„Leerzeichen in Komposita“ – Versionsunterschied

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In [[Wien]] waren nach einem Beschluss des Stadtrats vom 19.&nbsp;Juni 1907 nach Personen benannte Straßen mit Leerzeichen zu schreiben: ''Johann Strauß-Gasse'', ''Johann Nepomuk Berger-Platz'' und so weiter. Dieser Praxis in ihrer [[Reichshauptstadt|Reichshaupt- und Residenzstadt]] folgten viele Orte der damaligen [[Österreich-Ungarn|österreichisch-ungarischen Monarchie]]. Die Setzung von Leerzeichen statt Bindestrichen wurde in diesen Fällen zum Teil der amtlichen österreichischen Rechtschreibregeln. In den Schulen wurde danach noch über Generationen nach diesen Regeln unterrichtet, siehe [[Österreichisches Wörterbuch]]<ref>''„Österreichisches Wörterbuch“''. Herausgegeben im Auftrage des Bundesministeriums für Unterricht. Mittlere Ausgabe. 22.,&nbsp;durchgesehene Auflage. Österreichischer Bundesverlag, Verlag für Jugend und Volk, Wien. Mit Erlass des Bundesministeriums für Unterricht vom 17.&nbsp;Oktober 1951, Zl.&nbsp;48.023-IV/15/51, zum Unterrichtsgebrauch an allen Schulen zugelassen.</ref>. Als Grund für die Schreibweise ohne Bindestrich wurde genannt, dass in diesen Zusammensetzungen der Bindestrich die Aufgabe habe, eine selbstständige Wortgruppe mit einem anderen Wort zu verbinden. Es bestehe kein Zweifel, dass es sich bei der [[Abraham-a-Sancta-Clara-Gasse (Wien)|Abraham a Sancta Clara-Gasse]] in der Wiener Innenstadt nicht um eine ''Claragasse'', sondern um die nach dem [[Prediger]] [[Abraham a Sancta Clara]] benannte Gasse handle.<ref>Österreichisches Wörterbuch, 22.&nbsp;Auflage, S.&nbsp;41* oben (die mit * versehenen Seiten enthalten die Rechtschreibregeln, das Wörterverzeichnis begann selbstständig mit der Seite&nbsp;1).</ref> Zumindest in den Jahren ab 2006 folgt die offizielle Schreibung von Straßennamen jedoch den Regeln der alten wie neuen Rechtschreibung (''Johann-Strauß-Gasse''). Die Bezeichnungstafeln werden erst bei zusätzlichem Bedarf umgestellt, sodass die ältere Praxis noch auf längere Zeit im Straßenbild und in Landkarten sichtbar bleiben wird.
In [[Wien]] waren nach einem Beschluss des Stadtrats vom 19.&nbsp;Juni 1907 nach Personen benannte Straßen mit Leerzeichen zu schreiben: ''Johann Strauß-Gasse'', ''Johann Nepomuk Berger-Platz'' und so weiter. Dieser Praxis in ihrer [[Reichshauptstadt|Reichshaupt- und Residenzstadt]] folgten viele Orte der damaligen [[Österreich-Ungarn|österreichisch-ungarischen Monarchie]]. Die Setzung von Leerzeichen statt Bindestrichen wurde in diesen Fällen zum Teil der amtlichen österreichischen Rechtschreibregeln. In den Schulen wurde danach noch über Generationen nach diesen Regeln unterrichtet, siehe [[Österreichisches Wörterbuch]]<ref>''„Österreichisches Wörterbuch“''. Herausgegeben im Auftrage des Bundesministeriums für Unterricht. Mittlere Ausgabe. 22.,&nbsp;durchgesehene Auflage. Österreichischer Bundesverlag, Verlag für Jugend und Volk, Wien. Mit Erlass des Bundesministeriums für Unterricht vom 17.&nbsp;Oktober 1951, Zl.&nbsp;48.023-IV/15/51, zum Unterrichtsgebrauch an allen Schulen zugelassen.</ref>. Als Grund für die Schreibweise ohne Bindestrich wurde genannt, dass in diesen Zusammensetzungen der Bindestrich die Aufgabe habe, eine selbstständige Wortgruppe mit einem anderen Wort zu verbinden. Es bestehe kein Zweifel, dass es sich bei der [[Abraham-a-Sancta-Clara-Gasse (Wien)|Abraham a Sancta Clara-Gasse]] in der Wiener Innenstadt nicht um eine ''Claragasse'', sondern um die nach dem [[Prediger]] [[Abraham a Sancta Clara]] benannte Gasse handle.<ref>Österreichisches Wörterbuch, 22.&nbsp;Auflage, S.&nbsp;41* oben (die mit * versehenen Seiten enthalten die Rechtschreibregeln, das Wörterverzeichnis begann selbstständig mit der Seite&nbsp;1).</ref> Zumindest in den Jahren ab 2006 folgt die offizielle Schreibung von Straßennamen jedoch den Regeln der alten wie neuen Rechtschreibung (''Johann-Strauß-Gasse''). Die Bezeichnungstafeln werden erst bei zusätzlichem Bedarf umgestellt, sodass die ältere Praxis noch auf längere Zeit im Straßenbild und in Landkarten sichtbar bleiben wird.


