„Deutschenfeindlichkeit (Begriff)“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
K Änderungen von PhJ (Diskussion) auf die letzte Version von Sargoth zurückgesetzt
Markierung: Zurücksetzung
AZ: Die Seite wurde geleert.
Markierung: Geleert
Zeile 1: Zeile 1:
[[Datei:PEGIDA Demonstration Dresden 2015-03-23 16309133843 095a9767b8 o.jpg|mini|[[Pegida]]-Transparent mit Bezug auf ''„Deutschfeind und Islam-Einschleuser“'' [[Cem Özdemir]], der hier mit einem ihm von der türkischen Zeitung [[Hürriyet]] angedichteten Zitat dargestellt wird.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.oezdemir.de/dichtung_und_wahrheit/ |titel=Dichtung und Wahrheit |autor=Cem Özdemir |abruf=2019-11-05}}</ref><ref> [https://www.tagesschau.de/faktenfinder/afd-hessenkemper-fake-zitate-101.html ''AfD-Rede bei „Pegida“: Festival der Fake-Zitate''], [[tagesschau.de]], 15. August 2019.</ref> ([[Dresden]] 2015)]]
'''Deutschenfeindlichkeit''' ist ein in [[Rechtspopulismus|rechtspopulistischen]] und [[Rechtsextremismus|rechtsextremistischen]] Kreisen genutzter [[Politisches Schlagwort|Kampfbegriff]], der strukturellen [[Rassismus]] gegen eine weiße Mehrheitsgesellschaft durch [[Migrant]]en suggerieren soll.<ref name="Steinke76">Bernhard Steinke: ''Deutschenfeindlichkeit''. In: ''Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe'' 2015, S. 76.</ref><ref>[[Interkultureller Rat in Deutschland]] e.&nbsp;V. (Hg.): ''Materialheft »Internationale Wochen gegen Rassismus 2012«'', Darmstadt 2011, S. 10&nbsp;f. ([https://www.tu-berlin.de/fileadmin/i65/Publikationen_Mitarbeiter/Shooman/11_11_25_BHP_IKR_Material_all_Homepage.pdf PDF]).</ref><ref name="mut-gege-4956">{{Internetquelle|url=https://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/debatte/kommentare/deutschenfeindlichkeit-4956 |titel=„Deutschenfeindlichkeit“ – Was soll das sein? |hrsg=Mut Gegen Rechte Gewalt |autor= |werk=mut-gegen-rechte-gewalt.de |datum=2010-10-18 |abruf=2019-07-17}}</ref>

== Herkunft des Begriffs ''Deutschenfeindlichkeit'' ==
{{Lückenhaft|Entstehung und historische Verwendung des Begriffs (seit 19. Jh.) fehlt}}
Lange Zeit war der Begriff Deutschenfeindlichkeit im rechtsextremistischen Diskurs auf Seiten der anderen europäischen Großmächte wie [[Frankreich]] und dem [[Vereinigtes Königreich|Vereinigten Königreich]], später auch den [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]] verortet. Ziel der ‚Deutschfeindlichkeit‘ war in diesem [[Narrativ (Sozialwissenschaften)|Narrativ]] das [[Deutsches Reich|Deutsche Reich]] ab seiner Gründung 1871, sie äußerte sich demnach in einer unterschwelligen Feindseligkeit gegen Deutsche.<ref>Hans Helmuth Knütter: ''Deutschenfeindlichkeit. Gestern, heute und morgen …?''. Mut Verlag, Asendorf 1991, S. 10 f. </ref> Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] verschob sich die Bedeutung hin zu einer [[Geschichtsrevisionismus|revisionistischen]] und [[Antisemitismus|antisemitischen]] Bedeutung. [[Gustav Sichelschmidt]], Historiker und Autor der [[National-Zeitung (München)|''National-Zeitung'']], bescheinigte 1992 der ‚Deutschenfeindlichkeit‘ „eine unvergleichlich höhere Effizienz […] als etwa dem Antisemitismus“ und machte sie für zahlreiche [[Pogrom]]e an Deutschen und beide Weltkriege verantwortlich.<ref>Gustav Sichelschmidt: ''Der ewige Deutschenhass. Hintermänner und Nutznießer des Antigermanismus''. Arndt Verlag, Kiel 1992, S. 9.</ref> In den letzten Jahren erlebte der Begriff eine erneute Verschiebung in den Kontext [[Islamfeindlichkeit|antimuslimischen]] Rassismus.<ref name="Steinke83" />

