„Ibiza-Affäre“ – Versionsunterschied

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Die '''Ibiza-Affäre''' ist ein politischer Skandal in der [[Österreich|Republik Österreich]] im Mai 2019. Im Zentrum der Affäre stehen [[Heinz-Christian Strache]], zuvor [[Vizekanzler (Österreich)|Vizekanzler]] in der [[Bundesregierung Kurz]] sowie [[Parteivorsitzender|Bundesparteiobmann]] der [[Freiheitliche Partei Österreichs|Freiheitlichen Partei Österreichs]] (FPÖ), und [[Johann Gudenus (Politiker)|Johann Gudenus]], zuvor [[Nationalrat (Österreich)|Nationalratsabgeordneter]] und FPÖ-[[Klub (Politik)|Klubobmann]]. Die beiden Politiker hatten im Juli 2017, wenige Monate vor der [[Nationalratswahl in Österreich 2017]], in einer heimlich gefilmten Begegnung mit einer angeblichen Verwandten eines russischen [[Oligarch]]en auf der [[Spanien|spanischen]] Insel [[Ibiza]] unter anderem ihre Bereitschaft zur [[Korruption]], Umgehung der Vorschriften der Gesetze zur [[Parteienfinanzierung in Österreich|Parteienfinanzierung]] sowie zur verdeckten Übernahme der Kontrolle über parteiunabhängige Medien gezeigt.
Die '''Ibiza-Affäre''' ist ein politischer Skandal in der [[Österreich|Republik Österreich]] im Mai 2019. Im Zentrum der Affäre stehen [[Heinz-Christian Strache]], zuvor [[Vizekanzler (Österreich)|Vizekanzler]] in der [[Bundesregierung Kurz]] sowie [[Parteivorsitzender|Bundesparteiobmann]] der [[Freiheitliche Partei Österreichs|Freiheitlichen Partei Österreichs]] (FPÖ), und [[Johann Gudenus (Politiker)|Johann Gudenus]], zuvor [[Nationalrat (Österreich)|Nationalratsabgeordneter]] und FPÖ-[[Klub (Politik)|Klubobmann]]. Die beiden Politiker hatten im Juli 2017, wenige Monate vor der [[Nationalratswahl in Österreich 2017]], in einer heimlich gefilmten Begegnung mit einer angeblichen Verwandten eines russischen [[Oligarch]]en auf der [[Spanien|spanischen]] Insel [[Ibiza]] unter anderem ihre Bereitschaft zur [[Korruption]], Umgehung der Vorschriften der Gesetze zur [[Parteienfinanzierung in Österreich|Parteienfinanzierung]] sowie zur verdeckten Übernahme der Kontrolle über parteiunabhängige Medien gezeigt.



Version vom 20. Mai 2019, 07:15 Uhr

Demonstration "Rücktritt jetzt!" am 18. Mai 2019 in Wien
Heinz-Christian Strache vor Wahlplakat "Jetzt geht's um Österreich"
Johann Gudenus

Die Ibiza-Affäre ist ein politischer Skandal in der Republik Österreich im Mai 2019. Im Zentrum der Affäre stehen Heinz-Christian Strache, zuvor Vizekanzler in der Bundesregierung Kurz sowie Bundesparteiobmann der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), und Johann Gudenus, zuvor Nationalratsabgeordneter und FPÖ-Klubobmann. Die beiden Politiker hatten im Juli 2017, wenige Monate vor der Nationalratswahl in Österreich 2017, in einer heimlich gefilmten Begegnung mit einer angeblichen Verwandten eines russischen Oligarchen auf der spanischen Insel Ibiza unter anderem ihre Bereitschaft zur Korruption, Umgehung der Vorschriften der Gesetze zur Parteienfinanzierung sowie zur verdeckten Übernahme der Kontrolle über parteiunabhängige Medien gezeigt.