Weiterhin kann als Beispiel die derzeitige amtliche Schreibweise der [[Liste der Autobahnen und Schnellstraßen in Österreich#Autobahnen|österreichischen Autobahnen und Schnellstraßen]] angeführt werden. Laut Bundesstraßengesetz 1971 sind etwa „West Autobahn“, „Brenner Autobahn“ oder „Donauufer Autobahn“ die offiziellen Schreibweisen.<ref>Bundesstraßengesetz 1971, BGBl. Nr.&nbsp;286/1971 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr.&nbsp;58/2006, Anlage I. [http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bundesnormen/NOR40077377/NOR40077377.html online]</ref>
Außerdem kann als Beispiel die derzeitige amtliche Schreibweise der [[Liste der Autobahnen und Schnellstraßen in Österreich#Autobahnen|österreichischen Autobahnen und Schnellstraßen]] angeführt werden. Laut Bundesstraßengesetz 1971 sind etwa „West Autobahn“, „Brenner Autobahn“ oder „Donauufer Autobahn“ die offiziellen Schreibweisen.<ref>Bundesstraßengesetz 1971, BGBl. Nr.&nbsp;286/1971 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr.&nbsp;58/2006, Anlage I. [http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bundesnormen/NOR40077377/NOR40077377.html online]</ref>


==== Abweichungen bei Straßennamen in der Schweiz ====
==== Abweichungen bei Straßennamen in der Schweiz ====

Version vom 6. Dezember 2014, 16:19 Uhr

Standardwidriges Leerzeichen auf einem ehemaligen Wegweiser in Wuppertal; mit „Uni Halle“ war nicht die Universität in Halle gemeint, sondern die Wuppertaler Uni-Halle.

Als Leerzeichen in Komposita bezeichnet man die fehlerhafte Trennung zusammengesetzter Wörter durch Leerzeichen. Komposita werden gemäß der geltenden deutschen Rechtschreibung grundsätzlich zusammengeschrieben. Umgangssprachlich abwertend werden solche Leerzeichen auch als Deppenleerzeichen bezeichnet.

Beispiele:
„Leerzeichen“ ist ein Kompositum aus dem Adjektiv „leer“ und dem Substantiv „Zeichen“, die beiden Bestandteile werden ohne Leerzeichen aneinandergesetzt und ergeben ein neues Substantiv mit großem Anfangsbuchstaben.

Die Getrennt- und Zusammenschreibung von Einheiten, die im Text unmittelbar benachbart und aufeinander bezogen sind, ist geregelt in Teil B des amtlichen Regelwerkes der deutschen Rechtschreibung von 2006:[1] Bestandteile von Wortgruppen schreibt man getrennt, Bestandteile von Zusammensetzungen schreibt man zusammen.[2] Für eine Kennzeichnung der einzelnen Bestandteile, die Absetzung gegeneinander und die Hervorhebung für den Lesenden wird dem Schreibenden in Teil I C der amtlichen Regelung der Bindestrich als Möglichkeit geboten, man spricht dann von einer Durchkopplung. In bestimmten Fällen ist der Bindestrich ausdrücklich vorgeschrieben.[3]

