„Bodyshaming“ – Versionsunterschied

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Als '''Bodyshaming''' bzw. '''Body-Shaming''' [{{IPA|ˈbɒdi ʃeɪmɪŋ}}] werden seit dem 21. Jahrhundert Formen von [[Diskriminierung]], [[Beleidigung (Geisteswissenschaften)|Beleidigung]], [[Mobbing]] oder [[Demütigung]] von Menschen aufgrund ihres [[Aussehen]]s bezeichnet; insbesondere im Hinblick auf ein [[Schönheitsideal]]. Der Begriff setzt sich zusammen aus ''Body'', {{enS}} für {{'|Körper}} und ''Shaming'', {{enS}} für {{'|[[wikt:beschämen|Beschämung]]}}.
Als '''Bodyshaming''' bzw. '''Body-Shaming''' [{{IPA|ˈbɒdi ʃeɪmɪŋ}}] werden von manchen Benutzern sogenannter [[Soziales Netzwerk (Internet)|sozialer Netzwerke]] im Internet und von manchen Soziologen abwertende Äußerungen über das Aussehen Anderer bezeichnet. Der Begriff setzt sich zusammen aus ''Body'', {{enS}} für {{'|Körper}} und ''Shaming'', {{enS}} für {{'|[[wikt:beschämen|Beschämung]]}}.

Diese Ideale können durch stereotypische Darstellungen in Medien und Werbung verstärkt oder vermindert werden.<ref>{{Literatur |Autor=Meghan Green |Titel=Body image and body shaming |Datum=2017 |ISBN=978-1-5345-6016-1}}</ref>


== Bodyshaming und verwandte Themen ==
== Bodyshaming und verwandte Themen ==
Als Bodyshaming identifizieren Schlüter et al. anhand einer explorativen Befragung „einen nicht wiederholten Akt, in dem eine Person ungefragt hauptsächlich negative Meinungen oder Kommentare über den Körper des Opfers (Größe, Form, Gewicht, Körperteile, mit dem Körper zusammenhängendes Erscheinungsbild, Extremitäten, etc.) abgibt“. Das geschehe nicht zwingendermaßen mit dem Willen, die Person zu verletzen. Unter den Überbegriff Bodyshaming fielen dann eine Reihe von Unterformen wie Fatshaming oder Skinny-Shaming. [[Schamgefühl]] bezüglich des eigenen Körpers bezeichnen sie als ''body shame'' („Körperscham“).<ref name=":10">{{Literatur |Autor=Constanze Schlüter, Gerda Kraag, Jennifer Schmidt |Titel=Body Shaming: an Exploratory Study on its Definition and Classification |Sammelwerk=International Journal of Bullying Prevention |Datum=2021-11-09 |ISSN=2523-3653 |DOI=10.1007/s42380-021-00109-3 |Online=https://link.springer.com/10.1007/s42380-021-00109-3 |Abruf=2021-12-02}}</ref> Von Bodyshaming betroffen sind meist Personen, die einem [[Schönheitsideal]] nicht entsprechen. Diese Ideale können durch stereotypische Darstellungen in Medien und Werbung verstärkt werden.<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Meghan Green, Ronald D. Lankford Jr |Titel=Body Image and Body Shaming |Verlag=Greenhaven Publishing LLC |Datum=2016 |ISBN=978-1-5345-6016-1 |Seiten=32 |Online=https://books.google.de/books?id=kH1mDwAAQBAJ&pg=PA31&dq=Bodyshaming&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiivZGOjcDmAhVMZ8AKHav1CdoQ6AEIOjAC#v=onepage&q=Bodyshaming&f=false |Abruf=2019-12-18}}</ref>
In einer Online-Befragung von 2021 gaben 25 Personen an, was sie unter der Bezeichnung verstehen. Die Autoren der Befragung fassten die sehr unterschiedlichen Vorstellungen von Bodyshaming zusammen als „einen nicht wiederholten Akt, in dem eine Person ungefragt hauptsächlich negative Meinungen oder Kommentare über den Körper des Opfers (Größe, Form, Gewicht, Körperteile, mit dem Körper zusammenhängendes Erscheinungsbild, Extremitäten, etc.) abgibt“. Das geschehe nicht zwingendermaßen mit dem Willen, die Person zu verletzen. Unter den Überbegriff Bodyshaming fielen dann eine Reihe von Unterformen wie Fatshaming oder Skinny-Shaming. [[Schamgefühl]] bezüglich des eigenen Körpers bezeichnen sie als ''body shame'' („Körperscham“).<ref name=":10">{{Literatur |Autor=Constanze Schlüter, Gerda Kraag, Jennifer Schmidt |Titel=Body Shaming: an Exploratory Study on its Definition and Classification |Sammelwerk=International Journal of Bullying Prevention |Datum=2021-11-09 |ISSN=2523-3653 |DOI=10.1007/s42380-021-00109-3 |Online=https://link.springer.com/10.1007/s42380-021-00109-3 |Abruf=2021-12-02}}</ref> Von Bodyshaming betroffen sind meist Personen, die einem [[Schönheitsideal]] nicht entsprechen. Diese Ideale können durch stereotypische Darstellungen in Medien und Werbung verstärkt werden.<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Meghan Green, Ronald D. Lankford Jr |Titel=Body Image and Body Shaming |Verlag=Greenhaven Publishing LLC |Datum=2016 |ISBN=978-1-5345-6016-1 |Seiten=32 |Online=https://books.google.de/books?id=kH1mDwAAQBAJ&pg=PA31&dq=Bodyshaming&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiivZGOjcDmAhVMZ8AKHav1CdoQ6AEIOjAC#v=onepage&q=Bodyshaming&f=false |Abruf=2019-12-18}}</ref>


