„Bethe-Weizsäcker-Formel“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Bethe-Weizsäcker.png|mini|300px|Theoretisch nach der Bethe-Weizsäcker-Formel berechnete Bindungsenergie pro Nukleon, aufgetragen als Funktion von Z und N wie die Kerne in der [[Nuklidkarte]]. Die Bindungsenergie ist farblich dargestellt, gelb höchste, blau niedrigste, weiß negative Bindungsenergie.]]
[[Datei:Bethe-Weizsäcker.png|mini|300px|Theoretisch nach der Bethe-Weizsäcker-Formel berechnete Bindungsenergie pro Nukleon, aufgetragen als Funktion von Z und N wie die Kerne in der [[Nuklidkarte]]. Die Bindungsenergie ist farblich dargestellt, gelb höchste, blau niedrigste, weiß negative Bindungsenergie.]]


Für einen [[Atomkern|Kern]] mit <math>N</math> [[Neutron]]en und <math>Z</math> [[Proton]]en und damit einer Nukleonenzahl <math>A=N+Z</math> ergibt sich die Bindungsenergie <math> E_\mathrm{B}=E_\mathrm{B}(A,Z)</math> aus fünf Summanden. Bis zu einer Nukleonenzahl <math>A\approx 30</math> gibt es noch größere Abweichungen von den gemessenen Werten, darüber beträgt die Abweichung von den gemessenen Bindungsenergien nur noch wenige Prozent.<ref>{{Literatur | Autor=Theo Mayer-Kuckuk | Titel=Kernphysik | Auflage=7. | Verlag=Teubner | Ort=Stuttgart/ Leipzig/ Wiesbaden | Jahr=2002 | ISBN=3-519-13223-0 | Seiten=49}}</ref> Die Bindungsenergie beträgt dabei weniger als ein Prozent der Gesamtenergie. Dies gilt entsprechend, <math>E = mc^2</math>, auch für die Masse. Diese kann folglich mit noch kleinerem Fehler mittels der empirischen Massenformel berechnet werden.
Für einen [[Atomkern|Kern]] mit <math>N</math> [[Neutron]]en und <math>Z</math> [[Proton]]en und damit einer Nukleonenzahl <math>A=N+Z</math> ergibt sich die Bindungsenergie <math> E_\mathrm{B}=E_\mathrm{B}(A,Z)</math> aus fünf Summanden. Bis zu einer Nukleonenzahl <math>A\approx 30</math> gibt es noch größere Abweichungen von den gemessenen Werten, darüber beträgt die Abweichung von den gemessenen Bindungsenergien nur noch wenige Prozent.<ref>{{Literatur | Autor=Theo Mayer-Kuckuk | Titel=Kernphysik | Auflage=7. | Verlag=Teubner | Ort=Stuttgart/ Leipzig/ Wiesbaden | Jahr=2002 | ISBN=3-519-13223-0 | Seiten=49}}</ref> Die Bindungsenergie beträgt dabei wenige Prozent der Gesamtenergie. Dies gilt entsprechend, <math>E = mc^2</math>, auch für die Masse. Diese kann folglich mit noch kleinerem Fehler mittels der empirischen Massenformel berechnet werden.


Für stabile Kerne ist die Bindungsenergie stets größer als null. Die Formel erlaubt es die bei einer Kernreaktion wie dem [[Betazerfall]], [[Alphazerfall]] und [[Kernspaltung]] die frei werdende Energie zu berechnen.
Für stabile Kerne ist die Bindungsenergie stets größer als null. Die Formel erlaubt es die bei einer Kernreaktion wie dem [[Betazerfall]], [[Alphazerfall]] und [[Kernspaltung]] die frei werdende Energie zu berechnen.

Version vom 7. April 2023, 14:07 Uhr

Die Bethe-Weizsäcker-Formel erlaubt die Berechnung der Bindungsenergie von Nukleonen im Atomkern nach dem Tröpfchenmodell entwickelt von George Gamow.[1][2] Bindungsenergie kann als negative potenzielle Energie betrachtet werden. Im Tröpfchenmodell werden die Nukleonen wie Moleküle eines inkompressiblen geladenen Flüssigkeitströpfchens betrachtet.

Die halbempirische Formel wurde erstmals 1935 von Carl Friedrich von Weizsäcker aufgestellt.[3] Bekannt wurde sie auch durch die Veröffentlichung und Weiterentwicklung von Hans Bethe (1936).[4] Sie ist auch als Weizsäcker-Formel oder halbempirische Massenformel bekannt.[5]

Bedeutung und Anwendungsbereich der Formel

Theoretisch nach der Bethe-Weizsäcker-Formel berechnete Bindungsenergie pro Nukleon, aufgetragen als Funktion von Z und N wie die Kerne in der Nuklidkarte. Die Bindungsenergie ist farblich dargestellt, gelb höchste, blau niedrigste, weiß negative Bindungsenergie.

