„Artemi Werkolski“ – Versionsunterschied

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Version vom 25. Mai 2021, 16:15 Uhr

Ikone Artjomijs eines unbekannten Künstlers, 18. Jahrhundert

Artemij Werkolskij (auch Artjomij Werkolskij, russisch Артемий Веркольский, * 1532 in Werkola in der Oblast Archangelsk, Russland; † 6. Juli 1545 ebenda) ist ein russisch-orthodoxer Heiliger. Er wurde 1619 heiliggesprochen.

Hagiologium

Die Hagiographie Werkolskijs entstand im frühen 17. Jahrhundert. Demnach ist Artemij Sohn von Kosma und Apollinaria, einer gläubigen Bauernfamilie aus dem Dorf Werkola, etwa zweihundert Kilometer flussaufwärts (südöstlich) der Kleinstadt Pinega, am Oberlauf der gleichnamigen Pinega. Seine Charaktereigenschaften wurden darin wohlwollend mit Gehorsamkeit, Sanftmut und Fleiß beschrieben. Mit 13 Lebensjahren war er mit seinem Vater gerade dabei, ein Feld zu rechen, als ein Gewitter aufzog und ein Blitz den Jungen erschlug. In ihrem Unwissen, aber strengem Volksglauben hielten die Dorfbewohner den plötzlichen Tod für eine Strafe Gottes geheimer Sünden.

Gemäß dem slawischen Totenkult Naw glaubte man daran, dass auf tragische Art und frühzeitig ums Leben Gekommene in die Welt der Lebenden zurückkehren und ihre Existenz auf der Erde als mythische Wesen fortsetzen. Deshalb bestatteten sie den Leichnam nicht, sondern legten ihn auf der anderen Uferseite des Flusses in einer Lichtung eines Kiefernwaldes ab, bedeckten ihn mit Reisig und Ästen und umzäunten die Stätte. Wie eine Legende erzählt, entdeckte 28 Jahre später ein Diakon der Kirche des Heiligen Nikolaus beim Pilzesammeln durch Zufall die Umzäunung und fand den Leichnam des Jungen völlig unversehrt und ohne jegliche Verwesungsspuren vor. Die Leiche Artemijs wurde daraufhin in der Dorfkirche aufgebahrt.

«В том году, попущением Божиим, в Двинском краю распространилась злокачественная лихорадка. Многие умирали от этой тяжкой болезни, особенно женщины и дети. Заболел недугом этим и сын Веркольского селянина Каллиника. В сильной скорби Каллиник молился об исцелении сына, потом пошел в церковь, приложился ко гробу праведного Артемия и, взяв бересты, покрывавтей нетленные мощи его, с верою привесил ее к кресту на груди умиравшого сына. Больной выздоровел. Обрадованный Каллиник рассказал о том всем своим односельчанам, которые с радостию собрались в церкви святителя Николая и начали петь молебны и творить память по праведном отроке Артемие. И умилосердился Господь над рабами Своими: лихорадка в той стране скоро прекратилась.»

„In diesem Jahr brach durch die Gnade Gottes im Land der Dvin ein bösartiges Fieber aus. Viele starben an dieser schweren Krankheit, vor allem Frauen und Kinder. Der Sohn des Werkola-Dorfbewohners Callinik erkrankte ebenfalls an dieser Krankheit. In großer Trauer betete Callinik um die Heilung seines Sohnes, ging dann in die Kirche, begab sich zum Grab des Gerechten Artemij und nahm die Birkenrinde, die seine unvergänglichen Reliquien bedeckte, und hängte sie im Glauben an das Kreuz auf die Brust seines sterbenden Sohnes. Der kranke Junge erholte sich. Erfreut erzählte Callinik es allen Mitbewohnern des Dorfes, die sich voller Freude in der Kirche des Heiligen Nikolaus versammelten und begannen, Psalmen zu singen und für den rechtschaffenen Jungen Artemij zu beten. Und der Herr hatte Erbarmen mit seinen Dienern: Das Fieber in jenem Land hörte bald auf.“[1]

Zahlreiche Wunderheilungen wurden daraufhin im Zusammenhang mit der Anwesenheit Artemijs dokumentiert. Eine erste schriftliche Aufzeichnung gab es 1584. Mehrere Ikonen wurden auf die alten Bretter seines Sarges gemalt. Schnell verbreiteten sich die Heilungsgeschichten in den umliegenden Gemeinden. 1610 wurde der Leichnam Artemijs in einen speziellen Schrein umgebettet und 1619 vom Nowgoroder Metropolit zu einer Zeit gesegnet, in der die etablierte Volksverehrung den Leichnam bereits vereinnahmt hatte.