Seit einigen Jahren benutzen populistische und rechtsextremistische Gruppen den Begriff mit den Synonymen ''Deutschfeindlichkeit'', ''Deutschenhass'', ''Antigermanismus'', ''Teutophobie'' und ''Antideutschtum'', um ‚echte‘ Deutsche als Opfer muslimischer Migranten und ihrer Nachkommen zu stilisieren und damit ihren eigenen [[Rassismus]] als Selbstverteidigung zu legitimieren.<ref>Interkultureller Rat in Deutschland e.V. (Hg.): ''Materialheft »Internationale Wochen gegen Rassismus 2012«'', S. 11.</ref> Voraussetzung für diese Perspektive ist ein [[völkisch]]es Verständnis von [[Staatsbürgerschaft]]. Mitverantwortung für dieses Phänomen trügen [[Gutmensch]]en und die [[politische Linke]], die unter einer „Nationalneurose“ durch die alliierte Kriegspropaganda aus zwei Weltkriegen leide.<ref name="Steinke76" /> Diese Sicht entbehrt aus zwei Gründen der Grundlage: Erstens ergibt sich bei genauer Betrachtung der gesellschaftlichen Machtverhältnisse und der damit einhergehenden Privilegien kein Anhaltspunkt für eine Verschiebung des rassistischen Diskurses.<ref>Bernhard Steinke: ''Deutschenfeindlichkeit''. In: ''Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe'', 2015, S. 86.</ref> Dem institutionalisierten [[Racial Profiling]] sind ''[[Weißsein|Weiße]]'' nicht ausgesetzt. Sie werden ebenfalls nicht auf Grund ihres Namens ausgegrenzt, wohingegen etwa Personen mit [[Türkische Familiennamen|türkischen Familiennamen]] signifikant mehr Bewerbungen schreiben müssen, um zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden.<ref name="sz-">{{Internetquelle | autor= | url=http://www.sueddeutsche.de/politik/migration-migranten-in-deutschland-diskriminierung-allein-wegen-des-namens-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-141029-99-06301 | titel=Migranten in Deutschland: Diskriminierung allein wegen des Namens | werk=[[Süddeutsche Zeitung|sueddeutsche.de]] | datum= |abruf=2019-11-04}}</ref> Zweitens gehört zur Definition des Rassismus die Abwertung auf Grund eines von der Mehrheit als fremd wahrgenommenen Verhaltens oder Aussehens, wie Sprache, Herkunft, Hautfarbe, Religion oder zugeschriebene „Kultur“, womit sich der Mythos des umgekehrten Rassismus bereits vom Prinzip her nicht halten lässt.<ref>[[Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit]]: [https://www.idaev.de/recherchetools/glossar ''Glossar: Rassismus''], Zugriff am 4. November 2019.</ref>

== Grundbehauptungen ==
Die unterschiedlichen rechtsextremen Strömungen stimmen in ihrer Definition der Deutschenfeindlichkeit überein. Sowohl [[Neonazismus|neonazistische]], [[Neue Rechte|neurechte]] als auch [[Rechtspopulismus|rechtspopulistische]] Kreise sehen Deutsche als Opfer in- und ausländischer Aggression. Sie finden sie hauptsächlich in zwei Bereichen:
# Diskriminierungen und gewalttätige Übergriffe von Jugendlichen oder Erwachsenen mit Migrationshintergrund gegen bewusst ausgesuchte „deutsche Opfer“
# Schulen in Großstädten und [[Problembezirk]]en, in denen Deutsche aus ''Deutschenhass'' bedroht, bespuckt und geschlagen würden.<ref>Bernhard Steinke: ''Deutschenfeindlichkeit''. In: ''Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe'', 2015, S. 77.</ref>

