„Bürgergeld-Gesetz“ – Versionsunterschied

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=== Koalitionsvertrag ===
=== Koalitionsvertrag ===
Der [[Koalitionsvertrag]] für die [[20. Deutscher Bundestag|20. Legislaturperiode]] „Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ sah vor, anstelle der bisherigen Grundsicherung (Hartz IV) ein Bürgergeld einzuführen.<ref>[https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf ''Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit''] Koalitionsvertrag 2021–2025 zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP S. 75 ff.</ref> Auch [[Hubertus Heil]] (SPD), Sozialminister im [[Kabinett Scholz]], spricht sich trotz Widerständen beim Koalitionspartner FDP hierfür aus.<ref>Kristina Hofmann: ''[https://www.zdf.de/nachrichten/politik/buergergeld-hartz-iv-arbeitslose-heil-100.html Bürgergeld statt Hartz IV: Was Heil plant und wo die FDP blockiert]'' In: zdf.de, 20. Juli 2022, abgerufen am 25. Juli 2022.</ref>
Der [[Koalitionsvertrag]] für die [[20. Deutscher Bundestag|20. Legislaturperiode]] „Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ sah vor, anstelle der bisherigen Grundsicherung (Alg 2) ein Bürgergeld einzuführen.<ref>[https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf ''Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit''] Koalitionsvertrag 2021–2025 zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP S. 75 ff.</ref> Auch [[Hubertus Heil]] (SPD), Sozialminister im [[Kabinett Scholz]], spricht sich trotz Widerständen beim Koalitionspartner FDP hierfür aus.<ref>Kristina Hofmann: ''[https://www.zdf.de/nachrichten/politik/buergergeld-hartz-iv-arbeitslose-heil-100.html Bürgergeld statt Hartz IV: Was Heil plant und wo die FDP blockiert]'' In: zdf.de, 20. Juli 2022, abgerufen am 25. Juli 2022.</ref>


== Geplante Regelungen ==
== Geplante Regelungen ==

Version vom 31. Oktober 2022, 16:00 Uhr

Das Bürgergeld ist eine in Deutschland geplante Grundsicherungsleistung für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die im Jahre 2023 das Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) ablösen soll.

Vorgeschichte

Vorstellungen von Parteien

Im Februar 2019 beschloss der SPD-Parteivorstand ein Diskussionspapier, dem zufolge sich die Partei für die Abschaffung des einst von der rot-grünen Koalition 2005 eingeführten Arbeitslosengelds II („Hartz IV“) einsetzen und dieses durch eine neue Sozialleistung ersetzen wolle. Sie soll die Bezeichnung „Bürgergeld“ tragen. Der wesentliche Unterschied zum Arbeitslosengeld II besteht darin, dass das Bürgergeld, das die SPD vorschlägt, erst nach einer deutlich verlängerten Berechtigung auf Arbeitslosengeld I eingreift und eine zweijährige Schonfrist für die Anrechnung von Vermögen und die Wohnraumüberprüfung vorsieht.[1][2] Der Koblenzer Sozialwissenschaftler Stefan Sell kritisierte die Pläne der SPD: „Das Bürgergeld sei lediglich eine semantische Neu-Etikettierung“.[3]

Die FDP vertritt seit den 1980ern das Konzept eines liberalen Bürgergeldes. Hierbei soll es einen erhöhten individuellen Einkommensanreiz geben, indem zusätzliches Einkommen geringer angerechnet wird als bei bestehenden sozialen Sicherungssystemen und höhere Freibeträge gewährt werden sollen. Bei unbegründeter Ablehnung von Arbeit oder sozialem Engagement soll das Bürgergeld aber gekürzt werden können.[4]

Vorgeschlagene Reformen von Wirtschaftsinstituten

Das Ifo Institut für Wirtschaftsforschung definierte drei Bereiche für eine mögliche Gesetzesänderung gegenüber Hartz IV:[5]

1. „Das Zusammenlegen der Leistungen Arbeitslosengeld II mit dem Wohngeld und dem Kinderzuschlag“.
Die Bundesregierung plant, das neue Bürgergeld, Wohngeld, und „gegebenenfalls weitere steuerfinanzierte Sozialleistungen“ aufeinander abzustimmen und zusammenzufassen.[6]

2. „Die Verbesserung der Hinzuverdienstmöglichkeiten, indem die effektive Grenzbelastung beim Transferentzug verringert wird, sowie gleichzeitig ein Abbau der Bevorzugung von Kleinstberufen für Personen, die uneingeschränkt dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen“. Das Institut für Wirtschaftsforschung empfiehlt, Kinderlosen bis zu einem Zuverdienst von 320 Euro ihr Einkommen zu 100 Prozent auf die Leistungen anzurechnen, darüber hinaus allerdings nur noch zu 60 Prozent.[6]

3. „Die Vereinfachung der Anspruchsprüfung und der Voraussetzungen“.