Komposita wurden bis ins 17. Jahrhundert oft durch Leerzeichen getrennt.[4] Bis ins 20. Jahrhundert ging man mehr und mehr dazu über, Komposita in einem Wort oder mit Bindestrich zu schreiben. Seit den 1990er Jahren werden Komposita fälschlicherweise wieder häufiger auseinandergeschrieben, vor allem in Entlehnungen aus dem Englischen, in Namen für Geschäfte, Produkte und Unternehmen, in den Medien und in der Werbegrafik. Beispiele dafür sind Frisch Back Stube statt Frischbackstube, Stadt Bücherei statt Stadtbücherei, oder Diplom Ingenieur statt Diplom-Ingenieur oder Diplomingenieur.

Nach der Regel schreibt sich eine Straße, die nach einem Max Mustermann benannt ist, Max-Mustermann-Straße, ein nach ihm benannter Preis Max-Mustermann-Preis. Es kann um einen Commodore-MPS-801-Drucker gehen (alternativ um einen Drucker Commodore MPS-801) oder um einen 60er-Jahre-Oldie.

Geschichte

Leerzeichen in Komposita 1534 Lutherbibel, Hesekiel 13

Im Nibelungenlied aus dem zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts finden sich auseinandergeschriebene Komposita wie chvchen meister (Küchenmeister).[5]

Auseinandergeschriebene Nominalkomposita erschienen parallel zu der zusammengeschriebenen Variante bis in die Neuzeit. Die Lutherbibel von 1534 verwendet durchgehend Leerzeichen in Nominalkomposita mit nachfolgender Minuskel. Danach kamen weitere Schreibvarianten der Nominalkomposita auf, die Schreibung mit Leerzeichen mit nachfolgender Majuskel, die Schreibung ohne Leerzeichen mit nachfolgender Majuskel (Binnenmajuskel) und die Schreibung mit Bindestrich beziehungsweise Doppelbindestrich.

Im 18. Jahrhundert verschwand die Variante der durchgehenden Schreibung mit Bindestrich, blieb aber in Zusammensetzungen mit Namen und anderen besonderen Fällen bis heute erhalten. Die Binnenmajuskel verschwand bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Das letzte Lehrbuch der Orthographie mit dieser Variante war das von Joseph Wismayr, das ab 1803 für die Reform des bayerischen Schulwesens eingesetzt wurde.[6]

In den ab 1861 erschienenen amtlichen Regelwerken wurden Leerzeichen in Komposita, Binnenmajuskeln und Bindestrich nicht erwähnt, da sich das Zusammenschreiben von Komposita mit Ausnahme der Komposita mit Namen allgemein durchgesetzt hatte.[7] In den vereinheitlichten amtlichen Regelwerken der Bundesstaaten des Deutschen Reichs ab 1901 war für unübersichtliche Fälle von Nominalkomposita der Bindestrich vorgesehen, nicht das Leerzeichen.[8]

Für Komposita mit Namen nannte Konrad Duden im Jahr 1905 folgende fünf vorkommenden Fälle mit Leerzeichen oder Bindestrich: Kaiser Wilhelmsplatz, Kaiser Wilhelms-Platz, Kaiser-Wilhelmsplatz, Kaiser-Wilhelms-Platz und Kaiserwilhelmsplatz.[9] Die noch im 20. Jahrhundert nachweisbare Schreibweise nach dem Muster Kaiser Wilhelm Platz[10][11] erwähnte Duden nicht.