Meldungen dieser Art finden sich vor allem in Publikationen wie der ''[[Junge Freiheit|Jungen Freiheit]]'' und ''[[Deutsche Stimme|Deutschen Stimme]]''. Der Deutschenhass beginne in der Schulkantine, in der nicht mehr täglich [[Schweinefleisch]] angeboten werde, und zeige sich etwa darin, dass deutsche Schüler nicht in Sportmannschaften gewählt würden.<ref>Bernhard Steinke: ''Deutschenfeindlichkeit''. In: ''Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe'', 2015, S. 78; Simone Rafael: [https://www.belltower.news/berlin-kreuzberg-bleibt-nazifrei-37366/ ''Berlin-Kreuzberg bleibt nazifrei''], [[Belltower.News]] ([[Amadeu Antonio Stiftung]]), 27. April 2014, abgerufen am 3. November 2019.</ref>

Die Argumentation führt entlang einer rassistischen, pauschalisierenden und islamophoben Grundlinie, in der Zuwanderung und „[[Überfremdung]]“ als Hauptursache definiert werden. Dies [[Korrelation|korreliert]] nicht nur mit der Erscheinung von [[Thilo Sarrazin]]s Buch ''[[Deutschland schafft sich ab]]'', sondern auch mit der Behauptung des Lehrerverbandspräsidenten [[Josef Kraus (Lehrer)|Josef Kraus]], dass Muslime sich generell nicht [[Integration (Soziologie)|integrierten]], sondern aggressiv gegen deutsche Mitschüler profilierten. [[Götz Kubitschek]] behauptete, dass diese sogar in Banden „inländerfreie Zonen“ schaffen und eine „Schulhof-[[Scharia]]“ anwenden würden. Die Folge dieser „ethnischen Brückenköpfe“ sei insgesamt eine schleichende Landnahme und [[Islamisierung]]<ref>[[Michael Paulwitz]], [[Götz Kubitschek]]: ''Deutsche Opfer, fremde Täter. Ausländergewalt in Deutschland. Hintergrund – Chronik – Prognose.'' [[Verlag Antaios|Edition Antaios]], Albersroda 2010, S. 150.</ref>. Zugrunde liegt dieser Argumentation auch die [[Kulturalismus#Kulturalismus als Neorassismus|kulturalistische]] Perspektive, dass Muslime keine Deutschen sein könnten, wiewohl die Hälfte der etwa 5 % [[Islam in Deutschland|Muslime in Deutschland]] die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt<ref>[[Bundesamt für Migration und Flüchtlinge]] (Hrsg.): ''Muslimisches Leben in Deutschland''. Nürnberg 2009, S. 11.</ref>.

Zum rechtsextremen Narrativ gehört einerseits die Behauptung, dass der Staat, die Behörden, Medien und die „Gutmenschenmafia“ die angeblich zunehmende Gewalt gegen Deutsche bewusst decken und dass andererseits Einwanderer institutionalisiert bevorzugt würden, obwohl sie gar nicht integrationswillig seien. Durch Ausländer verübte Taten würden durch Politik und Medien verschleiert und verschwiegen. Dieses Erzählmuster nimmt eine [[Victim blaming|Täter-Opfer-Umkehr]] vor, da seit der [[Deutsche Wiedervereinigung|Wiedervereinigung]] bereits mehrere hundert Menschen durch [[Todesopfer rechtsextremer Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland|Rechtsextreme getötet wurden]], wozu auch die Taten des [[Nationalsozialistischer Untergrund|NSU]] mit zehn Opfern zählen.

