Olivbrauner Schneckling

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Olivbrauner Schneckling

Junger Olivbrauner Schneckling (Hygrophorus olivaceoalbus)

Systematik
Klasse: Ständerpilze (Basidiomycetes)
Unterklasse: Hutpilze (Agaricomycetes)
Ordnung: Blätterpilze (Agaricales)
Familie: Schnecklingsartige (Hygrophoraceae)
Gattung: Schnecklinge (Hygrophorus)
Art: Olivbrauner Schneckling
Wissenschaftlicher Name
Hygrophorus olivaceoalbus
(Fr.) Fr.

Der Olivbraune Schneckling (Hygrophorus olivaceoalbus), auch Natternstieliger Schneckling genannt, ist ein Pilz aus der Gattung der Schnecklinge. Er erscheint von August bis November unter Nadelbäumen im Bergwald Nordamerikas und Eurasiens und ist an seinem olivbraunen Hut und seinem länglichen Stiel zu erkennen. Neben seiner Verwendung als Speisepilz hat er vor allem durch jüngst entdeckte, antibiotisch wirkende Inhaltsstoffe an Bedeutung gewonnen.

Merkmale

Fruchtkörper

Der Hut des Olivbraunen Schnecklings ist 2−12 cm breit und bei jungen Pilzen halbkugelig geformt; mit zunehmendem Alter wird er flacher und breiter, behält jedoch seinen charakteristischen dunklen Buckel. Die Oberfläche des grau- bis rußigbraunen Hutes ist schleimig und erhält durch überdehnte Hutfasern unter der Schleimschicht ein aderiges Erscheinungsbild. Der Rand ist anfangs eingebogen, im Alter eher abstehend. Junge Fruchtkörper werden von zwei Schichten Velum bedeckt, wobei das innere Velum oft als dunkler Ring zurückbleibt.
Der Pilz hat einen länglichen, schlanken und vollen Stiel mit einer Länge von bis zu 15 cm, einem Durchmesser von 1−3 cm und einer bei feuchter Witterung schleimigen Oberfläche. Er ist untergründig weiß und oft ölivbräunlich genattert; seine Spitze hingegen ist weißlich und feucht. An der Basis ist der Stiel meist schmaler. Der Stiel ist ist von zwei Gewebeschichten überzogen: die äußere ist von klebriger Beschaffenheit, die innere ist verhältnismäßig dünn und besteht aus flockigen Fasern, ähnlich denen unter der Schleimschicht des Hutes, mit denen sie auch zunächst verbunden sind. Durch das Längenwachstum des Stiels reißt die untere Schicht, wodurch die Natterung entsteht.
Die engstehenden Lamellen des Olivbraunen Schnecklings sind dicklich und laufen am Stiel herab; sie haben eine weiße, an der Basis leicht gräuliche Farbe und besitzen eine wachsige Oberfläche.

Olivbraune Schnecklinge mit unterschiedlich geformten Hüten

Das Fleisch des Pilzes ist weich, dünn und weiß. Es schmeckt mild und hat keinen ausgeprägten Geruch; reagiert jedoch rötlich mit Natriumhydroxid und Schwefelsäure. Der Sporenabdruck des Olivbraunen Schnecklings ist ebenfalls weiß.[1][2][3][4]

Möglichkeiten zur Verwechslung bestehen mit zahlreichen anderen, oft nahe verwandten Arten, die taxonomisch nur unscharf von H. olivaceoalbus abgegrenzt werden können. So etwa H. pustulatus, H. inocybiformis, H. tephroleucus oder H. morrisii (siehe auch Abschnitt Systematik). Im Zweifelsfalle ist der Olivbraune Schneckling nur durch Kontrolle all seiner Spezifika, vor allem dem zweifachen Velum und der Natterung des Stiels, sowie der mikroskopischen Eigenschaften bestimmbar. Es besteht jedoch keine Gefahr, ihn mit giftigen Pilzen zu verwechseln.[2][3][5]

Mikroskopische Eigenschaften

Die Pilzsporen haben eine Größe von 9−12 × 5−6 µm, sind elliptisch geformt und sind nicht amyloid; ihre Oberfläche ist glatt. Melzers Reagenz färbt sie gelb. Die 46−62 × 7−10 µm großen Basidien sind viersporig und verfügen über kurze, stämmige Sterigmata. Weder Pleurozystiden noch Cheilozystiden sind vorhanden.

