„Civey“ – Versionsunterschied

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== Kritik ==
== Kritik ==
Civey sieht sich mit zunehmendem Bekanntheitsgrad Kritik ausgesetzt, die meistens darauf abzielt, dass die Umfrageergebnisse, anders als behauptet, nicht tatsächlich repräsentativ seien.
Civey sieht sich mit zunehmendem Bekanntheitsgrad verschiedener Kritik ausgesetzt, speziell zu folgenden Punkten
* Repräsentativität, Verzerrung durch Auswahl und [[Selbstselektion|Selbstauswahl]] der Teilnehmer und des Umfeldes<ref name="dlf">[https://www.deutschlandfunk.de/methodenstreit-der-meinungsforschung-was-ist-repraesentativ.724.de.html?dram:article_id=434924 Methodenstreit der Meinungsforschung: Was ist repräsentativ?]</ref><ref name="taz">[https://taz.de/Meinungsforschungsinstitut-Civey/!5534782/ Civey – Repräsentativ daneben?], auf taz.de</ref>

* Scheingenauigkeit, Angabe auf 1/10 Prozent<ref>[https://www.sueddeutsche.de/politik/demoskopie-wie-meinungsforscher-die-wahlen-beeinflussen-1.4177815 Wie Meinungsforscher die Wahlen beeinflussen]</ref>
=== Methodenkritik bekannter Wissenschaftler ===
* Fälschungssicherheit<ref name="faz">Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 4. September 2020: [https://zeitung.faz.net/faz/medien/2020-09-04/wer-oder-was-ist-hier-repraesentativ/501021.html Wer oder was ist hier repräsentativ?] (hinter Bezahlschranke)</ref>
* [[Rainer Schnell]], Professor für Empirische Sozialforschung an der [[Universität Duisburg-Essen]], bezeichnet die Civey-Methodik als „willkürliche Stichprobe“. Die Verzerrung durch [[Selbstselektion|Selbstauswahl]] der Teilnehmer sei so gravierend, dass man sie „nicht mehr wegkorrigiert“ bekomme. „Wir wissen seit spätestens 1975, Freiwillige sind in vielen Dimensionen anders als Nicht-Freiwillige“, so Schnell.<ref>[https://www.horizont.net/planung-analyse/nachrichten/repraesentativitaet-wenn-der-scharfschuetze-sein-ziel-selber-malt-171315 Wenn der Scharfschütze sein Ziel selber malt], auf horizont.net</ref><ref>Rainer Schnell: [https://www.marktforschung.de/dossiers/themendossiers/repraesentativitaet-und-zufallsstichprobe/dossier/warum-ausschliesslich-online-durchgefuehrte-bevoelkerungsumfragen-nicht-repraesentativ-sind/ Warum ausschließlich online durchgeführte Bevölkerungsumfragen nicht repräsentativ sind], veröffentlicht am 27. November 2018, abgerufen am 6. November 2019</ref>
* Betrugs- und Täuschungsvorwürfe<ref>Stefan Reinecke: ''[https://taz.de/Strategien-der-Meinungsforschung/!5445188/ Strategien der Meinungsforschung: Macht und Ohnmacht]'', in ''Die Tageszeitung'' vom 20. September  2017</ref>
* [[Jörg Blasius]], Professor am [[Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie]] in Bonn, fand bei Civey diverse mathematische und inhaltliche Fehler. Seiner Ansicht nach sei die Methode „längst nicht repräsentativ“.<ref name="taz" />
* Presseratsbeschwerde, Als Reaktion auf stark abweichende Ergebnisse Civeys von den eigenen reichte [[Forsa]] gemeinsam mit [[infas]] und der [[Forschungsgruppe Wahlen]] eine Beschwerde beim [[Deutscher Presserat|Presserat]] gegen den Focus ein.<ref>[https://www.deutschlandfunk.de/journalismus-und-meinungsforschung-presserat-billigt-civey.2907.de.html?dram:article_id=435135 Presserat billigt Civey-Umfrage], auf deutschlandfunk.de</ref><ref>[https://www.adm-ev.de/2018/12/07/adm-bedauert-entscheidung-des-presserats/ ADM bedauert Entscheidung des Presserats]</ref>