Mangels einer Regelung im amtlichen Standard wählte Duden für die 8. Auflage seines Orthographischen Wörterbuchs der deutschen Sprache von 1905 die Variante Kaiser-Wilhelms-Platz als alleinige Variante aus und begründete den Verzicht auf Leerzeichen unter anderem damit, dass sich die Variante mit Bindestrichen (Durchkopplung) bei amtlichen Benennungen wie Friedrich-Wilhelms-Universität bereits ein Übergewicht verschafft habe.[9] 1907 übernahm Duden seine Entscheidung auch in den Buchdruckerduden.[12]

In Österreich und der Schweiz folgte man der Entscheidung Dudens nicht und behielt Leerzeichen in mehrgliedrigen Straßennamen bis in die Gegenwart bei. In Österreich gilt im Bereich der Ämter und Behörden nunmehr die Vorgabe, dass Leerzeichen in Komposita von Straßennamen in Zukunft nicht mehr verwendet werden. In der Schweiz besteht seit 2005 die Empfehlung des Bundesamts für Landestopografie, sich an die Duden-Regel zu halten. Als Komposita gelten in der Schweiz auch von Ortsnamen abgeleitete Benennungen wie Genfer See, man schreibt dort Genfersee.

Abweichungen vom aktuellen deutschen Schreibstandard

Auswirkung auf den Sprachfluss

Falsch gesetzte Leerzeichen können den Lesefluss stören, weil ein zusammengesetzter Ausdruck nicht sofort als solcher zu erkennen ist. Bisweilen ist der Sinn einer abweichenden Schreibung gegenüber der standardgemäßen Zusammenschreibung oder Schreibweise mit Bindestrich mehrdeutig oder verändert, wie in der Werbung eines Mobiltelefonanbieters, der mit „24 Monate ohne Grund Gebühr“ warb, oder auf einem Schild des Bezirksamts Nord in Hamburg mit dem Hinweis „Trink Wasser für Hunde“.[13]

Betonung auf -rei. (Original)
Betonung auf Stadt (Nachbearbeitung)

Die Schreibweise mit Leerzeichen kann zu veränderter Betonung führen. Der Hauptakzent eines zusammengesetzten Wortes liegt im Deutschen normalerweise auf dem ersten Teilwort. Beispielsweise liegt der Hauptakzent bei Stadtbahnwagen auf Stadt- ([ˈʃtatbaːnˌvaːgn̩]). Ein Leerzeichen führt hingegen zu einem weiteren Hauptakzent, beispielsweise in Stadtbahn Wagen auf Wagen ([ˌʃtatbaːnˈvaːgn̩]). Auf diese Weise entstehen in gesprochener Sprache häufig sogenannte Holzwegsätze. Deutlich wird der Bedeutungsunterschied auch in den Satzanfängen „Meine kranken Schwestern“ bzw. „Meine Krankenschwestern“.

Absichtliche Abweichungen

Abweichungen bei Eigennamen

Namensschreibweisen folgen Regeln, die von der amtlichen Rechtschreibung abweichen können. Das betrifft auch die Setzung von Zwischenräumen oder Bindestrichen. Schreibweisen der Standesämter (Personenstandsbehörden) dürfen nicht zwecks Vermeidung von Leerzeichen verändert werden.[14]

Im Regelwerk zur deutschen Rechtschreibung wird darauf hingewiesen, dass Eigennamen nicht an die orthographischen Regeln gebunden sind. In den Vorbemerkungen des Abschnitts C Schreibung mit Bindestrich heißt es:

Die Schreibung mit Bindestrich bei Eigennamen entspricht nicht immer den folgenden Regeln, so dass nur allgemeine Hinweise gegeben werden können. Zusammensetzungen aus Eigennamen und Substantiv zur Benennung von Schulen, Universitäten, Betrieben, Firmen und ähnlichen Institutionen werden so geschrieben, wie sie amtlich festgelegt sind.[1]

Im redaktionellen Teil von Zeitungen und Zeitschriften wird die Schreibweise von Unternehmen, Vereinen und Verbänden häufig an die Regeln der Rechtschreibung angepasst. Auch Unternehmensnamen mit Leerzeichen werden häufig zusammengeschrieben oder mit einem Bindestrich verbunden.

