„Holodomor“ – Versionsunterschied

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Holodomor, was für ein Holdomor?
[[Datei:5 Hryven Commémoration de Holodmor, grande famine de 1932-1933.jpg|mini|Gedenkmünze der Ukraine, 2005]]
[[Datei:17th Congress AUCP-2.jpg|mini|Molotow (stehend) und Stalin (Mitte) beim [[XVII. Parteitag der KPdSU|17. Parteitag der KPdSU]], 1934]]

Der Begriff '''Holodomor''' ({{ukS}} '''Голодомор''', ''wörtliche Übersetzung: Tötung durch Hunger'') bezeichnet eine schwere, [[anthropogen|menschengemachte]] Hungersnot in der [[Ukraine]] in den Jahren 1932 und 1933, der nach unterschiedlichen Berechnungen 3,5 bis 14,5 Millionen Menschen zum Opfer fielen. Die Bewertung der historischen Ereignisse ist umstritten. Im Kern der Debatte steht die Frage, ob die Hungersnot durch die Politik [[Josef Stalin|Stalins]] vorsätzlich verursacht wurde, um den Widerstand der Ukrainer zu brechen, oder ob die Ursachen in erster Linie in wetterbedingten Missernten und der [[Zwangskollektivierung in der Sowjetunion|Zwangskollektivierung]] zu finden sind, wie sie es auch in anderen [[Unionsrepublik|Sowjetrepubliken]] zu jener Zeit gab. In Deutschland ist der Osteuropa-Historiker [[Jörg Ganzenmüller]], Vorstandsvorsitzender der Stiftung Ettersberg, der Meinung, dass es sich bei der Hungersnot nicht um einen vorsätzlich geplanten Völkermord gehandelt habe.<ref>http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=4073</ref> Die gegenteilige Meinung vertreten hier [[Gerhard Simon]] und Ernst Lüdemann.<ref>http://www.europaimunterricht.de/simon_holodomor_als_voelkerm.html?&MP=3707-9716 Der Holodomor als Völkermord. Abgerufen am 20. Januar 2018<br/>
https://osteuropa.lpb-bw.de/luedemann_stalins_feldzug.html Stalins Feldzug gegen die Bauern. Abgerufen am 30. Januar 2018</ref>

Die Ukraine bemüht sich seit der Unabhängigkeit 1991, vor allem aber unter dem ehemaligen [[Präsident der Ukraine|Präsidenten]] [[Wiktor Juschtschenko]], um eine internationale Anerkennung des Holodomors als [[Völkermord]]. Die [[Regierung der Russischen Föderation|Regierung Russlands]] versucht, dies zu verhindern.<ref>[http://www.bbc.com/news/world-europe-25058256 ''Holodomor: Memories of Ukraine's silent massacre''], BBC News, 23. November 2013.</ref>

[[Datei:Famine en URSS 1933.jpg|mini|Hungersnot in der [[Sowjetunion]]<ref>Quelle: A. Markoff: ''Famine en USSR''. Russian Comercial Institute, Paris, 1933.</ref>]]
[[Datei:GolodomorKharkiv.jpg|mini|Fußgänger und Leichen verhungerter Bauern auf einer Straße in [[Charkiw]], 1933]]
[[Datei:In this place digging graves is strictely forbidden.jpg|mini|1933 bei Charkiw – Text auf dem Schild: „Der Aushub von Gräbern ist an dieser Stelle ausdrücklich verboten“]]
[[Datei:HolodomorVyizdValky.jpg|mini|Abtransport der Ernte durch sog. ''Rote Züge'', 1932]]

== Hintergrund ==
Im Dezember 1927 hatte der XV. Parteitag der [[Kommunistische Partei der Sowjetunion|Kommunistischen Partei der Sowjetunion]] (damals als Kommunistische Allunions-Partei (Bolschewiki) bezeichnet) Maßnahmen zur beschleunigten [[Industrialisierung der Sowjetunion]] beschlossen, die im ersten [[Fünfjahresplan|Fünfjahrplan]] für die Periode 1928 bis 1932 niedergelegt wurden. Im Hinblick auf die traditionell in der [[Dorfgemeinschaft]] verwurzelte Landwirtschaft ging man nach einer landwirtschaftlichen Krise im Jahre 1928 von den bisherigen Experimenten einer freiwilligen Kollektivierung zur [[Zwangskollektivierung in der Sowjetunion|Zwangskollektivierung]] über. Ziel war eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion, um mit Exportüberschüssen aus diesem Sektor die Einfuhr für die Industrialisierung benötigter Wirtschaftsgüter wie Ausrüstungen für Industriebetriebe finanzieren zu können. Diese Steigerungen hoffte man durch Modernisierungsmaßnahmen wie die Zusammenlegung landwirtschaftlicher Flächen, die Einführung neuer Anbaumethoden und durch die Mechanisierung zu erreichen. Ferner sollte die in der Periode der [[Neue Ökonomische Politik|Neuen Ökonomischen Politik]] noch mögliche Taktik der Bauern, ihre Überschüsse zu horten und in Mangelzeiten zu höheren Preisen auf den Markt zu bringen, ein für alle mal beendet werden.

Im Zuge der Zwangskollektivierung kam es zunächst zu einer Verringerung der Anbaufläche und einer Schrumpfung des Viehbestandes. Durch den Ausfall tierischer Zugkraft und das Ausbleiben maschineller Zugkraft verringerte sich in der Ukraine die Anbaufläche für Getreide um 14 %, das Erntevolumen sank sogar um 20 %. Hinzu kam, dass die [[Kolchos]]en und [[Sowchos]]en einen deutlich niedrigeren Hektarertrag erwirtschafteten als die Einzelbauern.<ref>Manfred Hildermeier, ''Geschichte der Sowjetunion, 1917-1991: Entstehung und Niedergang des ersten sozialistischen Staates'', C.&nbsp;H.&nbsp;Beck, 1998, ISBN 9783406435881, S. 399</ref>

== Verlauf ==
=== Beginn ===
Der Holodomor begann mit einer schweren Dürre im Winter und Frühjahr 1931/1932 und dauerte bis Juli 1933. Trotz des Hungers der Landbevölkerung erhöhten die Parteikader die Abgabenquote auf 44 Prozent. Während im Jahr 1931 noch 7,2 Millionen Tonnen Getreide in der Ukraine requiriert wurden, sank dieser Wert trotzdem auf 4,3 Millionen Tonnen im Jahr 1932. Das Getreide wurde größtenteils zur Devisenbeschaffung am Weltmarkt verkauft. Die Einnahmen wurden zur Industrialisierung der sowjetischen Wirtschaft benötigt.<ref>Oleksa Eliseyovich Zasenko: ''[http://www.britannica.com/EBchecked/topic/612921/Ukraine/275912/Industrialization-and-collectivization Ukraine]'' [[Encyclopædia Britannica]], 2015</ref>

