„Vetternwirtschaft“ – Versionsunterschied

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'''Nepotismus''' (von [[latein]]isch ''{{lang|la|nepōs}}'' „[[Verwandtschaftsbeziehung#Neffe und Nichte|Neffe]], [[Verwandtschaftsbeziehung#Enkel-|Enkel]]“) oder '''Vetternwirtschaft''' bezeichnet eine übermäßige Vorteilsbeschaffung durch und für [[Familie]]nangehörige oder andere [[Verwandtschaftsbeziehung|Verwandte]] (oder enge Freunde).<ref>[[Duden#Duden online (2011)|Duden-Redaktion]]: [https://www.duden.de/rechtschreibung/Vetternwirtschaft ''Vetternwirtschaft.''] Abgerufen am 5. Dezember 2019.</ref> Beispiele für diese Bevorzugung sind die Gewährung von ungewöhnlich günstigen Vertragskonditionen untereinander oder die Unterlassung notwendiger Prüfungen bei Verwandten zu Lasten einer Institution oder eines Unternehmens, in denen ein Familienmitglied eine leitende Position innehat. Auch [[Betrug (Deutschland)|Schiebung]] kann eine Form des Nepotismus sein. Die weibliche Form ist '''Cousinenwirtschaft''': Bevorzugung von weiblichen Verwandten und Freundinnen bei Stellenbesetzungen, Auftragsvergaben und Ähnlichem ohne Bezug zur fachlichen Eignung.<ref>[[Duden#Duden online (2011)|Duden-Redaktion]]: [https://www.duden.de/rechtschreibung/Cousinenwirtschaft ''Cousinenwirtschaft.''] Abgerufen am 5. Dezember 2019.</ref>

Im [[Schwäbischer Dialekt|Schwäbischen]] ist die Bezeichnung ''Vetterleswirtschaft'' üblich, in [[Alemannische Dialekte|alemannischen Dialekten]] ''Vetterliwirtschaft''. Bei einer '''Günstlingswirtschaft''' sind keine Familienangehörigen, sondern andere Personen die Nutznießer des verschafften Vorteils (vergleiche [[Klientelpolitik]]). Im [[Bairische Dialekte|bairischen Sprachraum]] heißt es ungeachtet einer familiären Verbandelung ''Spezlwirtschaft'' (''Spezi, Spezl:'' „Freund“), in Österreich ''Freunderlwirtschaft'', im Rheinland bekannt als ''[[Kölner Klüngel|Klüngel]]''.

== Wortherkunft ==
„Nepotismus“ ist abgeleitet vom lateinischen ''nepōs'' („Enkel, Urenkel, Neffe, Nachkomme“).<ref>[[Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache]]: [https://www.dwds.de/wb/Nepotismus ''Nepotismus.''] Abgerufen am 5. Dezember 2019.</ref> Vergleichbare Bezeichnungen bestehen bereits im [[Altindisch]]en ''(nápāt)'' und im [[Altgriechische Sprache|Altgriechischen]] (άνεψιός „Geschwistersohn, Neffe“, von ά-νεπτιός stammend). ''Nepos'' war zum einen die konkrete Bezeichnung für einen [[Verwandtschaftsbeziehung #Neffe und Nichte|Neffen]] (auch [[Verwandtschaftsbeziehung#Enkel-|Enkel]]), zum anderen die Bezeichnung für Nachkommen im Allgemeinen. Im [[mittelalter]]lichen Latein bezeichnet ''Nepos'' dann übergreifend jeden Verwandten, ohne dass auf den Verwandtschaftsgrad zurückgeschlossen werden könnte. In die [[französische Sprache]] kommt das Wort als ''neveu'' (Neffe), ins Englische als ''nephew''. In der deutschen gehobenen Umgangssprache wurde mit spöttischem Beiklang, vermittelt über das Französische, das Wort ''Neveu'' (auch ''Nevö'') bis 1914 verwandt (bis zur damaligen Kampagne gegen Wörter französischer Herkunft). Das von ''nepos'' abgeleitete Wort ''Nepot'' für einen begünstigten jüngeren Verwandten (meist in der Politik) ist veraltet und weitgehend unbekannt.