Abweichungen bei Straßennamen in Österreich

In Wien waren nach einem Beschluss des Stadtrats vom 19. Juni 1907 nach Personen benannte Straßen mit Leerzeichen zu schreiben: Johann Strauß-Gasse, Johann Nepomuk Berger-Platz und so weiter. Dieser Praxis in ihrer Reichshaupt- und Residenzstadt folgten viele Orte der damaligen österreichisch-ungarischen Monarchie. Die Setzung von Leerzeichen statt Bindestrichen wurde in diesen Fällen zum Teil der amtlichen österreichischen Rechtschreibregeln. In den Schulen wurde danach noch über Generationen nach diesen Regeln unterrichtet, siehe Österreichisches Wörterbuch[15]. Als Grund für die Schreibweise ohne Bindestrich wurde genannt, dass in diesen Zusammensetzungen der Bindestrich die Aufgabe habe, eine selbstständige Wortgruppe mit einem anderen Wort zu verbinden. Es bestehe kein Zweifel, dass es sich bei der Abraham a Sancta Clara-Gasse in der Wiener Innenstadt nicht um eine Claragasse, sondern um die nach dem Prediger Abraham a Sancta Clara benannte Gasse handle.[16] Zumindest in den Jahren ab 2006 folgt die offizielle Schreibung von Straßennamen jedoch den Regeln der alten wie neuen Rechtschreibung (Johann-Strauß-Gasse). Die Bezeichnungstafeln werden erst bei zusätzlichem Bedarf umgestellt, sodass die ältere Praxis noch auf längere Zeit im Straßenbild und in Landkarten sichtbar bleiben wird.

Außerdem kann als Beispiel die derzeitige amtliche Schreibweise der österreichischen Autobahnen und Schnellstraßen angeführt werden. Laut Bundesstraßengesetz 1971 sind etwa „West Autobahn“, „Brenner Autobahn“ oder „Donauufer Autobahn“ die offiziellen Schreibweisen.[17]

Abweichungen bei Straßennamen in der Schweiz

Die Schreibweise von Straßennamen folgt in manchen Schweizer Städten wie Basel dem Wiener Beispiel von 1907, wonach Vor- und Nachname einer Person nicht mit Bindestrich aneinandergekoppelt werden, also etwa C.F. Meyer-Strasse. Zürich, das ebenfalls dem Wiener Beispiel gefolgt war, ist hingegen im Jahre 2000 zur Durchkoppelung des Typs Max-Bill-Platz, Alfred-Escher-Strasse übergegangen.[18]

Abweichungen bei Marken und in der Werbung

Für Marken, in der Werbung und in Anzeigen wird die Getrenntschreibung bewusst benutzt, um Aufmerksamkeit auf nicht am Anfang des Kompositums stehende Wörter zu lenken, beispielsweise wie bereits in den 1970er-Jahren bei Volkswagen Original Teile. Hier kommt das Wort Original besser zur Geltung. Häufig sind jedoch Nachlässigkeit oder mangelnde Rechtschreibkenntnisse die Ursache, beispielsweise bei Damen Strümpfe oder Garten Handschuhe. Wenn die Produktbezeichnungen auf Verpackungen auf mehrere Zeilen aufgeteilt werden, wird inzwischen fast immer auf den Bindestrich verzichtet (Frühlings|Gemüse|Suppe, Frucht|Joghurt).[19]

Leerzeichen in Komposita werden auch für Wortspiele genutzt. So warb Mazda 2005 mit dem Werbespruch Mehr Sport wagen für ein Kombifahrzeug, um den sportlichen Anspruch des Fahrzeugs zu unterstreichen. Die Kondomkampagne Mach's mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung benutzte – unter Anspielung auf die damalige Fernsehserie Liebling Kreuzberg – den Spruch Lieblings Farben.

Unternehmen lassen zunehmend den eigene Markennamen getrennt voranschreiben, auch wenn diesem richtigerweise ein Bindestrich folgen müsste, beispielsweise Mazda Händler oder LEGO Katalog. Einige Firmen bestehen sogar ausdrücklich auf diese Schreibweise und eventuelle Versalien.[20]

Abweichungen in der Literatur

In seinem 1929 erschienenen Roman O.S. benutzte der Schriftsteller Arnolt Bronnen eine Privatorthographie, zu der auch die Getrenntschreibung von Komposita gehörte. In einer Rezension dieses Romans bemerkte Kurt Tucholsky dazu: „Welch ein Bock Mist.“[21]