Bolschewistische Brigaden suchten nach versteckten Lebensmitteln. Dörfer wurden systematisch ausgeplündert. Viele Bauern verloren ihren gesamten Besitz und endeten als Bettler in den Städten. In der Bevölkerung kam es zu Kannibalismus.<ref>Robert W. Davies, Stephen G. Wheatcroft: ''The Years of Hunger: Soviet Agriculture 1931–1933'', Palgrave Macmillan, 2010, ISBN 978-0-230-23855-8.<br/>
''[http://www.euronews.com/2013/11/22/ukraine-s-enduring-holodomor-horror-when-millions-starved-in-the-1930s/ Ukraine’s enduring Holodomor horror, when millions starved in the 1930s]'' euronews.com, 22. November 2013.</ref><ref name="Lemkin, 1953">Raphael Lemkin: ''[http://www.uccla.ca/SOVIET_GENOCIDE_IN_THE_UKRAINE.pdf Soviet Genocide in the Ukraine]'' Raphael Lemkin Papers, The New York Public Library, 1953.</ref>

=== Politischer Kontext ===
Stalin verfolgte das politische Ziel, den ukrainischen Freiheitswillen zu unterdrücken und die sowjetische Herrschaft in der Ukraine zu festigen. Die Sowjets waren bereits zuvor radikal gegen die ukrainische [[Intelligenzija]] und den ukrainischen [[Klerus]] vorgegangen. Zwischen 1926 und 1932 wurden durch die Kommunisten 10.000 Kleriker liquidiert. Allein im Jahr 1931 wurden mehr als 50.000 Intellektuelle nach Sibirien [[Deportation|deportiert]], darunter die 114 wichtigsten Dichter, Schriftsteller und Künstler des Landes. Hiernach wandten sich die Sowjets nun gegen die Bauernschaft, die sich weiterhin hartnäckig der Kollektivierung und Umerziehung widersetzte. Im Sinne einer „[[Russifizierung]]“ sollte die ukrainische Kultur ausgemerzt werden, so dass nur noch eine sowjetische Kultur übrig bliebe.<ref name="Lemkin, 1953" />

Im Jahr 1932 erhielt [[Stanislaw Franzewitsch Redens|Stanislaw Redens]] – seit Juli 1931 Leiter der ukrainischen [[Gossudarstwennoje Polititscheskoje Uprawlenije|GPU]] und seit 1921 Schwager von [[Nadeschda Sergejewna Allilujewa|Stalins Ehefrau ]] (Suizid am 9. November 1932) – zusammen mit dem dortigen Ersten Sekretär der [[Kommunistische Partei der Ukraine|Kommunistischen Partei der Ukraine]] (KPU), [[Stanislaw Wikentjewitsch Kossior|Stanislaw Kossior]], die Aufgabe, als Bestandteil der Kollektivierung einen Plan zu entwickeln, um die „Kulaken und die [[Symon Wassyljowytsch Petljura|petljurschen]] Konterrevolutionäre“ zu [[Gezielte Tötung|liquidieren]]. Zweitausend [[Kolchos]]vorsitzende wurden daraufhin verhaftet. Als im Januar 1933 das Getreidesoll nicht erreicht war, löste man Redens in der [[Ukraine]] ab.<ref>{{Internetquelle|url=http://www.hrono.ru/biograf/redens.html|sprache=ru |titel=Реденс Станислав Францевич |werk=Хронос: всемирная история в интернете|zugriff=2015-04-27}}</ref>

Am 28. November 1932 beschloss das [[Politbüro der Kommunistischen Partei der Sowjetunion|Politbüro]] der Ukraine unter [[Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow|Wjatscheslaw Molotow]], dem späteren sowjetischen Außenminister, als Bevollmächtigtem von [[Generalsekretär]] Stalin, die Verhängung von „Naturalienstrafen“ und die Einführung von „Schwarzen Listen“ gegen opponierende Bauern. In der Folge wurden die Lebensmittelforderungen an die Bauern drastisch forciert. In den Dörfern wurden darüber hinaus Haushaltsgegenstände wie Seife oder Kerosin konfisziert. In der Folge von Strafabgaben verloren viele Bauernfamilien ihren gesamten Besitz und endeten, um Essen bettelnd, in den Städten.<ref name="Robert Baag, 2007">Robert Baag: [http://www.deutschlandfunk.de/mord-durch-hunger.724.de.html?dram:article_id=98953 Mord durch Hunger] Deutschlandfunk, 28. November 2007</ref>

Der Anteil ukrainischstämmiger Bürger auf dem Gebiet der Ukrainischen Sowjetrepublik sank durch Umsiedlung und Hunger von 1920 bis 1939 von 80 Prozent auf 63 Prozent bzw. von 23,2 Million auf 19,6 Millionen. Gleichzeitig nahm der Anteil an Nichtukrainern um 5,6 Millionen zu. Beim 12. Kongress der KPU in [[Charkiw]] verkündete der russische Abgesandte [[Pawel Petrowitsch Postyschew|Pawel Postyschew]], das Jahr 1933 sei das Jahr des Sieges gegen die ukrainische Konterrevolution.

Stalin ließ zwischen 1938 und 1940 die wichtigsten Mitwisser – Postyschew, Redens und Kossior – wegen vorgeschobener Beschuldigungen vor Gericht stellen, aburteilen und hinrichten.

=== Internationale Berichterstattung ===
Im Jahre 1929 war [[Paul Scheffer (Journalist)|Paul Scheffer]] der erste westliche Journalist, der über die Hungersnöte als Folge der Zwangskollektivierung im ''[[Berliner Tageblatt]]'' berichtete.<ref>[http://www.garethjones.org/published_articles/scheffer/index.htm ''Gareth Jones Research Papers''], abgerufen am 25. April 2017</ref> 1930 veröffentlichte er das Buch „Sieben Jahre Sowjetunion“. Darin ging Scheffer sachlich, aber erstmals ausführlich auf Stalins Methoden und Vertuschungsversuche zum „millionenfachen Hungertod“ ein.<ref>Paul Scheffer: ''Sieben Jahre Sowjetunion.'' Bibliographisches Institut Leipzig, 1930. S. 21 f.</ref> Das Buch erschien in mehreren Ländern.<ref>Paul Scheffer: ''Seven years in Soviet Russia: With a retrospect 1932.'' Macmillan, 1932, Editorial Reviews.</ref> Beweise für den systematischen Massenmord konnte Scheffer nicht erbringen, da ihm Ende 1929 die Wiedereinreise in die Sowjetunion verwehrt worden war.<ref>Matthias Heeke: ''Reisen zu den Sowjets: der ausländische Tourismus in Russland 1921-1941.'' LIT Verlag Münster, 2003, S. 52-53.</ref>