== Geschichte ==
Nepotismus gab und gibt es in und zwischen Herrscherhäusern. Innerhalb des europäischen Hochadels gab es stets Verwandtschaften über Staatsgrenzen hinweg, teilweise zustande gekommen durch Vernunftehen oder [[Heiratsvermittlung#Arrangierte Heirat|arrangierte Heiraten]]. Diese Verwandtschaften beeinflussten auch das Entstehen und Vergehen von Allianzen, [[Bündnis]]sen und Koalitionen.

Berühmt und berüchtigt war der praktizierte [[Kardinalnepot]]imus der [[Bischof|Bischöfe]] und [[Papst|Päpste]] in [[Mittelalter]] und [[Neuzeit]]. Einen großen Aufschwung erfuhr er durch die [[Avignonesisches Papsttum|avignonesischen]] Päpste [[Clemens V.]], [[Johannes XXII.]], [[Clemens VI.]] und [[Innozenz VI.]] im 14. Jahrhundert. Den Höhepunkt erreichte der päpstliche Nepotismus vom 15. bis zum 17. Jahrhundert, als den päpstlichen Verwandten ganze Teilgebiete des [[Kirchenstaat]]s zu [[Lehnswesen|Lehen]] gegeben wurden, um eigene [[Fürstentum|Fürstentümer]] zu errichten (siehe dazu [[Nepotismus am Heiligen Stuhl]]).

In [[Frankreich]] wird die Bezeichnung ''népotisme'' für die durch gemeinsame akademische oder dienstliche Karrieren entstehenden Abhängigkeiten und Begünstigungen benutzt, die insbesondere den öffentlichen Dienst und den großen staatlich kontrollierten, formal privatwirtschaftlichen Bereich durchdringen (etwa bei Energie- und Versorgungswirtschaft, Bahn, Film und Kultur).

== Beispiele ==
* Als Nepotismus wurde gesehen, dass der [[Präsident der Vereinigten Staaten|US-Präsident]] [[John F. Kennedy]] seinen Bruder [[Robert F. Kennedy]] 1960 als Justizminister in sein Kabinett aufnahm. Eine solche Ernennung gab es in der amerikanischen Geschichte weder zuvor noch danach. Nach Kennedys Präsidentschaft wurde der Nepotismus in den USA gesetzlich verboten, wonach bei Ämtervergaben keine nahen Verwandten berücksichtigt werden dürfen.
* US-Präsident [[Donald Trump]] ernannte 2016 seine Tochter [[Ivanka Trump]] zur Beraterin im Weißen Haus sowie seinen Schwiegersohn [[Jared Kushner]] zum Chefberater ''(senior advisor)'' mit einer Reihe von Sonderfunktionen.
* Der türkische Präsident [[Recep Tayyip Erdoğan]] ernannte 2016 seinen Schwiegersohn [[Berat Albayrak]] zum Finanzminister.
* Der [[Vizekanzler (Österreich)|österreichische Vizekanzler]] [[Heinz-Christian Strache]] ([[Freiheitliche Partei Österreichs|FPÖ]]) ernannte 2018 seine Ehefrau Philippa Strache zur Tierschutzbeauftragten seiner Partei.<ref>{{Internetquelle |autor=Günter Traxler |url=https://www.derstandard.at/story/2000086929134/philippa-strache-als-tierschutzbeauftragte-freiheitlich-wirkt |titel=Philippa Strache als Tierschutzbeauftragte: Freiheitlich wirkt |werk=[[Der Standard|derStandard.at]] |datum=2018-09-08 |abruf=2019-12-05}}</ref>