2000 verwendete [[Josef Schüßlburner]] den Begriff ''Deutschenfeindlichkeit'' – in Anlehnung an [[Fremdenfeindlichkeit|Ausländerfeindlichkeit]] – und behauptete, ersterer werde von den Behörden im Gegensatz zu letzterem nicht als verfassungsfeindlich betrachtet.<ref>Josef Schüßlburner: ''Amtliche Ideologiekontrolle durch verfassungswidrige Verfassungsschutzberichte''. In: Hans-Helmuth Knütter, Stefan Winckler (Hrsg.): ''Der Verfassungsschutz. Auf der Suche nach dem verlorenen Feind'' Universitas, München 2000, S. 155–204, hier S. 158.</ref> 2006 schrieb die extrem rechte Seite ''Nonkonformist'': „Seit Jahren schon warnen nationale Kreise vor einer zunehmende Deutschenfeindlichkeit und einer Ghettoisierung von Gegenden wie etwa Berlin-Kreuzberg, Berlin-Neukölln, oder Duisburg-Marxloh“.<ref>Eike Sanders, Rona Torenz: ''Von der Teutophobie zur Deutschenfeindlichkeit.'' In: ''monitor, rundbrief des apabiz e. v.'', Nr. 48, 2010, S. 3.</ref> Größere Rezeption erfuhr 2008 ein Artikel der [[Bürger in Wut]] auf dem Blog [[Politically Incorrect]], in dem ein Gesetz gegen „deutschfeindliche“ Äußerungen verlangt wurde. [[Henry Nitzsche]], der zwei Jahre zuvor aus der CDU ausgetreten war, unterstützte diese Forderung und analog „endlich vom [[Schuldkult]] runterzukommen“<ref>[https://www.welt.de/politik/article702841/Skandal-Politiker-Nitzsche-verlaesst-die-CDU.html ''Skandal-Politiker Nitzsche verlässt die CDU''], [[Die Welt|welt.de]], 15. Dezember 2006, abgerufen am 3. November 2019.</ref>. [[Jan Sturm]] ([[Nationaldemokratische Partei Deutschlands|NPD]]) griff 2007 und 2013 erneut das Thema vom Rassismus gegen Deutsche auf.<ref name="Steinke" /><ref>[https://rechtsaussen.berlin/2008/05/von-weissen-privilegien-reden/#reference-10 ''»Rassismus gegen Deutsche?«''], Berliner Zustände 2007, ''Berlin rechtsaußen'' („Berlin-Blog“ des [[Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin|Apabiz e.&nbsp;V.]]), abgerufen am 6. November 2019.</ref> 2013 erschien von [[Akif Pirinçci]] eine Polemik namens ''Das Schlachten hat begonnen'' auf dem Blog [[Achse des Guten]],<ref>Akif Pirinçci: [https://www.achgut.com/artikel/das_schlachten_hat_begonnen ''Das Schlachten hat begonnen''], achgut.com, 25. März 2013, abgerufen am 3. November 2019.</ref> der die [[Kirchweyhe#Geschichte|tödliche Gewalttat in Kirchweyhe]] als Aufhänger nutzte und dem Begriff und seinem Narrativ in rechtsextremistischen Kreisen Authentizität verlieh.<ref name="Steinke">Bernhard Steinke: ''Deutschenfeindlichkeit''. 2015, S. 82; [https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/wer-ist-akif-pirincci-neues-vom-hetzer/12484152.html ''Wer ist Akif Pirincci? Neues vom Hetzer''], [[Der Tagesspiegel]], 22. Oktober 2015.</ref> Durch seinen verschwörerischen Duktus eines bewusst geheimgehaltenen „schleichenden [[Genozid]]s“ an Deutschen durch Muslime entwickelte er sich zu einer Grundlage rechtsextremistischer Argumentation. Der Wahrheitsgehalt dieser Verschwörung ist weniger relevant als die Gleichsetzung der „Deutschenfeindlichkeit“ mit [[Volksverhetzung]] – also Rassismus – oder sogar Genozid, insbesondere, da der § 130 StGB begründet und mit Blick auf die deutsche Geschichte [[Minderheit]]en schützt und nicht die Mehrheit der Bevölkerung<ref name="Steinke" />. 2014 startete [[Dieter Stein (Journalist)|Dieter Stein]] in der Jungen Freiheit eine Kampagne gegen „Ausländerkriminalität“ und „Deutschenfeindlichkeit“ und bekundete: „Ein Tabu in Medien und Politik sind deutschenfeindliche Gewalttaten: ob sexuelle Übergriffe, Vergewaltigungen oder wenn sich eine Horde halbstarker ›Südländer‹ im U-Bahnhof aus Haß eine ›deutsche Kartoffel‹ aussucht, um sie ins Koma zu prügeln“<ref>Alexander Häusler: ''Themen der Rechten''. In: Fabian Virchow, Martin Langebach, Alexander Häusler (Hrsg.): ''Handbuch Rechtsextremismus'', Springer VS Wiesbaden 2016, S. 158</ref> Die [[Alternative für Deutschland|AfD]]-Bürgerschafts- bzw. Landtagsfraktionen in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern wandten sich 2016 und 2017 wieder dem § 130 zu und beantragten, Diffamierungen gegen das ‚deutsche Volk‘ darin aufzuführen. [[Ralph Weber (Rechtswissenschaftler)|Ralph Weber]] (AfD) forderte in seinem Antrag im Schweriner Landtag „Deutschenfeindlichkeit bekämpfen“, dass im § 130 mit „derselben Messlatte“ gemessen werde wie bei Äußerungen gegen andere Teile der Bevölkerung und beklagte gleichzeitig einen „geistigen Meinungskampf“, der sich in diesem Paragraphen hauptsächlich gegen die AfD und Gleichgesinnte richte.<ref>Bernhard Steinke: ''Deutschenfeindlichkeit''. In: ''Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe'', ²2019, S. 85.</ref> 2018 stieß die AfD-Fraktion unter [[Jens Maier]] im Bundestag in die gleiche Richtung vor.<ref name="tagesspiegel-21209190">{{Internetquelle | url=http://www.tagesspiegel.de/politik/gesetzentwurf-im-bundestag-was-juristen-vom-afd-vorstoss-zur-volksverhetzung-halten/21209190.html | titel=Gesetzentwurf im Bundestag: Was Juristen vom AfD-Vorstoß zur Volksverhetzung halten | autor=Maria Fiedler | werk=[[Der Tagesspiegel|tagesspiegel.de]] | datum=2018-04-25 |abruf=2019-11-07}}</ref>