Die sowjetische Regierung versuchte aktiv, das Geschehen vor der Weltgemeinschaft zu verbergen. Jedoch setzten die Journalisten [[Gareth Jones (Journalist)|Gareth Jones]], [[Malcolm Muggeridge]] und [[William Henry Chamberlin]] die Recherchen fort. Am 29. März 1933 informierten sie auf einer von Scheffer in Berlin organisierten internationalen Pressekonferenz die Weltöffentlichkeit über die Ausmaße der sowjetischen Hungerkatastrophe.<ref>Margaret Siriol Colley: ''Gareth Jones. More Than a Grain of Truth.'' Newark 2005, S. 22 f.</ref> Anwesend waren neben deutschen Korrespondenten unter anderem Pressevertreter der ''[[The Sun]]'', ''[[Chicago Daily News]]'', ''[[The Yorkshire Post]]'', ''[[Manchester Guardian]]'', ''[[Time Magazine]]'', ''[[The New York Times]]'', ''[[La Liberté]]''. Sie alle veröffentlichten noch am gleichen Abend oder in den nächsten Tagen auf den Titelseiten nahezu identisch lautende [[Leitartikel]] über die Hungerkatastrophe.<ref>Gareth Jones: [http://www.garethjones.org/soviet_articles/hungersnot_in_russland.htm ''Hungersnot in Russland?''] Berliner Tageblatt vom 1. April 1933, auf garethjones.org, Zugriff am 26. April 2017.</ref>

Diesen Darstellungen widersprach unter anderem der Journalist [[Walter Duranty]] in der [[New York Times]] am 31. März 1933 („Russians Hungry but not Starving“). In der Nachkriegszeit wurde dann intensiv darüber diskutiert, ob der sowjetfreundliche [[Pulitzer-Preis]]träger Duranty bei seinem Bericht bewusst gelogen habe. Auch eine Gruppe englischer Sozialisten, unter ihnen der Schriftsteller [[George Bernhard Shaw]], die zu jener Zeit die Sowjetunion bereisten, berichteten wahrheitswidrig „von vollen Restaurants und großzügigen Menüs“. Der ungarische Schriftsteller [[Arthur Koestler]] notierte über seine Beobachtungen in [[Charkiw]] hingegen:

{{Zitat|Unter meinem Fenster in Charkov zogen jeden Tag Leichenbegängnisse vorbei. Kein einziges Wort über die örtliche Hungersnot, über Epidemien, das Aussterben ganzer Dörfer. Man bekam ein Gefühl traumhafter Unwirklichkeit; die Zeitungen schienen von einem ganz anderen Land zu sprechen, das keinerlei Berührungspunkte mit dem täglichen Leben, das wir führten, hatte, und ebenso verhielt es [sich] mit dem Rundfunk.|ref=<ref name="Robert Baag, 2007" />}}

Im Jahr 1935 wurde Gareth Jones auf einer weiteren Recherche-Reise unter mysteriösen Umständen in der Mongolei ermordet. Paul Scheffer veröffentlichte daraufhin am 16. August 1935 auf der Titelseite des ''Berliner Tageblatts'' einen Nachruf. In dem Artikel machte er Stalin für den Tod von Jones verantwortlich und ging gleichfalls auf die sogenannten ''Hungerexporte'' ein. Er schilderte, dass trotz extremer Knappheit die Sowjetunion Getreide exportiere, um sich so in sehr großer Menge Maschinen und Werkzeuge aus westlichen Ländern kaufen zu können. Insbesondere Deutschland, Großbritannien und die USA profitierten wirtschaftlich von diesen Im- und Exporten. Spätestens ab 1936 konkurrierten westliche Länder dann auch politisch um Stalins Gunst. Zumindest nachweislich in Deutschland wurde offiziell eine negative Berichterstattung über die Sowjetunion untersagt.<ref>Leonid Luks: ''Geschichte Russlands und der Sowjetunion: Von Lenin bis Jelzin.'' Verlag Friedrich Pustet, 2000, S. 264–265.<br/>
Lynne Viola: ''The Unknown Gulag: The Lost World of Stalin's Special Settlements.'' Oxford University Press, 2007, S. 15 f.<br/>
[http://www.zeit.de/wissen/geschichte/2010-02/stalin-enteignung-holodomor?page=all Hellmuth Vensky:'' Stalins Jahrhundertverbrechen''], in: [[Die Zeit]] online, 1. Februar 2010.</ref> Die politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge der Hungerexporte hatte bereits 1931 der US-amerikanische Journalist und Pulitzer-Preisträger [[Hubert Renfro Knickerbocker]] in seinem Buch ''Der rote Handel lockt'' dargestellt, welches ebenfalls in verschiedenen Ländern publiziert wurde.<ref>H. R. Knickerbocker (Dt. von Curt Thesing): ''Der rote Handel lockt.'' Rowohlt, 1931.<br/>
[http://www.zeit.de/1949/29/hubert-r-knickerbocker ''Hubert R. Knickerbocker''.] In: ''[[Die Zeit]]'', Nr. 29/1949.</ref>

=== Opferzahlen ===
Nach Berechnungen der [[Nationale Akademie der Wissenschaften der Ukraine|Ukrainischen Akademie der Wissenschaften]], die im November 2008 veröffentlicht wurden, betrug die Opferzahl in der Ukraine ca. 3,5 Millionen Menschen.<ref>{{Internetquelle |url=http://korrespondent.net/ukraine/events/643684 |titel=Голодомор 1932–1933 годов в Украине унес жизни 3,5 млн человек – НАН Украины |hrsg=Korrespondent.Net |datum=2008-11-12 |zugriff=2015-04-28 |sprache=ru}}<br>
Donald Bloxham, A. Dirk Moses (Hrsg.): ''The Oxford Handbook of Genocide Studies.'' Oxford University Press, Oxford 2010, ISBN 978-0-19-923211-6, S.&nbsp;396.</ref> Eine Studie ukrainischer Demografen kommt 2015 auf eine Opferzahl von ca. 4,5 Millionen Menschen, bestehend aus 3,9 Millionen direkten Opfern und 0,6 Millionen Geburtenverlusten.<ref>Anne Applebaum: ''Red Famine. Stalin's War on Ukraine.'' Double Day, New York 2017, ISBN 978-0-3855-3885-5, S. 280.<br/>
[http://history.org.ua/LiberUA/DemTekhnKat_2015/DemTekhnKat_2015.pdf ''Demography of a man-made human catastrophe: The case of massive famine in Ukraine 1932–1933.''] Website des Institute of History of Ukraine. Abgerufen am 5. Oktober 2017.</ref> Andere Schätzungen gehen von 2,4 Millionen bis 7,5 Millionen Hungertoten aus. Der [[Vereinigtes Königreich|britische]] Historiker [[Robert Conquest]] beziffert die Gesamtopferzahl auf bis zu 14,5 Millionen Menschen. Hierbei wurden neben den Hungertoten auch die Opfer der [[Kollektivierung]] und [[Entkulakisierung]] und der Geburtenverlust hinzugerechnet.<ref>[http://www.zeit.de/2008/48/A-Holodomor ''Stalinismus – Stille Vernichtung''], [[Die Zeit]] 48/2008 vom 20. November 2008.</ref>