Abweichungen aus technischen Gründen

Maschinelle Übersetzung

Beim Übertragen von englischen Texten ins Deutsche insbesondere durch maschinelle Übersetzung kann es passieren, dass die Leerzeichen irrtümlich übernommen werden und zum Beispiel aus car washAuto Wäsche“ wird.[22]

Automatische Rechtschreibprüfungen

Die meisten automatischen Rechtschreibprüfungen (zum Beispiel die von Microsoft Word, OpenOffice.org und Firefox) bewerten zusammengeschriebene Wörter nur dann als korrekt, wenn das Gesamtwort bekannt ist. Einerseits können dadurch fehlende Leerzeichen erkannt werden, andererseits werden selten benutzte Komposita zu Unrecht als Fehler markiert. Durch Trennen an der Wortfuge kann die Rechtschreibprüfung „befriedigt“ werden, denn getrennt geschriebene Substantive wie Auto Wäsche werden nicht als Fehler erkannt. Dieser Sachverhalt wird noch dadurch kompliziert, dass durchaus auch korrekte Sätze gebildet werden können, in denen zwei Substantive unmittelbar hintereinanderstehen, wie beispielsweise „Er bringt mit dem Auto Wäsche zur Reinigung“. Es gibt zusätzlich erhältliche Rechtschreibprüfungen, die zwei hintereinanderstehende Substantive als Fehler erkennen. Ältere Software (zum Beispiel DOS-Programme und elektronische Schreibmaschinen) arbeitet mit einfachen Wortlisten, da der begrenzte Speicher und die Rechengeschwindigkeit keine komplexeren Algorithmen erlauben. Damit können generell keine fehlerhaften Getrenntschreibungen erkannt werden.

Abweichungen aus Unkenntnis

Einfluss des Englischen

Eine mögliche Ursache liegt im Einfluss der englischen auf die deutsche Sprache durch Sprachkontakt. Dieser als Anglizismus bezeichnete Einfluss führt im Deutschen zur fehlerhaften Bildung[23] von Komposita, die im Englischen in der Regel getrennt geschrieben werden.

Missverstandene Rechtschreibreform

Eine weitere mögliche Ursache liegt in den Regeln zur Getrennt- und Zusammenschreibung der Rechtschreibreform von 1996. Darin wurde bis zu der 2006 erfolgten „Reform der Reform“ eine vermehrte Getrenntschreibung von Verben und Adjektiven vorgeschrieben. Dies könnte bei oberflächlicher Beschäftigung dahingehend missverstanden worden sein, dass jetzt alles getrennt geschrieben werden dürfe oder gar müsse. Auffällig sind falsche Leerzeichen in Verben wie „herunter laden“ oder „an machen“.[24]

Mehrdeutige Schreibungen

Da „sich die Verwendung einer Wortgruppe oder einer Zusammensetzung danach richtet, was jeweils gemeint ist und was dem Sprachgebrauch und den Regularitäten des Sprachbaus entspricht“,[25] gibt es Fälle, in denen der Leser nicht erkennen kann, ob er eine Wortgruppe oder eine standardwidrig geschriebene Zusammensetzung liest.[26]

Öffentliche Wahrnehmung

Die Verwendung von Leerzeichen in Komposita entgegen der geltenden Orthographie aus Unkenntnis, geschmacklichen oder marketingtechnischen Gründen wurde 2002 von Sprachpflegern gerügt.[27] Ein von Philipp Oelwein dafür erfundenes[27] Kofferwort „Agovis“ aus altgriechisch Agora („Leere/Platz“) und Divis („Bindestrich“) ist wenig verbreitet. Häufiger ist dagegen der abwertende[28] Begriff „Deppenleerzeichen“, „Deppen-Leerzeichen“ oder ironisch „Deppen Leer Zeichen“ zu finden, seit der Kolumnist Bastian Sick das „Deppenleerzeichen“ in seiner Kolumne Zwiebelfisch[29] sowie in seinen Büchern mehrmals humoristisch behandelte.

