„Genom“ – Versionsunterschied

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Version vom 27. Januar 2020, 11:40 Uhr

Der Chromosomensatz eines Mannes als Karyogramm dargestellt

Das Genom, auch Erbgut eines Lebewesens oder eines Virus, ist die Gesamtheit der materiellen Träger der vererbbaren Informationen einer Zelle oder eines Viruspartikels: Chromosomen, Desoxyribonukleinsäure (DNS = DNA) oder Ribonukleinsäure (RNS = RNA) bei RNA-Viren, bei denen RNA anstelle von DNA als Informationsträger dient. Im abstrakten Sinn versteht man darunter auch die Gesamtheit der vererbbaren Informationen (Gene) eines Individuums.

Die Bezeichnung Genom wurde, nach der durch Thomas Hunt Morgan gelungenen Verknüpfung[1] der Chromosomentheorie der Vererbung mit der durch Wilhelm Johannsen aufgestellten Hypothese von Genen als Erbeinheiten, 1920 von Hans Winkler geprägt. Das Teilgebiet der Genetik, das sich mit der Erforschung des Aufbaus von Genomen und der Wechselwirkungen zwischen Genen befasst, wird als Genomik (englisch genomics) bezeichnet.[2]

Grundlagen

Die für die Vererbung von Eigenschaften und Merkmalen erforderliche und auf der Ebene der Zellen und der Individuen weitergegebene Information ist in der DNA enthalten, und zwar in der Sequenz (Abfolge) der DNA-Basen Adenin (A), Guanin (G), Cytosin (C) und Thymin (T). Ribonukleinsäuren verwenden anstelle des Thymins die Base Uracil (U). Jeweils drei aufeinanderfolgende Basen bedeuten nach der Regel des genetischen Codes eine Aminosäure.

Man unterscheidet codierende und nichtcodierende Abschnitte der DNA. Nach Maßgabe der Basensequenz der codierenden Abschnitte (Gene) werden im Zuge der Genexpression aus Aminosäuren Proteine gebildet. Aber auch nichtcodierende Bereiche können wichtige Funktionen aufweisen, so etwa bei der Genregulation. Außerdem gibt es die sogenannten Pseudogene: durch Mutationen funktionslos gewordene und vom Organismus nicht mehr abgelesene Gene.

Die meisten Organismen besitzen neben der chromosomalen DNA des Zellkerns (nukleäre DNA, auch Karyom genannt) weiteres genetisches Material in anderen Zellteilen. Eigene kleine Genome finden sich bei Eukaryoten (Tiere, Pflanzen, Pilze und Protisten) in den Mitochondrien (Mitogenom, auch Chondriom) und teilweise in ihren Abkömmlingen, den Hydrogenosomen; bei Algen und Landpflanzen fast immer in den Chloroplasten und anderen Plastiden (Plastom). Prokaryoten (Bakterien und Archaeen) enthalten vielfach zusätzliche, relativ kurze, in sich geschlossene DNA-Moleküle, die als Plasmide bezeichnet werden.

Organisation von Genomen

Eukaryoten

Bei den Eukaryoten besteht das Kern-Genom (Karyom) aus mehreren bis zahlreichen strangförmigen Chromosomen. Die Kern-DNA wird auch als nukleäre DNA (nDNA) bezeichnet. Die Anzahl der Chromosomen ist artspezifisch verschieden und kann zwischen zwei (beim Pferdespulwurm) und mehreren hundert (bei manchen Farnen) variieren. Außerdem ändert sich die Chromosomenzahl beim Wechsel der Kernphase (Meiose und Karyogamie). Charakteristisch für eukaryotische Genome ist weiterhin ein hoher Anteil an nichtcodierender DNA (beim Menschen etwa 95 %) und die Intron-Exon-Struktur der Gene.

Prokaryoten

Bei den Prokaryoten liegt die DNA als langes, in sich geschlossenes Molekül vor. Daneben können kürzere, ebenfalls in sich geschlossene DNA-Moleküle, sogenannte Plasmide, in variabler Anzahl vorhanden sein. Diese können unabhängig von der Haupt-DNA vervielfältigt und an andere Prokaryotenzellen weitergegeben werden (Konjugation), auch über Artgrenzen hinweg. Sie enthalten in der Regel nur wenige Gene, die zum Beispiel Resistenzen gegen Antibiotika vermitteln.