== Aufarbeitung ==
=== Kontroverse innerhalb der Ukraine ===
[[Datei:Dmitry Medvedev in Kyiv - 17 May 2010.jpeg|mini|[[Dmitri Anatoljewitsch Medwedew|Dmitri Medwedew]] und [[Wiktor Janukowytsch]] an der „Gedenkstätte für die Opfer des Hungers“ in Kiew.]]
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion entwickelte sich der Umgang mit der Erinnerung an den ''Holodomor'' für die Ukraine zu einer Kernfrage [[Nationale Identität|nationaler Identität]]. Ukrainischsprachige Politiker versuchten, die historische, politische und persönliche Aufarbeitung der Thematik voranzubringen und dem Holodomor international Beachtung zu verschaffen. [[Wiktor Juschtschenko]] machte das Thema so zu einer seiner wichtigsten Aufgaben. Die Aufarbeitung stieß bei der [[Regierung der Russischen Föderation|russischen Regierung]] auf Ablehnung.<ref>[http://www.kremlin.ru/events/president/news/2081 Дмитрий Медведев направил послание Президенту Украины Виктору Ющенко, посвящённое проблематике так называемого «голодомора»] kremlin.ru, 14. November 2008</ref> Der russische Präsident [[Dmitri Anatoljewitsch Medwedew|Dmitri Medwedew]] schlug die Einladung zu einer Gedenkveranstaltung in Kiew im November 2008 aus, da diese dazu diene, das „ukrainische Volk dem russischen zu entfremden“.<ref>''[http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/viktor-juschtschenko-im-gespraech-vielleicht-die-groesste-humanitaere-katastrophe-1724600.html Viktor Juschtschenko im Gespräch: „Vielleicht die größte humanitäre Katastrophe“].'' In: ''[[Frankfurter Allgemeine Zeitung]].'' 20. August 2008.</ref> Russland sieht sich in der Debatte hiernach in der historischen Nachfolge der Sowjetunion.<ref>[http://www.nzz.ch/ukrainisch-russischer-streit-zum-holodomor-1.1297568 ruh (22. November 2008). Ukrainisch-russischer Streit zum «Holodomor».] ''[[Neue Zürcher Zeitung]]''</ref>

Russischsprachige Mandatsträger wie [[Wiktor Janukowytsch]] versuchten hingegen, die intensiven Verbindungen zu Russland zu erhalten. Eine Vergangenheitsbewältigung im Sinne einer historischen Untersuchung und Bewertung war unter seiner Führung unerwünscht. Viele ukrainische Archive wurden wieder geschlossen.<ref>[[Paul Goble]]: [http://windowoneurasia.blogspot.de/2010/05/window-on-eurasia-closing-soviet-era.html Window on Eurasia: Closing Soviet-Era Archives, Yanukovich Aide Insists ‘Ukrainians Know All They Need to Know about Their Past’] Window on Eurasia, 6. Mai 2010</ref> Diese Politik wurde auch von der russischen Regierung getragen. Eine Aufarbeitung stalinistischer Verbrechen wird als Bedrohung der russischen [[Staatsräson]] erachtet, wonach die Ukraine einen Teil der russischen Einflusssphäre darstellt.<ref>Andreas Kappeler: [http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1879366514000062 Ukraine and Russia: Legacies of the imperial past and competing memories] Journal of Eurasian Studies, 5 (2014)<br/>
[[Alexander J. Motyl]]: [http://history.org.ua/LiberUA/DelHolodUkr_2010/DelHolodUkr_2010.pdf Deleting the Holodomor: Ukraine Unmakes Itself]</ref>

=== Historische Debatte ===
In der Sowjetunion wurde die Hungerkatastrophe lange Zeit vollständig verschwiegen.<ref>[https://www.tagesanzeiger.ch/ausland/europa/stalins-hungerkrieg/story/26533937 ''Stalins Hungerkrieg.''] In: ''[[Tages-Anzeiger]]'' vom 8. September 2017.</ref> Unter [[Leonid Iljitsch Breschnew|Breschnew]] wurde in sowjetischen Schulbüchern zwar die [[Wolgadeutsche Republik#Bürgerkrieg und Hungersnot|Hungersnot an der Wolga]] erörtert, der Hunger in der Ukraine jedoch an keiner Stelle thematisiert.<ref>Ernst Lüdemann: [http://www.osteuropa.lpb-bw.de/luedemann_stalins_feldzug.html ''Stalins Feldzug gegen die Bauern in deutschen Schulbüchern''.] ''Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg''</ref> Auch die Menschen untereinander sprachen „aus Angst vor der kommunistischen Staatsmacht“ nicht über die Ereignisse.<ref>Fanny Facsar: [http://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-als-stalin-die-menschen-zu-kannibalen-machte-a-458006.html Als Stalin die Menschen zu Kannibalen machte] Spiegel Online, 20. Januar 2007</ref> Erst langsam wird das Thema öffentlich diskutiert und historisch eingeordnet. Während in der Ukraine die Archive seit 2009 langsam geöffnet werden, bleiben viele russische Akten, insbesondere des Innenministeriums und des KGB weiterhin für die Öffentlichkeit unzugänglich.<ref>[http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/8119320.stm Ukraine wary of KGB terror file] BBC, 29. Juni 2009</ref>