Durch die Veröffentlichung von Ausschnitten der Aufzeichnungen in den deutschen Online-Medien Spiegel Online und Süddeutsche.de sowie auf falter.at am 18. Mai erfuhr die Affäre rasch nationale und internationale Aufmerksamkeit.[1][2][3] Am folgenden Tag kündigten zunächst Strache und Gudenus ihre Rücktritte von allen politischen Ämtern und Parteifunktionen an. In den Abendstunden erklärte Bundeskanzler Sebastian Kurz nach Rücksprache mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen das Ende der ÖVP-FPÖ-Koalitionsregierung. Die vorgezogene Nationalratswahl wurde für September 2019 in Aussicht genommen.

Auslöser

Auslöser der Affäre sind am 17. Mai 2019 veröffentlichte Ausschnitte aus einem insgesamt sieben Stunden langen, im Juli 2017 heimlich aufgenommenen Video unbekannter Herkunft. Zu sehen und zu hören sind darin einerseits die beiden Politiker Heinz-Christian Strache, seit 2005 Bundesparteiobmann der FPÖ und seit 2006 Nationalratsabgeordneter, und Johann Gudenus, damals Wiener Vizebürgermeister, sowie dessen Ehefrau; anderseits eine Frau, die sich Aljona Makarowa nennt und als Nichte des russischen Öl- und Gas-Unternehmers Igor Makarow ausgibt, sowie deren Begleiter.[4] Die Aufnahmen entstanden in einer Villa auf der spanischen Insel Ibiza.

Inhalte des Videos

Strache und Gudenus unterhalten sich in den bisher bekannten Videoausschnitten mit den beiden anderen Personen über mögliche Investitionen der vermeintlichen Russin in Österreich, mögliche Spenden an die Freiheitliche Partei sowie eventuelle Gegengeschäfte für solche Investitionen und Spenden. Sie gibt an, mehrere hundert Millionen Euro ihres Vermögens für solche Investitionen bereitstellen zu können.

Strache spricht im Video von einer möglichen Übernahme der Kronen Zeitung, der größten Tageszeitung Österreichs, durch die „Russin“. In diesem Fall müsse man „ganz offen reden“. Strache deutet indirekte Beeinflussung der Berichterstattung dadurch an, „drei, vier Leute […] pushen“ und „drei, vier Leute […] abservieren“ sowie „gleich nochmal fünf neue aufbauen“ zu wollen. Weiter gibt Strache an, würde die Kronen Zeitung „zwei, drei Wochen vor der Wahl“ plötzlich die Freiheitliche Partei „pushen“, wäre bei der Nationalratswahl ein Stimmenanteil von 34 Prozent möglich. Er schlägt auch vor, die Frau könne zur Unterstützung der Freiheitlichen Partei an einen gemeinnützigen Verein „mit drei Rechtsanwälten im Vorstand“ spenden, da auf diesem Weg auch bei größeren Geldbeträgen eine Meldung an den Rechnungshof sowie die Gesetze zur Parteienfinanzierung umgangen werden könnten – hierbei könnte Strache insbesondere den 2015 in Wien gegründeten Verein „Austria in Motion“ gemeint haben.[5] Strache gibt an, mehrere österreichische Unternehmer – darunter Gaston Glock, Heidi Horten und René Benko (Anm.: seit November 2018 hält Benko 24,5 % an der Kronen Zeitung) – sowie das Unternehmen Novomatic hätten bereits Beträge in Höhe von 500.000 bis zu einer Million Euro an diesen Verein gespendet.

Im Gegenzug verspricht Strache der Russin „alle Aufträge, die jetzt der Haselsteiner“ erhält, sofern sie ein Bauunternehmen „wie die Strabag“ gründen würde. Er stellt die Möglichkeit in den Raum, einen Kanal des ORF zu privatisieren sowie die öffentliche Wasserversorgung teilweise zu privatisieren, sodass „derjenige, der das betreibt, genauso eine Einnahme hat“. Generell gibt er an, man könne bei einem Wahlsieg der FPÖ über „alles reden“.