== Im hegemonialen Diskurs ==
Der ursprünglich im rechtspopulistischen Milieu genutzte Begriff ''Deutschenfeindlichkeit'' wurde nach einer medial breit rezipierten Tagung der [[Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft]] (GEW) in Berlin im Oktober 2010 unter dem Titel „Der Streit um die sogenannte Deutschenfeindlichkeit“ in einem breiteren gesellschaftlichen Diskurs unkritisch übernommen und reproduziert.<ref name="Steinke83">Bernhard Steinke: ''Deutschenfeindlichkeit''. In: ''Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe'', 2015, S. 83.</ref><ref>Interkultureller Rat in Deutschland e.V. (Hg.): ''Materialheft »Internationale Wochen gegen Rassismus 2012«'', Darmstadt 2011. S. 10 ([https://www.tu-berlin.de/fileadmin/i65/Publikationen_Mitarbeiter/Shooman/11_11_25_BHP_IKR_Material_all_Homepage.pdf Online])</ref> Bereits 2009 war in der Mitgliedszeitschrift der GEW ein umstrittener Artikel über vermehrtes [[Mobbing]] „deutscher‘“ Schüler durch solche mit [[Migrationshintergrund]] erschienen. Obwohl die Tagung sich gegen die Weiterverwendung des Begriffes ''Deutschenfeindlichkeit'' entschied, wurde er von Politik und Medien aufgenommen, so in der ''[[Frankfurter Allgemeine Zeitung|Frankfurter Allgemeinen Zeitung]]'' (FAZ) und insbesondere durch die damalige Bundesfamilienministerin [[Kristina Schröder]] (CDU), die das Thema forcierte und ''Deutschenfeindlichkeit'' mit Rassismus gleichsetzte,<ref>Interkultureller Rat in Deutschland e.V. (Hg.): ''Materialheft »Internationale Wochen gegen Rassismus 2012«'', Darmstadt 2011, S. 9&nbsp;f. ([https://www.tu-berlin.de/fileadmin/i65/Publikationen_Mitarbeiter/Shooman/11_11_25_BHP_IKR_Material_all_Homepage.pdf PDF]).</ref><ref name="tagesspiegel-2819772">{{Internetquelle |url=http://www.tagesspiegel.de/berlin/begriffstreitigkeit-gew-will-deutschenfeindlichkeit-abschaffen/2819772.html |titel=Begriffstreitigkeit: GEW will Deutschenfeindlichkeit abschaffen | autor= |werk=[[Der Tagesspiegel|tagesspiegel.de]] |datum=2010-11-18 |abruf=2019-11-04}}</ref><ref>[https://www.welt.de/politik/deutschland/article10193385/Schroeder-wurde-Opfer-von-Deutschenfeindlichkeit.html ''Schröder wurde Opfer von Deutschenfeindlichkeit''], [[Die Welt]], 10. Oktober 2010, abgerufen am 3. November 2019.</ref> obwohl dies ein ungleiches gesellschaftliches Verhältnis voraussetzt: {{"|Rassismus ist kein individuelles Vorurteil, sondern […] ein Ausdruck gesellschaftlicher Machtbeziehungen.}}<ref>[[Maisha-Maureen Auma]]: [https://www.bpb.de/gesellschaft/migration/dossier-migration/223738/rassismus?p=all ''Rassismus''] bei der [[Bundeszentrale für politische Bildung]]/bpb, 30. November 2017, abgerufen am 3. November 2019.</ref> Bereits zwei Jahre zuvor, als hessische Bundestagsabgeordnete, hatte Schröder auf ihrer Website Artikel von ''Politcally Incorrect'' und ''[[Junge Freiheit]]'' verlinkt<ref>kristina-koehler.de (auf [http://web.archive.org/web/20080405083142/http://www.kristina-koehler.de/presse/spiegel/ web.archive])</ref> und vor einer Zunahme von „Deutschenfeindlichkeit“ gewarnt<ref>Patrick Gensing [http://web.archive.org/web/20111118185656/http://www.tagesschau.de/kommentar/schroederprogrammegegenrechts100.html ''Ministerin Schröder und die Gefahr von Rechts: Der Verantwortung nicht gewachsen''], [[tagesschau.de]], 16. November 2011 (abgerufen über web.archive, 3. November 2019.)</ref>. Sie berief sich dabei auf eine Studie des Kriminologen [[Christian Pfeiffer]], der sich jedoch in mehreren Interviews von dieser Interpretation distanzierte. 2012 erschien das Buch ''[[Neukölln ist überall]]'' des [[Berlin-Neukölln|Neuköllner]] Bürgermeisters [[Heinz Buschkowsky]] (SPD), der von dem „verhassten Deutschen“ als [[Feindbild]] jugendlicher Migranten und von sog. Überfremdungsgefühlen der Deutschen sprach. Im Zentrum seiner Erzählung stand ebenfalls das Verschwinden des Schweinefleischs von Imbissen und ein „Kartell aus ideologischen Linkspolitikern [und] Gutmenschen“, die Kritiker mundtot machten<ref>Heinz Buschkowsy: ''Neukölln ist überall''. Ullstein, Berlin 2012. S. 37, S. 126–128</ref> Sowohl in der bürgerlichen Presse als auch im Rechtsextremismus erfuhren Schröder und Buschkowsky großen Zuspruch.<br/>
In den Jahren danach wurde der Begriff in Politik und Medien weiter vereinzelt verwendet.<ref>Bernhard Steinke: ''Deutschenfeindlichkeit''. In: ''Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe'', ²2019, S. 79.</ref>