Im Zentrum der Debatte steht die Frage, ob die Hungerkatastrophe ''Zweck'' oder ''Folge'' der stalinistischen Politik gewesen ist.<ref>Malte Lehming: [http://www.tagesspiegel.de/meinung/russland-und-die-ukraine-stalins-verdraengter-hungermord-in-der-ukraine/9842604.html Stalins verdrängter Hungermord in der Ukraine] Tagesspiegel, 5. Mai 2014</ref> Insbesondere ukrainische Geschichtswissenschaftler betonen, dass es sich um eine von Stalins Regime systematisch organisierte Hungersnot gehandelt habe. Der ungarische Historiker [[Miklós Kun]] schrieb: {{Zitat|Es war eine bewusste und systematische Ermordung von Millionen Menschen. (...) Während in ukrainischen Dörfern die verzweifelten, vor Hunger irre gewordenen Menschen die grünen Zweige der Bäume aßen, wurden ukrainische Lebensmittel auf Stalins Befehl in anderen [[Unionsrepublik|sowjetischen Republiken]] im Rahmen des sogenannten ‚sowjetischen [[Dumping]]s‘ zu günstigen Preisen verkauft.}}

Der ukrainische Geschichtswissenschaftler [[Wassili Marotschko]] vom ''Zentrum zur Erforschung des Genozids'' an der Ukrainischen Akademie der Wissenschaften kommt, aufgrund ausgewerteter Stalintelegramme, zu dem Schluss, dass eine direkte Verantwortung des Diktators sowie seines Vertrauten [[Lasar Moissejewitsch Kaganowitsch|Kaganowitsch]]&nbsp;und Molotows erwiesen sei. Immer wieder sei von einer Lösung „der ukrainischen Frage“ die Rede. Die ethnische Komponente werde in diesem Zusammenhang immer wieder betont.<ref name="Robert Baag, 2007" />

Demgegenüber argumentieren vor allem russische Historiker, dass die Hungersnot in erster Linie die Folge einer schlechten Ernte gewesen sei, die durch die Kollektivierung der Landwirtschaft und den damit verbundenen Widerstand der ukrainischen Bauern verschlimmert worden sei. [[Alexander Jurjewitsch Watlin|Alexander Watlin]] kritisiert den Begriff ''Holodomor'', weil er verwendet werde, um die tragischen Folgen der über die Ukraine hinausgehenden Kollektivierung politisch zu instrumentalisieren. Weiterhin weist er darauf hin, dass die Hungersnot dieser Zeit nicht allein die Ukraine, sondern auch andere Gebiete der Sowjetunion betraf, also nicht gezielt gegen die Bevölkerung der Ukraine organisiert wurde.<ref>Vgl. Alexander Watlin: ''Die unvollendete Vergangenheit: Über den Umgang mit der kommunistischen Geschichte im heutigen Russland.'' In: ''[[Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung]].'' 2010, {{ISSN|0944-629X}}, S. 279–294.</ref>

Der deutsche Soziologe [[Gunnar Heinsohn]] stellte fest, dass in der Ukraine, in [[Kasachstan]] und einigen [[Kaukasus]]gebieten, in denen starker Widerstand gegen die [[Enteignung]]en im Rahmen der Zwangskollektivierung vorhanden war, dieser mit dem Mittel einer absichtlich herbeigeführten und durch [[Requirierung|Zwangsrequirierungen]] verschlimmerten Hungersnot gebrochen werden sollte. Auch die Unabhängigkeitsbewegungen dieser Völker sollten auf diese Weise getroffen werden. So unterband die [[Kommunistische Partei der Sowjetunion|kommunistische Partei]] auch die Versorgung der Hungernden und die Ausreise aus den Hungergebieten.
So gab [[Wjatscheslaw Rudolfowitsch Menschinski]], Leiter der Geheimpolizei [[Gossudarstwennoje polititscheskoje uprawlenije|GPU]] den Befehl, den Getreidebeschaffungsplan bedingungslos zu erfüllen. Die ukrainische Geheimpolizei unter [[Wsewolod Balyzkyj]] ließ daraufhin Hungerflüchtlinge erschießen sowie deren Lebensmittelbestände und Vieh konfiszieren.<ref name="protivpytok">[http://protivpytok.org/sssr/antigeroi-karatelnyx-organov-sssr/balickij-v-a Balitchi Apollonovich Vsevolod (1892–1937)], abgerufen am 1. März 2015<br/>
Юрий Шаповал (Juri Schapowal): [http://www.day.kiev.ua/ru/article/panorama-dnya/povelitelnaya-neobhodimost-god-1933-y ''„Es ist zwingend notwendig“: das Jahr 1933''.] Панорама «Дня» Nr. 19/2003 vom 1. Februar 2003; auf day.kiev.ua, abgerufen am 1. März 2015</ref> Dieses gesamte Vorgehen wird von Heinsohn als Mischung von [[Politizid]] und [[Genozid]] bezeichnet, deren Darstellung oft aus politischen Gründen als „böswilliger [[Antikommunismus]]“ diffamiert werde.<ref>Gunnar Heinsohn: ''Lexikon der Völkermorde'' (= ''rororo. rororo-aktuell'' 22338). Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, Reinbek bei Hamburg 1998, ISBN 3-499-22338-4.</ref>

== Bewertung als Völkermord ==
[[Datei:Holodomor World recognition.png|mini|Karte der Länder, die den Holodomor als Völkermord an Ukrainern anerkennen]]
Im Jahr 1953 verfasste der polnische [[Menschenrechte|Menschenrechtler]] [[Raphael Lemkin]], der nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] die [[Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes|UNO-Konvention gegen den Völkermord]] erarbeitet und den Begriff ''[[Genozid]]'' definiert hatte, einen detaillierten Bericht über den ''Holodomor''. Er nennt darin die ukrainische Hungersnot „das klassische Beispiel eines sowjetischen Genozids“.<ref>Zitiert nach [[Timothy Snyder]]: ''Bloodlands. Europa zwischen Hitler und Stalin.'' 3. Auflage. C. H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-62184-0, S. 74.</ref> Nach Lemkin nutzte Stalin den Hunger gezielt, um den Widerstand der Bauern zu brechen.<ref name="Lemkin, 1953" />