Strache sagt hingegen auch, es müsse alles stets rechtskonform und legal sein und mit dem Programm der Freiheitlichen Partei übereinstimmen. Im Video fallen noch Aussagen zum Glücksspielmonopol, den österreichischen Beziehungen zur Visegrád-Gruppe und der russischen Regierung bzw. dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, einer möglichen Wirtschaftskrise, dem Unternehmer Dietrich Mateschitz bzw. dessen Unternehmen Red Bull sowie diskreditierende Behauptungen zum damaligen Außenminister und ÖVP-Bundesparteiobmann Sebastian Kurz und dem damaligen Bundeskanzler und SPÖ-Bundesparteivorsitzenden Christian Kern.

Johann Gudenus, der teils in Russland studierte und gute Russischkenntnisse hat, übernahm in dem Gespräch zeitweise die Rolle des Dolmetschers zwischen Strache und der Russin.[6][7][8][9]

Veröffentlichung des Videos

Am 17. Mai 2019 um 18 Uhr veröffentlichten das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel, die Süddeutsche Zeitung und die österreichische Wochenzeitschrift Falter in ihren Online-Medien gleichzeitig sechsminütige Ausschnitte des Ibiza-Videos, dessen Authentizität zuerst von Reportern der beteiligten Medien und danach vom Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie geprüft worden war. Für die SZ waren die Journalisten Oliver Das Gupta und Frederik Obermaier sowie Chefredakteur Wolfgang Krach an der Vorbereitung der Publikation beteiligt. Nicht veröffentlicht wurden zahlreiche Passagen des Videos, in denen Strache pikante Details aus dem Privatleben österreichischer Politiker preisgab. Zur Frage, von wem ihnen die Aufzeichung zugespielt wurde, machen die beteiligten Medien unter Verweis auf den Quellenschutz keine Angaben.[10]

Der deutsche Satiriker Jan Böhmermann machte bereits Mitte April in seiner per Video übertragenen Dankesrede zur Romyverleihung 2019 Andeutungen auf die Inhalte des Videos (etwa, dass er „gerade ziemlich zugekokst und Red-Bull-betankt mit ein paar FPÖ-Geschäftsfreunden in einer russischen Oligarchenvilla auf Ibiza rumhängt“ und „über die Übernahme der Kronen-Zeitung verhandelt“), die zu dem Zeitpunkt als satirisch überspitze Formulierungen gesehen wurden. Am Tag vor der Veröffentlichung meinte er in seiner Sendung Neo Magazin Royale: „Kann sein, dass morgen Österreich brennt“.[11] Sein Manager und die Süddeutsche Zeitung bestätigten, dass Böhmermann die Aufnahmen bereits vor Wochen kannte.[12][13]

Weitere Aufzeichungen

Nachdem zunächst nur das Video aus Ibiza bekannt wurde, veröffentlichten Spiegel und SZ am 19. Mai Artikel, in denen sie auf weitere ihnen zugespielte Tonaufzeichungen eingehen. Diese belegen, dass der Kontakt zwischen Strache und Gudenus sowie der vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte und ihrem Begleiter, anders als die Politiker nach Bekanntwerden des Videos sagten, auch vor und nach dem Treffen auf Ibiza bestand. Unter anderem habe der Kontaktmann demnach bei einem Treffen mit Gudenus Ende August oder Anfang September 2017 eine „Geste des guten Willens“ in Form einer Presseausendung der FPÖ verlangt, in der der Unternehmer Hans-Peter Haselsteiner angegriffen wird.[14] Eine Pressemeldung solchen Inhalts wurde von der FPÖ-Wien mit dem Absender Anton Mahdalik am 4. September über die APA versandt.[15]

Herkunft der Aufzeichnungen

Wer hinter den Aufnahmen steht, wer den Kontakt zu Gudenus und über ihn zu Strache herstellte, sowie wer die vermeintliche Nichte eines Oligarchen und ihren Begleiter darstellte, ist nicht bekannt.[16] Vermutungen, wonach das Zentrum für Politische Schönheit hinter dem Video stecken könnte, wurden von der deutschen Aktivistengruppe dementiert.[17][18] Zur Frage, von wem ihnen die Aufzeichnung zugespielt wurde, machen die beteiligten Medien unter Verweis auf den Quellenschutz keine Angaben.[19]