* [[Gerd Bosbach]], Professor für Statistik an der Hochschule Koblenz, sagte bezogen auf Civey-Umfragen dem ''[[Deutschlandfunk]]'': „Leute, die sich dort anmelden, machen einen großen Aufwand. Denen ist es halt wichtig, dass ihre Meinung Einfluss nimmt. Und das ist schon ein ganz kleiner Ausschnitt aus der Bevölkerung. Also insofern ist das schon mal von der Warte her nicht repräsentativ.“<ref name="dlf">[https://www.deutschlandfunk.de/methodenstreit-der-meinungsforschung-was-ist-repraesentativ.724.de.html?dram:article_id=434924 Methodenstreit der Meinungsforschung: Was ist repräsentativ?]</ref>
* [[Helmut Jung]], ehemaliger Präsident von [[ESOMAR]]: „Die Repräsentativität (hängt) angesichts der Internet-Dichte nicht von der Erhebungsmethode per Online, sondern von der Art der Rekrutierung ab. Hier gibt es bis zur völligen Offenlegung der Civey-Methodik mehr als erhebliche Zweifel.“<ref>[https://www.marktforschung.de/aktuelles/interviews/marktforschung/wir-befinden-uns-mitten-in-einer-revolution-der-marktforschung/ Wir befinden uns mitten in einer Revolution der Marktforschung], Veröffentlicht am 16. Oktober 2018, abgerufen am 6. November 2019</ref>
* Ulrich Kohler, Professor für Methoden der [[empirische Sozialforschung|empirischen Sozialforschung]] an der [[Universität Potsdam]], schrieb Anfang August 2019 in einem offenen Brief bezogen auf Ergebnisse einer Civey-Umfrage zur Berliner Politik: „Civey-Umfragen sind aus fachlicher Sicht ein Unterhaltungsformat. Das Stichprobendesign von Civey basiert auf einer willkürlichen Auswahl von Befragten. Das angewandte Gewichtungsverfahren ist hoch spekulativ, und das genaue Verfahren der wissenschaftlichen Kritik nicht zugänglich. Die mit der Civey-Methode ermittelten Prozentwerte können nicht beanspruchen, gültige Näherungswerte für „die Berliner“ zu liefern. Sie sind eine Fata Morgana!“<ref>Ulrich Kohler: [https://www.pressreader.com/germany/der-tagesspiegel/20190804/281852940186985 Leserbrief in der Rubrik Leser-Meinung], ''Tagesspiegel am Sonntag'' vom 4. August 2019, Seite 14</ref>
* Rüdiger Schmitt-Beck, Professor am [[Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung]] (MZES) der [[Universität Mannheim]]: „Man kann mit Umfragen, bei denen sich die Befragten [[Selbstselektion|selbst auswählen]], nicht das Meinungsbild der Gesamtbevölkerung abbilden“<ref name=zeit>[https://www.zeit.de/2020/07/umfrageinstitute-meinungsforscher-sozialforschung-civey-forsa Kampf der Torten], auf zeit.de</ref>
* Im November 2019 äußerte sich die [[Akademie für Soziologie]] öffentlich: „Natürlich sind die Ergebnisse nur (für) die Nutzer der jeweiligen Dienste aussagekräftig – und dies auch nur mit der Einschränkung, dass nur an der Befragung besonders interessierte Personen teilnehmen.<ref>[https://twitter.com/akadsoz/status/1191986787092180992 Stellungnahme der Akademie für Soziologie via Twitter am 6. November 2019 (Teil 2/4)], abgerufen am 6. November 2019</ref> Damit kann man von den Ergebnissen einleuchtenderweise nicht auf die gesamte Bevölkerung oder Wahlberechtigte schließen.“<ref>[https://twitter.com/akadsoz/status/1191987354325700609 Stellungnahme der Akademie für Soziologie via Twitter am 6. November 2019 (Teil 3/4)], abgerufen am 6. November 2019</ref> Eine ähnliche Einschätzung („Nach überwiegender wissenschaftlicher Meinung können solche Umfragen nicht 'repräsentativ' für die (z.B. deutsche) Bevölkerung sein“) gab im August 2020 der [[Berufsverband Deutscher Markt- und Sozialforscher]] ab.<ref>https://www.bvm.org/themen-positionen/detailseite-news/river-sampling-valide-basis-fuer-markt-und-sozialforschung/</ref>