Leerzeichen in Komposita in anderen Sprachen

Hauptartikel: Nominalkompositum

Baskisch

Im Baskischen, wo es zahlreiche Komposita gibt, kommen sowohl Schreibungen mit Leerzeichen (typischerweise bei Reduplikation: etorri etorri, eine modale Verstärkung von etorri ›kommen‹), mit Bindestrich (zuri-beltz ›schwarz-weiß‹, galde-erantzunak ›Fragen und Antworten‹) sowie Zusammenschreibung vor (liburudenda ›Buchhandlung‹, idazmakina ›Schreibmaschine‹). Der Determinand (das bestimmende Wort) geht dem Determinaten (dem näher bestimmten Wort) voraus.

Englisch

In der englischen Schriftsprache werden Komposita, die aus drei bis vier Gliedern zusammengesetzt sein können, in der Regel nicht zusammengeschrieben. Der Leser und Hörer erkennt die Zusammengehörigkeit dann nur an der Möglichkeit zur hypothetischen Flexion durch Mehrzahlbildung oder Genitivbildung. Um Missverständnisse auszuschließen, werden in Vierwortverbindungen zusammengehörige Bestimmungswörter des Nomens oft mit Viertelgeviertstrichen (Bindestriche) untereinander verbunden (englisch: Hyphenation).

Finnisch

In der finnischen Schriftsprache werden Komposita überwiegend zusammengeschrieben, ähnlich wie im Deutschen. Das Bestimmungswort steht gewöhnlich im Nominativ oder im Genitiv, aber auch einige andere Kasus (sogar im Plural) sind möglich.

Indonesisch

Im Indonesischen werden Nominalkomposita prinzipiell auseinandergeschrieben. Das Bestimmungswort folgt dem Grundwort.

Italienisch

Im Italienischen werden, wie in den anderen romanischen Sprachen, Komposita zumeist zusammengeschrieben: palcoscenico ›Bühne‹, girasole ›Sonnenblume‹. Andere Formen, sogenannte parole-frase[30] werden hingegen getrennt geschrieben: agenzia viaggi ›Reisebüro‹. Die Stellung des determinierenden und des determinierten Teils kann variieren, vgl. camposanto ›Friedhof‹ (Bestimmungswort santo) und ferrovia ›Eisenbahn‹ (Bestimmungswort ferro).

Niederländisch

Wie im Deutschen werden auch im Niederländischen Komposita zusammengeschrieben.[31] Häufig werden sie auch wie im Deutschen fälschlich getrennt geschrieben, was von den Niederländern als englische Krankheit bezeichnet wird („Engelse ziekte“,[32] was auch Rachitis bedeutet), wegen des englischen Einflusses, der für diesen Fehler verantwortlich gemacht wird. Ein Symptom dieser „Krankheit“ ist auch die „Blindheit“ für die durch diesen Schreibfehler verursachte Bedeutungsänderung.

Russisch

Im Russischen werden Komposita entweder mit Bindestrich (женщина-врач ›Ärztin‹, wörtlich ›Frau-Arzt‹) oder zusammengeschrieben, wobei häufig Bindevokale vorkommen: Царьград ›Zarenstadt‹. Eine Fügung mit Leerzeichen ist nicht möglich, wohingegen Syntagmata, die aus einem Substantiv und einem kongruierenden Beziehungsadjektiv bestehen, häufig sind: домашнее задание ›Hausaufgabe‹, wörtl. ›häusliche Aufgabe‹. Das Bestimmungswort steht an erster Stelle.

Türkisch

Im Türkischen werden Nominalkomposita überwiegend auseinandergeschrieben. Das Bestimmungswort geht dem Grundwort voraus und das Grundwort erhält das Possessivsuffix der dritten Person.

