwar jede militärische Operation im Detail untersucht und mit Operationen des Kriegsgegners verglichen wurde, die aber dadurch auch zur Relativierung tendierte und mit Glorifizierung und Heroisierung verknüpft war, indem handlungsleitende Motive auf soldatische Tugenden reduziert wuden.[4] Die wissenschaftlichen Studien von Reimer Hansen und Marlis G. Steinert, die sich zum Teil schon in den 1960er Jahren kritisch mit der Regierung Dönitz befassten, blieben in der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet.[5] Die von Fritz-Otto Busch (1963),Walter Görlitz (1972) und Karl Alman (d. i. Franz Kurowski) (1983) verfassten Biographien, aber auch die fast romanhaften Darstellungen des U-Bootkrieges, etwa von Günter Böddeker, Jürgen Brennecke, Harald Busch und Wolfgang Frank, genügen nicht wissenschaftlichen Ansprüchen.[6] Die kritische Arbeit, die Bodo Herzog 1986 im Jahrbuch des Instituts für Deutsche Geschichte veröffentlichte, stützt sich auf historisch zweifelhafte Quellen, nämlich auf Aussagen ehemaliger U-Boot-Kommandanten, die 1981 in der Zeitschrift konkret veröffentlicht wurden und gegen Dönitz als Beispiel des angeblich in Westdeutschland vorherrschenden Militarismus polemisieren.[7] Ungeachtet von Einwänden in Detailfragen gilt die von Peter Padfield verfasste Biographie (1984) als in weiten Teilen aussagekräftig.[7]

Als grundlegend zum Verständnis der Rolle Dönitz’ im Zweiten Weltkrieg gilt ferner die dreibändige Darstellung Michael Salewskis Die deutsche Seekriegsleitung 1933–1945 (1970–1975)[8] Jörg Hillmann konstatiert in diesem Zusammenhang eine sich auch anlässlich Salewskis Darstellung zunehmend verhärtende Umgangsweise zwischen Zeitzeugen und Marine-Historikern. Dies habe die Aufarbeitung des U-Boot-Einsatzes im Zweiten Weltkrieg in den Folgejahren verhindert und sei stets in der Person Dönitz kulminiert.[9] Zu einem neuen Dönitz-Bild trugen die Arbeit von Jost Dülffer, Weimar Hitler und die Marine (1973), und die Beiträge Werner Rahns in der Publikation Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg bei. Herbert Kraus und Howard Grier beschäftigten sich mit Dönitz unter speziellen Fragestellungen.[10] Eine Gesamtschau auf die Ereignisse des U-Boot-Krieges auf deutscher wie auf alliierter Seite unternahm Clay Blair (1996 u. 1998).[9] Jörg Hillmann (2004 u. 2007) und Lars Bodenstein (2002) publizierten Arbeiten zum „Mythos“ Dönitz. Dieter Hartwig, Marinegeschichtslehrer an der Marineschule Mürwik und der Führungsakademie der Bundeswehr hielt ab 1987 Vorträge über Dönitz und legte 2010 eine Veröffentlichung vor, in der er sich anhand thematischer Fragestellungen mit Dönitz beschäftigt.


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Indem er sich nach der sowjetischen Frühjahrsoffensive keineswegs für den planmäßigen Abtransport deutscher Zivilisten und Soldaten einsetzte, war Dönitz außerdem selbst maßgeblich für die entstandende Situation verantwortlich.( Bod, 56f.) Preußenschild der Landsmannschaft Ostpreußen 1975 (B, 10)


1958 kam es zu einem Eklat, als der Wehrexperte der SPD, Fritz Beermann, auf einer Tagung von Offizieren und Anwärtern der Bundeswehr zur Tradition der Bundesmarine sprach und ausführte, er sympathisiere eher mit Max Reichpietsch und Albin Köbius, im Ersten Weltkrieg als Meuterer hingerichtete Matrosen, denn mit Dönitz und Raeder. Die anwesenden Marineoffitiere verliessen daraufhin den Saal. Das Bundesverteidigungsministerium begrenzte den Eklat durch die Erklärung, die einstigen Großadmirale seien keine Vorbilder für die Bundesmarie mehr.[12]

Einzelnachweise

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  1. Lars Ole Bodenstein: Die Rolle von Karl Dönitz im Zweiten Weltkrieg. Die kritisch historische Analyse eines Mythos. In: Historische Mitteilungen.15 2002, S. 3.
  2. Jörg Hillmann: Der "Mythos" Dönitz. Annäherungen an ein Geschichtsbild. In: Bea Lundt (Hrsg.). Nordlichter. Geschichtsbewusstsein und Geschichtsmythen nördlich der Elbe. Böhlau, Köln 2004, ISBN3412103039 (Beiträge zur Geschichtskultur. Bd. 27), S. 245.
  3. Dieter Hartwig: Großadmiral Karl Dönitz. Legende und Wirklichkeit. Schöningh, Paderborn 2010, ISBN 9783506770271, S. 12–14.
  4. Jörg Hillmann: Die Kriegsmarine und ihre Großadmirale im kollektiven Gedächtnis. In: Historische Mitteilungen.20 2007, S. 10. Hillmann nennt namentlich Arbeiten von Friedrich Ruge, Jürgen Rohwer und Gerhard Hümmelchen, Kurt Assmann, Cajus Bekker, Gerhard Bidlingsmaier und Rolf Güth.
  5. Dieter Hartwig: Großadmiral Karl Dönitz. Legende und Wirklichkeit. Schöningh, Paderborn 2010, ISBN 9783506770271, S. 12.
  6. Lars Ole Bodenstein: Die Rolle von Karl Dönitz im Zweiten Weltkrieg. Die kritisch historische Analyse eines Mythos. In: Historische Mitteilungen.15 2002, S. 3f.; Dieter Hartwig: Großadmiral Karl Dönitz. Legende und Wirklichkeit. Schöningh, Paderborn 2010, ISBN 9783506770271, S. 11.
  7. a b Lars Ole Bodenstein: Die Rolle von Karl Dönitz im Zweiten Weltkrieg. Die kritisch historische Analyse eines Mythos. In: Historische Mitteilungen.15 2002, S. 4.
  8. Lars Ole Bodenstein: Die Rolle von Karl Dönitz im Zweiten Weltkrieg. Die kritisch historische Analyse eines Mythos. In: Historische Mitteilungen.15 2002, S. 6.
  9. a b Jörg Hillmann: Der "Mythos" Dönitz. Annäherungen an ein Geschichtsbild. In: Bea Lundt (Hrsg.). Nordlichter. Geschichtsbewusstsein und Geschichtsmythen nördlich der Elbe. Böhlau, Köln 2004, ISBN3412103039 (Beiträge zur Geschichtskultur. Bd. 27), S. 251f..
  10. Dieter Hartwig: Großadmiral Karl Dönitz. Legende und Wirklichkeit. Schöningh, Paderborn 2010, ISBN 9783506770271, S. 12f..
  11. Lars Ole Bodenstein: Die Rolle von Karl Dönitz im Zweiten Weltkrieg. Die kritisch historische Analyse eines Mythos. In: Historische Mitteilungen.15 2002, S. 16.
  12. Lars Ole Bodenstein: Die Rolle von Karl Dönitz im Zweiten Weltkrieg. Die kritisch historische Analyse eines Mythos. In: Historische Mitteilungen.15 2002, S. 17.