Bodyshaming ist abzugrenzen von einer reinen Bewertung des Aussehens oder Ratschlägen zur Gestaltung der äußeren Erscheinung.<ref name=":0" /> Eine Diskriminierung aufgrund des Aussehens wird auch [[Lookism]] genannt.
Bodyshaming ist abzugrenzen von einer reinen Bewertung des Aussehens oder Ratschlägen zur Gestaltung der äußeren Erscheinung.<ref name=":0" /> Eine Diskriminierung aufgrund des Aussehens wird auch [[Lookism]] genannt.

Version vom 2. Dezember 2021, 14:41 Uhr

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Redaktion Medizin

Als Bodyshaming bzw. Body-Shaming [ˈbɒdi ʃeɪmɪŋ] werden von manchen Benutzern sogenannter sozialer Netzwerke im Internet und von manchen Soziologen abwertende Äußerungen über das Aussehen Anderer bezeichnet. Der Begriff setzt sich zusammen aus Body, englisch für ‚Körper‘ und Shaming, englisch für ‚Beschämung‘.

Bodyshaming und verwandte Themen

In einer Online-Befragung von 2021 gaben 25 Personen an, was sie unter der Bezeichnung verstehen. Die Autoren der Befragung fassten die sehr unterschiedlichen Vorstellungen von Bodyshaming zusammen als „einen nicht wiederholten Akt, in dem eine Person ungefragt hauptsächlich negative Meinungen oder Kommentare über den Körper des Opfers (Größe, Form, Gewicht, Körperteile, mit dem Körper zusammenhängendes Erscheinungsbild, Extremitäten, etc.) abgibt“. Das geschehe nicht zwingendermaßen mit dem Willen, die Person zu verletzen. Unter den Überbegriff Bodyshaming fielen dann eine Reihe von Unterformen wie Fatshaming oder Skinny-Shaming. Schamgefühl bezüglich des eigenen Körpers bezeichnen sie als body shame („Körperscham“).[1] Von Bodyshaming betroffen sind meist Personen, die einem Schönheitsideal nicht entsprechen. Diese Ideale können durch stereotypische Darstellungen in Medien und Werbung verstärkt werden.[2]