Politische Konsequenzen

Zerfall der Regierung

Demonstration auf dem Wiener Ballhausplatz am 18. Mai, auf der nach Bekanntwerden der Affäre der Rücktritt der Regierung gefordert wurde

Am Samstag, 18. Mai 2019, kam es am Vormittag zu einem Gespräch zwischen Strache und Bundeskanzler Sebastian Kurz im Bundeskanzleramt. Daraufhin gab Strache um 12 Uhr via Pressekonferenz seinen Rücktritt als Vizekanzler, Bundesminister und FPÖ-Bundes- und -Landesparteiobmann bekannt.[20] In einer elfminütigen Erklärung attackierte er die Urheber der Täuschungsaktion. Er sprach von einer Schmutzkübelkampagne, nannte das Video ein „gezieltes politisches Attentat“ und kündigte strafrechtliche Ermittlungen an. Er bezeichnete das Treffen, bei dem er unter erheblichem Alkoholeinfluss gestanden habe (Zitat: „[…] ja, es war eine b’soffene G’schichte […]“), als Fehler, und entschuldigte sich bei seiner Frau und beim Bundeskanzler.[21]

Gegen Abend des 18. Mai meldete sich Bundeskanzler Sebastian Kurz 26 Stunden nach dem Öffentlichwerden der Videoaufnahmen[22] erstmals zu Wort und erklärte in einer Pressekonferenz, Bundespräsident Alexander Van der Bellen Neuwahlen vorgeschlagen zu haben. Er kritisierte das Zustandekommen der heimlichen Videoaufnahme als „verachtenswert“, der Inhalt spreche jedoch für sich. Die Aussagen Straches charakterisierte er als „Ideen des Machtmissbrauchs“. Kurz wolle, dass die ÖVP nach der Wahl „ganz eindeutig den Ton angeben“ könne und eine Regierung ohne „Einzelfälle, Zwischenfälle und andere Skandale“. Damit spielte er auf eine Reihe von Kontroversen über umstrittene bzw. rechtsextreme Äußerungen und Aktionen von FPÖ-Vertretern während der Regierungszeit an, die er bis dahin gar nicht kommentiert oder zu denen er sich stets zufrieden mit den Erklärungen seitens der FPÖ gezeigt hatte. Zur Beteiligung der FPÖ in der von ihm geführten FPÖ-ÖVP-Koalition meinte er nun: „Die FPÖ kann es nicht“ und kündigte Neuwahlen zum ehestmöglichen Zeitpunkt an.[23][24] Udo Landbauer erklärte nach der Pressekonferenz Kurz', dass dieser von der FPÖ als Bedingung für die Fortsetzung der Koalition die Ablöse des Innenministers Herbert Kickls gefordert hatte.[25][26]

Bundespräsident Alexander Van der Bellen äußerte sich kurz danach und gab an, Österreichs Ansehen sei beschädigt worden. Es brauche seiner Ansicht nach einen „Neuaufbau des Vertrauens“ in die Bundesregierung und er werde für stabile Verhältnisse bis zur Angelobung einer neuen Regierung sorgen.[23]

Am 19. Mai teilte Gernot Blümel mit, dass nach seiner Erwartung Kurz dem Bundespräsidenten die Abberufung des Innenministers vorschlagen werde. Die FPÖ kündigte für diesen Fall den Rücktritt aller ihrer Regierungsmitglieder an.[27]

Konsequenzen für Landes- und Stadtregierungen

Am Sonntag, den 19. Mai, kündigte Landeshauptmann Hans Peter Doskozil an, dass aufgrund der Affäre auch die Koalition zwischen SPÖ und FPÖ im Burgenland vorzeitig beendet wird und es dort zu vorgezogenen Landtagswahlen kommen wird.[28]

Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger erkannte in dem Video ein „Sittenbild einer Partei“ und stellte die Arbeitsübereinkunft mit der FPÖ in Frage[29], welche daraufhin aufgekündigt wurde.[30]