=== Scheingenauigkeit und sonstige Kritik ===
Kritisiert wird auch, dass die Civey-Umfragen oftmals in einem „nicht-neutralen Umfeld“ positioniert seien, was zur Manipulation der Befragten führen könne. Als Beispiel dafür werden Umfragen genannt, die das Sicherheitsgefühl der Bürger abfragen, eingebettet in einen Artikel über ein [[Kapitalverbrechen]].<ref name="ueber" /> Ein weiterer Kritikpunkt an Civey ist, dass das Unternehmen versichert, „Umfragen in Echtzeit“ zu produzieren, doch gibt es Beispiele, in denen Civey von den Umfrageinstituten jenes war, welches einen demoskopischen Trend als Letztes erkannte, so etwa beim sogenannten „Schulz-Hype“ 2017 oder bei der [[Landtagswahl in Bayern 2018]].<ref name="taz" /> Schließlich sieht sich Civey auch der klassischen Kritik der [[Scheingenauigkeit]] ausgesetzt, da die Ergebnisse stets mit einer Genauigkeit von 1/10 Prozent angegeben werden, was bei Umfragen anderer bekannter Institute unüblich ist. „Als ob man aufs Komma genau wissen könnte, wozu die Wählerschaft neigt“, schrieb dazu die ''Süddeutsche Zeitung''.<ref>[https://www.sueddeutsche.de/politik/demoskopie-wie-meinungsforscher-die-wahlen-beeinflussen-1.4177815 Wie Meinungsforscher die Wahlen beeinflussen]</ref> Laut eines Tests der FAZ-Redaktion können Befragte ihre online gemachten Angaben „problemlos und ohne Verifizierung der eigenen Person verfälschen“.<ref name="faz">Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 4. September 2020: [https://zeitung.faz.net/faz/medien/2020-09-04/wer-oder-was-ist-hier-repraesentativ/501021.html Wer oder was ist hier repräsentativ?] (hinter Bezahlschranke)</ref>

=== Presseratsbeschwerde ===
Civey kommt in gesellschaftspolitischen Umfragen des Öfteren zu gänzlich anderen Ergebnissen als die „klassischen“ Unternehmen der Meinungsforschung, die mit der Telefon-Stichprobe arbeiten. Dies sorgte für Aufsehen, weil in Deutschland solch drastische Abweichungen bisher unbekannt waren. Hervorzuheben ist eine Umfrage aus dem Jahre 2018, die fragte, ob [[Mesut Özil]] und [[Ilkay Gündogan]] nach einem Medientermin mit [[Recep Tayyip Erdoğan]] weiter in der Fußball-Nationalmannschaft für Deutschland auflaufen sollten, wonach laut Civey 80 % mit „Nein“ antworten, bei einer etwas anders formulierten [[Forsa]]-Umfrage waren es nur 25 % – eine Diskrepanz, die laut Kritikern nicht durch die statistische Fehlertoleranz erklärbar sei, sodass bei „diesen Abweichungen mindestens eines der Institute Quatsch verbreite“.<ref name="taz">[https://taz.de/Meinungsforschungsinstitut-Civey/!5534782/ Civey – Repräsentativ daneben?], auf taz.de</ref> Als Reaktion reichte Forsa gemeinsam mit [[infas]] und der [[Forschungsgruppe Wahlen]] eine Beschwerde beim [[Deutscher Presserat|Presserat]] ein, die sich allerdings gegen Focus online richtete, welches die Umfrage publiziert hatte.<ref name="dlf" /> Die Beschwerde wurde einstimmig abgewiesen mit der Begründung, dass Journalisten über keine entsprechende Kompetenz verfügen (müssen), um selbstständig über Repräsentativität oder Nicht-Repräsentativität von Umfragen zu urteilen.<ref>[https://www.deutschlandfunk.de/journalismus-und-meinungsforschung-presserat-billigt-civey.2907.de.html?dram:article_id=435135 Presserat billigt Civey-Umfrage], auf deutschlandfunk.de</ref> Nach Angaben von Forsa waren fünf von acht Mitgliedern der Beschwerdekammer zum Zeitpunkt der Entscheidung von Medienhäusern entsandt, die mit Civey zusammenarbeiten.<ref name="faz" /> Der [[Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute]] (ADM), der die Presseratsbeschwerde nicht aktiv unterstützt hatte, kritisierte dennoch deren Ablehnung, weil, wenn Menschen auf Online-Seiten nach ihrer Meinung gefragt würden, diese Stichprobe nicht das Meinungsbild der Bevölkerung abbilden könne. Außerdem könnten solche Stichproben auch nicht – anders als Civey es behauptet – durch Gewichtung bevölkerungsrepräsentativ werden. „Für diese Erkenntnis benötigt man keine Statistikausbildung“, sagte ADM-Vorstandsvorsitzender Bernd Wachter.<ref>[https://www.adm-ev.de/2018/12/07/adm-bedauert-entscheidung-des-presserats/ ADM bedauert Entscheidung des Presserats]</ref>