Bodyshaming ist abzugrenzen von einer reinen Bewertung des Aussehens oder Ratschlägen zur Gestaltung der äußeren Erscheinung.[2] Eine Diskriminierung aufgrund des Aussehens wird auch Lookism genannt. Die krankhafte Wahrnehmung des eigenen Körpers als hässlich wird auch als Dysmorphophobie bezeichnet. Bei dieser Störung findet aber oft kein Bodyshaming durch die Umwelt statt. Eine Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe gilt als Rassismus. Bodyshaming aufgrund nicht erfüllter äußerlicher Stereotype des Geschlechts kann auch als Sexismus gewertet werden.[3]

Oft passiert Bodyshaming auf Social-Media-Plattformen oder Imageboards.[4] Bodyshaming kann auch Aspekt von Mobbing und Cyber-Mobbing sein.[1] Besonders betroffen sind Frauen sowie Personen in Pubertät und Adoleszenz.[2][5]

Folgen für Betroffene

Folgen von Bodyshaming bei den Betroffenen sind Selbstzweifel am eigenen Körper, weniger Selbstbewusstsein, Selbstbild und Selbstwertgefühl, eingeschränkte Lebensqualität und es kann zu psychischen Erkrankungen wie Depression oder Angststörungen beitragen. Soziale Isolation, selbstverletzendes Verhalten oder andere negative psychische Begleiterscheinungen können hervorrufen werden.[6] Um den Schönheitsidealen zu entsprechen, entwickeln einige Betroffene auch eine Essstörung wie die Bulimie.[7][5] oder haben ein starkes Bedürfnis, ihren Körper anzupassen, z. B. durch eine Schönheitsoperation oder Medikamente.[8]

Sizeism

Eine Unterform des Bodyshaming ist die Diskriminierung aufgrund des Körpergewichts bzw. des Körperbaus, die auch als Fatshaming bei Übergewicht und allgemein als Sizeism oder gewichtsbezogene Stigmatisierung bezeichnet wird.[9][10][11]

Geschichte

Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts

Deutschland

Ein Verständnis von „Fettleibigkeit“ als Gesundheitsproblem begann in Deutschland mit der Aufklärung. Das Körperideal von Schlankheit entwickelte sich allerdings zuerst vor allem als Schönheitsideal der Aristokratie, deren Mitglieder etwa durch Kuraufenthalte versuchten, Gewicht zu reduzieren. In der von Hunger und Mangelernährung geprägten Arbeiterschicht setzte sich Schlankheit als Schönheitsideal erst deutlich später mit dem Wandel der Arbeitswelt und der Verfügbarkeit günstiger, kalorienreicher Nahrung durch. Für Deutschland erklärt Merta den Wandel ab dem späten 18. Jahrhundert anhand der Veränderung der Arbeitswelt und von Wertvorstellungen, die nun im Sinne der „Triebzivilierung“ auch im Privatleben zu Enthaltsamkeit und Mäßigung aufriefen. Zudem habe zunehmender Reichtum dazu geführt, dass ein dicker Bauch als Distinktionsmerkmal an Attraktivität verloren habe.[12]