Folgen innerhalb der FPÖ

Johann Gudenus gab ebenfalls am 18. Mai 2019 mittags seinen Rücktritt von allen Funktionen in Partei und Nationalratsklub via APA-Aussendung bekannt: „Ich möchte mein tiefstes Bedauern über die zwei Jahre zurückliegenden Vorkommnisse zum Ausdruck bringen. Zudem bedaure ich zutiefst, durch mein Verhalten das in mich gesetzte Vertrauen der Wähler, Funktionäre und Mitarbeiter enttäuscht zu haben.“[31] Am 19. Mai 2019 trat er in Folge des Bekanntwerdens seiner weiteren Kontakte zu der vermeintlichen Oligarichin aus der FPÖ aus; eine Rückkehr Straches in Parteiämter wurde durch Harald Vilimsky jedoch in den Raum gestellt.[32]

Strafrechtliche Konsequenzen

Juristen sind sich uneins, ob insbesondere die Aussagen Straches strafrechtlich relevant sind. Der Politikwissenschafter Hubert Sickinger hält die geschilderte Form verdeckter Parteienfinanzierung für „einen gravierenden Verstoß gegen das Parteiengesetz“.[33] Den Parteien ist die Entgegennahme von verschleierten Spenden strikt verboten. Das Parteiengesetz sieht allerdings keine strafrechtlichen Konsequenzen vor, weshalb auch fraglich ist, ob überhaupt Konten geöffnet werden können.

Die SPÖ brachte eine Sachverhaltsdarstellung bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ein, um die Vorkommnisse auf strafrechtlich relevantes Verhalten untersuchen zu lassen.[34][35] Die Oberstaatsanwaltschaft Wien wurde vom Justizministerium mit der Prüfung der Sachlage beauftragt.[33] Die Oberstaatsanwaltschaft beauftragte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft damit, das gesamte Videomaterial zu beschaffen.[36]

Reaktionen

Unmittelbar Beteiligte

Die direkt vom Skandal betroffene bzw. einen Bestandteil dessen bildende Kronen Zeitung titelte am Samstag bundesweit mit „FPÖ am Ende!“. Chefredakteur Klaus Hermann bezeichnete die Affäre als „Politskandal bisher unvorstellbaren Ausmaßes“ und forderte den Rücktritt Straches und Gudenus’.[37]

Der Unternehmer Hans Peter Haselsteiner, der einer der Eigentümer und früherer Vorstandsvorsitzender der Strabag SE ist, hat angekündigt, aufgrund der Aussagen Straches sämtliche Auftragsvergaben der öffentlichen Hand an Konkurrenzunternehmen der Strabag und der Westbahn Management GmbH prüfen zu wollen.[38]

Sämtliche weiteren erwähnten Unternehmer, darunter Gaston Glock, Heidi Horten und René Benko sowie die Novomatic-Gruppe, dementierten Zahlungen an die FPÖ oder vorgeschaltete Vereine.[6]

Politik

Sämtliche Oppositionsparteien auf Bundesebene forderten nach Bekanntwerden der Affäre den Rücktritt von Gudenus und Strache. Der Parlamentsklub der Liste Jetzt sah Strache und Gudenus als Repräsentanten einer „völlig verluderten Gesellschaft“, die Neos forderten überdies Neuwahlen.[39] Außerdem begannen Debatten über Regierungsbeteiligungen der FPÖ im Burgenland (mit der SPÖ) und in Oberösterreich (mit der ÖVP).[40][41][42][43] In Vorarlberg wird im Herbst 2019 ein neuer Landtag gewählt. Landeshauptmann Markus Wallner sprach nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos von „politischem Abschaum“ und schloss eine Koalition mit der FP Vorarlbergs unter Leitung von Christof Bitschi aus.[44]

Deutsche Parteien – mit Ausnahme der AfD – distanzierten sich von dieser Form des Rechtspopulismus. AfD-Chef Jörg Meuthen nannte die Affäre eine „singuläre Angelegenheit“.[45] Der ehemalige ungarische Premierminister Ferenc Gyurcsány bezeichnete Strache als „korruptes Schwein“. Die französische Politikerin Marine Le Pen, die auf europäische Ebene mit der FPÖ zusammenarbeitet, wunderte sich, dass das Video erst einige Tage vor der Europawahl veröffentlicht wurde.[46]