'''Bedeutungsähnlich:'''
* [[Ämterpatronage]]: ungerechtfertigte Bevorzugung von Bewerbern bei der Besetzung von Ämtern und Positionen, vor allem im Öffentlichen Dienst oder Wissenschaftsbetrieb
* [[Seilschaft]]: informelle Gruppierungen von Personen, die ihr berufliches oder anderweitiges Vorankommen gegenseitig fördern
* [[Klientelismus]]: ein System ungleicher Abhängigkeitsbeziehungen in politischen Apparaten
* [[Kamarilla]]: Günstlingspartei, die ohne Befugnis und Verantwortung Einfluss auf die Entscheidungen eines Herrschers ausübt
* ''legacy preference'': Bevorzugung der Kinder von Ehemaligen ([[Alumni]]) als offizielles Auswahlkriterium für Studienbewerber an US-amerikanischen Universitäten (insbesondere der Ivy League)<ref>{{Literatur |Autor=Richard D. Kahlenberg |Titel=Der direkte Weg nach Harvard – US-Unis bevorzugen Kinder von Alumni |Sammelwerk=Le Monde diplomatique |Nummer=37/18 |Verlag=WOZ Die Wochenzeitung |Ort=Zürich |Datum=2018-09-13 |ISBN= |Seiten=22 |Übersetzer=Sabine Jainski}}</ref>
* ''cuñadismo'' ([[Spanische Sprache|spanisch]], etwa „größter aller Schwager“): privilegierte Stellung eines Schwagers; die Bezeichnung ist abgeleitet vom Titel ''el Generalísimo'' (etwa „größter aller Generäle“), mit dem sich der spanische Diktator [[Francisco Franco|General Francisco Franco]] ansprechen ließ und der als umgangssprachliche Bezeichnung ins Spanische einging, als Franco begann, seinen Schwager [[Ramón Serrano Súñer]] an sämtlichen Entscheidungen zu beteiligen und ihn gegenüber Royalisten und anderen Faschisten zu bevorzugen.<ref>{{Literatur |Autor=Antony Beevor |Titel=La Guerre d'Espagne |Auflage=3 |Verlag=Éditions Calmann-Lévy |Ort=Paris |Datum=2011 |ISBN=978-2-253-12092-6 |Seiten=461 |Kommentar=übersetzt von Jean-François Sené}}</ref>

== Siehe auch ==
* „[[Verwandtenaffäre]]“ (Vetternwirtschaft im Bayerischen Landtag)
* „[[Der Papa wird’s schon richten]]“ (geflügeltes Wort, nach einer kritischen Kabarettnummer 1958)
* [[Korruption]] (Bestechung, Vorteilsannahme, Vorteilsgewährung)

== Literatur ==
* [[Arne Karsten]]: ''Künstler und Kardinäle – Vom Mäzenatentum römischer Kardinalnepoten im 17. Jahrhundert.'' Doktorarbeit Universität Berlin 2001. Böhlau, Köln/Weimar/Wien 2003, ISBN 3-412-11302-6.
* Arne Karsten, Hillard von Thiessen (Hrsg.): ''Nützliche Netzwerke und korrupte Seilschaften.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-525-36292-7.

== Weblinks ==
{{Wiktionary|Nepotismus}}
{{Wiktionary|Vetternwirtschaft|suffix=0}}
* Hans-Martin Tillack: [https://www.stern.de/politik/deutschland/interessenkonflikt-krach-im-aa-ueber-das--ehegattenprivileg--3551874.html ''Interessenkonflikt: Krach im AA über das »Ehegattenprivileg«.''] In: ''[[Stern.de]].'' 19. April 2005 (Nepotismus im öffentlichen Dienst).

== Einzelnachweise ==
<references />

{{Normdaten|TYP=s|GND=4220631-5|LCCN=sh/85/90868}}

[[Kategorie:Politische Ideengeschichte (Frühe Neuzeit)]]
[[Kategorie:Herrschaftsform]]

Version vom 15. Januar 2020, 22:40 Uhr

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