Die gallertartige Cuticula weist eine Stärke von 250−450 µm auf und besteht aus schlaufenförmigen, dunklen Hyphen mit einer Breite von 2−3 µm, die, horizontal angeordnet, eine Ixocutis bilden und über Schnallen verfügen; eine Hypocutis besitzt der Pilz nicht. Die Trama des Hutes besteht aus radial verlaufenden, die der Lamellen aus verzweigten, etwa 3−8 µm dicken Hyphen.[4][3]

Vom Olivbraunen Schneckling als fungalem Partner gebildete Mykorrhiza, wie beispielsweise die Fichtenmykorrhiza Piceirhiza gelatinosa, ist weiß und verfügt über eine glatte, wachsigartige Oberfläche, unter der sich in mehreren Schichten Hyphen um die Wurzeln des Baumes legen; bisweilen zeigt diese Mykorrhiza Hypertrophie. Die Hyphen sind dabei von einer gallertartigen Masse umhüllt, die von den Außenwänden der Hyphen abgesondert wird.[6][7]

Ökologie und Verbreitung

Fichtenwälder in Monokultur bilden einen bevorzugten Lebensraum des Pilzes

Der Olivbraune Schneckling bildet Mykorrhiza mit einer Reihe von Nadelbäumen. Während er im nördlichen Deutschland fast ausschließlich unter Fichten und nur selten unter Kiefern zu finden ist, besiedelt er im Pazifischen Nordwesten den Boden unter Tannen, an der Westküste hingegen Sitka-Fichten und Küstenmammutbäume. In den Rocky Mountains besiedelt er Engelmann-Fichten, an der nördlichen Ostküste der USA Hemlocktannen. Er bevorzugt in der Regel saure und kalkhaltige Böden mit Moosbewuchs in höheren Lagen sowie Nadelwälder, ist mitunter aber auch unter vereinzelten Nadelbäumen im Laubwald zu finden.[8][3][4]

Das Verbreitungsgebiet des Olivbraunen Schnecklings erstreckt sich über den Norden und die Westküste des nordamerikanischen Kontinents ebenso wie über ganz Europa (mit Ausnahme des Mittelmeerraumes) und Russland. In Deutschland ist er so gut wie überall anzutreffen, wenn auch im Norddeutschen Tiefland seltener als in den Mittelgebirgslagen. In Erscheinung tritt er vor allem zwischen August und November, mitunter (abhängig von geographischer Lage und Klima) ist er aber auch schon im Juni oder bis hinein in den Dezember zu finden.[3][4][8] Der Bestand ist derzeit offenbar nicht gefährdet; der Olivbraune Schneckling wird nicht in den Roten Listen der Schweiz, Deutschlands und Österreichs geführt.[9]

Systematik

Die Systematik des Olivbraunen Schnecklings ist umstritten. Zum einen wurden in der Vergangenheit Arten fälschlich beschrieben, zum anderen ist die Einteilung der Schwester- und Untertaxa von H. olivaceoalbus nicht eindeutig.

Äußere Systematik

H. olivaceoalbus zeigt große Ähnlichkeit mit anderen, nahe verwandten Schnecklingen. Der Olivgestiefelte Schneckling (H. personii) wird von einigen Autoren als Synonym zu H. olivaceoalbus betrachtet. Beachtenswert in diesem Zusammenhang ist jedoch der Umstand, dass H. personii und H. olivaceoalbus unterschiedliche Mycosterine (Sterole, siehe dazu auch Abschnitt Pharmakologie) produzieren und ihr Fleisch auf Zugabe von NaOH durchaus unterschiedlich reagiert (rot bei H. olivaceoalbus gegenüber olivgrün bei H. personii). Zudem bevorzugt H. personii Eichen als Mykorrhiza-Partner.[10] Zusammen mit H. pustulatus, H. personii und H. latitabundus bildet der Olivbraune Schneckling die Sektion Olivaceoumbrini innerhalb der Gattung Hygrophorus.[11]

Innere Systematik

Auch die innere Systematik von H. olivaceoalbus gestaltet sich komplex: Während einige Varietäten in der Gestalt ihres Fruchtkörpers und ihren mikroskopischen Eigenschaften der Nominatform sehr ähnlich sind, zeigt H. olivaceoalbus var. gracilis einen viel kleineren und teils unterschiedlich geformten Fruchtkörper, er wird jedoch aufgrund der Oberflächenbeschaffenheit seines Fruchtkörpers als Varietät gezählt.

Für den Olivbraunen Schneckling wurden folgende Varietäten beschrieben:[12][4]

Varietät Erstbeschreibung Bemerkung
var. intermedius Hesler & A.H. Sm. (1963) Sporen reagieren hyalin mit KOH. Unter Engelmann-Fichten in Colorado.
var. gracilis Maire (1933) Viel kleiner (Hut 1,5−3 cm und kegelförmig), Sporen jedoch größer (10−14 × 5,5−7,5 µm); Hyphen der Cuticula reagieren dunkelbraun mit Melzers Reagenz. Unter Tannen in Oregon, Washington, Michigan und British Columbia.