Für einen Kern mit Neutronen und Protonen und damit einer Nukleonenzahl ergibt sich die Bindungsenergie aus fünf Summanden. Bis zu einer Nukleonenzahl gibt es noch größere Abweichungen von den gemessenen Werten, darüber beträgt die Abweichung von den gemessenen Bindungsenergien nur noch wenige Prozent.[6] Die Bindungsenergie beträgt dabei wenige Prozent der Gesamtenergie. Dies gilt entsprechend, , auch für die Masse. Diese kann folglich mit noch kleinerem Fehler mittels der empirischen Massenformel berechnet werden.

Für stabile Kerne ist die Bindungsenergie stets größer als null. Die Formel erlaubt es die bei einer Kernreaktion wie dem Betazerfall, Alphazerfall und Kernspaltung die frei werdende Energie zu berechnen.

Streng genommen müsste man auch die Bindungsenergie der Elektronen an den Atomkern beachten. Die Atommasse ist wegen der Bindungsenergie der Elektronen an den Kern stets etwas kleiner als die Summe aus der Kernmasse und den Massen der Elektronen. Typische Elektronenbindungsenergien liegen im Bereich von einigen eV. Im Vergleich zu den Kernbindungsenergien, die im Bereich mehrerer MeV liegen, kann die Elektronenbindungsenergie daher im Rahmen der möglichen Genauigkeit der hier behandelten Formel vernachlässigt werden.

Gesamtbindungsenergie

Die gesamte Bindungsenergie eines Atomkerns setzt sich aus fünf Beiträgen zusammen:

Tröpfchenmodell

Hierbei müssen die Werte für die Parameter experimentell bestimmt werden, indem die Massenformel an die Bindungsenergien von mindestens fünf Kernen angepasst wird. Je nach Wahl dieser Kerne variieren die genauen Werte in der Literatur. Dies liegt dann daran, dass die Formeln für jeweils andere Massenbereiche optimiert wurden.

Die Formel ist unbrauchbar für sehr leichte Atomkerne mit geringer Nukleonenzahl, für größere Kerne ist sie eine gute Näherung. Aber auch hier kann sie beispielsweise die Magischen Zahlen nicht erklären, erst das Schalenmodell liefert dafür eine Erklärung.

Über die Bindungsenergie lässt sich die gesamte Kernmasse m berechnen. Es gilt nämlich mit der Masse des Neutrons = 939,553 MeV/c² und der Masse des Protons = 938,259 MeV/c². Damit erhält man aus der Bethe-Weizsäcker-Formel eine Massenformel. Die für den Kern erhaltene Masse lässt sich über die Beziehung auch durch eine Energie ausdrücken.

Neuere Zahlen (Stand 2006) zu den Koeffizienten und verschiedenen Termkombinationen wurden von Royer und Gautier berechnet.[7]

Erläuterung der fünf Beiträge

Volumenanteil

Wegen der konstant angenommenen Dichte ist das Volumen proportional zur Massenzahl. Die Volumenenergie resultiert aus der gegenseitigen Anziehung der Nukleonen aufgrund der starken Kernkraft. Da diese aber äußerst kurzreichweitig ist, trägt immer nur die Wechselwirkung mit den nächsten Nachbarn eines Nukleons zur Bindung bei. Die Bindungsenergie eines von allen Seiten mit anderen Nukleonen umgebenen Nukleons, wie es sie in größeren Kernen gibt, ist somit unabhängig von der Anwesenheit weiterer Nukleonen und damit von deren Gesamtzahl:

Oberflächenanteil

Die Nukleonen an der Oberfläche sind von weniger Nachbarn umgeben als die Nukleonen im Inneren des Kerns. Dadurch sind sie schwächer gebunden und reduzieren die Bindungsenergie. Es wird daher ein destabilisierender Term angenommen, der proportional zur Oberfläche des Kerns ist (negatives Vorzeichen). Der Oberflächenterm beschreibt das Verhältnis von Oberfläche und Volumen. Die Oberfläche einer Kugel ist proportional zu und daher auch zu . Wegen (siehe Volumenanteil) gilt . Vor allem bei kleinen Kernen mit wenigen Nukleonen macht sich der Oberflächenanteil bemerkbar, verliert dann allerdings mit wachsender Nukleonenzahl an Bedeutung.