Prokaryotische Genome sind im Allgemeinen wesentlich kleiner als eukaryotische. Sie enthalten relativ geringe nichtcodierende Anteile (5–20 %) und auch nur wenige oder gar keine Introns.

Organellen

Die Genome der Mitochondrien/Hydrogenosomen und Plastiden sind – soweit vorhanden – wie prokaryotische Genome organisiert (vgl. Endosymbiontentheorie). Die ‚Mitogenome‘ (seltener auch ‚Chondriome‘, mtDNA) und ‚Plastome‘ (cpDNA, seltener ctDNA) enthalten jedoch nur einen geringen Teil der für die Funktion dieser Organellen benötigten Gene, weshalb diese Organellen als „semi-autonom“ bezeichnet werden.

Viren

Virale Genome sind sehr klein, da in ihnen nur recht wenige Proteine codiert sind und die genetische Information zudem hochgradig verdichtet ist, indem etwa verschiedene Gene überlappen oder manche Abschnitte zugleich in beiden Leserichtungen als Gene fungieren können. Sie können aus DNA oder RNA bestehen, und diese können einzel- oder doppelsträngig sowie linear, zirkulär oder segmentiert vorliegen. Eine Besonderheit stellen die Retroviren dar, deren RNA-Genom mittels reverser Transkription in DNA „übersetzt“ und in das Wirtsgenom integriert werden kann. Die Eigenschaften der Genome der Viren sind wichtige Kriterien bei deren Einteilung (Virus-Taxonomie).

Genomgrößen

Als Genomgröße wird die in einem Genom vorhandene Menge an DNA bezeichnet. Bei Eukaryoten bezieht sich diese Angabe gewöhnlich auf den haploiden Chromosomensatz, dies wird auch als C-Wert bezeichnet. Es wird entweder die Anzahl der vorhandenen Basenpaare (bp) oder die Masse der DNA in der Einheit pg (Pikogramm) angegeben. 1 pg doppelsträngiger DNA besteht aus etwa 0,978·109 bp, also aus knapp einer Milliarde Basenpaaren. Üblich sind auch die Bezeichnungen Kilo-Basenpaar (kbp oder kb) für 1.000 Basenpaare und Mega-Basenpaar (Mbp oder Mb) für eine Million Basenpaare.

Nach neueren Untersuchungen besitzt der Südamerikanische Lungenfisch (Lepidosiren paradoxa) mit 80 pg (7,84 × 1010 bp) das größte bisher bekannte tierische Genom.[3] Ältere, aber wohl ungenauere Untersuchungen zeigen mit etwa 133 pg noch größere Genome, die ebenfalls bei Lungenfischen, allerdings bei der afrikanischen Art Äthiopischer Lungenfisch (Protopterus aethiopicus) gefunden wurden.[4] Mit 0,04 pg (weniger als 50 Millionen Basenpaare) besitzt das zum primitiven Tierstamm Placozoa gehörende, auf Algen lebende, etwa 2 mm große, wenig differenzierte Trichoplax adhaerens das kleinste bisher bekannte tierische Genom.[4] Die Zahl der Basenpaare des Darmbakteriums Escherichia coli ist nur um einen Faktor 10 kleiner. Das kleinste bisher quantifizierte bakterielle Genom besitzt der Blattfloh-Endosymbiont Carsonella ruddii: Sein zirkuläres DNA-Molekül enthält nur knapp 160.000 Basenpaare, in denen sämtliche Informationen gespeichert sind, die er zum Leben braucht.[5]

Beispiele für Genomgrößen
Organismus Genomgröße1 Gene Gendichte2
HIV[6] 9.700
Bakteriophage Lambda (Virus) 50.000
Carsonella ruddii (Blattfloh-Endosymbiont) 160.000 182 1.138
Escherichia coli (Darmbakterium) 4.600.000 4.500 900
Backhefe Saccharomyces cerevisiae 13.000.000 6.000 300
Trichoplax adhaerens (Plattentiere) 40.000.000 11.500 287,5
Caenorhabditis elegans (Fadenwurm) 80.000.000 19.000 200
Acker-Schmalwand Arabidopsis thaliana 100.000.000 25.500 255
Drosophila melanogaster (Taufliege) 200.000.000 13.500 70
Daphnia pulex (Wasserfloh)[7] 200.000.000 31.000 155
Kugelfisch Takifugu rubripes 365.000.000
Gemüsekohl Brassica oleracea 5,99–8,68 × 108 100.000 599–868
Mensch Homo sapiens 3,27 × 109 23.000 10
Teichmolch Triturus vulgaris 2,5 × 1010
Lungenfische Lepidosiren paradoxa 7,8 × 1010
 1in Basenpaaren  2Anzahl der Gene pro Millionen Basenpaare

