„Sozialleistung“ – Versionsunterschied

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Deutschland hat im Jahr 2009 30,1 % seines [[Bruttoinlandsprodukt]]s für Sozialleistungen aufgewendet und lag damit im europaweiten Vergleich auf Rang 4.<ref> [[Eurostat]] 2011</ref> Im Jahr 2013 waren es 29 %.<ref> [http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Europa-Internationales/Datensammlung/PDF-Dateien/abbX3.pdf ''Sozialleistungsquoten in ausgewählten EU-Ländern 2003 und 2013 in % des BIP''] [[Eurostat]] 2015</ref>
Deutschland hat im Jahr 2009 30,1 % seines [[Bruttoinlandsprodukt]]s für Sozialleistungen aufgewendet und lag damit im europaweiten Vergleich auf Rang 4.<ref> [[Eurostat]] 2011</ref> Im Jahr 2013 waren es 29 %.<ref> [http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Europa-Internationales/Datensammlung/PDF-Dateien/abbX3.pdf ''Sozialleistungsquoten in ausgewählten EU-Ländern 2003 und 2013 in % des BIP''] [[Eurostat]] 2015</ref>

== Gesetzgebungskompetenz ==
Die [[konkurrierende Gesetzgebung]] erstreckt sich gem. {{Art.|74|gg|juris}} Abs. 1 Nr. 7 [[Grundgesetz|GG]] auf die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht). Die Gesetzgebungszuständigkeit liegt daher grundsätzlich bei den Ländern ({{Art.|72|gg|juris}} Abs. 1 GG).

Der Begriff der ''öffentlichen Fürsorge'' setzt voraus, dass eine besondere Situation zumindest potenzieller Bedürftigkeit besteht, auf die der Gesetzgeber reagiert. Dabei genügt es, wenn eine - sei es auch nur typisierend bezeichnete und nicht notwendig akute - Bedarfslage im Sinne einer mit besonderen Belastungen einhergehenden Lebenssituation besteht, auf deren Beseitigung oder Minderung das fragliche Gesetz zielt.<ref>[https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2015/07/fs20150721_1bvf000213.html BVerfG, Urteil vom 21. Juli 2015 - 1 BvF 2/13] Rdnr. 29 (zum [[Betreuungsgeld]]gesetz).</ref>

Auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge hat jedoch der Bund das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die [[Gleichwertige Lebensverhältnisse|Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet]] oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht ({{Art.|72|gg|juris}} Abs. 2 GG).


== Funktion und Einteilung ==
== Funktion und Einteilung ==
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Die verschiedenen Sozialleistungen und die zuständigen Leistungsträger nennt das [[Erstes Buch Sozialgesetzbuch|Erste Buch Sozialgesetzbuch]] (SGB I),<ref>[https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_1/BJNR030150975.html#BJNR030150975BJNG000600314 §§ 18 ff. SGB I]</ref> für das [[Verwaltungsverfahren]] und den [[Sozialdatenschutz]] gilt das Zehnte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB X).
Die verschiedenen Sozialleistungen und die zuständigen Leistungsträger nennt das [[Erstes Buch Sozialgesetzbuch|Erste Buch Sozialgesetzbuch]] (SGB I),<ref>[https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_1/BJNR030150975.html#BJNR030150975BJNG000600314 §§ 18 ff. SGB I]</ref> für das [[Verwaltungsverfahren]] und den [[Sozialdatenschutz]] gilt das Zehnte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB X).

=== Fürsorgeleistung ===

Ein Teil der Sozialleistungen wird auch '''Fürsorgeleistung''' genannt, welche sich aus der im [[deutsches Grundgesetz|Grundgesetz]] verankerten [[Fürsorgepflicht]] der jeweils zuständigen Sozialbehörden, gegenüber ihren [[Staatsbürger|Bürgern]], ergibt.


== Rechtsschutz ==
== Rechtsschutz ==

Version vom 25. Juni 2020, 16:22 Uhr

Sozialleistungsquote im europäischen Vergleich 2009

Sozialleistungen sind die im Sozialgesetzbuch vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen (§ 11 SGB I).

Deutschland hat im Jahr 2009 30,1 % seines Bruttoinlandsprodukts für Sozialleistungen aufgewendet und lag damit im europaweiten Vergleich auf Rang 4.[1] Im Jahr 2013 waren es 29 %.[2]

Gesetzgebungskompetenz

Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG auf die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht). Die Gesetzgebungszuständigkeit liegt daher grundsätzlich bei den Ländern (Art. 72 Abs. 1 GG).

Der Begriff der öffentlichen Fürsorge setzt voraus, dass eine besondere Situation zumindest potenzieller Bedürftigkeit besteht, auf die der Gesetzgeber reagiert. Dabei genügt es, wenn eine - sei es auch nur typisierend bezeichnete und nicht notwendig akute - Bedarfslage im Sinne einer mit besonderen Belastungen einhergehenden Lebenssituation besteht, auf deren Beseitigung oder Minderung das fragliche Gesetz zielt.[3]

Auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge hat jedoch der Bund das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht (Art. 72 Abs. 2 GG).