=== Betrugs- und Täuschungsvorwürfe ===
Neben der öffentlichen Methodenkritik von anerkannten Wissenschaftlern sieht sich Civey auch dem Betrugsvorwurf ausgesetzt, Umfragezahlen von anderen Instituten zu kopieren. So von Seiten eines anonymen Twitter-Accounts mit dem Namen ''Civey Watch'', der Anfang 2020 im Mittelpunkt eines Artikels in der Wochenzeitung [[Die Zeit]] stand.<ref name="zeit" /> Der Begriff „Civey Watch“ wurde bereits im Dezember 2018 von der im [[dfv Mediengruppe|Deutschen Fachverlag]] erscheinenden Fachzeitschrift ''Planung & Analyse'' zum „Unwort des Jahres“ gekürt.<ref>[https://www.horizont.net/planung-analyse/nachrichten/kommentar-unwort-des-jahres-civey-watch-171700 Unwort des Jahres: Civey-Watch]</ref> Im selben Magazin wurde jedoch in einem Artikel unter der Überschrift ''Forscher oder Fälscher?'' der Geschäftsführer von Civey-Konkurrent [[Forsa]], Thorsten Thierhoff, zitiert mit den Worten: „Auch wenn es besser wäre, wenn ''Civey Watch'' offen und nicht anonym agieren würde, sind die dort dargestellten Sachverhalte nach unserer Beobachtung korrekt und zeugen von großer Sachkenntnis.“<ref>[https://www.horizont.net/planung-analyse/nachrichten/forscher-oder-faelscher-repraesentativitaet-ist-nicht-in-stein-gemeisselt-171621 Forscher oder Fälscher: „Repräsentativität“ ist nicht in Stein gemeißelt]</ref>

Entsprechende Vorwürfe („Was Civey macht ist Scharlatanerie“) wurden auch von der [[Forschungsgruppe Wahlen]] geäußert.<ref>Stefan Reinecke: ''[https://taz.de/Strategien-der-Meinungsforschung/!5445188/ Strategien der Meinungsforschung: Macht und Ohnmacht]'', in ''Die Tageszeitung'' vom 20. September  2017</ref>

Prof. Dr. Annelies Blom, die zum externen Expertenteam des [[GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften]] gehört,<ref>https://www.gesis.org/piaac/piaac-im-ueberblick/projektstruktur/externe-experten</ref> veröffentlichte im Februar 2020 einen Text, in dem sie von einem „Eindruck absichtlicher Täuschung durch die Datenanbieter“ sprach, der sich aufdränge, wenn Unternehmen wie Civey nicht auf „pseudo-wissenschaftliche Palaver über Repräsentativität und statistische Fehler“ verzichten würden.<ref>[https://www.sowi.uni-mannheim.de/blom/news/?tx_news_pi1%5Bnews%5D=7113&cHash=2b7676c880703130333460ab736d269a Die Daten der Meinungsforscher müssen besser werden], veröffentlicht am 6. Februar 2020 auf sowi.uni-mannheim.de</ref>

Das Landgericht Köln untersagte Civey in einer im Juni 2020 bekannt gewordenen Entscheidung die Behauptung, Civey „schneide bei Wahlumfragen überdurchschnittlich gut ab“ (Az.: 31O 88/20), entsprechende Eigenwerbung sei „irreführend“.<ref>https://www.dgap.de/dgap/News/corporate/niederlage-fuer-das-startupunternehmen-civey-richter-untersagen-unwahre-behauptungen-civey-bei-wahldaten-nicht-ueberdurchschnittlich-gut-versuchte-diskreditierung-eines-mitbewerbers-rechtswidrig/?newsID=1359605</ref>