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel erwähnte in einem „Plädoyer gegen Nationalismus und Rechtspopulismus“ auf einer Wahlkampfveranstaltung zur Europawahl 2019 die Affäre und stellte sie in einen Zusammenhang zur Politik von Rechtspopulisten. Zu deren Politik gehöre, „dass Minderheiten nicht geschützt werden, dass elementare Menschenrechte in Frage gestellt werden und Käuflichkeit von Politik eine Rolle spielt“.[47]

Medien

In vielen inländischen Medien wurden Rücktritte der betroffenen Politiker, ein Ende der Koalitionsregierung und Neuwahlen gefordert. In der Tageszeitung Kurier sagte Chefredakteurin Martina Salomon, Strache müsse zurücktreten, wenn die Koalition fortgesetzt werden solle, und hinterfragte, wer das Video veröffentlichte und aus welchen Gründen. Innenpolitik-Redakteur Conrad Seidl sagte in der Tageszeitung Der Standard, keiner könne „so besoffen“ sein, um Aussagen wie Strache zu tätigen, und forderte Bundeskanzler Kurz auf, die Regierungszusammenarbeit zu beenden. Oliver Pink kommentierte in der Tageszeitung Die Presse, die Situation sei ein Alptraum für den Vizekanzler, die Regierung und die Republik und attestierte, Strache und Gudenus würden aus der „Falle“ nicht wieder herauskommen. Der Chefredakteur der Salzburger Nachrichten, Manfred Perterer, sagte, der Fall sei kaum aufzuhalten, und forderte eine Reaktion von Bundeskanzler Kurz, ebenso wie die Kleine Zeitung in einem Kommentar. Peter Nindler sah in der Tiroler Tageszeitung das Video als einen Offenbarungseid, in den Oberösterreichischen Nachrichten wurde Straches Rücktritt sowie eine Infragestellung der Koalition gefordert.[37] Insbesondere im Standard wurde aber auch die sehr zögerliche und späte Reaktion von Sebastian Kurz kritisiert.[48]

Das Ansehen des Bundeskanzlers wurde durch die Affäre nachhaltig beschädigt, einerseits weil sein „Großprojekt nach anderthalb Jahren eben gescheitert ist“, die Reformierung Österreichs mittels einer ÖVP-FPÖ-Koalition, andererseits wegen seines achtstündigen Zögerns und Schweigens am 18. Mai 2018, während die Demonstration vor den Toren des Kanzleramtes am vollbesetzten Ballhausplatz lautstark den Rücktritt der gesamten Regierung forderte. Hans Rauscher, Kommentator der Tageszeitung Der Standard, stellte fest: „Sebastian Kurz hat einen ganzen langen Tag Zeit herumgetan, um eine Entscheidung darüber treffen zu können, wie er als Kanzler der Republik Österreich weitertun möchte. Nicht gerade ein Zeichen von Führungsstärke.“[48] Auch der Politologe Peter Filzmaier kritisierte das Zuwarten von Kurz und sein Taktieren um das Innenministerium.[49] Hans Rauscher beschrieb weiters das Vertrauen des Kanzlers in seine eigenen Fähigkeiten, „er werde die FPÖ schon zähmen können. Er konnte es nicht und nun hat er sich, seine ÖVP und Österreich in die Mutter aller Krisen manövriert.“[48]

Der Politologe Peter Filzmaier kritisierte das Zuwarten von Kurz mit den Worten: „Die Faktenlage dafür war allerspätestens um 11 Uhr, wo laut Eigenaussage Strache Kurz von seinem Rücktritt informierte, vorliegend. Dann sind weitere neun Stunden vergangen, wofür kein Grund bestand. Nur weil er [Kurz] in die ZIB 1 wollte, wird er nicht so lange gewartet haben. (...) Da befeuert man geradezu neue Verschwörungstheorien: Hat die FPÖ eine Aktion gestartet ‚Rettet Kickl‘, als wäre das der einzig wichtige Punkt der letzten Stunden und Tage, und hat umgekehrt die ÖVP das Innenministerium gewollt, weil sie irgendetwas weiß, das dort vorgeht das wir alle nicht wissen? Das wäre schon wirklich eine seltsame Geschichte, wenn sie so stimmt.“[50]

