Proteus (Bakterien)

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Proteus

Proteus vulgaris auf einem McConkey-Agar

Systematik
Abteilung: Proteobacteria
Klasse: Gammaproteobacteria
Ordnung: Enterobacteriales
Familie: Enterobacteriaceae
Gattung: Proteus
Wissenschaftlicher Name
Proteus
Hauser 1885

Proteus ist eine Gattung gramnegativer Proteobacteria. Sie ist nach dem griechischen Meeresgott Proteus benannt, der in der Odyssee Homers als äußerlich höchst wandelbar charakterisiert wird.

Merkmale

Die Zellen der Gattung Proteus sind stäbchenförmig mit einem Durchmesser von 0,4 – 0,8 µm und sehr variabler Länge, gramnegativ und durch peritriche Begeißelung aktiv beweglich. Die Vertreter der Gattung Proteus sind fakultativ anaerob, saprophytisch, teils parasitisch, chemoorganotroph mit oxidativem und fermentativem Energiestoffwechsel;sie verwerten als Energiequellen Zucker, oft unter Säure- und Gasbildung, sind Oxidase-negativ, Katalase-positiv und reduzieren Nitrat zu Nitrit.

Die Gattung Proteus ist den Gattungen Providencia und Morganella sehr ähnlich. Alle drei Gattungen produzieren Phenylalanin-Desaminase aber keine Arginin-Decarboxylase, können kein Malonat verstoffwechseln und bilden keine Säure bei Dulcitol, D-Sorbitol und L-Arabinose-Verstoffwechselung. Proteus ist zudem charakterisiert durch die Fähigkeit zur Gelatine-Verflüssigung, Schwefelwasserstoff-Bildung aus schwefelhaltigen Aminosäuren, Harnstoff-Spaltung (durch Urease) und zur Spaltung von Maisölfetten.

Agarplatte mit Proteus-Kolonie – von der Mitte ausgehend wurde durch periodisches Schwärmen die Oberfläche bedeckt

Schwärm-Phänomen

Zudem zeigt Proteus ein deutliches Schwärmverhalten: Auf Gelnährböden werden lange, besonders dicht begeißelte Zellen („Schwärmzellen“) gebildet, die sich auf der Oberfläche des Gels in der sehr dünnen, durch Synärese gebildeten Flüssigkeitsschicht fortbewegen können („Schwärmen“). Dadurch breitet sich die anfänglich enger begrenzte Kolonie schnell über die Geloberfläche aus. Dabei kommt es zum Abwechseln von Schwärmbewegung und lokaler Vermehrung, so dass die Geloberfläche von einer großen Kolonie überzogen wird, die terrassenartig abgestuft ist.

Vorkommen

Bakterien der Gattung Proteus kommen als Saprophyten in verschiedenen Habitaten wie Böden und Gewässern vor, die organisches Material wie tote Biomasse und Ausscheidungen von Lebewesen enthalten. Auch im Darm von Tieren und Menschen sind sie vorhanden.

Medizinische Bedeutung

Proteus-Bakterien sind Teil der normalen Darmflora des Menschen; einige Vertreter können allerdings auch verschiedene Erkrankungen auslösen, darunter Zystitis, Durchfall, Nierenbeckenentzündung und Prostatitis. Proteus-Infektionen treten dabei relativ häufig nosokomial auf und bewirken auch Wundinfektionen bei Verbrennungen.[1]

Systematik

Derzeit sind fünf benannte Arten sowie eine Reihe von unbenannten Genotypen bekannt. Die benannten Arten sind:

Die Art Proteus myxofaciens ist genetisch recht verschieden von den anderen Arten der Gattung, ihre Ausgliederung in eine eigene Gattung Cosenzaea ist vorgeschlagen[2]. Es ist die einzige Art, die keine Rolle als Pathogen spielt.

Die anderen Arten kommen verbreitet in Böden, in Gewässern, im Darmtrakt von Menschen und Tieren und in Fäkalien vor[3]. Es sind opportunistische Krankheitserreger bei Menschen und bekannt dafür, Infektionen des Urinaltrakts und Wundinfektionen zu verursachen.

Die erste Verwendung des Gattungsnamens „Proteus“ in der bakteriologischen Nomenklatur stammt von Hauser (1885), der drei Typen dieser Organismen beschrieb, die er aus verfaultem Fleisch isolierte. Eine der drei war Proteus vulgaris. Dieser Organismus hat also eine lange Geschichte in der Mikrobiologie. In den letzten zwei Jahrzehnten hat das Taxon Proteus, insbesondere Proteus vulgaris, einige Änderungen in der Taxonomie durchgemacht. 1982 wurde Proteus vulgaris in drei Gruppen auf der Grundlage der Indolproduktion getrennt. Die erste Gruppe bildet kein Indol und wurde als eine neue Art abgetrennt (Proteus penneri), die zweite Gruppe verblieb als Proteus vulgaris. Die dritte Gruppe wurde genomisch in vier Taxa aufgegliedert, die zunächst bis zu einer besseren Charakterisierung nicht als Arten beschrieben worden sind; eine davon wurde später als Proteus hauseri beschrieben.