=== Sichtweise des Unternehmens ===

Janina Mütze, Geschäftsführerin von Civey, entgegnete der Kritik in einer Presseerklärung: „Die Daten von Civey sind repräsentativ. Unsere online-basierten Methoden zur Datenerhebung und -auswertung basieren auf Standards, die international längst anerkannt sind. Internationale Leitmedien setzen auf Daten, die mit Methoden vergleichbar derer von Civey erhoben werden. Wir schließen aus, dass unsere Daten schlechter sind als jene traditioneller [[Call-Center]] Institute. Das Gegenteil ist vielmehr anzunehmen.“<ref name="mafo">[https://www.marktforschung.de/aktuelles/marktforschung/das-sagt-civey-zur-beschwerde-beim-presserat/ Das sagt Civey zur Beschwerde beim Presserat], auf marktforschung.de</ref> Die Stellungnahme sorgte ihrerseits für Kritik beim Fachpublikum. Sven Dierks von der [[Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft]] entgegnete: „Die Stellungnahme Civeys ist keine Stellungnahme, sondern ein Rundumschlag unterhalb der Gürtellinie gegen etablierte Institute mit einem verschwörungstheoretischen Beigeschmack. [...] Mich würde einmal eine Validierungsstudie interessieren, in der Civey-Ergebnisse mit Daten aus konventionellen Erhebungen verglichen werden. Und nach Möglichkeit sollte das nicht die „Sonntagsfrage“ sein, deren Ergebnisse man ja locker anhand der laufend veröffentlichten Umfrageergebnisse anderer Institute gewichten könnte.“<ref name="mafo" />

Auf der [[General Online Research]] im Jahr 2019, einer internationalen Konferenz zur Online-Forschung, versprach Mütze im Rahmen einer Podiumsdiskussion, auf der sie mit diversen Vorwürfen konfrontiert wurde, eine externe Validierung „noch in diesem Jahr“.<ref>{{Internetquelle |autor= |url=https://www.marktforschung.de/aktuelles/marktforschung/der-kampf-um-die-repraesentativitaet/ |titel=„Es geht um nichts weniger als die Glaubwürdigkeit der Sozialforschung“ |werk=marktforschung.de |hrsg= |datum= |abruf=2021-01-23}}</ref> Entsprechende Ergebnisse sind bislang (Stand: Januar 2021) nicht bekannt.


== Weblinks ==
== Weblinks ==

Version vom 17. März 2021, 09:19 Uhr

Civey GmbH

Logo
Rechtsform Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Gründung 2015
Sitz Berlin, Deutschland Deutschland
Leitung Gerrit Richter
Janina Mütze
Mitarbeiterzahl rund 60[1]
Branche Markt- und Meinungsforschung
Website civey.com

Die Civey GmbH ist ein Berliner Start-up-Unternehmen, das Online-Umfragen für Meinungs- und Marktforschung durchführt, wobei Ergebnisse unmittelbar angezeigt werden. Die Umfragen werden gleichzeitig auf verschiedenen Internetseiten eingeblendet, so dass sich die Umfrageteilnehmer aus Besuchern dieser Seiten rekrutieren.

Um hohe Repräsentativität zu erreichen, werden die Umfrageergebnisse anhand weitere Kriterien unterschiedlich gewichtet. Kritiker bezweifeln jedoch die Qualität der Ergebnisse.

Geschichte

Das Unternehmen wurde 2015 von Gerrit Richter zusammen mit Oliver Serfling, Michael Vogel, Janina Mütze und Sven Hauser unter der Firma OMNI TT GmbH gegründet.[2] Erster Geschäftsführer war Gerrit Richter,[3] ehemaliger SPD-Bundestagskandidat,[4][5] Politikberater und Referent bei Hans Eichel.[6] Neben Richter wurde am 8. Mai 2018 Janina Mütze zur 2. Geschäftsführerin bestellt[7].

