„Üble Nachrede (Deutschland)“ – Versionsunterschied

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Ist der Straftatbestand rechtswidrig und schuldhaft verwirklicht worden, so wird der Täter grundsätzlich mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Der [[Strafrahmen]] erhöht sich jedoch in den Fällen, in denen die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften begangen wurde. Ist der Sachverhalt so gelagert, wird der Täter mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Ist der Straftatbestand rechtswidrig und schuldhaft verwirklicht worden, so wird der Täter grundsätzlich mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Der [[Strafrahmen]] erhöht sich jedoch in den Fällen, in denen die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften begangen wurde. Ist der Sachverhalt so gelagert, wird der Täter mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.


Zu beachten ist, dass im Einzelfall die Tat nach {{§|193|stgb|juris}} StGB&nbsp;– Wahrnehmung berechtigter Interessen – gerechtfertigt sein kann, etwa wenn die Behauptung guten Glaubens im Rahmen eines Prozesses oder einer [[Strafanzeige]] aufgestellt wurde.<ref>Beschluss des [[OLG München]] vom 11. Juli 2016, Az. 5 OLG 13 Ss 244/16 in der Sache „[[Roland Freisler|Freisler-Vergleich]]“ = [[Anwaltsblatt]] 2016, 767 = [[StV]] 2017, 183 = [[Neue Juristische Wochenschrift|NJW]] 2016, 2759, bestätigt durch Beschluss des OLG München vom 31. Mai 2017, Az. 5 OLG 13 Ss 81/17 = Anwaltsblatt 2017, 783 = [[BRAK-Mitteilungen]] 2017, 239 = [[DVBl]]. 2017, 979</ref><ref>[http://www.lto.de/recht/nachrichten/n/olg-muenchen-13ss8117-anwalt-beleidigung-senat-roland-freisler-meinungsfreiheit/ LTO-Artikel zum Freisler-Vergleich]</ref><ref>Hrsg.: Georg Albert, [[Lothar Bluhm]], [[Markus Schiefer]], [https://books.google.de/books?id=sUUEEAAAQBAJ&pg=PA204&lpg=PA204&dq=OLG+M%C3%BCnchen,+Beschluss+v.+31.05.2017+%E2%80%93+OLG+13+Ss+81/17&source=bl&ots=pFaq90DmI4&sig=ACfU3U2wLxBWshu3-jRA3CEpReEz5Fd17Q&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwjDgKLbkNjwAhXB-KQKHW2-BOcQ6AEwCHoECAgQAw#v=onepage&q=OLG%20M%C3%BCnchen%2C%20Beschluss%20v.%2031.05.2017%20%E2%80%93%20OLG%2013%20Ss%2081%2F17&f=false ''Political Correctness: Kultur- und sozialgeschichtliche Perspektiven''], S. 204/205, 2020, ISBN 978-3-8288-4566-4, abgerufen am 20. Mai 2021</ref> Die [[Meinungsfreiheit]] kann nach der [[Rechtsprechung]] des [[Bundesverfassungsgericht]]s allerdings keine Wahrnehmung berechtigter Interessen begründen, wenn es sich um bewusst oder erwiesenermaßen unwahre Tatsachenbehauptungen handelt.<ref>Thomas Fischer, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 65. Auflage 2018, Rn. 28a zu § 193 StGB.</ref>
Zu beachten ist, dass im Einzelfall die Tat nach {{§|193|stgb|juris}} StGB&nbsp;– Wahrnehmung berechtigter Interessen – gerechtfertigt sein kann, etwa wenn die Behauptung guten Glaubens im Rahmen eines Prozesses oder einer [[Strafanzeige]] aufgestellt wurde.<ref>Beschluss des [[OLG München]] vom 11. Juli 2016, Az. 5 OLG 13 Ss 244/16 in der Sache „[[Roland Freisler|Freisler-Vergleich]]“ = [[Anwaltsblatt]] 2016, 767 = [[StV]] 2017, 183 = [[Neue Juristische Wochenschrift|NJW]] 2016, 2759, bestätigt durch Beschluss des OLG München vom 31. Mai 2017, Az. 5 OLG 13 Ss 81/17 = Anwaltsblatt 2017, 783 = [[BRAK-Mitteilungen]] 2017, 239 = [[DVBl]]. 2017, 979</ref><ref>[http://www.lto.de/recht/nachrichten/n/olg-muenchen-13ss8117-anwalt-beleidigung-senat-roland-freisler-meinungsfreiheit/ LTO-Artikel zum Freisler-Vergleich]</ref> Die [[Meinungsfreiheit]] kann nach der [[Rechtsprechung]] des [[Bundesverfassungsgericht]]s allerdings keine Wahrnehmung berechtigter Interessen begründen, wenn es sich um bewusst oder erwiesenermaßen unwahre Tatsachenbehauptungen handelt.<ref>Thomas Fischer, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 65. Auflage 2018, Rn. 28a zu § 193 StGB.</ref>


