Damasia

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Damasia (altgriechisch Δαμασία) war eine antike Stadt im Norden der römischen Provinz Raetia, im Gebiet des heutigen Bayern. Ihre Lokalisierung ist trotz zahlreicher Spekulationen und Theorien bis heute nicht gesichert.

Lokalisierung

Der antike griechische Geschichtsschreiber und Geograph Strabon beschreibt Damasia als eine Felsenburg (im griechischen Original „Akropolis“), die zum Stamm der Likatier gehöre. Dieser Stamm wird häufig mit den Bewohner des Lechgebietes identifiziert:

„καὶ οἱ Ἐστίωνες δὲ τῶν Οὐινδολικῶν εἰσι καὶ Βριγάντιοι· καὶ πόλεις αὐτῶν Βριγάντιον καὶ Καμβοδοῦνον καὶ ἡ τῶν Λικαττίων ὥσπερ ἀκρόπολις Δαμασία.“
„Auch die Estionen und Brigantier gehören zu den Vindolikern [= Vindelikern]; ihre Städte sind Brigantium, Cambodunum und Damasia, das gleichsam die Burg der Licattier bildet.“[1]

Da am Lech aber keine – zumindest heute erkennbare – vergleichbare Höhenburg liegt, wurde wiederholt der Auerberg als möglicher Ort von Damasia angenommen. Dieser Berg von 1055 m ü. NN Höhe ist der größte voralpenländische Berg im Lechraum. Dortige Ausgrabungen ergaben ein von einer weitläufigen Stadtmauer (Ringwall) umgebenes städtisches Siedlungsgebiet (Thermen, Werkstätten und weitere bauliche Anlagen), das stark römisch geprägt war. Trotz intensiver archäologischer Untersuchungen wurden dabei jedoch keine spezifisch keltischen Spuren gefunden. An Fundstücken fanden sich nur zwei Objekte der Latènezeit, die beide aus erheblich älterer Zeit stammen.[2] Auch sonst lässt sich durch historische oder archäologische Quellen das likatische Siedlungsgebiet nicht sicher bestimmen, zumal es in der Zeit um Christi Geburt immer wieder zu kleinen „Völkerwanderungen“ und Umsiedlungen kam, die sich aber nicht in der schriftlichen Überlieferung niedergeschlagen haben. Nach aktuellem Forschungsstand begann die Besiedlung auf dem Auerberg etwa 12/13 n. Chr., wenige Jahre vor der Fertigstellung der Geographika Strabons. Demnach könnte eine Identifizierung des Auerbergs mit Damasia möglich sein, beweisbar ist sie allerdings nicht.[3] Hinzu kommt, dass Strabon keine wissenschaftlich präzise geographische Beschreibung des Alpenraumes und des Römischen Reiches insgesamt schaffen wollte, sondern sein Werk stark von der Propaganda des Kaisers Augustus und Gemeinplätzen (Topoi) der griechischen Gelehrtenwelt geprägt war.[4]

Es sind allerdings auch andere Identifikationen möglich. Die Frage ist, welche Definition „Höhenburg“ bei Strabon hat. Bedeutet es einfach, dass die Siedlung nicht direkt am Fluss, sondern erhöht liegt, so kommen prinzipiell mehrere Orte am Lech in Frage, darunter Augsburg (Augusta Vindelicum)[5][6], das zwar keine Höhensiedlung ist, dessen historisches Zentrum aber noch heute 10 Meter über Lechniveau auf einer Hangkante liegt.

Auch Füssen oder Dießen wurden als Damasia angesprochen. Allerdings wird die Örtlichkeit von Füssen erst ab dem 3. Jahrhundert erwähnt (nämlich als römisches Heerlager)[7] und Dießen ist keine Höhensiedlung, sondern liegt am Ammersee. Für Füssen spricht die Existenz eines über den Lech aufragenden Bergrückens am Hohen Schloss und Baumgarten und die strategische Lage an einem Alpenzugang.[8]

Sage

Sagen berichten über Höhlenbewohner auf dem Auerberg oder „das Männlein von Burgstall Echt“ aus dem angrenzenden Stöttener Raum[9]. Die Sage über Dießen berichtet: „Eine Sage deutet auf das Schicksal der Stadt, wonach sie durch ein schweres Hochwasser des Sees überflutet worden sein soll“. Eine exponierte Höhenburg (Strabon: „Damasia ... Burg der Likattier“.) kann per se nicht durch einen See überflutet werden.

In einer weiteren Sage zu Dießen heißt es: Das Land rund um Damasia war sumpfig ... es begann zu regnen und zwar so lange bis die ganze Stadt samt Mensch und Tier fast ganz versunken war. Es blieben nur ein paar Häuser, die dort, wo heute Dießen liegt, erhöht gestanden hatten. Über der großen Stadt Damasia aber liegt der See (gemeint ist der Ammersee). Hier wird eine Höhenburg von dem weit darunter liegenden See überflutet. Am Ende liegt der See über der Höhenburg. Derartige tektonische Umkehrungen interpretiert man als Steigerungen wie bei Fabeln mit apokalyptischem Impetus.