Im August 2016 band Der Tagesspiegel als erstes großes Medienhaus Umfragen des Unternehmens ein.[8] Im Dezember 2016, „kurz vor dem Superwahljahr 2017“, folgte Spiegel Online und band Umfragen zu Parteipräferenz und anderen politischen Themen ein.[9] Im Januar 2017 erfolgte die Umbenennung in Civey GmbH. Civey stehe dabei für englisch Citizen Survey, das heißt Bürgerumfrage.[8] Im Jahr 2017 gewann das Unternehmen weitere sogenannte „Medienpartner“, unter anderem Focus Online,[10] die Funke Mediengruppe[11] und Die Welt.[12] Mitte 2018 startete mit Spiegel Online der SPON-Regierungsmonitor.[13] Im Herbst 2018 nutzte das Bundeswirtschaftsministerium eine Civey-Umfrage zum Thema Künstliche Intelligenz.[1]

Seit November 2018 hat das Unternehmen einen Beirat, dem die ehemalige Bundesministerin Brigitte Zypries,[14] die Wissenschaftler Anselm Hager (Humboldt-Universität Berlin), Jörg-Müller Lietzkow (HafenCity Universität Hamburg), Ulrich Rendtel (Freie Universität Berlin) und der Civey-Miteigentümer Oliver Serfling (Hochschule Rhein-Waal) sowie die Geschäftsführerin der Forschungs- und Beratungsagentur DCORE Andrea Eckes und der ehemalige Forsa-Geschäftsführer Joachim Koschnicke angehören.[15]

Der ehemalige[16] Tagesspiegel-Herausgeber Sebastian Turner investierte nach eigenen Angaben 2018 erstmals über das von ihm gegründete Unternehmen Trafo Investment GmbH in Civey.[17] Laut Handelsregister hielt Trafo im Jahr 2020 36 Prozent der Anteile.[18] Seit September 2019 ist Civey Gegenstand eines Forschungsprojektes das Sozio-ökonomischen Panels des Instituts der Deutschen Wirtschaft und der Freien Universität Berlin zu den Vor- und Nachteilen traditioneller und web-basierter Umfrageverfahren.[19][20]

Methodik

Civey erhebt die Ergebnisse für seine Umfragen nach eigenen Angaben ausschließlich online. Unternehmen wie Opinary erheben zwar auch ausschließlich onlinebasierte Umfragen, behaupten aber nicht, dass diese repräsentativ seien.[21] Anders als bei YouGov, das die Teilnehmer an einer Umfrage stichprobenartig aus einem manuell betreuten Online-Panel zieht, kann bei Civey-Umfragen jeder abstimmen und die Ergebnisse werden sofort angezeigt.[22]

Civey streut die Umfragen nach eigenen Angaben über eine große Zahl von Internetseiten, das sogenannte „Riversampling“.[23] Das Unternehmen spricht von einem „Netzwerk von 25.000 Webseiten“[24], auf denen die Umfragewidgets platziert sind, womit allerdings die Zahl der Unterseiten (URLs) gemeint ist. Im Wesentlichen handelt es sich also um die Anzahl von Artikelseiten. Die Zahl der Websites, die Civey-Umfragen eingebunden haben, wird nicht öffentlich kommuniziert. Bei jeder Umfrage wird nach Beantwortung der erste Frage nach Alter, Geschlecht und Postleitzahl des jeweiligen Nutzers gefragt. Zusammen mit einem gesetzten Cookie gilt ein Benutzer danach bereits als „registriert“, auch ohne Angabe einer E-Mail-Adresse, die später ebenfalls möglich ist. Anschließend wird das Ergebnis der ersten beantworteten Frage sofort angezeigt. Der Nutzer hat dann die Möglichkeit, beliebig viele weitere Umfragen zu beantworten, wobei ebenfalls jeweils sofort das Umfrageergebnis angezeigt wird. Einige der Fragen sind keine herkömmlichen Umfragen, sondern haben zum Ziel, weitere Daten über den Nutzer für die spätere Gewichtung zu gewinnen, so z. B. Fragen nach Einkommen oder Familienstand.[25][26]