Unter Präsident [[Wiktor Juschtschenko]] bemühte sich die ukrainische Regierung darum, dass der Holodomor weltweit als Genozid am ukrainischen Volk anerkannt wird. Neben der [[Ukraine]] haben [[Australien]],<ref>[http://parlinfoweb.aph.gov.au/piweb/view_document.aspx?id=93255&table=JOURNALS parlinfoweb.aph.gov.au]</ref> [[Ecuador]], [[Estland]], [[Georgien]],<ref>[http://www.parliament.ge/index.php?lang_id=ENG&sec_id=89&info_id=8347&date=2005-12-20&new_month=12&new_year=2005 parliament.ge]</ref> [[Kanada]],<ref>[http://www.parl.gc.ca/37/2/parlbus/chambus/senate/jour-e/pdf/072jr_2003-06-19.pdf parl.gc.ca] (PDF)</ref> [[Kolumbien]], [[Lettland]], [[Litauen]],<ref>[http://www3.lrs.lt/pls/inter3/dokpaieska.showdoc_e?p_id=266526&p_query=&p_tr2=]</ref> [[Mexiko]], [[Paraguay]], [[Peru]], [[Polen]],<ref>[http://www.senat.gov.pl/K6/dok/dr/050/a/090s.pdf#search='SPRAWOZDANIE%20KOMISJI%20USTAWODAWCZEJ%20KOMISJI%20SPRAW%20ZAGRANICZNYCH%20%20%20o%20projekcie%20uchwa%C5%82y%20w%20sprawie%20rocznicy%20Wielkiego%20G%C5%82odu%20na%20Ukrainie%20%28druk%20nr%2090%29 PDF bei www.senat.gov.pl]</ref> [[Portugal]],<ref>[https://deutsch.rt.com/newsticker/47248-portugals-parlament-erkennt-holodomor-als-voelkermord-an/]</ref> [[Ungarn]],<ref>[http://www.mkogy.hu/irom37/6288/6288.htm]</ref> und der [[Heiliger Stuhl|Vatikan]]<ref>[http://www.vatican.va/holy_father/john_paul_ii/speeches/2001/documents/hf_jp-ii_spe_20010623_ucraina-meeting_en.html]</ref> den Holodomor offiziell als [[Völkermord]] anerkannt.

In den Jahren 2003 und 2006 erklärte das [[Werchowna Rada|ukrainische Parlament]] den Holodomor offiziell zum Genozid am ukrainischen Volk.<ref>Andreas Kappeler: ''Kleine Geschichte der Ukraine.'' C.H. Beck, München 2009, ISBN 3-406-58780-1, S. 274.</ref>

Am 23. September 2008 erkannte das Repräsentantenhaus des Kongresses der USA den Holodomor in der Ukraine von 1932–1933 als Genozid am ukrainischen Volk an.<ref>[http://ukraine-nachrichten.de/israel-kann-holodomor-golodomor-nicht-genozid-anerkennen_726_politik]<br/>
[http://www.unian.info/society/148386-holodomor-resolution-passes-us-house-of-representatives.html Holodomor Resolution passes U.S. House of Representatives]</ref>

=== Position Russlands ===
Die Regierung Russlands, der wichtigsten Rechtsnachfolgerin der Sowjetunion,<ref>Zhenis Kembayev: [https://www.academia.edu/3418784/Probleme_der_Rechtsnachfolge_von_der_Sowjetunion_auf_die_Russische_Föderation Probleme der Rechtsnachfolge von der Sowjetunion auf die Russische Föderation]</ref> lehnt die Bezeichnung Genozid für den Holodomor weiterhin ab. Dem [[Außenministerium der Russischen Föderation]] nach seien dem Hunger in der Sowjetunion von 1932–1933 nicht nur Angehörige des ukrainischen Volkes zum Opfer gefallen, sondern auch [[Russen]] und Angehörige zahlreicher weiterer [[Ethnie]]n. Dort besteht der Verdacht, dass der Holodomor von „bestimmten politischen Kreisen“ in der Ukraine missbraucht werde.<ref>[http://rus.newsru.ua/ukraine/20nov2007/golod.html]</ref> [[Veröffentlichung von Depeschen US-amerikanischer Botschaften durch WikiLeaks|Wikileaks-Veröffentlichungen]] zufolge berichtete [[Andrew, Duke of York]], der US-amerikanischen Botschafterin [[Tatiana Gfoeller]] in [[Bischkek]], dass Russland Regierungen anderer Länder, insbesondere diejenige Aserbaidschans, unter Druck setze, den ''Holodomor'' nicht als Völkermord anzuerkennen.<ref>[http://www.kyivpost.com/content/ukraine/wikileaks-91997.html?flavour=mobile WikiLeaks reveals sensitive U.S. talks] Kyivpost.com, 3. Dezember 2010.</ref>

=== Position des Europarates ===
Die [[Parlamentarische Versammlung des Europarates]] (PACE) lehnte im April 2010 die von der ukrainischen Opposition gewünschte Bezeichnung Genozid in ihrer Resolution über die Hungerkatastrophe der 1930er-Jahre in der UdSSR ab.<ref>''[http://www.ukraine-nachrichten.de/artikel/2412/parlamentarische-versammlung-des-europarates-erkennt-holodomor-nicht-als-voelkermord-an Parlamentarische Versammlung des Europarates erkennt Holodomor nicht als Völkermord an]'', Ukraine-Nachrichten, 28. April 2010</ref> Zuvor war der damalige ukrainische Präsident Wiktor Janukowytsch vor der Versammlung aufgetreten und hatte sich ebenso gegen die Definition als Genozid ausgesprochen.

=== Anerkennung des Holodomor als Verbrechen gegen die Menschlichkeit ===
Am 23. Oktober 2008 erkannte das [[Europäisches Parlament|Europäische Parlament]] in einer Resolution den Holodomor als [[Verbrechen gegen die Menschlichkeit]] an.<ref>[http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P6-TA-2008-0523+0+DOC+XML+V0//EN&language=EN] Protokoll der Resolution der EU bezüglich des Holodomor vom 23. Oktober 2008, abgerufen am 29. Oktober 2009</ref>

== Etymologie ==
Das Wort „Holodomor“ setzt sich aus den zwei ukrainischen Wörtern „Holod“ und „Mor“ zusammen. „Holod“ („{{lang|ukr|голод}}“) heißt „Hunger“. „Mor“ ist ein altes [[Ostslawische Sprachen|ostslawisches]] Wort und bedeutet „Tod“, „Seuche“, „Massensterben“. Im modernen Sprachgebrauch sowohl des Ukrainischen als auch des Russischen bedeutet es „Vertilgung“. Holodomor heißt somit wörtlich übersetzt „Hungertod“. Es besteht kein sprachgeschichtlicher Zusammenhang mit dem Wort [[Holocaust]].