USA

Auch in den USA lässt sich anhand von Werbematerialien schon für das späte 19. Jahrhundert ein Trend feststellen, in dem Sorgen vor Übergewicht artikuliert und von einer wachsenden Diätindustrie kommerzialisiert wurden, sodass Amy Erdman Farrell den Ursprung der Idee, dass Übergewicht ein Grund zur Scham sei, im 19. Jahrhundert identifiziert. Zuvor hatte Übergewicht, selbst wenn es als unattraktiv galt, als Statussymbol, das Macht und Besitz, aber auch Gier und Dekadenz signalisierte, gegolten. In Vaudeville-Shows und Jahrmärkten wurden extrem übergewichtige Menschen als „groteskes“ Spektakel beworben.[13] Auch Beleidigungen, die sich auf das Körpergewicht bezogen, gewannen zu Ende des 19. Jahrhunderts an Verbreitung.[14] Mit der Abwertung dicker Körper ging aber nicht direkt eine Aufwertung dünner Körper einher: Als Schönheitsideal galt vielmehr ein „ausgeglichener“ Körper. Übergewicht wurde zunehmend als Problem der wachsenden weißen Mittelschicht dargestellt; Übergewicht galt als Anzeichen, dass die neureiche Mittelschicht nicht verantwortungsvoll mit den neuen Freiheiten und Möglichkeiten umgehen könne. Die Abwertung dicker Menschen nahm zudem rassistische und klassistische Züge an. Selbst zu Zeitpunkten, als Übergewicht bei als weiß geltenden (englisch- und deutschstämmigen) Frauen noch Gesundheit und Schönheit symbolisierte, wurde es bei als nicht-weiß geltenden irischstämmigen Frauen als grotesk dargestellt.[13] Im wissenschaftlichen Diskurs war, so Amy Farrell, der Glaube verbreitet, „dass Modernität und Zivilisiertheit untrennbar mit Dünn-sein, und primitive und unzivilisierte Körper mit Dick-sein verbunden seien“.[15] Die vermeintliche Minderwertigkeit von Afrikanern, „Eingeborenen“, Frauen, Migranten und Verbrechern wurde so mit Übergewicht in Verbindung gebracht und weißen Frauen wurde nahegelegt, sich durch einen schlanken Körper davon abzugrenzen. Übergewicht von Frauen war mit Beginn des 20. Jahrhunderts zudem nicht mehr mit Mütterlichkeit, Fruchtbarkeit und Sinnlichkeit assoziiert, sondern wurde als Zeichen gedeutet, dass sie für Frauen unziemliche Tätigkeiten (etwa in der Politik) ausgeübt hätten.[16] Michael Clarke weist in Bezug auf die von Farrell diskutierten Verbindungen zwischen race und Fatshaming allerdings darauf hin, dass einerseits die Verbreitung solcher Verbindungen über die diskutierten Beispiele (wie etwa Sarah Baartman) hinaus debattierwürdig sei, und dass man andererseits „im späten 19. Jahrundert im Grunde alles mit Rassentheorien in Verbindung bringen kann, weil alles damit verbunden war.“[17]

Als Ursache für den Wandel des Schönheitsideals im 20. Jahrhundert werden schließlich verschiedene Erklärungen angeführt. Auch der Zeitpunkt, zu dem der Wandel vonstatten ging (spätes 19. Jahrhundert oder 1920er Jahre), ist Gegenstand der Debatte.[17] Die Medizin, die sich zwar schon länger mit Adipositas befasst hatte, trug zur Diskreditierung dicker Körper weniger bei und über lange Zeit galt Übergewicht als vernachlässigbares Problem (noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts stellte z. B. auch das Wiegen von Patienten keine Standardpraxis dar).[18][16][12] Medizinische Erkenntnisse über die gesundheitlichen Risiken von Übergewicht entwickelten sich erst nach Beginn der kulturellen Stigmatisierung von Übergewicht und wurden in der Öffentlichkeit erst dann zur Bestätigung vorab existierender Vorurteile herangezogen.[14] Für die USA verweisen Schwartz und Stearns, die den Wandel der Wahrnehmung von Übergewicht zeitlich später (zu Beginn des 20. Jahrhunderts) verorten, auf die Transformation von einer agrarisch und ländlich geprägten Gesellschaft zu einer urbanen, konsumorientierten Gesellschaft als wichtigen Faktor für die zunehmende Abwertung dicker Menschen. Der kulturelle Fokus auf Schlankheit sei ein Produkt von Schuldgefühlen in einer von Exzess geprägten Gesellschaft, die noch von den viktorianischen und protestantischen Idealen von harter Arbeit und Zurückhaltung geprägt sei.[16]