Damit die Ergebnisse eine angeblich repräsentative Aussagekraft erhalten, gewichtet das Unternehmen die auf diese Weise erhobenen Daten nach eigenen Angaben auf Grundlage von Basisvariablen, für die die tatsächliche Verteilung in der Bevölkerung als bekannt gilt, wie beispielsweise Alter, Geschlecht oder Postleitzahl, nach.[27] Die Meinungen der Teilnehmer erhalten also ein unterschiedliches Stimmgewicht, sodass die Antworten auf die bei jeder Umfrage gleichzeitig abgefragten Basisvariablen ungefähr den Basisdaten der Gesamtbevölkerung entsprechen sollen. Dies geschieht auf Basis der strittigen Hypothese, dass dann auch die unbekannten Variablen (also die eigentlichen Umfrageergebnisse) denen der Gesamtbevölkerung entsprechen und etwaige Verzerrungen wieder ausgeglichen werden, wie sie beispielsweise durch die Selbstrekrutierung entstehen können. Es handelt sich damit abgesehen von der Besonderheit der Online-Selbstrekrutierung faktisch um eine typische Quotenstichprobe, die ihrerseits seit Jahrzehnten in der Sozialwissenschaft kontrovers diskutiert wird.[28][29][30][31]

Für jede Umfrage gibt Civey auch einen „statistischen Fehler“ an. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um einen „klassischen“ auf dem Standardfehler beruhenden Stichprobenfehler, da für Nicht-Zufallsstichproben inferenzstatistische Methoden nicht anwendbar sind und kein statistischer Fehler für die ausgewählte Teilgesamtheit ermittelt und für die Ergebnisse kein Fehlerintervall ausgewiesen werden kann.[32]

Im Mai 2019 wurde Civey-Geschäftsführer Gerrit Richter in einem Interview darauf angesprochen, dass der Anteil von AfD-Sympathisanten an Teilnehmern bestimmter Umfragen zu politischen Statements sehr groß sei, woraufhin Richter antwortete, dass es „in den vergangenen Jahren dem rechtskonservativen Spektrum gelungen sei, online zu mobilisieren. Natürlich wird da versucht Umfragen zu manipulieren.“ Die entscheidende Frage sei, ob „dieser Bias festzustellen ist und mit statistischen Verfahren entfernt werden kann.“ Civey tut dies nach eigenen Angaben angeblich erfolgreich.[33]

Kritik

Civey sieht sich mit zunehmendem Bekanntheitsgrad verschiedener Kritik ausgesetzt, speziell zu folgenden Punkten

  • Repräsentativität, Verzerrung durch Auswahl und Selbstauswahl der Teilnehmer und des Umfeldes[34][35]
  • Scheingenauigkeit, Angabe auf 1/10 Prozent[36]
  • Fälschungssicherheit[37]
  • Betrugs- und Täuschungsvorwürfe[38]
  • Presseratsbeschwerde, Als Reaktion auf stark abweichende Ergebnisse Civeys von den eigenen reichte Forsa gemeinsam mit infas und der Forschungsgruppe Wahlen eine Beschwerde beim Presserat gegen den Focus ein.[39][40]

