Onge

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Die Onge sind eine Ethnie auf den Andamanen. Diese Zwergvölker auf den ca. 200 Andamanen-Inseln zwischen Indien und Birma im Golf von Bengalen waren zwar früher bereits vereinzelt von Kontakten zum Festland beeinflusst, z. B. benutzten sie Speere zum Fischfang, die auch in Bengalen benutzt werden. Ab ca. 1858 begann allerdings, mit Beginn der dortigen europäischen Kolonialzeit, ihre kulturelle wie biologische Ausrottung, zunächst durch eingeschleppte Krankheiten und als „Strafexpeditionen“ bezeichnete Massaker, dann v. a. durch Anpassung ihrer Lebensweise (Sesshaftmachung etc.).[1]

Um 1900 gab es nur noch ca. 700, um 1950 nur noch weniger als 500, um 1970 nur noch ca. 120 Menschen dieses Volkes. Sie sind nur ca. 1,60 groß, haben außer krausem, schwarzen Haupthaar keinerlei Behaarung am Körper (weder Barthaare, noch Brusthaare, weder Achselhaare noch Schamhaare). Sie haben eine dunkelbraune Hautfarbe und ihre Gesichtszüge sind sehr „afrikanisch“ (genauer: ziemlich volle Lippen und relativ breite Nasen), weshalb sie von der Ethnologie auch zu den „negriden“ Völkern gezählt werden. Eine Besonderheit ist der relativ große Abstand zwischen großer Zehe und den übrigen Zehen, was sie z. B. zu exzellenten Kletterern macht. Ein starkes Hohlkreuz gilt besonders bei den Frauen als Schönheitsideal. Als Schmuck bemalen sie sich und hängen sich Ketten mir Muscheln um den Hals, teilweise auch Kopfbänder aus Pflanzen oder Stoff, hatten aber z. B. früher nie Tätowierungen und keine Ohren- oder Nasenringe. Sie lebten früher ausschließlich als Jäger und Sammlerinnen (in dieser geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, also Jagen von Tieren durch die Männer, Sammeln von Knollen, Früchten etc. durch die Frauen), teilweise auch vom Fischfang (den sie mit bereits erwähnten Speeren betrieben), außerdem von wildem Honig, den sie hoch aus den Bäumen holten, wobei sie die Bienen mit Saft aus dem Stamm der Alpinia vor Angriffen abhielten. Die Schalen von Nautilusmuscheln benutzten sie als Trinkgefäße (sie tranken meist nur reines Wasser). Sie waren nicht sesshaft, sondern zogen mit ihren Hütten, gebaut aus Bambusholz und Palmblättern, nach einer Weile immer wieder weiter. Bevor die Inder sie „überredeten“ Lendenschürze zu tragen, waren die Männer offenbar nackt. Nur die Frauen trugen Bastschürzen.

Männer und Frauen waren weitgehend gleichberechtigt. Im 20. Jahrhundert schrieb der Kulturanthropologe Harrer nach seinem Forschungsaufenthalt wörtlich: „Bei den Onge sind die Frauen gleichberechtigt. (…) sie haben die gleichen Entscheidungsbefugnisse wie die Männer und gehören auch dem Ältestenrat des Dorfes an.“[2] Kleinkinder wurden von den Frauen am Rücken getragen, wobei das Trageband über den Kopf ging. Von den Männern wurden sie an der Seite getragen, wobei das Trageband um eine Schulter ging.

Über die Stellung der Kinder schrieb Harrer nach seinem Forschungsaufenthalt folgendes: „Die Kinder stehen im Mittelpunkt der Onge-Gesellschaft. Kommt ein Neugeborenes zur Welt, werden Vater und Mutter nach dem Baby benannt. Die Eltern heißen dann beispielsweise Vater Jeru und Mutter Jeru. Die Kleinen wachsen unbefangen auf, sozusagen antiautoritär. Ihr Kindergarten ist die Natur. Sie tauchen am Strand, veranstalten nach dem Vorbild der Erwachsenen Scheinbegräbnisse, gründen ‚Familien‘ und schaukeln an Lianen durch den Dschungel. Die Eltern gelten nicht als unfehlbar. Für die Steinzeitmenschen auf Klein-Andaman ist die Theorie der freiheitlichen Kindererziehung nicht etwa eine neuere Errungenschaft – man hat den Eindruck, als habe es hier noch nie eine andere Methode gegeben. Die Onge-Kinder dürfen (…) mit der Harpune fischen oder Pfeile abschießen, essen, wenn sie hungrig sind, schlafen, wenn sie müde sind. Und natürlich sind sie auch dabei wenn die Onge Kinder zeugen (…) freie Menschen, die ohne Zwang aufwachsen.“[3]

Bis zur Flutkatastrophe in Südostasien zählte die Gemeinschaft der Onge 98 Mitglieder, die auf der Insel Little Andaman leben. Mindestens 73 haben die Flut überlebt.

Die Onge arbeiten heute z. T. auf Plantagen,[4] machen aber z. T. auch noch ähnlich wie früher mit Pfeil und Bogen Jagd auf Wildschweine, Reptilien und Vögel und fangen mit Netzen auch Fische, Krebse und Garnelen im seichten Wasser der Flüsse und dem küstennahen Meer. Darüber hinaus sammeln sie noch Früchte und andere Pflanzenteile.

Die Onge hatten von den drei überlebenden Ethnien der Ureinwohner der Andamanen bisher den meisten Kontakt zu den Einwanderern aus Indien, was sie aber weiterhin eher gefährdet als ihnen nützt.[5]

Die Onge sprechen eine eigene Sprache, die mit den Sprachen der anderen indigenen Völker der Andamanen verwandt ist.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. zu den folgenden Absätzen vgl. v. a. Heinrich Harrer: Die Andamaner. Bei den Zwergvölkern im Golf von Bengalen. In: Heinrich Harrer (Hrsg.) Die letzten Paradiese der Menschheit. Gütersloh und andere Orte 1979, S. 186–203.
  2. vgl. Harrer a. a. O. S. 198
  3. vgl. Harrer a. a. O. S. 201
  4. vgl. Harrer a. a. O. S. 202–203
  5. Poison drink kills vanishing tribals in The Telegraph vom 12. Dezember 2008