Funktion und Einteilung

Sozialleistungen dienen zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit, insbesondere ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, gleiche Voraussetzungen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit, insbesondere auch für junge Menschen, zu schaffen, die Familie zu schützen und zu fördern, den Erwerb des Lebensunterhalts durch eine frei gewählte Tätigkeit zu ermöglichen und besondere Belastungen des Lebens, auch durch Hilfe zur Selbsthilfe, abzuwenden oder auszugleichen (§ 1 SGB I). Außerdem sollen die erforderlichen sozialen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen.

Eine Sozialleistung im Sinne der §§ 11, 45 SGB I liegt regelmäßig dann vor, wenn die Leistung durch einen Sozialleistungsträger nach den Bestimmungen des SGB einem Sozialleistungsberechtigten zu erbringen ist und diesen individuell begünstigt; sie wird dann in aller Regel auch der Verwirklichung eines sozialen Rechts im Sinne der §§ 3 bis 10 SGB I dienen.[4]

Nach einer Definition von Eurostat sind Sozialleistungen Geld- oder Sachübertragungen, die von den Sozialschutzsystemen an private Haushalte oder Einzelpersonen erbracht werden, um die Lasten zu decken, die ihnen durch eine festgelegte Zahl von Risiken oder Bedürfnissen entstehen. Die Funktionen (oder Risiken) sind Krankheit/Gesundheitsversorgung, Invalidität/Gebrechen, Alter, Hinterbliebene, Familie/Kinder, Arbeitslosigkeit, Wohnen und Formen der sozialen Ausgrenzung, die keiner anderen Kategorie zugeordnet werden können.

In Deutschland werden die beitragsfinanzierten Sozialleistungen von den Sozialversicherungsträgern als Entgeltersatzleistungen bei Verwirklichung der versicherten Risiken erbracht, etwa bei Krankheit, Arbeitsunfällen oder Pflegebedürftigkeit, bei Arbeitslosigkeit und zur Absicherung im Alter.

Daneben gibt es die steuerfinanzierten Transferleistungen, die Hilfebedürftigkeit voraussetzen. Hierzu gehören insbesondere das Arbeitslosengeld II und die verschiedenen Formen der Sozialhilfe einschließlich der Kriegsopferfürsorge.

Die verschiedenen Sozialleistungen und die zuständigen Leistungsträger nennt das Erste Buch Sozialgesetzbuch (SGB I),[5] für das Verwaltungsverfahren und den Sozialdatenschutz gilt das Zehnte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB X).

Rechtsschutz

Für die meisten Streitigkeiten über Sozialleistungen sind die Sozialgerichte zuständig (§ 51 SGG), für bestimmte Leistungen wie etwa das Wohngeld oder das BAföG auch die Verwaltungsgerichte oder die Finanzgerichte für das Kindergeld (§ 54 BAFöG, § 33 FGO).

Je nach Rechtsschutzziel kann die Aufhebung eines Bescheids (Anfechtungsklage) oder die Verurteilung zu dessen Erlass (Verpflichtungsklage) beantragt werden (§ 54 SGG). Vor Klageerhebung muss meistens ein Vorverfahren durchgeführt werden (§ 78SGG). Möglich sind auch bestimmte gerichtliche Feststellungen wie die Feststellung, welcher Versicherungsträger in einer bestimmten Angelegenheit zuständig ist (§ 55 SGG) sowie bei Eilbedürftigkeit eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz (§ 86a und § 86b SGG).

Vor den Sozialgerichten und den Landessozialgerichten brauchen sich die Versicherten nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen (§ 73 Abs. 1 SGG), sie haben jedoch das Recht dazu. Eine Vertretung ist erst vor dem Bundessozialgericht erforderlich (§ 73 Abs. 4 SGG). Die Vertretung dürfen dort auch Sozialverbände oder Gewerkschaften übernehmen, nicht hingegen Rentenberater.

Stellt sich nach einem Überprüfungsantrag heraus, dass Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht wurden, so können sie noch für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren rückwirkend erbracht werden (§ 44 SGB X), verzinslich zu 4 % p. a. (§ 44 SGB I).[6] Diese Zinsen sind steuerrechtlich Einkünfte aus Kapitalvermögen, unabhängig davon, wie die Sozialleistung selbst steuerrechtlich behandelt wird.[7]

Bei bestimmten Pflichtverletzungen, insbesondere von Beratungs- und Auskunftspflichten, kann der Versicherungsträger im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zur Kompensation verpflichtet sein.

Siehe auch

Wikibooks: Handbuch Sozialleistungen – Lern- und Lehrmaterialien

Einzelnachweise

  1. Eurostat 2011
  2. Sozialleistungsquoten in ausgewählten EU-Ländern 2003 und 2013 in % des BIP Eurostat 2015
  3. BVerfG, Urteil vom 21. Juli 2015 - 1 BvF 2/13 Rdnr. 29 (zum Betreuungsgeldgesetz).
  4. BSG, Urteil vom 6. August 2014 - B 11 AL 7/13 R
  5. §§ 18 ff. SGB I
  6. vgl. BSG, Urteil vom 17. November 1981 - 9 RV 26/81
  7. BFH, Urteil vom 9. Juni 2015 - AZ VIII R 18/12