Wirkungsgeschichte

Als lokales Pendant für Atlantis im Landkreis Landsberg am Lech haben Wolfgang Hauck und Peter Pruchniewitz Damasia 2011 als Szenerie entdeckt und mit dem Theater die Stelzer als sogenanntes RuethenFestSpiel mit dem Titel Licca Line – eine Fahrt ins sagenhafte Damasia in den thematischen Rahmen einer klassischen Heldenreise eingebettet. Dabei spielt die mythische Welt von Damasia, „unter und über dem Lech und um den Lech herum“, „in der die Zeit still steht und man nicht mehr altert“, eine zentrale Rolle.

Für ihre Festspielproduktion im Rahmen des traditionellen Landsberger Ruethenfests 2011 und der 850-Jahr-Feier der Stadt Landsberg am Lech 2012[10] wurde Hauck und Pruchniewitz 2012 mit dem Ellinor Holland Kunstpreis ausgezeichnet.[11]

Literatur

  • Helge Gerndt: Die sogenannten Auerberg-Sagen. In: Günter Ulbert: Der Auerberg I. Topographie, Forschungsgeschichte und Wallgrabungen (= Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte. Band 45). C. H. Beck, München 1994, ISBN 3-406-37500-6, S. 231–245.
  • Günter Ulbert, Werner Zanier: Der Auerberg II. Besiedlung innerhalb der Wälle (= Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte. Band 46). C. H. Beck, München 1997, ISBN 3-406-10750-8, besonders S. 126.
  • C. Sebastian Sommer: Hat der Auerberg sein Geheimnis gelüftet? Überlegungen zur Funktion des Auerbergs in (der Provinz) Raetien. In: Günter Ulbert: Der Auerberg IV. Die Kleinfunde mit Ausnahme der Gefäßkeramik sowie die Grabungen von 2001 und 2008 (= Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte. Band 63). C. H. Beck, München 2015, ISBN 978-3-406-10764-1, S. 487–526, besonders S. 504.

Einzelnachweise

  1. Strabon, Geographika 4,6,8 (p. 206). Deutsche Übersetzung: Stefan Radt (Hrsg.): Strabons Geographika. Band 1: Prolegomena. Buch I–IV: Text und Übersetzung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002, ISBN 3-525-25950-6, S. 543.
  2. Rupert Gebhard: Latènezeitliche Funde vom Auerberg. In: Günter Ulbert: Der Auerberg IV. Die Kleinfunde mit Ausnahme der Gefäßkeramik sowie die Grabungen von 2001 und 2008 (= Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte. Band 63). C. H. Beck, München 2015, ISBN 978-3-406-10764-1, S. 367–372.
  3. C. Sebastian Sommer: Hat der Auerberg sein Geheimnis gelüftet? Überlegungen zur Funktion des Auerbergs in (der Provinz) Raetien. In: Günter Ulbert: Der Auerberg IV. Die Kleinfunde mit Ausnahme der Gefäßkeramik sowie die Grabungen von 2001 und 2008 (= Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte. Band 63). C. H. Beck, München 2015, ISBN 978-3-406-10764-1, S. 487–526, hier S. 498 f. (Datierung) und 504 (Verbindung zum Ortsnamen Damasia).
  4. Karlheinz Dietz: Zur vorrömischen Bevölkerung nach den Schriftquellen. In: Claus-Michael Hüssen, Walter Irlinger, Werner Zanier (Hrsg.): Spätlatènezeit und frühe römische Kaiserzeit zwischen Alpenrand und Donau. Akten des Kolloquiums in Ingolstadt am 11. und 12. Oktober 2001 (= Kolloquien zur Vor- und Frühgeschichte. Band 8). Rudolf Habelt, Bonn 2004, ISBN 3-7749-3297-2, S. 1–23, hier S. 1–4; zustimmend in Bezug auf Damasia C. Sebastian Sommer: Hat der Auerberg sein Geheimnis gelüftet? Überlegungen zur Funktion des Auerbergs in (der Provinz) Raetien. In: Günter Ulbert: Der Auerberg IV. Die Kleinfunde mit Ausnahme der Gefäßkeramik sowie die Grabungen von 2001 und 2008 (= Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte. Band 63). C. H. Beck, München 2015, ISBN 978-3-406-10764-1, S. 487–526, hier S. 504.
  5. Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande, 1857 - S. 176.
  6. Franz Streber: Über die sogenannten Regenbogen-Schüsselchen Königlich Bayerische Akademie der Wissenschaften, München 1860, S. 65.
  7. Reinhold Böhm: Die Geschichte und Entstehung der Stadt Füssen. Historischer Verein Alt Füssen, abgerufen am 27. Februar 2021.
  8. Peter A. Bletschacher: Zur Lage von Damasia. (PDF; 190 kB) In: Rund um den Säuling 2012. Historischer Verein Säuling, 2012, abgerufen am 20. November 2021.
  9. Von Damasia und anderen Geschichten, Landsberger Tagblatt, Stephanie Millonig, 22. Dezember 2008, abgerufen 28. Dezember 2020
  10. Reise in die Sagenwelt, Kreisbote, 7. Mai 2012, abgerufen 20. Dezember 2020
  11. Sieger auf Stelzen, Landsberger Tagblatt, Alexandra Lutzenberger, 30. September 2012, abgerufen 20. Dezember 2020