Replikase-Polyprotein 1ab

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Replikase-Polyprotein 1ab (SARS-CoV-2)
Andere Namen
  • pp1ab
  • ORF1ab-Polyprotein
  • ORF1ab-Frameshift-Protein[1]
Masse/Länge Primärstruktur 7096 Aminosäuren
Isoformen 2
Bezeichner
Gen-Name(n) rep
Externe IDs
Enzymklassifikationen
EC, Kategorie 2.7.7.48Transferase
Reaktionsart Übertragung von Nukleotiden
Substrat Ribonucleosid-5′-triphosphat + RNA(n)
Produkte Diphosphat + RNA(n+1)
EC, Kategorie 3.6.4.12Hydrolase
Reaktionsart Hydrolyse
Substrat ATP + H2O
Produkte ADP + H+
EC, Kategorie 3.4.22.69Hydrolase
Reaktionsart Hydrolyse
Substrat TSAVLQ-'-SGFRK-NH2,
SGVTFQ-'-GKFKK
Produkte TSAVLQ + SGFRK-NH2, SGVTFQ + GKFKK
EC, Kategorie 3.4.19.12Hydrolase
Reaktionsart Thiol-abhängige Hydrolyse
Substrat Bindungen von Estern, Thioestern, Amiden, Peptiden und Isopeptiden, die durch das C-terminale Glycin von Ubiquitin gebildet worden sind
Produkte Ubiquitin + Thiol + H2O
Vorkommen
Homologie-Familie Hovergen

(A) ORF1a-Protein (= pp1a) und ORF1ab-Frameshift-Protein (= pp1ab) von SARS-CoV-1. (B) Domänen-Organisation für ORF1b (für die Produktion des b-Teils von pp1ab) über neun Nidoviren-Familien hinweg.

Replikase-Polyprotein 1ab (auch ORF1ab-Polyprotein oder ORF1ab-Frameshift-Protein[1] genannt) ist ein Polyprotein des Virus SARS-CoV-2 und aller anderen Nidoviren, welches an der Transkription und Replikation viraler Ribonukleinsäure beteiligt ist. Das Polyprotein enthält Proteinasen, die für die Spaltung des Polyproteins zuständig sind.[2][1]

Funktionen

Das Replikase-Polyprotein 1ab von SARS-CoV-2 wird durch Proteinasen in 15 verschiedenen Polypeptidketten zerlegt.[2]