== Rezeption ==
'''Photographie'''
* Photographien aus dem Bestand des Zentralen Staatlichen Kino-Foto-Phono-Archivs der Ukraine (Ukrainisch: Центральний державний кінофотофоноархів України)<ref>[http://www.archives.gov.ua/Sections/Famine/photos.php]</ref>
* Ukrainer in Ungarn: Fotos von Holodomor<ref>[http://arhiv.ukranok.hu/holod/holod_foto/index.html]</ref>
* Holodomor. / Dokumentarfilme, Sendungen<ref>[http://www.share.net.ua/forum/index.php?showtopic=825]</ref>

'''Filme'''
* ''Neznanyj holod (Der unbekannte Hunger)'' ''(Незнанный Голод)''<ref>[http://novaxvylya.iatp.org.ua/ua/archive/novyny9c.htm]</ref>, Kanada, 1983
* ''Zhnyva rozpatschu (Ernte der Verzweiflung)'' ''(Жнива розпачу)'' Kanada, 1984,
* '' '33, svidtschennya otschewydtsiw ('33, Augenzeugenberichte)(33-й, свідчення очевидців)'', Ukraine, 1989
* ''Pid znakom bidy (Unter dem Zeichen des Unglücks)'' ''(Під знаком біди)'', Ukraine, 1990
* ''Holod – 33 (Hunger – 33) (Голод – 33)''<ref>[http://digka.org.ua/pages/golod-33.html]</ref>, Ukraine, 1991
* ''Velykyj slam (Der große Umbruch) (Великий злам)'', Ukraine, 1993
* ''Pieta (Пієта)'', Ukraine, 1994
* ''Ukrajins'ka nitsch 33-ho (Ukrainische Nacht von 1933) (Українська ніч 33-го)'', Ukraine, 2002
* ''Tschas temrjavy (Die Zeit der Dunkelheit, Час темряви)'', Ukraine, 2003
* ''Holodomor 1932–1933 r.r. (Голодомор 1932–1933 р.р.)'', Ungarn, 2004
* ''Velykyj Holod (Der große Hunger) (Великий Голод)''<ref>[http://digka.org.ua/pages/golod-velikyi.html]</ref>, Ukraine, 2005
* ''Tajna propavshej perepisi (Das Geheimnis der verschollenen Volkszählung) (Тайна пропавшей переписи)'', [[Russland]], 2005
* ''Holodomor. Tehchnologiji genozydu (Holodomor. Technologien des Genozids) (Голодомор. Технології геноциду)'', Ukraine, 2005
* ''Holodomor. Ukrajina (Holodomor. Ukraine) (Голодомор. Україна)'', Ukraine, 2005
* ''Holodomor. Ukrajina 20-ho stolittja (Holodomor. Ukraine im 20. Jh.) (Голодомор. Україна ХХ століття)''
* ''Zhyty zaboroneno (Zu leben ist verboten) (Жити заборонено)''
* ''Holodomor. Hungersnot in der Ukraine 1932–33'', Fotofilm, Österreich, 2010
* ''[[Holodomor – Bittere Ernte|Bitter Harvest]] (Holodomor–Bittere Ernte)'', Kanada, 2017<ref>{{Internetquelle|url=http://www.imdb.com/title/tt3182620/?ref_=nv_sr_1|titel=Bitter Harvest|autor=George Mendeluk|datum=2017-02-24|zugriff=2017-03-11}}</ref>
* ''[[The Soviet Story]]'', Dokumentarfilm, der unter anderem den Holodomor zum Gegenstand hat, wurde u.&nbsp;a. im Europäischen Parlament gezeigt

'''Ausstellungen'''
* ''Holodomor – der unbekannte Völkermord 1932–1933'', 13357 Berlin, Bunker am Blochplatz, Ecke Bad-/Hochstraße, 29. November bis 16. Dezember 2009<ref>[http://berliner-unterwelten.de/newsletter-november-2009.948.0.html Ausstellung in Berlin 2009] auf berliner-unterwelten.de</ref>
* ''Holodomor. Hungersnot in der Ukraine 1932–33'', ab 19. November 2010, Katholische Hochschulgemeinde Graz, Leechgasse 24, 8010 Graz, Österreich

== Siehe auch ==
* [[Geschichte der Ukraine#Sowjetzeit|Geschichte der Ukraine]]
* [[Geschichte Weißrusslands#Zwischen den Weltkriegen (Sowjetunion)|Geschichte Weißrusslands]]
* [[Geschichte der Sowjetunion]]