Einzelnachweise

  1. a b Go Radical. In: Manager Magazin. Juli 2020, abgerufen am 4. Dezember 2020.
  2. Website der OMNI TT GmbH. Archiviert vom Original am 5. September 2015; abgerufen am 8. Februar 2021.
  3. Registerbekanntmachung zum Amtsgericht Charlottenburg (Berlin) Aktenzeichen: HRB 165277 B. In: Handelsregister. 27. Februar 2015, abgerufen am 29. Januar 2021.
  4. Gerrit Richter bei abgeordnetenwatch.de. In: abgeordnetenwatch.de. Abgerufen am 29. Januar 2021.
  5. SPD Main-Taunus: Gerrit Richter gibt Vorsitz ab. In: Frankfurter Rundschau. 30. Juni 2009, abgerufen am 29. Januar 2021.
  6. Kurzlebenslauf von Gerrit Richter
  7. Registerbekanntmachung zum Amtsgericht Charlottenburg (Berlin) Aktenzeichen: HRB 165277 B. In: Handelsregister. 9. Mai 2018, abgerufen am 29. Januar 2021.
  8. a b Matthias Meisner: Meinungsforschung in Echtzeit – und mit Spaßfaktor. In: Der Tagesspiegel. 12. August 2016, abgerufen am 3. Dezember 2020.
  9. Christina Elmer, Kevin Hagen, Christian Teevs: Wen würden Sie wählen? In: Spiegel Online. 15. Dezember 2016, abgerufen am 3. Dezember 2020.
  10. FOCUS-Online-User wollen Neuwahlen statt Jamaika. In: Focus Online. 18. November 2017, abgerufen am 4. Dezember 2020.
  11. Wir wollen Ihre Meinung wissen – stimmen Sie jetzt ab! In: Berliner Morgenpost. 29. August 2017, abgerufen am 4. Dezember 2020.
  12. Mehrheit der AfD-Anhänger lehnt Höcke-Rauswurf ab. In: Die Welt. 14. Februar 2017, abgerufen am 3. Dezember 2020.
  13. Giffey vorn, Spahn abgeschlagen. In: Spiegel Online. 10. April 2018, abgerufen am 3. Dezember 2020.
  14. Brigitte Zypries Mitglied im Civey-Beirat, auf marktforschung.de
  15. Unser Beirat. In: Civey. Abgerufen am 4. Dezember 2020.
  16. Kathleen Hildebrand: Sebastian Turner hört beim „Tagesspiegel“ auf. In: Süddeutsche Zeitung. 2. Oktober 2020, abgerufen am 3. Dezember 2020.
  17. Sebastian Turner ist ein deutscher Unternehmer und Verleger. In: Webseite von Sebastian Turner. Abgerufen am 4. Dezember 2020.
  18. Handelsregister, Amtsgericht Berlin (Charlottenburg), HRB 165277; Abgerufen am 6. November 2019 über www.unternehmensregister.de
  19. Holger Geißler: Neue Entwicklungen in der Onlineforschung – Veranstaltung von GESIS, ADM und DGOF. In: marktforschung.de. 13. Februar 2020, abgerufen am 4. Dezember 2020.
  20. Web-basierte, non-probability Surveys. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V., abgerufen am 4. Dezember 2020.
  21. Das heikle Geschäft mit den Online-Umfragen, auf uebermedien.de
  22. „Ich bin mir sicher, dass Meinungsforschung in Zukunft nicht mehr telefonisch stattfinden wird.“ In: die-debatte.org. 23. August 2017, abgerufen am 22. Februar 2021.
  23. civey.com
  24. 4 Millionen Zuwachs: Zahl der Anleger in Deutschland steigt rasant. In: tn3.de. 11. Februar 2021, abgerufen am 22. Februar 2021.
  25. So funktionieren Umfragen mit Civey. In: mdr.de. 12. Januar 2020, abgerufen am 22. Februar 2021.
  26. Die Methodik hinter den Civey-Umfragen. In: Spiegel. 21. Februar 2021, abgerufen am 22. Februar 2021.
  27. Was ist das Besondere an der Civey-Methodik? Website von Civey, abgerufen am 7. Januar 2019.
  28. Wenn der Scharfschütze sein Ziel selber malt. In: Planung&Analyse. 29. November 2018, abgerufen am 22. Februar 2021.
  29. Warum ausschließlich online durchgeführte Bevölkerungsumfragen nicht repräsentativ sind. In: marktforschung.de. 27. November 2018, abgerufen am 22. Februar 2021.
  30. Das Orakel weiß es nicht, auf faz.net
  31. Gutachten zur Repräsentativität von Online-Umfragen. Abgerufen am 8. Februar 2019.
  32. Demoskopie, Medien und Politik - Ein Schulterschluss mit Risiken und Nebenwirkungen. In: OBS-Arbeitspapier 34. Otto Brenner Stiftung, 19. Oktober 2018, abgerufen am 22. Februar 2021.
  33. „Die Debatte hat uns nicht geschadet“, auf horizont.net
  34. Methodenstreit der Meinungsforschung: Was ist repräsentativ?
  35. Civey – Repräsentativ daneben?, auf taz.de
  36. Wie Meinungsforscher die Wahlen beeinflussen
  37. Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 4. September 2020: Wer oder was ist hier repräsentativ? (hinter Bezahlschranke)
  38. Stefan Reinecke: Strategien der Meinungsforschung: Macht und Ohnmacht, in Die Tageszeitung vom 20. September  2017
  39. Presserat billigt Civey-Umfrage, auf deutschlandfunk.de
  40. ADM bedauert Entscheidung des Presserats

Koordinaten: 52° 29′ 42,96″ N, 13° 25′ 56,88″ O