Koalitionsvertrag

Der Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode „Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ sah vor, anstelle der bisherigen Grundsicherung (Alg 2) ein Bürgergeld einzuführen.[7] Auch Hubertus Heil (SPD), Sozialminister im Kabinett Scholz, spricht sich trotz Widerständen beim Koalitionspartner FDP hierfür aus.[8]

Geplante Regelungen

Am 9. August 2022 wurde ein Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) mit dem Namen Entwurf eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz) veröffentlicht.[9]

Gegenüber dem Arbeitslosengeld II soll es folgende Änderungen geben:[10][11]

  • Der Regelsatz des neuen Bürgergelds für alleinstehende Erwachsene soll monatlich 502 Euro betragen (von bisher 449 Euro). Auch Lebenspartner und Kinder sollen mehr Geld erhalten.
  • Längere Schonfrist von zwei Jahren bei einer zu großen Unterkunft.
  • Schonvermögen 15.000 Euro pro Person. In den ersten zwei Jahren 60.000 Euro.
  • Im ersten halben Jahr Sanktionen nur bei hartnäckigen Terminversäumnissen. Danach wie auch schon bei Hartz IV Sanktionen bis zu 30 %. (nachdem das Bundesverfassungsgericht 2019 härtere Sanktionen untersagt hatte)
  • Wegfall des Vermittlungsvorrangs: Aus- oder Weiterbildung können einer Jobaufnahme vorgezogen werden.
  • Höhere Freibeträge und Hinzuverdienstmöglichkeiten bei eigenem Einkommen. Anrechnungsfrei können weiterhin nur 100 Euro verdient werden (außer durch Schüler, Studierende und Auszubildende). Von 100 bis 520 Euro sind 20 Prozent anrechnungsfrei. Es sollen künftig 30 statt 20 Prozent der Einkünfte behalten werden können, die oberhalb der Minijob-Grenze liegen. Schüler, Studierende und Auszubildende sollen bis zur Minijob-Grenze (520 Euro) anrechnungsfrei hinzuverdienen können, statt wie bisher nur 100 Euro.[12]

Bewertung durch Öffentlichkeit und Nichtregierungsorganisationen

Eine großzügigere Vermögensanrechnung, höhere Zusatzverdienstmöglichkeiten und höhere Regelsätze werden einerseits als gerechte Korrekturen am bestehenden Hartz-IV-System angesehen[13][14][15][16], andererseits wird insbesondere die Erhöhung der Regelsätze als zu gering kritisiert angesichts der allgemeinen Preissteigerung, die im September 2022 über 8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat betrug und noch weiter ansteigen könnte.[11] Das Deutsche Kinderhilfswerk kritisiert die nach wie vor unzureichende finanzielle Unterstützung für Kinder. Auch die neuen Regelungen würden Kinderarmut nicht wirkungsvoll bekämpfen.[11] Andere Stimmen sahen die Änderungen als Gefahr für die Verringerung der Langzeitarbeitslosigkeit, oder als zu hohe zusätzliche Belastung der Sozialstaatsausgaben. Als Alternative wird eine Verbesserung der Rahmenbedingungen gefordert, etwa durch Weiterbildung und Kinderbetreuung.[13][14][15][16]

Was die Mitwirkungspflichten der Leistungsempfänger betrifft, so halten Christian Merkl und Ulrich Walwei diese weiterhin für ein wichtiges Element bei der Aktivierung von Beschäftigten.[14][15] Helena Steinhaus, Marcel Fratzscher und Ulrich Schneider bewerten den Fortbestand der Sanktionen dagegen kritisch. Der von Steinhaus gegründete Verein Sanktionsfrei legte eine in einem Zeitraum von 3 Jahren durchgeführte Studie vor, laut der Sanktionen keinen motivierenden Effekt auf die Mitwirkung haben und auch nicht dabei helfen, Menschen nachhaltig in Arbeit zu bringen, stattdessen demotivierend und einschüchternd wirken und in vielen Fällen die gesundheitliche Situation verschlechtern.[17][18] Erfolgversprechender sei es, niemanden zu bestrafen, wenn er ein Arbeitsangebot ablehnt oder nicht zu Terminen erscheint, sondern ihn stattdessen richtig zu fördern.[19] Die Union und die AfD halten das Bürgergeld für zu großzügig – sie meinen, geregelte Arbeit würde sich nicht mehr auszahlen.