== Literatur ==
* [[Anne Applebaum]]: ''Red Famine. Stalin's War on Ukraine'', Allen Lane, London 2017, ISBN 978-0-3855-3885-5
* Levon Chorbajian, George Shirinian (Hrsg.): ''Studies in Comparative Genocide.'' St. Martin's Press, New York NY 1999, ISBN 0-312-21933-4.
* [[Robert Conquest]]: ''The Harvest of Sorrow. Soviet Collectivization and the Terror-Famine.'' The University of Alberta Press in Association with the Canadian Institute of Ukrainian Studies, Edmonton 1987, ISBN 0-88864-128-1.<ref>[http://books.google.de/books?id=Bp31GmfH-6YC&printsec=frontcover&hl=de#v=onepage&q&f=false The Harvest of Sorrow, Inhaltsverzeichnis] (englisch)</ref>
* Robert Conquest: ''La grande terreur. Les purges staliniennes des années 30. Précédé des Sanglantes moissons. La collectivisation des terres en URSS.'' R. Laffont, Paris 1995, ISBN 2-221-06954-4.
* Robert Conquest: ''Ernte des Todes. Stalins Holocaust in der Ukraine 1929–1933.'' Langen Müller, München 1988, ISBN 3-7844-2169-5.
* Robert W. Davies, Stephen G. Wheatcroft: ''The Years of Hunger. Soviet Agriculture 1931–1933'' (= ''The Industrialisation of Soviet Russia.'' Bd. 5). Palgrave Macmillan, Basingstoke u. a. 2004, ISBN 0-333-31107-8.
* Robert W. Davies, Stephen G. Wheatcroft: ''Stalin and the Soviet Famine of 1932–33 – A Reply to Ellman.'' In: ''Europe-Asia Studies.'' Bd. 58, Nr. 4, 2006, {{ISSN|0038-5859}}, S. 625–633, [[doi:10.1080/09668130600652217]].
* Gabriele De Rosa, Francesca Lomastro (Hrsg.): ''La morte della terra. La grande „carestia“ in Ucraina nel 1932–33'' (= ''Media et Orientalis Europa.'' Bd. 2). Atti del Convegno, Vicenza, 16–18 ottobre 2003. Viella, Roma 2004, ISBN 88-8334-135-X.
* Miron Dolot: ''Who Killed Them and Why? In Remembrance of Those Killed in the Famine of 1932–1933 in Ukraine.'' Harvard University – Ukrainian Studies Fund, Cambridge MA 1984, ISBN 0-9609822-1-3.
* Miron Dolot: ''Execution by Hunger. The Hidden Holocaust.'' Norton, New York NY u. a. 1987, ISBN 0-393-30416-7.
* Miron Dolot: ''Les affames. L'holocauste masqué, Ukraine 1929–1933.'' Éditions Ramsay, Paris 1986, ISBN 2-85956-514-0.
* Barbara Falk: ''Sowjetische Städte in der Hungersnot 1932/33. Staatliche Ernährungspolitik und städtisches Alltagsleben'' (= ''Beiträge zur Geschichte Osteuropas.'' Bd. 38). Böhlau, Köln u. a. 2005, ISBN 3-412-10105-2 (Zugleich: Bochum, Universität, Dissertation, 2003).
* Ruth Gleinig, Ronny Heidenreich: ''Erinnerungsorte an den Holodomor 1932/33 in der Ukraine.'' Herausgegeben von Anna Kaminsky. Leipziger Universitäts-Verlag, Leipzig 2008, ISBN 978-3-86583-261-0.
* Andrea Graziosi: ''The Great Soviet Peasant War. Bolsheviks and Peasants, 1917–1933.'' Distributed by Harvard University Press for the Ukrainian Research Institute – Harvard University, Cambridge MA 1996, ISBN 0-916458-83-0.
* Wsevolod W. Isajiw (Hrsg.): ''Famine-Genocide in Ukraine, 1932–1933. Western Archives, Testimonies and New Research.'' Ukrainian Canadian Research and Documentation Centre, Toronto 2003, ISBN 0-921537-56-5.
* [[Wiktor Andrejewitsch Krawtschenko (Diplomat)|Victor A. Kravchenko]]: ''I Chose Freedom.'' Charles Scribner's Sons, New York NY 1946.
* Robert Kuśnierz: ''Ukraina w latach kolektywizacji i Wielkiego Głodu (1929–1933).'' Grado, Torń 2005, ISBN 83-89588-35-8.
* [[Eugene Lyons]]: ''Assignment in Utopia''. Harcourt, Brace & Co, New York NY 1937, ([http://colley.co.uk/garethjones/soviet_articles/assignment_in_utopia.htm Auszug]).
* James E. Mace: ''Soviet Man-Made Famine in Ukraine.'' In: Samuel Totten, William S. Parsons, Israel W. Charny (Hrsg.): ''Century of Genocide. Eyewitness Accounts and Critical Views'' (= ''Garland Reference Library of Social Science.'' Bd. 772). Garland, New York NY u. a. 1997, ISBN 0-8153-2353-0, S. 78–112.
* James E. Mace: ''Communism and the Dilemmas of National Liberation. National Communism in Soviet Ukraine, 1918–1933.'' Distributed by Harvard University Press for the Harvard Ukrainian Research Institute and the Ukrainian Academy of Arts and Sciences in the U.S., Cambridge MA 1983, ISBN 0-916458-09-1.
* [[Rudolf A. Mark]], [[Gerhard Simon]], Manfred Sapper, Volker Weichsel, Agathe Gebert (Hrsg.): ''Vernichtung durch Hunger. Der Holodomor in der Ukraine und der UdSSR.'' Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2004. ISBN 3-8305-0883-2.
* [[Stephan Merl]]: ''War die Hungersnot von 1932–1933 eine Folge der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft oder wurde sie bewußt im Rahmen der Nationalitätenpolitik herbeigeführt?'' In: Guido Hausmann, [[Andreas Kappeler]] (Hrsg.): ''Ukraine. Gegenwart und Geschichte eines neuen Staates'' (= ''Nationen und Nationalitäten in Osteuropa.'' Bd. 1). Nomos-Verlags-Gesellschaft, Baden-Baden 1993, ISBN 3-7890-2920-3, S. 145–166.
* D'ann R. Penner: ''Stalin and the „Ital'ianka“ of 1932–1933 in the Don Region.'' In: ''Cahiers du Monde Russe.'' Bd. 39, 1998, {{ISSN|0008-0160}}, S. 27–67, ([http://www.persee.fr/web/revues/home/prescript/article/cmr_1252-6576_1998_num_39_1_2512 Digitalisat]).
* Oksana Procyk, Leonid Heretz, James E. Mace: ''Famine in the Soviet Ukraine 1932–1933. A Memorial Exhibition.'' Harvard University Press, Cambridge MA 1986, ISBN 0-674-29426-2.
* Timothy Snyder: Bloodlands: Europa zwischen Hitler und Stalin, Beck 2011, ISBN 978-3-406-62184-0.
* Georges Sokoloff (Hrsg.): ''1933, L'année noire. Témoignages sur la famine en Ukraine.'' Albin Michel, Paris 2000, ISBN 2-226-11690-7.
* Douglas Tottle: ''[http://rationalrevolution.net/special/library/famine.htm Fraud, Famine and Fascism. The Ukrainian Genocide Myth from Hitler to Harvard.]'' Progress Books, Toronto 1987, ISBN 0-919396-51-8
* Stephen G. Wheatcroft: ''Towards Explaining the Soviet Famine of 1931–1933. Political and Natural Factors in Perspective.'' In: ''Food and Foodways.'' Bd. 12, H. 2/3, 2004, {{ISSN|0740-9710}}, S. 104–136.
* Dmytro Zlepko (Hrsg.): ''Der ukrainische Hunger-Holocaust. Stalins verschwiegener Völkermord 1932/33 an 7 Millionen ukrainischen Bauern im Spiegel geheim gehaltener Akten des deutschen Auswärtigen Amtes. Eine Dokumentation.'' Wild, Sonnenbühl 1988, ISBN 3-925848-03-7.

== Einzelnachweise ==
<references responsive />

== Weblinks ==
{{Commonscat}}
* [http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/viktor-juschtschenko-im-gespraech-vielleicht-die-groesste-humanitaere-katastrophe-1724600.html Interview] mit [[Viktor Juschtschenko]] in der ''[[Frankfurter Allgemeine Zeitung|FAZ]]''
* [http://dl.oe.dgo-online.org/issues/dl/0412de.pdf Themenheft der Zeitschrift Osteuropa zum Holodomor] (Inhalt und Abstracts; PDF; 51&nbsp;kB)
* [http://www.faminegenocide.com/index.html ''Millions of Ukrainians were starved to death in the breadbasket of Europe.''] Famine Genocide Commemorative Committee [[Ukrainian Canadian Congress]], Toronto Branch
* [http://ukrainiangenocide.com/ Ukrainian Genocide Famine Foundation USA]
* [http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,458006,00.html Als Stalin die Menschen zu Kannibalen machte]
* [http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/703446/ Robert Baag (Deutschlandradio, 28. November 2007): ''Mord durch Hunger. Vor 75 Jahren: Stalin befiehlt den „Holodomor“ in der Ukraine'']
* [http://www.rferl.org/media/photogallery/holodomor-ukraine/25174454.html Zeitgenössische Fotografien aus der Ukraine von Alexander Wienerberger]
* https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/ukraine-1932-ein-volk-und-der-hungertod


[[Kategorie:Europäische Geschichte]]
[[Kategorie:Europäische Geschichte]]

Version vom 7. März 2018, 21:30 Uhr

Holodomor, was für ein Holdomor?