Coulomb-Anteil

Ein weiterer destabilisierender Einfluss ist die coulombsche Abstoßung der gleichnamig positiv geladenen Protonen. Diese Energie ist nach dem coulombschen Gesetz proportional zum Quadrat der elektrischen Ladung, also der Ladungszahl , und umgekehrt proportional zum Radius. Da jedes der Protonen nur von den anderen Protonen abgestoßen wird, ist der Effekt eigentlich proportional zu und nicht zu , was aber für große vernachlässigt werden kann. Der Radius wiederum ist proportional zur Potenz und damit zu . Je größer ein Kern wird, desto größer wird die gegenseitige Coulomb-Abstoßung der Protonen im Kern, sodass der Coulomb-Anteil für große Kernladungszahlen immer wichtiger wird. Dies ist auch der Grund dafür, dass Atome nur bis zu einer Ordnungszahl von 82 (Blei) dauerhaft bestehen können. Aufgrund der eben genannten Argumente kann der Coulomb-Anteil folgendermaßen genähert werden:

Symmetrieanteil

Dieser Term ist quantenmechanischer Natur und sorgt für ein Gleichgewicht zwischen Neutronenzahl und Protonenzahl. Er verschwindet für und schwächt die Bindung mit zunehmender Differenz zwischen Neutronen- und Protonenzahl. Ein Ungleichgewicht zwischen der Protonenzahl und der Neutronenzahl wirkt also destabilisierend auf einen Kern. Es wird daher ein Term proportional zu angesetzt. Da das Vorzeichen dieser Differenz keinen Einfluss haben soll, wird sie quadriert und dann, zur Kompensation des Quadrats, wieder durch dividiert. Dies ergibt einen Term

Teilweise findet man in der Literatur einen Wert . Dort wurde der Faktor 4 aus dem Nenner mit in die Konstante eingerechnet und tritt in der Formel nicht mehr auf.

Da sowohl Neutronen als auch Protonen der Fermistatistik folgen, gilt das Pauliprinzip, wonach jeder Quantenzustand nur einfach besetzt werden kann. Der energetisch höchst besetzte Zustand definiert die Fermi-Energie. Die Symmetrieenergie sorgt dafür, dass Neutronen und Protonen dieselbe Fermi-Energie haben.

Paarungsanteil

Die bisherigen Terme werden durch einen weiteren Term ergänzt, der auf der Beobachtung beruht, dass Kerne mit geraden Protonen- und Neutronenzahlen stabiler sind als solche mit ungeraden. Dies findet erst im Schalenmodell des Atomkerns eine Erklärung durch Bildung von Neutron-Neutron- und Proton-Proton-Paaren, jeweils mit Spin Null. Bei ungerader Protonen- und/oder Neutronenzahl bleibt jeweils ein ungepaartes Teilchen übrig, das deshalb lockerer gebunden ist.

Kerne mit gerader Protonenzahl und gerader Neutronenzahl (gg-Kerne) sind daher besonders fest gebunden, solche mit ungeradem und (uu-Kerne) besonders schwach gebunden, die restlichen (ug- und gu-Kerne) liegen dazwischen; gg-Kerne stellen die meisten stabilen Nuklide, während von den uu-Kernen nur die vier leichtesten, 2H, 6Li, 10B und 14N, stabil sind. Der Paareffekt nimmt mit steigender Nukleonenzahl ab. Als geeigneten Term in der Formel verwendet man daher

mit

Literatur

Einzelnachweise

  1. G. Gamow: Mass defect curve and nuclear constitution. In: Proceedings of the Royal Society of London. Series A, Containing Papers of a Mathematical and Physical Character. Band 126, Nr. 803, 3. März 1930, ISSN 0950-1207, S. 632–644, doi:10.1098/rspa.1930.0032 (englisch, royalsocietypublishing.org [abgerufen am 30. März 2023]).
  2. Liquid-drop model | Definition & Facts | Britannica. Abgerufen am 30. März 2023 (englisch).
  3. C. F. v. Weizsäcker: Zur Theorie der Kernmassen. In: Zeitschrift für Physik. Band 96, Nr. 7, 1. Juli 1935, ISSN 0044-3328, S. 431–458, doi:10.1007/BF01337700.
  4. H. A. Bethe, R. F. Bacher: Nuclear Physics A. Stationary States of Nuclei. In: Reviews of Modern Physics. Band 8, Nr. 2, 1. April 1936, S. 82–229, doi:10.1103/RevModPhys.8.82 (englisch, aps.org [abgerufen am 30. März 2023] Ein damals viel verwendeter Übersichtsartikel, der den damaligen Stand der Kernphysik darstellte).
  5. Zur Benennung zum Beispiel Jörn Bleck-Neuhaus Elementare Teilchen, Springer Verlag 2010, S. 109. Die Formel war in der Veröffentlichung von Weizsäcker schwer verständlich und wurde durch Niels Bohr und Bethe verbessert und verständlich und weiteren Kreisen bekannt gemacht.
  6. Theo Mayer-Kuckuk: Kernphysik. 7. Auflage. Teubner, Stuttgart/ Leipzig/ Wiesbaden 2002, ISBN 3-519-13223-0, S. 49.
  7. G. Royer, C. Gautier: Coefficients and terms of the liquid drop model and mass formula. In: Physical Review C. Band 73, Nr. 6, 23. Juni 2006, ISSN 0556-2813, S. 067302, doi:10.1103/PhysRevC.73.067302, arxiv:nucl-th/0608064 (englisch, aps.org [abgerufen am 30. März 2023]).