Wirksame Antibiotika

Die meisten Proteus-Arten reagieren empfindlich auf Chinolon-Antibiotika und Breitspektrum-Cephalosporine der 2. und 3. Generation. Zur Therapie der unkomplizierten Harnwegsinfektion mit Proteus-Arten wird auch gelegentlich Cotrimoxazol empfohlen.[4][5] Proteus mirabilis, häufiger Erreger von Harnwegsinfektionen, ist in der Regel gegenüber Ampicillin und Cefazolin empfindlich.[6]

Proteus vulgaris, der gelegentlich als Sekundärkeim auf nekrotischem Gewebe vorkommt, bildet β-Lactamasen und ist daher resistent gegen die Aminopenicilline und die Cephalosporine der 1. Generation und 2. Generation (Cefuroxim)[7]. Die Cephalosporine der 3. Generation, Cefotaxim, Ceftriaxon und die Carbapeneme sind jedoch meistens wirksam. Außerdem können β-Lactamase-Inhibitoren zum Einsatz kommen.

Natürliche Resistenzen aller Proteus-Arten bestehen gegenüber Tetracyclinen, Tigecyclin, Colistin und Nitrofurantoin.[8]

Allerdings kann die Resistenz der Bakterienstämme zeitlich und regional variieren. Deshalb ist zumindest bei schwerwiegenden Infektionen oder Therapieversagen ein Antibiogramm zum Nachweis des Erregers und dessen Empfindlichkeit gegenüber unterschiedlichen Antibiotika angezeigt, um ein wirksames Antibiotikum zur Therapie zu identifizieren.

Quellen

  • O'Hara, C.M., Brenner, F.W., Miller, J.M.: Classification, Identification, and Clinical Significance of Proteus, Providencia, and Morganella. In: Clinical Microbiology Reviews. Nr. 13(4), 2000, S. 534–546. [1]

Einzelnachweise

  1. Marianne Abele-Horn: Antimikrobielle Therapie. Entscheidungshilfen zur Behandlung und Prophylaxe von Infektionskrankheiten. Unter Mitarbeit von Werner Heinz, Hartwig Klinker, Johann Schurz und August Stich, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Peter Wiehl, Marburg 2009, ISBN 978-3-927219-14-4, S. 266 (Proteus ssp., Providencia spp.).
  2. Giovanni M. Giammanco, Patrick A. D. Grimont, Francine Grimont, Martine Lefevre, Giuseppe Giammanco, Sarina Pignato (2011): Phylogenetic analysis of the genera Proteus, Morganella and Providencia by comparison of rpoB gene sequences of type and clinical strains suggests the reclassification of Proteus myxofaciens in a new genus, Cosenzaea gen. nov., as Cosenzaea myxofaciens comb. nov. International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology vol. 61 no. 7: 1638-1644. doi:10.1099/ijs.0.021964-0
  3. Antoni Różalski, Agnieszka Torzewska, Magdalena Moryl, Iwona Kwil, Agnieszka Maszewska, Kinga Ostrowska, Dominika Drzewiecka, Agnieszka Zabłotni, Agata Palusiak, Małgorzata Siwińska, Paweł Staçzek (2013): Proteus sp. – an opportunistic bacterial pathogen – classification, swarming growth, clinical significance and virulence factors. Folia Biologica et Oecologica Band 8, Heft 1: 1–17. doi:10.2478/fobio-2013-0001 (open access)
  4. Zeitschrift für Chemotherapie 4-2006 (Memento vom 12. März 2014 im Internet Archive)
  5. "Wirkstoff Aktuell", Ausgabe 2/2012 Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 7. November 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.akdae.de
  6. Wolfgang Stille, Hans-Reinhard Brodt, Andreas H Groll, Gudrun Just-Nübling: Antibiotika-Therapie: Klinik und Praxis der antiinfektiösen Behandlung, Schattauer Verlag, 2005, ISBN 3-7945-2160-9, S. 403–404
  7. Fachinformationen Cefuroxim Tabletten
  8. R. Leclercq et al.: EUCAST expert rules in antimicrobial susceptibility testing. In: Clinical Microbiology and Infection. Band 19, Nr. 2. Wiley-Blackwell, 2013, ISSN 1469-0691, S. 141–160, doi:10.1111/j.1469-0691.2011.03703.x, PMID 22117544 (wiley.com [abgerufen am 17. Februar 2013]).
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