Stadtbefestigung Soest

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Gräfte und Wall im Mai

Die ursprünglich mittelalterliche Soester Stadtbefestigung umschließt die historische Altstadt von Soest. Sie ist aufgrund Erhaltungszustands, Größe und parkartigem Ausbau historisches Denkmal und Sehenswürdigkeit. Sie ist die längste noch existierende mittelaltertliche Wallmauer in Deutschland.[1]

Anlage

Kattenturm innenstadtseitig, gut zu sehen ist an der Ansatzstelle zur Mauer die ursprüngliche Mauerhöhe

Die Befestigung ist auf 2,5 km der ursprünglichen Länge erhalten und besteht aus der inneren Stadtmauer mit dahinter liegendem Wall (daher sagt man örtlich auch "die Umwallung", "die Wälle" oder "der Wall"), der vor der inneren Mauer liegenden "Gräfte" (dem Wallgraben) sowie historisch der kaum noch erhaltenen äußeren Befestigungsmauer. Innere und äußere Mauer wurden aus dem für Soest und Umland typischen grünen Anröchter Stein erbaut. Von den ehemals 10 Stadttoren (acht Haupttore und zwei Nebentore) sind nur noch das (innere) Osthofentor (1594-1603) erhalten sowie Teile der neuzeitlichen Zollbauten am Jakobitor. Von den ehemals 26 Türmen steht der Kattenturm noch ganz; weitere Türme sind noch bis zur Mauerhöhe als vorgelagerte halbkreisförmige Turmstümpfe erhalten, also nicht mehr freistehend. Mehrere Mauerbereiche waren bastionsartig ausgebildet, am deutlichsten heute noch sichtbar an der Schonekindbastion nahe dem Austritt des Soestbachs aus der Altstadt. Die Mauerhöhe der inneren Mauer ist heute im größten Teil des Verlaufs gegenüber der mittelalterlichen Höhe von 7 m[2] reduziert, gut erkennbar am Kattenturm. Die äußere Mauer ist als Stadtmauer kaum noch zu erahnen (Teilabriss 1586 und später).

Geschichte

innere Altstadt mit dem grün eingezeichneten „ottonischen“ Mauerring

Die auf Ende des zweiten Drittels des ersten Jahrtausends zurückgehende Altstadt von Soest besteht aus mehreren Siedlungskernen, die durch die heutige Stadtmauer im 12. Jahrhundert ringförmig zusammengefasst wurden. Diese Natursteinmauer war 3,8 km lang, etwa 1,70 m dick, ab dem 13. Jahrhundert 7 m hoch und stand auf einem 3 m hohen Erdwall. Ihr vorgelagert war eine 21 m breite Gräfte.[3] Sie war, wie allgemein üblich, mit Zinnen und Wehrgang ausgestatteref[4] Die dabei umfasste Altstadtfläche gehört mit 102 ha Fläche[5] zu den größten mittelalterlichen Stadtanlagen in Nordrhein-Westfalen. Die Befundlage zu Vorgängerbefestigungen ist unterschiedlich, nachgewiesen ist eine ca. 10 ha rechteckig umfassende Befestigung aus der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Diese umfasste die erzbischöfliche Pfalz sowie zwei Kirchen und zeichnet sich noch heute im Stadtkern ab. Eine Vorgängerbefestigung vom Ende des 9. Jahrhunderts ist möglich.[6], diskutiert wird zudem eine Vorgängerbefestigung des 11. Jahrhunderts im westlichen Bereich der heutigen Altstadt (evtl. bereits Teile der späteren Stadtmauer umfassend). Ob darüber hinaus und in welchem Maße Siedlungskerne wie zum Beispiel das Sälzerviertel des 7.-8. Jahrhunderts befestigt waren, ist nach derzeitigem Stand (2023) offen. In jedem Fall dürfte es sich dabei nur um einfache Schutzmaßnahmen gehandeltz haben, da der Ausbau von Ortsbefestigungen in Deutschland erst im Zuge des fränkischen Machtverfalls, der Wikingerzüge und Ungarneinfälle ab dem 10. Jahrhundert stattfindet.[7]

Die ringförmige innere Mauer wurde unter Philipp von Heinsberg errichtet, traditionell wird 1180 angenommen.[8] Der Kölner Erzbischof verfolgte offenbar die Anlage einer Nebenresidenz in seinen westfälischen Besitzungen, eventuell auch die Gründung eines Bistums, als Gegengewicht zu den Bistümern von Münster und Paderborn, und förderte daher den Stadtausbau.[9] Auf die Zusammenfassung der Ansiedlungen in einer gemeinsamen Stadt geht vermutlich auch die Einrichtung der Soester Hofen zurück, ursprünglich wohl zu dem Zweck, die Verteidigung der Mauerabschnitte zu organisieren.[10] Die vorgelagerten Türme wurden im 13. Jahrhundert errichtet.[11] Die Errichtung einer äußeren Mauer im Abstand von 65 m mitsamt eines weiteren vorgelagerten Grabens geht auf das 14. Jahrhundert zurück.[12]