Im 20. Jahrhundert

Der Schlankheitstrend setzte sich im 20. Jahrhundert, nur unterbrochen durch die Nahrungsmittelknappheit während der Weltkriege, weiter durch. In der Folge nahm auch die Unzufriedenheit von Menschen mit dem eigenen Gewicht zu. Obwohl sich das Durchschnittsgewicht von US-Amerikanern zwischen 1950 und 1970 nicht wesentlich verändert hatte, gaben 1973 39 % der Männer und 44 % der Frauen an, sich zu dick zu fühlen – 1950 waren es noch 21, bzw. 44 %. Parallel zu den immer repressiver werdenden Schlankheitsidealen kam es allerdings insgesamt in den westlichen Staaten eher zu einer Gewichtszunahme. 1997 wurde Adipositas als erste nicht-infektiöse Krankheit von der WHO zur Epidemie erklärt. Wurde die Bezeichnung „Epidemie“ ursprünglich noch als Metapher für die schnelle Ausbreitung verwendet, verschob sich die Bedeutung später zum Sinn einer Epidemie, die mit Cholera oder AIDS vergleichbar sei.[12][19] Anstelle eines biomedizinischen Auslösers, wie etwa eines Virus, habe sich die Vorstellung verbreitet, dass eine „toxisch[e] Umwelt“ zur Verbreitung von Adipositas beitrage, so Schorb. Damit ging ein verstärkter wissenschaftlicher, medizinischer und politischer Fokus auf Adipositas einher.[12]

21. Jahrhundert

Während sich in vielen Bereichen die Erkenntnis durchgesetzt habe, dass moralische, physische und psychische Eigenschaften von Menschen nicht zusammenhingen, halte sich die Idee, dass man anhand des Körpergewichts den „Wert“ von Menschen erkennen könne, auch im 21. Jahrhundert, diagnostiziert Amy Farrell.[16] Seit den frühen 2000er Jahren dominiert der Diskurs der Adipositas-Epidemie die Debatte über Dickleibigkeit.[20][12] Eine Reihe von Wissenschaftlern sieht darin einen Zusammenhang mit neoliberaler Wirtschaftspolitik und ihren Auswirkungen.[20][21] Im Zuge dieser Politik sei es zur stärkeren biopolitischen Kontrolle des Gesundheitssystems gekommen, sodass Gesundheit verstärkt als individuelle Verantwortung im Sinne neoliberaler Selbsttechniken betrachtet und soziale und wirtschaftliche Faktoren ausgeblendet wurden, schreibt Harjunen. Der dicke Körper werde somit als „Zeichen ob man ein ansändiger, würdiger und produktiver (neoliberaler) Bürger gedeutet“. Die gesellschaftliche Kontrolle und negative Vorurteile über dicke Menschen würden mit den durch Übergewicht entstehenden gesellschaftlichen Kosten gerechtfertigt.[20]

Verbreitung

Stigmatisierung aufgrund des Körpergewichts findet häufig vor allem durch Familienmitglieder statt. Auch in Sozialen Medien finden sich Formen der Stigmatisierung, in denen häufig übergewichtigen Menschen ein Mangel an Selbstkontrolle und fehlende Eigenverantwortung vorgeworfen wird.[22] Eine von deutschen Wissenschaftlern durchgeführten systematischen Übersichtsarbeit von 2016 zeigte, dass durchschnittlich etwa 5,7 % der normalgewichtigen Menschen angaben, aufgrund ihres Gewichts diskriminiert worden zu sein. Unter Menschen mit Adipositas Grad I gaben 19,2 % der Befragten an, diskriminiert worden zu sein. Unter Befragten mit einem Body Mass Index über 35 lag der Wert bei 41,8 % der Befragten. Fatshaming fand auf der Arbeit, im Gesundheitssystem, im Erziehungssystem, in persönlichen Beziehungen und in den Medien statt. Besonders betroffen sind laut den untersuchten Studien Frauen, junge Erwachsene und Weiße.[23] Gewichtsbezogene Stigmatisierung tritt schon im Kinder- und Jugendalter auf und der Gewichtsstatus wird von Kindern als eine der Hauptursachen von Mobbing gesehen.[10]