''Üble Nachrede'' und ''Beleidigung'' werden von der Staatsanwaltschaft nur im Falle eines öffentlichen Interesses verfolgt; dafür muss in der Regel der Rechtsfrieden über die Person des Beleidigten hinaus gestört sein oder ein besonders schwerer Fall vorliegen. Ansonsten wird das Verfahren [[Einstellung des Strafverfahrens (Deutschland)|eingestellt]] und der Verletzte auf die Möglichkeit der [[Privatklage]] ({{§§|stpo|juris|seite=BJNR006290950.html#BJNR006290950BJNG003002311|text=§§&nbsp;374&nbsp;ff.}} [[Strafprozessordnung (Deutschland)|StPO]]) verwiesen.
''Üble Nachrede'' und ''Beleidigung'' werden von der Staatsanwaltschaft nur im Falle eines öffentlichen Interesses verfolgt; dafür muss in der Regel der Rechtsfrieden über die Person des Beleidigten hinaus gestört sein oder ein besonders schwerer Fall vorliegen. Ansonsten wird das Verfahren [[Einstellung des Strafverfahrens (Deutschland)|eingestellt]] und der Verletzte auf die Möglichkeit der [[Privatklage]] ({{§§|stpo|juris|seite=BJNR006290950.html#BJNR006290950BJNG003002311|text=§§&nbsp;374&nbsp;ff.}} [[Strafprozessordnung (Deutschland)|StPO]]) verwiesen.

Version vom 24. Mai 2021, 13:49 Uhr

Die üble Nachrede nach § 186 Strafgesetzbuch (StGB) ist ein Ehrdelikt, bei dem im Gegensatz zum Werturteil bei einer Beleidigung (§ 185 StGB) das Behaupten und öffentliche Verbreiten ehrenrühriger Tatsachen unter Strafe steht. Eine Tatsachenbehauptung liegt vor, wenn der Wahrheitsgehalt der Äußerung objektiv geklärt werden kann, wenn also ein Beweis möglich ist. Hierzu zählen nicht nur sogenannte „äußere Tatsachen“, sondern auch „innere Tatsachen“ (beispielsweise die Absicht, eine Straftat zu begehen).

Für die Strafbarkeit wegen übler Nachrede ist entscheidend, dass die Tatsachenbehauptung „nicht erweislich wahr“ ist, d. h. kein Wahrheitsbeweis vorliegt. Ist die Tatsachenbehauptung hingegen „erweislich unwahr“ und weiß der Täter um deren Unwahrheit, so handelt es sich nicht um eine (vermeintliche) üble Nachrede, sondern um eine Verleumdung nach § 187 StGB. Die Verleumdung ist rechtsdogmatisch eine Qualifikation zur üblen Nachrede.

Normtext

Der Straftatbestand der üblen Nachrede ist in § 186 StGB normiert, welcher seit seiner letzten Veränderung zum 3. April 2021[1] wie folgt lautet:

Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Durch die Änderung zum 3. April 2021 wurden die Worte "in einer Versammlung" eingefügt.

Tathandlungen

Die Vorschrift enthält zwei Tathandlungsvarianten, nämlich das „Behaupten“ und das „Verbreiten“. Das Behaupten einer Tatsache im Sinne der Vorschrift liegt vor, wenn der Täter die Tatsache als nach eigener Überzeugung wahr hinstellt. Ein Verbreiten im Sinne des § 186 StGB ist hingegen gegeben, wenn der Täter eine Tatsache als Gegenstand fremden Wissens weitergibt, ohne dass er sich die Tatsache zu eigen macht. Hierunter fällt insbesondere das Verbreiten ehrenrühriger „Gerüchte“.

Beide Tathandlungsvarianten müssen einen „Drittbezug“ aufweisen, das heißt, sie müssen gemäß dem Wortlaut der Vorschrift „in Beziehung auf einen anderen“ geäußert werden. Damit ist gemeint, dass der Straftatbestand der üblen Nachrede nur dann erfüllt ist, wenn die Behauptung dritten Personen gegenüber geäußert worden ist. Wird dagegen die Behauptung direkt und lediglich gegenüber der dadurch ehrverletzten Person geäußert, kommt alleine die Beleidigung nach § 185 StGB in Betracht.

Ehrenrührigkeit der Äußerung

Die behauptete oder verbreitete Tatsache muss außerdem ehrenrührig sein, das heißt ehrverletzenden Charakter haben. Das ist dann der Fall, wenn die Tatsache eine Missachtung, Geringschätzung oder Nichtachtung ausdrückt.[2]

Wahrheitsbeweis

Die Nichterweislichkeit der Wahrheit der Tatsache ist kein objektives Tatbestandsmerkmal, sondern eine objektive Bedingung der Strafbarkeit. Dies bedeutet, dass Vorsatz und Fahrlässigkeit (subjektiver Tatbestand) sich nicht auf die „Nichterweislichkeit der Tatsache“ zu erstrecken brauchen. Ein Täter kann folglich auch dann bestraft werden, wenn er selbst an die Wahrheit und Beweisbarkeit seiner Aussage glaubt. Denn der Wahrheitsbeweis spielt in vielen Ehrenschutzverfahren eine erhebliche Rolle; er ist schrankenlos zugelassen.