Bedeutung

Speisepilz

Der Olivbraune Schneckling findet vor allem in der Küche Verwendung, obgleich sich zu seinem Speisewert sowohl positive als auch negative Angaben finden. Letzteres wird meist mit der aufwändigen Entfernung der schleimigen Haut begründet; David Arora spricht dem Fleisch zudem einen nur faden Geschmack zu.[1] Hans Laux hingegen spricht von einem „gute[n] Speisepilz“.[2] Die Beliebtheit dieses Schnecklings variiert von Region zu Region. In Europa wird er öfter als in Nordamerika für Pilzgerichte verwendet,[13] und auch innerhalb Europas ist er unterschiedlich begehrt. So gilt er beispielsweise innerhalb Spaniens lediglich in Katalonien als schmackhaft, wobei Pilzgerichte in dieser Region jedoch weiter verbreitet sind als im Rest Spaniens.[14]

Cyclopentenonderivate, isoliert aus Hygrophorus olivaceoalbus bzw. deren semisynthetischen Acetylderivate, mit R1, R2 und R3 = H oder Ac und n = 14 oder 16 [15]

Pharmakologie

Aus den Fruchtkörpern des Olivbraunen Schnecklings lassen sich Cyclopentenon-Derivate, die sogenannten Hygrophorone, gewinnen, die der Pilz als Sekundärstoffe produziert. Die gefundenen Verbindungen sind Polyole und besitzen eine antifungale und antibakterielle (d.h. pilz- und bakterienbekämpfende) Wirkung, insbesondere im Bezug auf Gram-positive Bakterien. Dem Olivbraunen Schneckling kommt damit eine wichtige Rolle als Lieferant für Antibiotika zu, umso mehr, da die Hygrophorone auch bei Bakterienstämmen Wirkung zeigen, die gegen gängige Antibiotika wie Methicillin, Ciprofloxacin oder Vancomycin resistent sind. [16]

Verweise

Literatur

  • David Arora: Mushrooms demystified: a comprehensive guide to the fleshy fungi. Ten Speed Press, 1986. ISBN 0898151694, S. 128
  • L. R. Hesler, Alexander H. Smith: North American species of Hygrophorus. University of Tennessee Press, Knoxville 1963.
  • Hermann Jahn: Verbreitung und Standorte der Schnecklinge, Hygrophorus, in Westfalen (Online als PDF-Datei, 2,43 MB; S. 64. bei Westfälische Pilzbriefe)
  • Hans E. Laux: Eßbare Pilze und ihre giftigen Doppelgänger. Franckh’sche Verlagshandlung, W. Keller & Co., Stuttgart 1985. S. 44
  • Tilo Lübken: Hygrophorone. Neue antifungische Cyclopentenonderivate aus Hygrophorus-Arten (Basidiomycetes) Universität Halle, Halle a. d. Saale 2006.
  • Vera B. McKnight, Roger Tory Peterson: A Field Guide to Mushrooms: North America. Houghton Mifflin Harcourt, 1998. ISBN 0395910900, S. 288.
Commons: Hygrophorus olivaceoalbus – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b David Arora: Mushrooms demystified: a comprehensive guide to the fleshy fungi. Ten Speed Press, 1986. ISBN 0898151694, S. 127−128
  2. a b c Hans E. Laux: Eßbare Pilze und ihre giftigen Doppelgänger. Franckh’sche Verlagshandlung, W. Keller & Co., Stuttgart 1985. S. 44
  3. a b c d e Michael Kuo: Hygrophorus olivaceoalbus www.mushroomexpert.com, Januar 2007. Abgerufen am 4. Oktober 2009.
  4. a b c d e L. R. Hesler, Alexander H. Smith: North American species of Hygrophorus. University of Tennessee Press, Knoxville 1963. S. 291−294
  5. L. R. Hesler, Alexander H. Smith: North American species of Hygrophorus. University of Tennessee Press, Knoxville 1963. S. 288
  6. Ingeborg Haug: Identification of Picea-ectomycorrhizae by comparing DNA-sequences. In: Mycological Progress Vol. 1, Nr. 2/Mai 2002, S. 167–178. doi:10.1007/s11557-006-0016-9
  7. J. R. Norris, D. J. Read, A. K. Varma: Techniques for the study of mycorrhiza 23. Academic Press, 1991. ISBN 0125215231, S. 49 f.
  8. a b Hermann Jahn: Verbreitung und Standorte der Schnecklinge, Hygrophorus, in Westfalen. S. 64.
  9. Jean-Paul Koune: Threatened mushrooms in Europe, Ausgabe 18. Council of Europe, 2001. ISBN 9287146667, S. 52.
  10. Tilo Lübken: Hygrophorone. Neue antifungische Cyclopentenonderivate aus Hygrophorus-Arten (Basidiomycetes). Halle (Saale) 2006. S. 118−119.
  11. Tilo Lübken et al.: Hygrophorones A–G: fungicidal cyclopentenones from Hygrophorus species (Basidiomycetes). In: Phytochemistry Vol. 65, Nr.8/April 2004. S. 1061–1071
  12. Index Fungorum Abgerufen am 2. September 2009
  13. Vera B. McKnight, Roger Tory Peterson: A Field Guide to Mushrooms: North America. Houghton Mifflin Harcourt, 1998. ISBN 0395910900, S. 288.
  14. M. de Román, E. Boa: Collection, Marketing and Cultivation of Edible Fungi in Spain. In: Mycología Aplicada International Vol. 16 (2), Juli 2004. S. 25−33.
  15. Dissertation Tilo Lübken, Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg, 2006, S. 28
  16. Tilo Lübken: Hygrophorone. Neue antifungische Cyclopentenonderivate aus Hygrophorus-Arten (Basidiomycetes). Halle (Saale) 2006, S. 5

Vorlage:Hinweis Speisepilze

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