Folgen

Gewichtsbasierte Stigmatisierungen haben für die Betroffenen negative Folgen auf ihre Lebensqualität sowie die physische und psychische Gesundheit.[24] Fatshaming wird (oft unabhängig vom tatsächlichen Körpergewicht oder BMI) mit negativem Gesundheitsverhalten in Verbindung gebracht, das die gewichtsbezogene Gesundheit negativ beeinträchtigt. So führt die Stigmatisierung unter Betroffenen häufig zu ungesundem Essverhalten und hat negative Auswirkungen auf die Motivation zu körperlicher Betätigung. Auch die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper ist eine Folge von insbesondere gewichtsbezogenen Hänseleien. Auch Stress gehört zu den Auswirkungen von Fatshaming. Von Fatshaming Betroffene weisen außerdem ein erhöhtes Risiko auf, zuzunehmen und übergewichtig oder adipös zu werden.[25] Die negativen Effekte können durch die Internalisierung der Stigmatisierung durch Betroffene verstärkt werden.[24] Kinder und Jugendliche sind besonders stark von den negativen Folgen gewichtsbezogener Stigmatisierung betroffen.[10]

Akvitismus gegen Bodyshaming

Die Body-Positivity-Bewegung versucht Menschen davon zu überzeugen, dass sie trotz einer Abweichung vom Schönheitsideal mit ihrem Körper zufrieden sein können.[3] In den USA wurde Diskriminierung anhand des Gewichts teilweise in Anti-Diskriminierungs-Gesetze aufgenommen. In den europäischen Staaten gehen entsprechende Versuche vor allem von Gerichten und nicht der Gesetzgebung aus.[26]

Literatur

  • Frank Francesco Birk & Sandra Mirbek: Bodyshaming, Bodypositivity, Bodyneutrality und Bodydiversity: Körperlichkeit als zentrale (Anti-)Diskriminierungsthematik. In: körper - tanz - bewegung. Zeitschrift für Körperpsychotherapie und Kreativtherapie, Jg. 9 (3), Seite 142–150, 2021 ([ https://www.reinhardt-journals.de/index.php/ktb/article/view/153575/5835 Link]).
  • Lotte Rose, Friedrich Schorb (Hrsg.): Fat-Studies in Deutschland. Hohes Körpergewicht zwischen Diskriminierung und Anerkennung. Beltz Juventa, Weinheim, Basel 2017, ISBN 978-3-7799-3464-6.
  • Meghan Green, Ronald D. Lankford, Jr: Body Image and Body Shaming. Greenhaven Publishing, 2016, ISBN 978-1-5345-6016-1.
  • J. A. Lee, C. J. Pausé: Stigma in Practice: Barriers to Health for Fat Women. In: Frontiers in Psychology. Band 7, 2016, S. 2063. DOI:10.3389/fpsyg.2016.02063
  • J. B. Webb, M. F. Fiery, N. Jafari: “You better not leave me shaming!”: Conditional indirect effect analyses of anti-fat attitudes, body shame, and fat talk as a function of self-compassion in college women. In: Body Image. Band 18, 2016, S. 5–13.
  • Paul Gilbert, Jeremy Miles: Body Shame: Conceptualisation, Research and Treatment. Routledge, 2014, ISBN 978-1-306-28926-9.