Fritz Plasser stellte in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit fest: „Wir haben in Österreich nicht nur eine Boulevardisierung der Zeitungslandschaft, sondern auch eine Boulevardisierung des Politikverständnisses vieler politischer Eliten. Und das führt wiederum zu dieser unglaublichen und schamlosen Aussage von Heinz-Christian Strache.“ Straches Ansinnen, in der Kronenzeitung eine mediale Machtbasis zu finden, sah Plasser kritisch: „Allianzen zwischen politischen Akteuren und dem redaktionellen Tenor der Kronenzeitung sind im Allgemeinen kurzfristig, nicht belastbar und können sich jederzeit durch eine andere Themenlage verändern. Und es war schon in manchen Fällen ein großer Fehler zu sagen ‚Naja, die Kronenzeitung ist auf unserer Seite‘.“[51]

Einzelnachweise

  1. Heimliche Aufnahmen belasten Österreichs Vizekanzler schwer. In: SZ.de. 17. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  2. FPÖ-Chef stellte gegen Wahlkampfhilfe Staatsaufträge in Aussicht. In: Spiegel Online. 17. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  3. Russland, Krone, FPÖ-Spenden - Die geheimen Strache-Videos. In: falter.at. 17. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  4. Leila Al-Serori, Oliver Das Gupta, Peter Münch, Frederik Obermaier, Bastian Obermayer: Das Strache-Video: Die Falle. In: sueddeutsche.de. 17. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  5. Suche nach Straches "Verein". In: Die Presse. 19. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  6. a b Die geheimen Strache-Videos: Worum es geht. In: youtube.com. Falter, 17. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  7. "Das ist der Deal": Die Schlüsselszenen aus dem Ibiza-Video. In: diepresse.com. 18. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  8. Staatsaufträge gegen Wahlkampfhilfe: Heimliche Videos belasten Strache. In: nachrichten.at. 17. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  9. "Bist du deppert, die ist schoarf" - Zitate aus dem Ibiza-Video. In: nachrichten.at. 18. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  10. Deutsche Medien: Heimliche Aufnahmen belasten Strache. In: orf.at. 17. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  11. "Kann sein, dass morgen Österreich brennt" Böhmermann bekam Strache-Video ebenfalls angeboten. In: Kleine Zeitung. 17. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  12. Manager bestätigt: Böhmermann kannte Strache-Video. In: Der Standard. 18. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  13. Böhmermann und das Video. In: sueddeutsche.de. 19. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  14. Es war nicht nur der eine Abend. In: Süddeutsche Zeitung. 19. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  15. "wer/zah/lts/chaf/ft/an": Mutmaßliche OTS-Botschaft an vermeintliche FPÖ-Investoren. In: Der Standard. 19. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  16. Katharina Mittelstaedt, Maria Sterkl, Fabian Schmid: Lockvogel gesucht: Die Drahtzieher hinter dem Strache-Video. In: Der Standard. 19. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  17. Die Presse: Strache-Video: Steckt das "Zentrum für Politische Schönheit" dahinter?. Artikel vom 19. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  18. Profil: Strache-Video: „Kompromat“ auf Ibiza: Zum möglichen Ursprung des Strache-Videos.. Artikel vom 19. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  19. Deutsche Medien: Heimliche Aufnahmen belasten Strache. In: orf.at. 17. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  20. Nina Weißensteiner: Chronologie des Chaos: Was seit dem Ausbruch von Ibiza-Gate passiert ist. In: derstandard.at. 19. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  21. "B’soffene G’schichte": Straches Rücktritt im Wortlaut. In: diepresse.com. 18. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  22. Kurz’ Neuwahl-Ankündigung: Machen Sie aus Scheitern Erfolg!, Der Standard, 19. Mai 2019