Im 14. Jahrhundert erfolgte die Anlage eines Befestigungswalls an der inneren Stadtmauer anliegend. Befestigungswälle anstelle bloßer Mauern reagierten auf die Fortschritte in der Geschütztechnik. Seit dem 16. Jahrhundert ist eine Windmühle auf der Bastion zwischen Jakobi- und Nöttentor belegt. Auf Initiative Friedrichs des Großen wurde der (innere) Stadtwall ab 1750 mit über 600 Maulbeerbäumen für die Seidenraupenzucht bepflanzt.[13] Von 1818 bis 1827 wird der inzwischen verfallene innere Wall wieder hergerichtet und baumbestandener Promenadenweg angelegt, im Westen und Norden mit Linden und im Osten und Süden mit ca. 300 Pappeln bestanden.[14] Die Bepflanzung mit Linden erweist sich als dauerhaft.[15] Heute wachsen rund 600 Linden, z.T. fast Jahre alt auf dem Stadtwall.[16] Diese Kombination aus mittelalterlicher Stadtmauer und baumbestandener Wallpromenade findet sich in Europa heute nur noch bei der italienischen Stadt Lucca.[17] Im 19. Jahrhundert verpasst die Stadt Soest zunächst den wirtschaftlichen Anschluss. Wie in anderen Städten auch, wird die Stadtmauer mehr und mehr als ein Hindernis (mit Unterhaltungskosten) der wirtschaftlichen Entwicklung wahrgenommen. Teile der Mauer, die Türme und dann auch die Stadttore werden abgetragen, die Gräfte privat genutzt. Ein bedeutender Einschnitt ist der Abriss der nördlichen Mauer zugunsten der Eisenbahn im 19. Jahrhundert. Um den Erhalt der restlichen Mauer entbrennt ein Streit, die Erhaltung wird von der preußischen Bezirksregierung in Arnsberg durchgesetzt. Gewünscht wird von Teilen der städtischen Wirtschaft vor allem eine bessere Durchlasssituation, um die Innenstadt nicht von der Entwicklung außerhalb abzuschnüren. Nach Jahrzehnten des Tauziehens werden zu Anfang des 20. Jahrhunderts vier Mauer-/Wall-Durchlässe geschaffen, die heute nur von Fußgängern verwendet werden. Diese Durchlässe befinden sich etwa auf der Hälfte der jeweiligen Strecke zwischen den Stadttoren. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wird die Gräfte sukzessive zu einer weiteren Promenade ausgebaut, bestehende Einrichtungen, Gärten und Bauten entfernt, zuletzt südlich des Osthofentors. Im Bereich der Rosenplätze sind dieser Gräften-Promenade weitere Parkanlagen vorgelagert. Vereinzelt finden sich im Wall Räume aus verschiedenen Zeiten, darunter ein mittelalterlicher Brunnen und Schutzräume aus dem Zweiten Weltkrieg. Eine bleibende Herausforderung ist die Erhaltung der mittelalterlichen Mauern. So stürzte in den 1990er Jahre ein kurzer Abschnitt der inneren Mauer zwischen Grandweger- und Thomä-Tor ein. Den Erhaltungs-, Restaurierungs- und Sicherungsbemühungen fielen nach 2010 weite Teile des einstigen Efeubewuchses zum Opfer, da Efeu das Mauerwerk schädigt. Seit 2010 wurde die Wallpromenade schrittweise erneuert und ausgebaut. Umstritten war die teilweise Verjüngung des Baumbestands.

Galerie

Quellen

  1. https://entdecke-suedwestfalen.com/die-59-highlights/04-historischer-stadtwall-soest/
  2. https://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/Internet/finde/langDatensatz.php?urlID=387&url_tabelle=tab_medien
  3. https://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/Internet/finde/langDatensatz.php?urlID=387&url_tabelle=tab_medien
  4. ebd.
  5. https://www.stadtfuehrung-soest.de/wall-und-grafte-in-soest-seit-830-jahren/
  6. https://www.baukunst-nrw.de/objekte/Stadtbefestigung-Soest--3107.htm
  7. https://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/Internet/finde/langDatensatz.php?urlID=387&url_tabelle=tab_medien
  8. 1180 ist durchaus realistisch als mit dem Bau verbundenes Datum anzunehmen, die Erbauung selbst dürfte zahlreiche Jahre umfasst haben
  9. https://www.stadtfuehrung-soest.de/wall-und-grafte-in-soest-seit-830-jahren/
  10. Ebd.
  11. https://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/Internet/finde/langDatensatz.php?urlID=387&url_tabelle=tab_medien
  12. https://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/Internet/finde/langDatensatz.php?urlID=387&url_tabelle=tab_medien
  13. https://www.lwl.org/geodatenkultur/objekt/253762
  14. Ebd.
  15. https://www.stadtfuehrung-soest.de/wall-und-grafte-in-soest-seit-830-jahren/
  16. https://www.lwl.org/geodatenkultur/objekt/253762
  17. https://www.tourismus-kreis-soest.de/de/entdecken/wandern/Wandertouren/Soester-Wallspaziergang Baumbestandene Wallpromenaden mit anderer befestigungsstruktureller Herkunft gibt es aber bei neuzeitlichen Befestigungsanlagen, wie zum Beispiel dem niederländischen Hulst.

Literatur

Commons: City walls in Soest – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 51° 34′ 25″ N, 8° 6′ 57″ O