Protein Position(en) Beschreibung Alternative Namen
Host translation inhibitor nsp1 1–180 Hemmt die Translation durch Interaktion mit der ribosomalen Untereinheit 40S. Der nsp1-40S-Ribosomkomplex induziert darüber hinaus eine endonukleolytische Spaltung in der Nähe der 5′-UTR der mRNA, um sie gezielt abzubauen. Virale mRNA sind aufgrund einer Leader-Sequenz am 5′-Ende nicht anfällig für die nsp1-vermittelte endonukleolytische RNA-Spaltung und sind daher vor Abbau geschützt. Durch Unterdrückung der Genexpression erleichtert nsp1 die effiziente virale Genexpression in infizierten Zellen sowie die Immunevasion.
  • nsp1
  • Leader protein
Nichtstrukturprotein 2 181–818 Kann eine Rolle bei der Modulation des Signalweges für das Zellüberleben durch Interaktion mit PHB und PHB2 spielen. Beide Proteine spielen eine Rolle bei der Aufrechterhaltung der funktionellen Integrität der Mitochondrien und beim Schutz der Zellen vor verschiedenen Stressoren.
  • nsp2
  • p65 homolog
Nichtstrukturprotein 3 819–2763 Verantwortlich für die Spaltungen am N-Terminus des Replikase-Polyproteins. Darüber hinaus besitzt nsp3 eine deubiquitinierende/deISGylierende Aktivität und verarbeitet sowohl 'Lys-48'- als auch 'Lys-63'-verknüpfte Polyubiquitinketten aus zellulären Substraten. Außerdem beteiligt sich nsp3 zusammen mit nsp4 an der Assemblierung von viral induzierten cytoplasmatischen Doppelmembran-Vesikeln, die für die virale Replikation notwendig sind. Wirkt der angeborenen Immuninduktion von Alpha-Interferon entgegen, indem es die Phosphorylierung, Dimerisierung und anschließende Kerntranslokation von IRF3 des Wirts blockiert. Verhindert auch den NF-κB-Signalweg.
  • nsp3
  • PL2-PRO
  • Papain-ähnliche Proteinase
  • PL-PRO
Nichtstrukturprotein 4 2764–3263 Beteiligt sich an der Assemblierung von viral induzierten cytoplasmatischen Doppelmembran-Vesikeln, die für die virale Replikation notwendig sind.
  • nsp4
3C-ähnliche Proteinase 3264–3569 Spaltet den C-Terminus des Replikase-Polyproteins an 11 Stellen. Erkennt Substrate, welche die Kernsequenz [ILMVF]-Q-'-[SGACN] enthalten.[3] Ist auch in der Lage, sich an ADP-Ribose-1"-phosphat (ADRP) zu binden.
  • 3CL-PRO
  • 3CLp
  • nsp5
  • SARS coronavirus main proteinase
Nichtstrukturprotein 6 3570–3859 Spielt eine Rolle bei der initialen Induktion von Autophagosomen aus dem endoplasmatischen Retikulum. Begrenzt später die Ausbreitung von Phagosomen, die nicht mehr in der Lage sind, virale Komponenten an Lysosomen zu liefern.
  • nsp6
Nichtstrukturprotein 7 3860–3942 Bildet ein Hexadecamer mit nsp8 (jeweils 8 Untereinheiten), das an der viralen Replikation teilnehmen kann, indem es als Primase fungiert. Alternativ kann es wesentlich längere Produkte als Oligonukleotid-Primer synthetisieren.
  • nsp7
Nichtstrukturprotein 8 3943–4140 Bildet ein Hexadecamer mit nsp7 (jeweils 8 Untereinheiten), das an der viralen Replikation teilnehmen kann, indem es als Primase fungiert. Alternativ kann es wesentlich längere Produkte als Oligonukleotid-Primer synthetisieren.
  • nsp8
Nichtstrukturprotein 9 4141–4253 Kann an der viralen Replikation teilnehmen, indem es als ssRNA-bindendes Protein fungiert.
  • nsp9
Nichtstrukturprotein 10 4254–4392 Spielt eine zentrale Rolle bei der viralen Transkription, indem es sowohl die Aktivitäten der 3′-5′-Exoribonuklease (nsp14) als auch der 2′-O-Methyltransferase (nsp16) stimuliert. Spielt daher eine wesentliche Rolle beim Capping von viralen mRNA.
  • nsp10
  • Wachstumsfaktor-ähnliches Peptid
  • GFL
RNA-abhängige RNA-Polymerase 4393–5324 Verantwortlich für die Replikation und Transkription des viralen RNA-Genoms.
  • Pol
  • RdRp
  • nsp12
Helikase 5325–5925 Multifunktionelles Protein mit einer Zink-bindenden Domäne im N-Terminus, das Aktivitäten der RNA- und DNA-Duplex-Entwindung mit 5′→3′-Polarität aufweist. Die Aktivität der Helikase ist von Magnesium abhängig.
  • Hel
  • nsp13
Proofreading exoribonuclease[4] 5926–6452 Enzym, das zwei verschiedene Aktivitäten besitzt: eine Exoribonuklease-Aktivität, die sowohl auf die ssRNA als auch auf die dsRNA in einer 3′→5′-Richtung wirkt, und eine mRNA-cap-Methyltransferase-Aktivität. Wirkt als Korrektur-Exoribonuklease für die RNA-Replikation und senkt dadurch die Empfindlichkeit des Virus gegenüber RNA-Mutagenen.
  • ExoN
  • Guanin-N7-Methyltransferase
  • Nichtstrukturprotein 14
  • nsp14
Uridylat-spezifische Endoribonuclease 6453–6798 Mn2+-abhängiges, Uridylat-spezifisches Enzym, das 2′-3′-cyclische Phosphat- und 5′-OH-Enden an gespaltenen Bindungen hinterlässt.
  • NendoU
  • nsp15
2′-O-Methyltransferase 6799–7096 Methyltransferase, welches die 2′-O-Ribose-Methylierung der 5′-Cap-Struktur von viralen mRNA vermittelt. Die N7-Methylguanosin-Cap-Struktur ist Voraussetzung für die Bindung von nsp16. Daher spielt sie eine wesentliche Rolle beim Capping der viralen mRNA, die für die Immunevasion unerlässlich ist.
  • nsp16