  23. a b Van der Bellen für Neuwahlen im September. In: nachrichten.at. 19. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  24. Kurz kündigt Neuwahl an. www.faz.net, 18. Mai 2019
  25. Landbauer spricht von "Erpressung" durch Kanzler Kurz, Kurier<18. Mai 2019
  26. Sebastian Fellner: Rücktritt, Neuwahlen, Rochaden: Eine Krise voller Fragezeichen. In: derstandard.at. 19. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  27. Kurz will Entlassung Kickls vorschlagen – Rücktritt aller FPÖ-Regierungsmitglieder droht, Der Standard, 19. Mai 2019
  28. Vorgezogene Landtagswahlen im Bgld. In: burgenland.orf.at. Österreichischer Rundfunk, 19. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  29. In Linz naht das Ende von Rot-Blau, Oberösterreichische Nachrichten, 19. Mai 2019
  30. Rendi-Wagner kündigt vorgezogene Wahl in Linz an, Die Presse, 19. Mai 2019
  31. Persönliche Erklärung Johann Gudenus. Rückzug aus dem Nationalrat und Rücktritt aus allen Parteifunktionen. In: ots.at. Freiheitlicher Parlamentsklub, 18. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  32. Johann Gudenus tritt aus der FPÖ aus, Strache-Comeback hingegen nicht ausgeschlossen. Der Standard vom 19. Mai 2019
  33. a b Kurier: Justiz schaltet sich in Ibiza-Affäre ein: Video wird geprüft, 17. Mai 2019
  34. Salzburger Nachrichten: SPÖ zeigt Strache und Gudenus bei der Staatsanwaltschaft an. Abgerufen am 18. Mai 2019.
  35. 23 24 Uhr, 17. Mai 2019: Die Justiz prüft bereits: "Strache und Gudenus sind rücktrittsreif". 17. Mai 2019, abgerufen am 18. Mai 2019.
  36. Ibiza-Affäre: Strache prüfte selbst den Namen des Lockvogels nicht. Artikel vom 19. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  37. a b Regierungskrise - Pressestimmen: "FPÖ am Ende". In: vol.at. 18. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  38. Renate Grabner: "Ibiza-Gate": Haselsteiner prüft alle Auftragsvergaben. In: derstandard.at. 18. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  39. Neos fordern Neuwahlen, Karas will vorerst nicht kommentieren. In: derstandard.at. 17. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  40. Kurier (Wien): Dynamik in den Ländern: Auch Burgenland vor Neuwahlen, 18. Mai 2019
  41. Oberösterreichische Nachrichten: Stelzer: Straches Verhalten "inakzeptabel", 18. Mai 2019
  42. Oberösterreichische Nachrichten: Neuwahlen - "Versuchte Erpressung am Rücken der Bevölkerung", 18. Mai 2019
  43. meinzbezirk.at: Landeshauptmann Stelzer stellt auch in Oberösterreich Zusammenarbeit mit FPÖ auf den Prüfstand, 18. Mai 2019
  44. vol.at: Markus Wallner nach Ibiza-Affäre: Keine Koalition mit Bitschi-FPÖ in Vorarlberg, 18. Mai 2019
  45. AfD-Chef Meuthen steht trotz Strache-Skandal zur FPÖ. www.maz-online.de, 18. Mai 2019
  46. So reagierten Europas Politiker auf das Strache-Video. In: nachrichten.at. 18. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  47. Merkel vor EU-Wahl: „Nationalismus ist der Feind Europas“. In: tagesschau.de. 19. Mai 2019, abgerufen am 20. Mai 2019.
  48. a b c Hans Rauscher: Kurz ist mit der FPÖ gescheitert – und will trotzdem unser Vertrauen. In: derstandard.at. 18. Mai 2019, abgerufen am 19. Mai 2019.
  49. Im Zentrum. Fernsehsendung, ORF 2, 18. Mai 2019, 21:05. Laufzeit 4:40 und 7:20
  50. Im Zentrum. Fernsehsendung, ORF 2, 18. Mai 2019, 21:05. Laufzeit 4:40 und 7:20
  51. "Allianzen mit der Kronenzeitung sind nicht belastbar", Die Zeit, 19. Mai 2019