Die DNA einer einzelnen menschlichen Zelle ist aneinandergereiht etwa 1,80 m lang. Ein Basenpaar auf einem DNA-Strang hat theoretisch einen Informationsgehalt von 2 bit, da es 22 = 4 Zustände (A/T/G/C) annehmen kann. Mit etwa 3,27 Milliarden Basenpaaren hätte das Genom des Menschen demnach einen maximal möglichen Informationsgehalt von 6,54 Milliarden bit oder 780 MiB. Der tatsächliche Informationsgehalt liegt vermutlich deutlich darunter, da große Teile der DNA nichtcodierende Sequenzen aufweisen, die allerdings zumindest teilweise regulatorische Funktionen haben.[8]

Ein Vergleich der Genomgröße mit der Komplexität und dem Organisationsgrad des Organismus ergibt keinen klaren Zusammenhang.[9] So haben Schwanzlurche größere Genome als Reptilien, Vögel und Säugetiere. Lungenfische und Knorpelfische haben größere Genome als Echte Knochenfische, und innerhalb von Taxa wie den Blütenpflanzen oder Protozoen variiert die Genomgröße in hohem Maß. Dies wird als „C-Wert-Paradoxon“ bezeichnet. Die größte DNA-Menge weisen einfache Eukaryoten wie einige Amöben sowie die Urfarne mit rund einer Billion Basenpaaren auf. Diese Arten enthalten einzelne Gene als tausendfache Kopien und lange nicht proteincodierende Abschnitte.

Sequenzierte Genome

Die DNA von Genomen verschiedener Organismen, die entweder für die medizinisch-pharmazeutische oder anwendungsorientierte Forschung oder auch für die Grundlagenforschung relevant sind, wurde annähernd vollständig „sequenziert“ (man spricht auch fälschlicherweise vom „Entschlüsseln“), das heißt, ihre Basensequenz wurde ermittelt (per DNA-Sequenzierung, teilweise nach einer Genomamplifikation). Die Basensequenzen werden über das Internet u. a. vom NCBI bereitgestellt.

Übersichten
  • Quick Guide to Sequenced Genomes (GNN) (Übersichtsseite, in alphabetischer Ordnung findet man bisher sequenzierte Organismen mit Abbildungen, Kurzinformationen, für die Sequenzierung verantwortliche Institution und relevante Literatur mit Links)
  • Genome Atlas
Einzelne Genome

Siehe auch

Literatur

Commons: Genom – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Genom – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Werner Sohn: Genom. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 475 f.; hier: S. 475.
  2. National Human Genome Research Institute: FAQ About Genetic and Genomic Science. Abgerufen am 9. Dezember 2013.
  3. A. E. Vinogradov: Genome size and chromatin condensation in vertebrates. In: Chromosoma. 113, 2005, S. 362–369.
  4. a b T. R. Gregory: Animal Genome Size Database. 2005.
  5. Petra Jacoby: Spektrum der Wissenschaft. Band 5, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft, 2007, S. 16 f.
  6. BioNumber Details Page - Genome size of HIV-1 HXB2. auf: bionumbers.hms.harvard.edu.
  7. Der Wasserfloh und seine rekordverdächtigen inneren Werte. Auf: wissenschaft.de vom 4. Februar 2011.
  8. Information content of DNA bei Panda's Thumb
  9. Siehe etwa Molekulargenetik der Eukaryoten (Universität Mainz, PDF; 7,9 MB), S. 7.
  10. Daniel Lang, Andreas Zimmer, Stefan Rensing, Ralf Reski: Exploring plant biodiversity: the Physcomitrella genome and beyond. In: Trends in Plant Science. 13, 2008, S. 542–549. doi:10.1016/j.tplants.2008.07.002

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