Commons: Leerzeichen in Komposita in Geschichte und Gegenwart – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Deutsche Rechtschreibung, Regeln und Wörterverzeichnis entsprechend den Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung, Überarbeitetes Regelwerk (Fassung 2006 mit den Aktualisierungen 2011) - Downloadseite (Link) des Instituts für Deutsche Sprache Mannheim , Regeln (PDF), Wörterverzeichnis (PDF)
  2. dto. - Regeln, Teil I B "Getrennt- und Zusammenschreibung", S. 33 f.
  3. dto. - Regeln, Teil I C "Schreibung mit Bindestrich" Vorbemerkungen und §§ 40 bis 52, S. 43 f.
  4. Nibelungenlied um 1240
  5. Nibelungenlied um 1240, Seite 1
  6. Joseph Wismayr: GrundSätze der hochdeutschen Sprache zum Schul- und SelbstUnterrichte. Zweyter Theyl, RechtschreibLehre. Im kurfürstl. deutschen SchulBücherVerlage am RinderMarkte. München 1805.
  7. Regeln und Wörterverzeichnis für die deutsche Rechtschreibung zum Gebrauch an den bayerischen Schulen. In amtlichem Auftrage bearbeitet. Verlag von R. Oldenbourg, München o. J. [1879].
  8. Regeln für die deutsche Rechtschreibung nebst Wörterverzeichnis. Herausgegeben vom Königlich Bayerischen Staatsministerium des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten auf Grund Vereinbarung mit den deutschen Bundesregierungen und mit Österreich. Verlag R. Oldenbourg, München 1903.
  9. a b Konrad Duden: Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Achte, neubearbeitete Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig und Wien 1905. Vorwort, Seite XIII.
  10. Bildbeleg Kaiser Wilhelm Brücke
  11. Bildbeleg Kaiser Friedrich Museum
  12. Konrad Duden: Rechtschreibung der Buchdruckereien deutscher Sprache. Zweite, vermehrte und verbesserte Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig und Wien 1907. Vorbemerkungen, Seite XVIII.
  13. http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/0,1518,436724,00.html
  14. E1 zu § 46 der amtlichen Regeln (s. Fußnote 1), S. 49: Die standesamtliche Schreibung mehrteiliger Personennamen kann von dieser Regelung abweichen.
  15. „Österreichisches Wörterbuch“. Herausgegeben im Auftrage des Bundesministeriums für Unterricht. Mittlere Ausgabe. 22., durchgesehene Auflage. Österreichischer Bundesverlag, Verlag für Jugend und Volk, Wien. Mit Erlass des Bundesministeriums für Unterricht vom 17. Oktober 1951, Zl. 48.023-IV/15/51, zum Unterrichtsgebrauch an allen Schulen zugelassen.
  16. Österreichisches Wörterbuch, 22. Auflage, S. 41* oben (die mit * versehenen Seiten enthalten die Rechtschreibregeln, das Wörterverzeichnis begann selbstständig mit der Seite 1).
  17. Bundesstraßengesetz 1971, BGBl. Nr. 286/1971 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 58/2006, Anlage I. online
  18. Stadtratsbeschluss Nr. 1352/2000: Strassenbenennungen, Schreibweise der Strassennamen. Zürich, 23. August 2000. (PDF-Datei; 62 kB).
  19. Bildbelege Zeilenumbruch ohne Bindestrich
  20. Der antastbare Name von Bastian Sick am 21. Juni 2005
  21. Peter Panter: Ein besserer Herr, in: Die Weltbühne, Nr. 26, 25. Juni 1929, S. 935
  22. Artikel aus der ZEIT vom Mai 1996 über aktuelle Sprachentwicklungen im Deutschen.
  23. Deutsche Rechtschreibung. Regeln und Wörterverzeichnis. Überarbeitete Fassung des amtlichen Regelwerks 2004, Teil I, Kapitel B: Getrennt- und Zusammenschreibung, Absatz 3 (§ 37). Regelwerk als PDF
  24. Lehrerfreund
  25. Deutsche Rechtschreibung. Amtliche Regelung 2006. Teil I B 0 Vorbemerkungen (2)
  26. Bildbeleg Wortgruppe oder Zusammensetzung?
  27. a b Der Spiegel 45/2002
  28. Jürgen Spitzmüller: Metasprachdiskurse: Einstellungen zu Anglizismen und ihre wissenschaftliche Rezeption. De Gruyter, Berlin [unter anderem] 2005. Seite 261 f. Anm. 6
  29. Dem Wahn Sinn eine Lücke und Tüten Suppe aus der Suppen Tüte von Bastian Sick
  30. Marcello Sensini: La Grammatica della Lingua Italiana. Milano: Mondadori 1997, S. 577.
  31. http://www.onzetaal.nl/advies/langeafstandsloper.php
  32. nl:Engelse ziekte (taal)