Das Replikase-Polyprotein 1ab von SARS-CoV-2 unterscheidet sich vom Polyprotein ORF1a (pp1a) vom gleichen Virus dahingehend, dass pp1a keine Nukleotide überträgt und in 11 Polypeptidketten gespalten wird. pp1a weist eine Länge von 4405 Aminosäuren auf. Die Aminosäuresequenzen der ersten 10 Proteine sind bei beiden identisch, wobei das elfte Protein von pp1a nicht die RNA-abhängige RNA-Polymerase, sondern das Nichtstrukturprotein 11 (nsp11) ist.[5]

Grobeinteilung der Replikase bei Coronaviren

Wie bei den anderen Nidoviren stellt die Coronavirus-Replikase die Replikationsmaschinerie der Coronaviren dar. Sie ist in Untereinheiten organisiert, die miteinander zusammenwirken und sich in ihrer jeweiligen Funktion unterstützen.[6]:49 Diese Untereinheiten werden Nichtstrukturproteine (NSPe) genannt und durchnummeriert in der Form: nsp1, nsp2, nsp3, ….

Nsp1 bis nsp10 kommen sowohl im Replikase-Protein 1a als auch 1ab vor, jedoch mit teilweise etwas unterschiedlicher Funktion. Nsp11 gehört nur zum Replikase-Protein 1a.[4]:Fig. 1A Dass sich diese Proteine äußerst ähnlich sind, liegt an der typischen polycistronischen Genom-Organisation der Nidoviren. In diesem Falle werden die NSPe nsp1 bis nsp10 aus dem gleichen Genomabschnitt in leicht unterschiedlicher Weise gebildet.

Die Funktionen der ersten beiden NSPe nsp1 und nsp2 sind etwas unklar. Sie sind hochvariabel und scheinen keine innerhalb der Nidoviren universell-konservierten Bereiche zu enthalten. Zusammen mit einigen der nächsten NSPe enthalten sie ein breites Spektrum an Gegenmaßnahmen gegen das Immunsystem des Wirtes, insbesondere gegen die angeborene Immunantwort.[7]:168[6]:49 Durch diese Eigenschaften unterstützen sie die Virusreplikation indirekt statt unmittelbar an ihr beteiligt zu sein.[6]:49 Diese Aussagen treffen teilweise auch noch auf die NSPe nsp3 und nsp4 zu.

Die NSPe nsp3 bis nsp6 enthalten alle Funktionen, die nötig sind, um vollfunktionsfähige virale Replikationsorganellen zu erzeugen. Außerdem enthalten sie zwei Proteinasen, die für die Verarbeitung aller viralen Replikaseproteine zuständig sind.[6]:49 Diese beiden werden üblicherweise PLPRO und 3CLPRO genannt,[4]:Fig. 1A bzw. Coronavirus-Papain-ähnliche-Proteinase (englisch coronavirus papain-like proteinase[1]:866) und Coronavirus-3C-ähnliche-Proteinase (englisch coronavirus 3C-like proteinase[1]:858).