Einzelnachweise

  1. a b Constanze Schlüter, Gerda Kraag, Jennifer Schmidt: Body Shaming: an Exploratory Study on its Definition and Classification. In: International Journal of Bullying Prevention. 9. November 2021, ISSN 2523-3653, doi:10.1007/s42380-021-00109-3 (springer.com [abgerufen am 2. Dezember 2021]).
  2. a b c Meghan Green, Ronald D. Lankford Jr: Body Image and Body Shaming. Greenhaven Publishing LLC, 2016, ISBN 978-1-5345-6016-1, S. 32 (google.de [abgerufen am 18. Dezember 2019]).
  3. a b Frank Francesco Birk & Sandra Mirbek: Bodyshaming, Bodypositivity, Bodyneutrality und Bodydiversity: Körperlichkeit als zentrale (Anti-)Diskriminierungsthematik. In: Zeitschrift für Körperpsychotherapie und Kreativtherapie. Band 9, Nr. 3, 2021, S. 142–150 (reinhardt-journals.de).
  4. Body-Shaming? - Soziale Medien und ihr Einfluss auf unser Leben. 5. September 2019, abgerufen am 18. Dezember 2019.
  5. a b Paul Gilbert, Jeremy Miles: Body Shame: Conceptualisation, Research and Treatment. Routledge, 2014, ISBN 978-1-317-82231-8, S. 55 ff., 75 ff.
  6. Paul Gilbert, Jeremy Miles: Body Shame: Conceptualisation, Research and Treatment. Routledge, 2014, ISBN 978-1-317-82231-8, S. 19 ff. (google.de [abgerufen am 18. Dezember 2019]).
  7. Randy Young: Eating Disorders Recovery: Overcome the Effects of Body Shaming, Eating Disorders, & Body Image Issues. CreateSpace Independent Publishing Platform, 2015, ISBN 978-1-5141-8694-7.
  8. Meghan Green, Ronald D. Lankford Jr: Body Image and Body Shaming. Greenhaven Publishing LLC, 2016, ISBN 978-1-5345-6016-1, S. 34 ff. (google.de [abgerufen am 27. August 2021]).
  9. Warum uns Dicksein so triggert. Abgerufen am 18. Dezember 2019.
  10. a b c Anja Hilbert, Hans-Christian Puls: Adipositas und Stigmatisierung. In: Psychosoziale Aspekte der Adipositas-Chirurgie. Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg 2019, ISBN 978-3-662-57363-1, S. 67–86, doi:10.1007/978-3-662-57364-8_5 (springer.com [abgerufen am 2. Dezember 2021]).
  11. Sizeism Is Harming Too Many of Us: Fat Shaming Must Stop. Abgerufen am 18. Dezember 2019 (amerikanisches Englisch).
  12. a b c d e Friedrich Schorb: Die Adipositas-Epidemie als politisches Problem : gesellschaftliche Wahrnehmung und staatliche Intervention. Springer VS, Wiesbaden 2015, ISBN 3-658-06613-X.
  13. a b Sabrina Strings: Fat as a Floating Signifier: Race, Weight, and Femininity in the National Imaginary. In: The Oxford Handbook of the Sociology of Body and Embodiment. Oxford University Press, 2020, ISBN 978-0-19-084247-5, S. 143–163, doi:10.1093/oxfordhb/9780190842475.013.9 (oxfordhandbooks.com [abgerufen am 28. August 2021]).
  14. a b Peter N. Stearns: Fat history : bodies and beauty in the modern West. New York University Press, New York 1997, ISBN 978-0-8147-7102-0, S. hier: S. 21 f., S. 25 f.
  15. Farrell, S. 80
  16. a b c d Amy Erdman Farrell: Fat shame : stigma and the fat body in American culture. New York University Press, New York, NY 2011, ISBN 978-0-8147-2834-5, hier insb.: S. 34f., S. 52, S. 64, S. 135.
