Armschutzplatte

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Bluterguss durch Bogensehne

Armschutzplatten (englisch Bracer oder Archers Wrist Guard) sind Vorrichtungen, die den Arm eines Bogenschützen vor der zurückschnellenden Bogensehne schützen. Sie wurden meist am linken Unterarm getragen. Durch falsche Haltung des Bogenarmes kann die vorschnellende Bogensehne nachhaltig schmerzhafte Verletzungen (Bluterguss) und Verbrennungen zweiten Grades verursachen.

Materialien

Beispiel für moderne Armschutzplatten

Armschutzplatten wurden meist aus gegerbtem oder gekochtem Leder gefertigt, das sich im archäologischen Kontext nicht erhalten hat. Typisch für die Glockenbecherkultur ist die Verwendung von Stein, meist Schiefer oder Sandstein. In Großbritannien ist auch Andesit belegt, der auch für Steinbeile verwendet wurde (Great Langdale, Gruppe VI). Andere Versionen wurden aus Metall, Knochen, Holz (siehe Burmesischer Armschutz), Elfenbein, Silber oder anderen Materialien gefertigt.

Moderne Armschutzplatten bestehen meist aus verstärktem Leder oder Kunststoff und werden mit Klett- oder Hakenverschlüssen angelegt.

Vorgeschichte

Armschutzplatte aus dem Dolmen von Peyre Cabucelade auch Grailhe

Neolithische Armschutzplatten aus Horn sind aus der Schussenrieder Kultur bekannt. Ähnlich alt ist der Fund von Dragsholm (Dänemark). Zwei Meter entfernt von einem Doppelgrab zweier spätmesolithischer Frauen, denen reichlich Tierzähne mitgegeben worden waren, wurde ein frühneolithisches Flachgrab der Trichterbecherkultur (TBK) gefunden. Dem Mann wurden neben 60 Bernsteinperlen, neun Pfeilspitzen einer Grünsteinaxt und viel Keramik, auch eine Armschutzplatte aus Knochen mitgegeben. Exemplare aus Knochen, Schiefer, Feinsandstein und anderem Material stammen auch aus dem Verbreitungsgebiet Aunjetitzer Kultur und der Glockenbecherkultur, wo sie eine typische Grabbeigabe in reichen Männergräbern darstellen. Die Platten haben gerade, konkave oder konvexe Langseiten und sind oft mit geometrischen Mustern verziert und können zwei, vier oder sechs Durchbohrungen aufweisen.

In Spanien sind die Platten seit dem Chalkolithikum üblich. Armschutzplatten sind vereinzelt aus der frühen Bronzezeit bekannt, in der britischen Wessex-Kultur waren sie gelegentlich mit goldenen „Nieten“ verziert. In den Gräbern liegen die Armschutzplatten meist am linken Unterarm, andere wurden jedoch am Gürtel getragen oder Toten in Bechern beigegeben (Thanet, siehe Weblink). Eine in Kleinpaschleben, Landkreis Anhalt-Bitterfeld, gefundene Platte war ergonomisch unbrauchbar, unbenutzt und wohl eigens für die Bestattung hergestellt worden[1].

Die polierte steinerne Armschutzplatte aus Ostengland (ID: MAIS-B40E87) ist rechteckig im Grundriss (81 mm lang, 27 mm breit, 8 mm dick) und linsenförmig im Schnitt; mit je drei querliegenden Löchern an beiden Enden, zur Befestigung am Arm. Die Art wird innerhalb der Atkinson Typologie dem Typ B3 zugeordnet. Die Armschutzplatte ist aus grau-grünem, sehr feinkörnigem, metamorphem, hartem Gestein hergestellt. Seltene Beispiele – drei in Großbritannien (Driffield, Barnack und Culduthel Mains in Schottland) – sind aus importiertem Grünstein und mit goldgedeckten Nieten oder Folien verziert, die eindeutig eine Eliteform darstellen.

Verwendung

Ursprünglich wurde angenommen, dass sie Schutzplatten waren, die von Bogenschützen benutzt wurden. Neuere Forschungen haben gezeigt, dass sie (z. B. in Großbritannien) nicht in Gräbern in Verbindung mit Pfeilspitzen vorkommen, noch werden sie auf der Seiten des Arms gefunden, der den Schutz benötige (bei einem rechtshändigen Schützen, dem inneren linken Handgelenk). Sie sind normalerweise an der Außenseite des Armes zu finden. Viele haben nur zwei Löcher, die es schwierig machen, sie am Arm sicher zu befestigen. Einige haben vorspringende Nieten, an denen sich die Bogensehne verfing, so dass sie für die Verwendung als Armchutz ungeeignet waren. In britischen Grabhügeln treten sie stets im Hauptgrab auf, dem Ort, der für wichtige Personen reserviert ist. Viele zeigen großes Geschick bei der Steinbearbeitung und wenige finden sich in Gebieten, aus denen ihr Steinmaterial stammt. Es ist daher wahrscheinlich, dass die Objekte als Statussymbole verwendet wurden. Eine Platte (aus Barnack in Cambridgeshire) hatte in jedem ihrer 18 Löcher Folienkappen eingepresst. Diese verhinderten eine Befestigung. Ein paar prähistorische Armschutzplatte waren aus Gold oder Bernstein.

Literatur

  • David Bukach, John Hunter, Ann Woodward, Fiona Roe: An Examination of Prehistoric Stone Bracers From Britain, Oxbow Books, Oxford 2012, ISBN 978-1-84217-438-8
  • Wilhelm Gebers: Das Endneolithikum im Mittelrheingebiet. Typologische und chronologische Studien. (= Saarbrücker Beiträge zur Altertumskunde). Bonn 1984
  • Harry Fokkens: Yvonne Achterkamp, Maikel Kuijper: Bracers or Bracelets? About the Functionality and Meaning of Bell Beaker Wrist-guards. In: Proceedings of the Prehistoric Society 74, 2008, 109–140 (Volltext)
  • Jörn Jacobs: Die Einzelgrabkultur in Mecklenburg-Vorpommern, Archäologisches Landesmuseum Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin 1991
  • Edward Sangmeister: Zwei Neufunde der Glockenbecherkultur in Baden-Württemberg. Ein Beitrag zur Klassifizierung der Armschutzplatten in Mitteleuropa. In: Fundberichte aus Baden-Württemberg 1, 1974, 103–156, doi:10.11588/fbbw.1974.0.22685.
  • Jan Turek: Nátepni desticky z obdobi zvoncovitych poháru, jejich suroviny, technologie a spolecensky vyznam (Bell Beaker wristguards, their raw-materials, technology and social significance). In: Festschrift für Vladimir Podborsky. Brno 2004, S. 207–226.
  • Ann Woodward, John Hunter, Rob Ixer, Fiona Roe, Philip J. Potts, Peter C. Webb, John S. Watson und Michael C. Jones: Beaker age bracers in England: sources, function and use Cambridge University Press 2015.

Einzelnachweise

  1. Archäologie in Deutschland Heft 2/2012, S. 55.