Das Gericht muss sich daher bemühen, die Wahrheit bzw. Unwahrheit der Tatsache aufzuklären. Gelingt das nicht, so geht dies zu Lasten des Täters und die Tat ist strafbar, denn die Tatsache bleibt „nicht erweislich wahr“, wenn ihre Unwahrheit vor Gericht erwiesen ist oder der Wahrheitsbeweis dort missglückt. Gleichwohl stellt dies keine Ausnahme vom Grundsatz in dubio pro reo („im Zweifel für den Angeklagten“) dar, denn dieser bezieht sich nur auf Zweifel am Vorliegen der Tatbestandsmerkmale.

Die Beweisregel des § 186 StGB wird über § 823 Abs. 2 BGB ins zivilrechtliche Deliktsrecht transformiert und begründet dort für Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche eine Beweislastumkehr zu Lasten des Beklagten.[3][4] Das gilt jedoch nicht für Widerrufsansprüche[5] oder wenn der Beklagte sich auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) berufen kann[6] (hinreichend sorgfältige Recherchen vorausgesetzt).[7] Für Unterlassungsansprüche ist im Falle mehrdeutiger Äußerungen allerdings auch bei Wahrnehmung an sich berechtigter Interessen zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass der Äußernde die Möglichkeit hat, sich in Zukunft eindeutig auszudrücken.[8]

Konsequenzen der Behauptung oder Verbreitung

Die Aussage (Tatsache) muss geeignet sein, die Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen.

Ist der Straftatbestand rechtswidrig und schuldhaft verwirklicht worden, so wird der Täter grundsätzlich mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Der Strafrahmen erhöht sich jedoch in den Fällen, in denen die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften begangen wurde. Ist der Sachverhalt so gelagert, wird der Täter mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Zu beachten ist, dass im Einzelfall die Tat nach § 193 StGB – Wahrnehmung berechtigter Interessen – gerechtfertigt sein kann, etwa wenn die Behauptung guten Glaubens im Rahmen eines Prozesses oder einer Strafanzeige aufgestellt wurde.[9][10] Die Meinungsfreiheit kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allerdings keine Wahrnehmung berechtigter Interessen begründen, wenn es sich um bewusst oder erwiesenermaßen unwahre Tatsachenbehauptungen handelt.[11]

Üble Nachrede und Beleidigung werden von der Staatsanwaltschaft nur im Falle eines öffentlichen Interesses verfolgt; dafür muss in der Regel der Rechtsfrieden über die Person des Beleidigten hinaus gestört sein oder ein besonders schwerer Fall vorliegen. Ansonsten wird das Verfahren eingestellt und der Verletzte auf die Möglichkeit der Privatklage (§§ 374 ff. StPO) verwiesen.

Verwandte Vorschriften

Abzugrenzen ist die üble Nachrede insbesondere von der Verleumdung (§ 187 StGB), die das Behaupten unwahrer ehrverletzender Tatsachen wider besseres Wissen unter Strafe stellt. Wird eine ehrverletzende Tatsachenbehauptung lediglich gegenüber dem Adressaten geäußert, liegt eine Beleidigung nach § 185 StGB vor. Weiterhin ist die üble Nachrede mit dem Straftatbestand der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener (§ 189 StGB) verwandt, der ehrverletzende Äußerungen im Sinne der §§ 185, 186, 187 StGB unter Strafe stellt, die über einen Verstorbenen getätigt werden. § 189 StGB soll allerdings nicht die persönliche Ehre, sondern nach herrschender Meinung primär das Pietätsempfinden der Angehörigen schützen.

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. Gesetzespaket gegen Hass und Hetze tritt am 3. April 2021 in Kraft. Abgerufen am 3. April 2021.
  2. Vgl. BGH, Urteil vom 15. März 1989 – 2 StR 662/88 – (Memento vom 29. April 2013 im Webarchiv archive.today), BGHSt 36, 145 ff.
  3. BGHZ 95, 212 (1985)
  4. Eine filmische Umsetzung dieser Beweisregel für das englische Recht findet sich im fiktiven Fall Sunset of Arms: Fitton v Pusey der ITV-Fernsehserie Crown Court (1973).
  5. BGHZ 69, 181 (1977)
  6. BGH, NJW 1985, 1621
  7. BGHZ 132, 13 (1996)
  8. BVerfGE 114, 339 (2005)
  9. Beschluss des OLG München vom 11. Juli 2016, Az. 5 OLG 13 Ss 244/16 in der Sache „Freisler-Vergleich“ = Anwaltsblatt 2016, 767 = StV 2017, 183 = NJW 2016, 2759, bestätigt durch Beschluss des OLG München vom 31. Mai 2017, Az. 5 OLG 13 Ss 81/17 = Anwaltsblatt 2017, 783 = BRAK-Mitteilungen 2017, 239 = DVBl. 2017, 979
  10. LTO-Artikel zum Freisler-Vergleich
  11. Thomas Fischer, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 65. Auflage 2018, Rn. 28a zu § 193 StGB.