  17. a b M. T. Clarke: Fat Shame: Stigma and the Fat Body in American Culture. By Amy Erdman Farrell (New York: New York University Press, 2011. 219 pp. $21.00). In: Journal of Social History. Band 46, Nr. 4, 1. Juni 2013, ISSN 0022-4529, S. 1077–1079, doi:10.1093/jsh/shs072 (oup.com [abgerufen am 1. Dezember 2021]).
  18. Nicolas Rasmussen: Weight stigma, addiction, science, and the medication of fatness in mid-twentieth century America. In: Sociology of Health & Illness. Band 34, Nr. 6, 2012, ISSN 1467-9566, S. 880–895, doi:10.1111/j.1467-9566.2011.01444.x (wiley.com [abgerufen am 1. Dezember 2021]).
  19. Annette Vanagas: Körper von Gewicht: Auswirkungen von Bodyshaming auf das Körpererleben. Sexualpädagogische Möglichkeiten einer Versöhnung von Körper und Leib. In: Sexualpädagogische (Re)Visionen. Springer Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden 2021, ISBN 978-3-658-32513-8, S. 191–242, doi:10.1007/978-3-658-32514-5_6 (springer.com [abgerufen am 28. August 2021]).
  20. a b c Hannele Harjunen: Fatness and Consequences of Neoliberalism. In: The Routledge International Handbook of Fat Studies. Routledge, 2021, ISBN 978-1-00-304940-1, doi:10.4324/9781003049401-11/fatness-consequences-neoliberalism-hannele-harjunen (taylorfrancis.com [abgerufen am 2. Dezember 2021]).
  21. Kathleen LeBesco: Neoliberalism, public health, and the moral perils of fatness. In: Critical Public Health. Band 21, Nr. 2, Juni 2011, ISSN 0958-1596, S. 153–164, doi:10.1080/09581596.2010.529422 (tandfonline.com [abgerufen am 2. Dezember 2021]).
  22. Vajisha Udayangi Wanniarachchi, Anuradha Mathrani, Teo Susnjak, Chris Scogings: A systematic literature review: What is the current stance towards weight stigmatization in social media platforms? In: International Journal of Human-Computer Studies. Band 135, 1. März 2020, ISSN 1071-5819, S. 102371, doi:10.1016/j.ijhcs.2019.102371 (sciencedirect.com [abgerufen am 30. November 2021]).
  23. J. Spahlholz, N. Baer, H.-H. König, S. G Riedel-Heller, C. Luck-Sikorski: Obesity and discrimination - a systematic review and meta-analysis of observational studies: Obesity and discrimination. In: Obesity Reviews. Band 17, Nr. 1, Januar 2016, S. 43–55, doi:10.1111/obr.12343 (wiley.com [abgerufen am 30. November 2021]).
  24. a b Hugh Bidstrup, Leah Brennan, Leah Kaufmann, Xochitl de la Piedad Garcia: Internalised weight stigma as a mediator of the relationship between experienced/perceived weight stigma and biopsychosocial outcomes: a systematic review. In: International Journal of Obesity. 9. Oktober 2021, ISSN 1476-5497, S. 1–9, doi:10.1038/s41366-021-00982-4 (nature.com [abgerufen am 30. November 2021]).
  25. Rebecca M. Puhl, Mary S. Himmelstein, Rebecca L. Pearl: Weight stigma as a psychosocial contributor to obesity. In: The American Psychologist. Band 75, Nr. 2, Februar 2020, ISSN 1935-990X, S. 274–289, doi:10.1037/amp0000538, PMID 32053000 (nih.gov [abgerufen am 30. November 2021]).
  26. C. Sikorski, J. Spahlholz, M. Hartlev, S. G. Riedel-Heller: Weight-based discrimination: an ubiquitary phenomenon? In: International Journal of Obesity. Band 40, Nr. 2, Februar 2016, ISSN 1476-5497, S. 333–337, doi:10.1038/ijo.2015.165 (nature.com [abgerufen am 2. Dezember 2021]).