== Literatur ==
* Melanie Blum: ''Warum wir von Rassismus sprechen und was wir damit meinen''. In: DGB Bildungswerk Thüringen e.V. (Hg.): ''Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit''. Erfurt 2008, S. 198–202.
* Elmar Brähler, Oliver Decker: ''Flucht ins Autoritäre: Rechtsextreme Dynamiken in der Mitte der Gesellschaft''. Psychosozial-Verlag, Gießen 2018. ISBN 978-3-8379-7461-4
* Bernhard Steinke: ''Deutschenfeindlichkeit''. In: Bente Gießelmann, Robin Heun, Benjamin Kerst, Lenard Suermann, Fabian Virchow (Hrsg.): ''Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe'', Wochenschau-Verlag, Schwalbach/Ts. 2015 ISBN 978-3-7344-0155-8, S. 77–89.
* Bernhard Steinke: ''Deutschenfeindlichkeit''. In: Bente Gießelmann, Robin Heun, Benjamin Kerst, Lenard Suermann, Fabian Virchow (Hrsg.): ''Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe'', Wochenschau-Verlag, Schwalbach/Ts. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage 2019 ISBN 978-3734408199, S. 79–91.
* Yasemin Shooman: ''Der Topos „Deutschenfeindlichkeit“ in rechtspopulistischen Diskursen.'' In: Bündnis „Rechtspopulismus stoppen“ (Hg.): '' Rechtspopulismus in Berlin. Rassismus als Bindeglied der „Mitte“ der Gesellschaft und Neonazismus?'' Berlin 2011, S. 45–47.