Die kleineren Untereinheiten nsp7 bis nsp11, die im Falle des Replikase-Proteins 1a dessen Ende bilden, enthalten alle Primer-synthetisierenden Funktionen und weitere wesentliche Replikationshilfen.[6]:49

Die restlichen NSPe nsp12 bis nsp16 kommen nur im Replikase-Protein 1ab vor.[6]:49[4]:Fig. 1A Sie beinhalten die übrigen RNA-modifizierenden Enzyme, die für die Replikation, das RNA-Capping und zur Korrekturlese genutzt werden[6]:49, siehe auch ko- und posttranskriptionale und posttranslationale Modifikation.

Einzelnachweise

  1. a b c d e John Ziebuhr, Eric J. Snijder, Alexander E. Gorbalenya: Virus-encoded proteinases and proteolytic processing in the Nidovirales. Review Article. In: Journal of General Virology. Band 81, Nr. 4. Great Britain 1. April 2000, S. 853–879, doi:10.1099/0022-1317-81-4-853, PMID 10725411 (englisch, Volltext oder PDF-Volltext-Download-Website [abgerufen am 22. Mai 2020] Beachte auch Fußnote auf Seite 853!).
  2. a b UniProtKB - P0DTD1 (R1AB_SARS2). In: UniProtKB. UniProt, 17. Juni 2020, abgerufen am 15. Juli 2020 (englisch).
  3. L. Zhang, D. Lin, X. Sun, U. Curth, C. Drosten, L. Sauerhering, S. Becker, K. Rox, R. Hilgenfeld: Crystal structure of SARS-CoV-2 main protease provides a basis for design of improved α-ketoamide inhibitors. In: Science. Band 368, Nummer 6489, April 2020, S. 409–412, doi:10.1126/science.abb3405, PMID 32198291, PMC 7164518 (freier Volltext).
  4. a b c d Ogando NS, Ferron F, Decroly E, Canard B, Posthuma CC and Snijder EJ: The Curious Case of the Nidovirus Exoribonuclease: Its Role in RNA Synthesis and Replication Fidelity. In: Aartjan Te Velthuis (Hrsg.): Frontiers in Microbiology. Band 10, Artikelnr. 1813, 7. August 2019, doi:10.3389/fmicb.2019.01813, PMID 31440227, PMC 6693484 (freier Volltext) – (englisch, Volltext [PDF; 6,8 MB; abgerufen am 1. Juni 2020]).
  5. UniProtKB - P0DTC1 (R1A_SARS2). In: UniProtKB. UniProt, 17. Juni 2020, abgerufen am 16. Juli 2020 (englisch).
  6. a b c d e f g Benjamin W. Neuman, Peter Chamberlain, Fern Bowden, Jeremiah Joseph: Atlas of coronavirus replicase structure. In: Virus Research. Band 194, Ausgabe 16. Dezember 2013. Elsevier, 16. Dezember 2013, ISSN 0168-1702, S. 49–66, doi:10.1016/j.virusres.2013.12.004, PMID 24355834, PMC 7114488 (freier Volltext) – (englisch, Volltext [PDF; 3,3 MB; abgerufen am 17. Juli 2020]).
  7. Khulud Bukhari, Geraldine Mulley, Anastasia A. Gulyaeva, Lanying Zhao, Guocheng Shu, Jianping Jiang, Benjamin W. Neuman: Description and initial characterization of metatranscriptomic nidovirus-like genomes from the proposed new family Abyssoviridae, and from a sister group to the Coronavirinae, the proposed genus Alphaletovirus. In: Virology. Band 524, Ausgabe November 2018. Elsevier, 7. September 2018, S. 160–171, doi:10.1016/j.virol.2018.08.010, PMID 30199753, PMC 7112036 (freier Volltext) – (englisch, Volltext [PDF; 3,3 MB; abgerufen am 18. Mai 2020] „Coronavirinae“: heute „Orthocoronavirinae“).