Bewertung durch den Bundesrechnungshof

Ein Gutachten des Bundesrechnungshofes kritisiert laut einem Medienbericht die hohen Vermögensfreigrenzen im geplanten Bürgergeld und die zusätzlichen Kosten – im Jahr 2023 geschätzt 5 Milliarden Euro – für die Steuerzahler. Massive Fehlanreize könnten zu Missbrauch führen.[20]

Einzelnachweise

  1. Klausurtagung: SPD-Vorstand beschließt einstimmig Hartz-IV-Abkehr. In: Spiegel Online. 10. Februar 2019 (spiegel.de [abgerufen am 12. Februar 2019]).
  2. Ein neuer Sozialstaat für eine neue Zeit. SPD, 10. Februar 2019, abgerufen am 12. Februar 2019.
  3. SPD-Pläne zum Bürgergeld. Sozialwissenschaftler: Für viele Arbeitslose ändert sich nichts@deutschlandfunk.de, 11. Februar 2019, abgerufen am 15. Februar 2019
  4. Netzeitung: Was die FDP unter Bürgergeld versteht (Memento vom 4. Juli 2012 im Internet Archive). 6. Oktober 2009
  5. Maximilian Blömer, Clemens Fuest, Andreas Peichl: Aus Hartz IV wird Bürgergeld - nur alter Wein in neuen Schläuchen? (PDF) In: Wirtschaftsdienst, 2022, 102(2), 78-81. Institut für Wirtschaftsforschung München, 2022, abgerufen am 1. Mai 2022.
  6. a b Sophie Crocoll: Geplante Ampel-Reform: Hartz IV heißt bald Bürgergeld – aber was ändert sich wirklich? Abgerufen am 1. Mai 2022.
  7. Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit Koalitionsvertrag 2021–2025 zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP S. 75 ff.
  8. Kristina Hofmann: Bürgergeld statt Hartz IV: Was Heil plant und wo die FDP blockiert In: zdf.de, 20. Juli 2022, abgerufen am 25. Juli 2022.
  9. Bürgergeld: Mehr Sicherheit, weniger Bürokratie. BMAS, abgerufen am 13. August 2022. Link zum Download (PDF, 1 MB).
  10. Bürgergeld statt Hartz IV - was ist anders? In: tagesschau.de. Abgerufen am 15. September 2022.
  11. a b c Bürgergeld: Der Überblick zu den wichtigsten Neuerungen. In: Der Spiegel. 14. September 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 15. September 2022]).
  12. André Maßmann: Hartz V: Das gilt künftig beim Bürgergeld Zuverdienst. HartzIV.org, 30. September 2022, abgerufen am 22. Oktober 2022 (deutsch).
  13. a b Holger Schäfer: Bürgergeld statt Hartz IV. In: Wirtschaftsdienst. Band 2022, Nr. 2, 2022, S. 82–85 (wirtschaftsdienst.eu [abgerufen am 1. Mai 2022]).
  14. a b c Christian Merkl: Perspektiven zum Bürgergeld. In: Wirtschaftsdienst. Band 2022, Nr. 2, 2022, S. 86–89 (wirtschaftsdienst.eu [abgerufen am 1. Mai 2022]).
  15. a b c Roland Preuß: Hartz-IV: „Die Grundsicherung ist besser als ihr Ruf“. Abgerufen am 1. Mai 2022.
  16. a b Roland Preuß, Henrike Roßbach: Bürgergeld, höhere Renten: Was wird aus den Versprechungen der Ampel? Abgerufen am 1. Mai 2022.
  17. Hartz-Sanktionen laut Studie wirkungslos. In: Der Spiegel. 12. September 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 15. September 2022]).
  18. Laut einer Studie verfehlen Sanktionen bei Hartz-IV-Empfängern ihr Ziel. In: tagesschau.de. Abgerufen am 15. September 2022.
  19. David Gutensohn: Helena Steinhaus über Hartz IV: „Ohne Sanktionen bei Hartz IV hätten wir ein kleines Grundeinkommen“. Zeit, 25. März 2022, abgerufen am 1. Mai 2022.
  20. Rechnungshof warnt vor Bürgergeld-Missbrauch. Frankfurter Allgemeine, 17. Oktober 2022, abgerufen am 17. Oktober 2022.