== Weblinks ==
* Regina Mönch: [https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/integration/rassismus-das-schweigen-der-schulen-ueber-deutschenfeindlichkeit-11056390.html ''Das Schweigen der Schulen über Deutschenfeindlichkeit''], in: ''FAZ'' 15. Oktober 2010
* Jeannette Goddar: [https://www.fr.de/politik/gemobbt-wird-immer-minderheit-11463961.html ''„Gemobbt wird immer die Minderheit“''], [[Frankfurter Rundschau]], 12. Oktober 2010
* [https://www.kas.de/web/bremen/veranstaltungsberichte/detail/-/content/-deutschenfeindlichkeit-an-schulen-auch-ein-problem-in-bremen-''Deutschenfeindlichkeit an Schulen – auch ein Problem in Bremen?''], [[Konrad Adenauer Stiftung]], 15. Februar 2011
* Andrea Posor / Christian Meyer: [https://www.gew-berlin.de/1297_1485.php ''Deutschenfeindlichkeit in Schulen''] in: ''GEW'', blz 11/2009
* Yasemin Shoomann: [https://www.gew-berlin.de/1296_1310.php ''„Deutschenfeindlichkeit“. Zur problematischen Verwendung des Begriffs''], in: ''blz'' 12/2010
* Eike Sanders und Rona Torenz: [https://www.apabiz.de/wp-content/uploads/Monitor_Nr48.pdf ''Von der Teutophobie zur Deutschenfeindlichkeit''], in: ''monitor'' Nr. 48, Rundbrief des [[Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin|Antifaschistischen Pressearchivs und Bildungszentrums Berlin e.&nbsp;V. (Apabiz)]], Dezember 2010
* Simone Schmollack: [https://taz.de/!5132220/ ''Kartoffeldebatte ohne Beweise''], [[Die Tageszeitung|taz]], 15. November 2010
* Jeannette Goddar: [https://www.fr.de/politik/gemobbt-wird-immer-minderheit-11463961.html ''„Gemobbt wird immer die Minderheit“''], [[Frankfurter Rundschau]], 12. Oktober 2010
* Sina Laubenstein: [http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/266333/zwischen-kampfbegriff-herausforderung ''„Deutschenfeindlichkeit“ – zwischen rechtem Kampfbegriff & gesellschaftlicher Herausforderung''], [[Bundeszentrale für politische Bildung]], 14. März 2018

== Einzelnachweise ==
<references responsive/>

[[Kategorie:Politisches Instrument]]
[[Kategorie:Politisches Schlagwort]]
[[Kategorie:Rechtsextremismus in Deutschland]]

Version vom 17. November 2019, 22:24 Uhr