Schwungradspeicherung

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NASA G2-Schwungrad

Schwungradspeicherung ist eine Methode der mechanischen Energiespeicherung, bei der ein Schwungrad (in diesem Zusammenhang auch „Rotor“ genannt) auf eine hohe Drehzahl beschleunigt und Energie als Rotationsenergie gespeichert wird. Die Energie wird zurückgewonnen, indem der Rotor induktiv an einen elektrischen Generator gekoppelt und dadurch abgebremst wird.

Benutzt werden sie meist zur Ausgleichung von Spitzenlasten, Glätten von Leistungsspitzen, Rekuperation bei Elektrofahrzeugen und auch als Anlage zur unterbrechungsfreien Stromversorgung in Krankenhäusern und Industrieanlagen.

Funktionsprinzip

Ein typisches System besteht aus einem Schwungrad (Rotor), das mit einer Elektromotor-Generator-Kombination verbunden ist.

Um den Speicher aufzuladen wird das Schwungrad in Bewegung gesetzt, etwa mittels eines Elektromotors. Eine hohe Drehzahl entspricht dabei einer hohen Rotationsenergie. Mittels eines angeschlossenen Generators kann diese Energie bei Bedarf wieder in elektrische Energie umgewandelt werden. Das Schwungrad gibt dabei seine Rotationsenergie an den Generator ab.

Art der gespeicherten Energie

Massenträgheitsmoment :
Winkelgeschwindigkeit :
Gespeicherte Rotationsenergie :

wobei für den rotierenden Körper bzw. im Integral für sein Volumen steht und (Frequenz f = U/s) für die Drehzahl dieses Körpers.

Praktische Technik

In der Formel 1 eingesetzter Schwungradspeicher

Die meisten Schwungradspeicherungssysteme arbeiten elektrisch, um den Rotor mit einem Elektromotor zu beschleunigen und durch einen elektrischen Generator abzubremsen. Es sind aber auch Systeme in Entwicklung, die direkt mechanische Energie verwenden.[1]

Die Rotoren von Systemen mit hohen Drehzahlen werden aus kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen (CFK) gefertigt und rotieren mit 20.000 bis über 50.000 Umdrehungen pro Minute.[2] Um die Reibungsverluste gering zu halten, werden evakuierte Gehäuse und Magnetlager verwendet. Solche Systeme können in wenigen Minuten auf Nenndrehzahl gebracht werden, im Unterschied zu den Minuten bis Stunden, die für das Aufladen von Akkumulatoren benötigt werden.[2]

Manche Notstromaggregate höherer Leistung enthalten ebenfalls ein Schwungrad, das durch einen Elektromotor ständig in Drehung gehalten wird. Bei Stromausfall wird ein vorgewärmter Dieselmotor über eine elektromechanische Kupplung aus dem Stand rasch in Drehung versetzt. Das Schwungrad liefert zuverlässig die Energie zum Anlassen des Dieselmotors und zur Überbrückung der Zeit, bis der Motor volle Leistung abgeben kann.

In der Formel 1 mit FIA Regeln werden Drehmassenspeicher beim Bremsen aufgeladen, und beim Beschleunigen wieder entladen (KERS), allerdings hat bisher (2012) noch kein Team ein Schwungrad-KERS an einem Rennwochenende eingesetzt; bisher kamen ausschließlich Akku-KER-Systeme zum Einsatz. Eine (elektro-)mechanische Lösung findet sich dagegen im Porsche 911 GT3 R Hybrid und im Audi R18 e-tron quattro.

Im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching wird ein Schwungrad innerhalb von 20 Minuten beschleunigt. Danach kann es während 10 Sekunden eine Leistung von 150 MW bzw. 580 MVA[3] für das Fusionsexperiment ASDEX Upgrade abgeben. Weitere Anwendungsbereiche in Form spezieller rotierender Umformer liegen bei der Stromversorgung von Versuchsanlagen im Bereich der elektrischen Energietechnik wie Hochspannungslabors und Prüffeldern. Damit können bei Hochspannungsversuchen, bei denen größere Stoßbelastungen wie sie beispielsweise bei Kurzschlussversuchen auftreten, störende Rückwirkungen auf das öffentliche Stromnetz vermieden werden.

Vor- und Nachteile

Zu den Vorteilen zählen kurze Zugriffszeiten, die mögliche Tiefentladung, ein guter Wirkungsgrad als Kurzzeitspeicher für die Energiespeicherung im Sekunden- bis Minutenbereich (Be- und Entladung mit Wirkungsgrad 90 %),[4] und eine hohe Zyklenanzahl.

Ein Nachteil ist die Selbstentladung (ca. 50 % pro Stunde), die durch Luftreibung und Verluste des Lagers entstehen. Durch eine magnetische Lagerung, den Betrieb des Schwungrades in einem evakuierten Gehäuse und die Verwendung eines Rotors aus kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen (CFK) können diese Verluste minimiert werden. Die nötige Leistung für den Betrieb der Vakuumpumpe und für die Magnetlagerung ist Teil der Selbstentladung des Gesamtsystems.

Ein weiterer Nachteil, vor allem bei mobilen Anwendungen, ist das hohe Gewicht der Schwungradspeicher. Für die Speicherung von 10 kWh werden ca. 200-2000 kg Schwungradmasse benötigt.[4] Bei bewegten Schwungradspeichern, wie in Fahrzeugen, können kleine Änderungen der Drehachse gyroskopische Effekte hervorrufen, welche das Fahrzeugverhalten, z. B. bei Kurvenfahrten, beeinträchtigen können. Es sind weitere Sicherungsmaßnahmen gegen ein Bersten des Rotors nötig, welche sich selbst negativ auf das Gewichtsverhältnis des Gesamtsystems auswirken können.

Schwungrad-Speicherkraftwerk

Schwungräder können auch als vergleichsweise kleine Speicherkraftwerke Stromnetze in der Netzfrequenz stabilisieren und als kurzfristiger Ausgleichsspeicher dienen.

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. Torotrak Toroidal variable drive CVT, abgerufen am 7. Juni 2007.
  2. a b Castelvecchi, D. (2007). Spinning into control. Science News, vol. 171, pp. 312-313
  3. Pulsed power supply system of the ASDEX upgrade Tokamak research facility. 2015, doi:10.1109/EEEIC.2015.7165545 (ieee.org).
  4. a b Hans-Hermann Braess (Hrsg.), Ulrich Seiffert: Vieweg Handbuch Kraftfahrzeugtechnik. Springer Vieweg; 7. Aufl. 2013, ISBN 978-3658016906. Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3D%7B%7B%7B1%7D%7D%7D~GB%3DwxLxx_iSKiEC~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3DPA152~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D