Aus dem 16. bis 19. Jahrhundert stammt die Hagiologie über Artjomij, die im Laufe der Zeit auf 85 handschriftliche Manuskriptseiten heranwuchs.[2]

1648 wurde das orthodoxe Artemij-Werkolskij-Kloster an der Stelle errichtet, an der das Kind 28 Jahre gelegen hatte, nachdem dort 1635 zunächst nur eine Kapelle zu seinen Ehren gebaut worden war. Am 17. November 1649 wurde der Körper Artemijs in das Kloster überführt, das schnell ein beliebter Pilgerort wurde und wuchs, weil Erträge erwirtschaftet werden konnten. 1695 zerstörte ein Feuer einen Großteil des Gebäudes, der Reliquienschrein blieb wundersamerweise jedoch unversehrt. Man vermutete, dass sich der Deckenputz durch die Hitze löste und das Feuer erstickte, bevor es sich bis zu dem Schrein ausbreiten konnte. Knapp 90 Jahre später, am 9. Dezember 1789, zerstörte ein weiteres Feuer die Kirche und abermals wurde die Reliquie verschont und anschließend an eine andere Stätte verbracht. Erst 1806 konnte eine neue, diesmal aus Stein erbaute Kirche mit zwei Seitenkapellen neue Ruhestätte für Artemij werden.

1920 öffnete man erstmals Artemijs Sarg. Der Befund ist heute umstritten. Es gibt Quellen, die behaupten, man hätte eine Mischung aus Ziegelsteinbröckchen und Nägeln darin gefunden, nach anderen Quellen wurde das Kloster mit der Machtergreifung der Bolschewikis aufgelöst und der Leichnam entwendet; er gilt seitdem als verschwunden.

Rezeption

Das Wunder um Artjomij Werkolskij, das zu seiner Heiligsprechung führte, fällt in die Frühzeit der Christianisierung in dieser Region. Teile des alten Volksglaubens sind bei der Landbevölkerung noch präsent. Vorchristliche Glaubensvorstellungen sind nach E. A. Ryzhova noch weit verbreitet und werden auf die Lebenswirklichkeit gespiegelt.[2] Kindermärtyrer waren in diesen Glaubenswelten populär und wurden noch wesentlich später als selbstlose sozialistische Helden „in den 1920er und 1930er Jahren zu zentralen Gründungs- und Opfermythen des Sowjetsystems“[3] stilisiert.

Im südöstlichen Verwaltungsbezirk von Moskau gibt es seit 2015 am Rande einem großen, öffentlichen Spiel- und Freizeitgelände eine Kapelle, die seinen Namen trägt.[4]

Gedenktag

Liturgisch wird Artemij Werkolskij am 23. Juni und am 20. Oktober gedacht.

Literatur

  • «Праведного Артемия, Веркольского чудотворца». In: «Жития Святых на русском языке, изложенные по руководству четьих-миней Св. Димитрия Ростовского с дополнениями, примечаниями и изображениями святых». 2. Buch, Oktober 1992, S. 462–467. (Nachdruck der Ausgabe von 1902, russisch, orthlib.ru).
Commons: Artemi Werkolski – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Другие тексты orthlib.ru
  2. a b E. A. Ryzhova: „Die Geschichte des Lebens von Antonius von Siysk“ und die nordrussische Hagiographie der zweiten Hälfte von 16. Jahrhunderts. Sankt Petersburg 1993.
  3. Franziska Thun-Hohenstein: Pawlik Morosow, ein sowjetischer „Helden-Pionier“. Zur medialen Konstruktion eines sozialistischen Kindermärtyrers. In: Silvia Horsch, Martin Treml: Grenzgänger der Religionskulturen. Kulturwissenschaftliche Beiträge zu Gegenwart und Geschichte der Märtyrer. Wilhelm Fink, München 2011, ISBN 978-3-7705-5076-0, S. 315 (publikationen.ub.uni-frankfurt.de, PDF).
  4. храм-часовня (Tempel-Kapelle) auf Google Maps.